Vielen Dank, Frau Kollegin. Für die Fraktion der FDP erteile ich das Wort dem Abgeordneten Oliver Kumbartzky.
(Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Erzäh- len Sie bitte mal, wie ein Erdkabel aussieht! - Weitere Zurufe)
- Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Wort hat der Abgeordnete Kumbartzky. Ich bitte um Aufmerksamkeit für ihn.
Vielen Dank, liebe Frau Präsidentin. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal danke ich natürlich dem Wirtschaftsminister und seinen Mitarbeitern für den Bericht. Ich bin leicht beunruhigt; denn ich wollte meine Rede genauso anfangen wie Frau Poersch eben angefangen hat. Na ja; ich mache es trotzdem so.
Der erste Satz im Papier des Ministeriums beschreibt eindrucksvoll die Lage: „Der Netzausbau in Deutschland hält mit der Ausbaugeschwindigkeit der erneuerbaren Energien nicht Schritt.“ Bundesund Landesregierung haben die Notwendigkeit eines beschleunigten Netzausbaus als entscheidende Voraussetzung für die Weiterentwicklung der erneuerbaren Energien erkannt und den Netzausbau in ihren Energiekonzepten zu einer Schwerpunktaufgabe erklärt.
Meine Damen und Herren, alle Fraktionen hier im Landtag sind sich doch einig, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien oberste Priorität hat. Die Landesregierung hat in ihrem Energiekonzept eindrucksvoll beschrieben, wie der Weg zu 100 % erneuerbaren Energien beschritten werden soll. Der Windenergie kommt dabei eine ganz besondere Rolle zu. Aber die große Herausforderung ist natürlich der Netzausbau.
Deswegen haben CDU und FDP in ihrem Antrag, der einstimmig beschlossen worden ist, die Landesregierung gebeten, einen Bericht zur Entwicklung der Stromnetze vorzulegen. Der nun vorliegende Bericht zeigt, wie, wo und durch wen die einzelnen Ziele des Netzausbaus angegangen werden.
Den Netzbetreibern kommt selbstverständlich eine entscheidende Rolle zu. Es ist auch sehr zu begrüßen, dass die Landesregierung in engen Kontakten
und Gesprächen mit den Netzbetreibern steht. Zudem begrüßt die FDP-Landtagsfraktion, dass Minister de Jager als Vorsitzender der Wirtschaftsministerkonferenz der Länder einen Schwerpunkt im Bereich der Energiepolitik einschließlich Netzausbau setzen will.
Meine Damen und Herren, Schleswig-Holstein ist das wissen Sie alle - Energieexporteur. Eine Förderung der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien und eine verstärkte Entwicklung von Speichertechnologien sind aber wirkungslos, solange die Stromnetze nicht in der Lage sind, die produzierten Energiemengen ausreichend zu transportieren. Der Strom aus den Windparks an der Nordsee Schleswig-Holsteins muss natürlich auch bei den Verbrauchern im südlichen Deutschland ankommen. Schwarz-Gelb auf Bundes- und Landesebene treten für den dringend erforderlichen Ausbau der Energieinfrastruktur ein. Das ist auch gut so; denn ohne Netzausbau setzt Deutschland seine Versorgungssicherheit aufs Spiel.
Schon jetzt stoßen die Netze aufgrund der stetig steigenden Einspeisungen regenerativer Energien an die Grenzen ihrer Möglichkeiten. Es muss daher schnellstmöglich gelingen, die Netze technisch zu optimieren und natürlich auch auszubauen. Wir begrüßen, dass die Bundesregierung vor Kurzem eine nationale Plattform zum Stromnetzausbau ins Leben gerufen hat. Das Ziel ist, schnellere Planungsund Genehmigungsverfahren und eine bessere Bürgerbeteiligung zu gewährleisten. Der Investitionsbedarf für den Netzausbau in Deutschland insgesamt liegt im zweistelligen Milliardenbereich. Allerdings - das möchte ich an dieser Stelle auch erwähnen - dürfen die Kosten für die Energiekunden nicht ins Unermessliche steigen.
Ein großes Thema ist, wie gesagt, die Bürgerbeteiligung. Die Bürger wehren sich vielerorts gegen die Freileitungen. Deshalb müssen die Bürger von Anfang an in die Planungen einbezogen werden, und die Begründung und das Ziel für den Netzausbau müssen natürlich offen erläutert werden. Die Betroffenen vor Ort müssen von Anfang an informiert und beteiligt werden. Nur frühzeitige Information und Partizipation schaffen wirkliche Akzeptanz.
Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass alle Fraktionen das Thema Netzausbau auf ihrem Zettel haben und alle der Meinung sind, dass das Thema Netzausbau wichtig ist. Selbst die Grünen sind ja dafür, wie sie in der Pressemitteilung vom 17. Februar schreiben. Nun ist die Verlockung natürlich wieder groß, mit der „Dagegenpartei“ zu argumentieren und so weiter. Ich will das heute aber nicht
tun. Ich möchte die Grünen aber gerne auffordern, ihren Parteifreunden anderenorts noch einmal zu erläutern, wie wichtig der Stromnetzausbau ist, beispielsweise im Thüringer Wald oder in der Brandenburger Schorfheide. Vom Pumpkraftspeicherwerk in Atdorf oder dem Umspannwerk im niedersächsischen Mooriem wollen die Grünen nichts wissen, obwohl diese Projekte wichtig für den Ausbau der Versorgung mit erneuerbaren Energien und unverzichtbar sind.
Ich muss auch ganz ehrlich sagen, dass ich es verantwortungslos finde, auf der einen Seite den Ausbau von erneuerbaren Energien zu propagieren und anderenorts durch die Organisation von Bürgerprotesten dies massiv zu behindern.
Abschließend möchte ich festhalten: Das Thema Netzausbau ist bei Schwarz-Gelb und bei Minister de Jager sehr gut aufgehoben. Ich freue mich auf die weitere Diskussion im zuständigen Ausschuss.
Bevor ich das Wort dem Kollegen Detlef Matthiessen von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile, möchte ich Sie bitten, mit mir gemeinsam noch einmal Schülerinnen und Schüler der KätheLassen-Schule aus Flensburg zu begrüßen sowie Schülerinnen und Schüler der Regionalschule Plön. - Herzlich willkommen hier bei uns im Kieler Landtag!
Liebe Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kumbartzky, vielen Dank für die Hinweise auf grüne Ortsgruppen im Thüringer Wald. Ich werde versuchen, das zu verifizieren.
Lasst uns doch mal darauf verständigen, diese Spielchen zu lassen. Die Landespartei FDP ist für den Atomausstieg hier in Schleswig-Holstein. Dann komme ich auch nicht andauernd mit der Widersprüchlichkeit an, dass dabei ein FDP-Bundesminister die treibende Kraft dagegen ist. Was soll so etwas?
Irgendwann hat jemand vielleicht mal eine andere Meinung gehabt als heute. Das muss doch nicht sein. Das muss, finde ich, nicht ständiger Stil hier im Hohen Hause sein.
Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Minister, für den Bericht. Es gibt darin auch durchaus gute Seiten. Für mich steht bei der Bewertung allerdings eines im Vordergrund, nämlich der Mangel an Transparenz. Die Stromnetze gehören privatwirtschaftlichen Unternehmen; der Minister sagte das ja. Trotzdem sind sie aber keine Privatangelegenheit. Vielmehr sollen Stromnetze als quasi öffentliche Infrastruktur der Allgemeinheit dienen. Zwischen dem freien Markt der Stromerzeugung und dem freien Markt der Stromverbraucher steht das Netz, auf das alle Marktakteure angewiesen sind. Daher redet man auch von einem natürlichen Monopol. Es liegt in der Natur des Stromnetzes, ein Monopol zu sein. Stromnetzbetreiber, die gleichzeitig Stromerzeuger und/oder -händler sind, unterliegen bei der Bewirtschaftung ihrer Netze einem ständigen Anreiz zur Eigenbegünstigung. Das hat Folgen im Marktgeschehen, nämlich eine Diskriminierung der Marktteilnehmer, die mit dem Verbundunternehmen Netzbetreiber eben nicht verbunden sind.
Meine Damen und Herren, die Grünen fordern daher nicht nur die Rekommunalisierung der lokalen Netze - merkwürdigerweise ist im Bericht dazu kein Sterbenswörtchen zu finden, als hätte das mit Netz nichts zu tun -, sondern die Grünen fordern auch - Herr Thoroe, hören Sie zu -, Stromnetze als notwendige Infrastruktur der Daseinsfürsorge in die öffentliche Hand zu übertragen.
Herr Thoroe, das sage ich aber nicht als Postkommunist, sondern weil wir das brauchen, um eine vernünftige Bewirtschaftung dieses natürlichen Monopols und um Marktwirtschaft zu ermöglichen. Sie aber wollen gleich die gesamte Branche verstaatlichen.
Stattdessen sitzen diese Landesregierung und insbesondere die Bundesregierung auf dem Schoß der großen Energieunternehmen und bedienen deren Interessen. Deren Perspektive haben sie im Auge. Der Ausbau der Netze wird fast ausschließlich von den Netzbetreibern selbst geplant. Ihre Daten rücken sie nicht raus.
Die Landesregierung hat keine eigenen Daten, genauso wenig wie die Bundesregierung eigene Daten hat. Sie fragen die Daten auch nicht ab, Herr Minister. Wenn das Netz überlastet ist - selbstverständlich nach Einschätzung des Netzbetreibers -, werden die Erzeuger von erneuerbaren Energien wie zum Beispiel Windmühlen - zwangsabgeschaltet.
Unsere Kleine Anfrage, wer wann und wo abgeschaltet wurde und wie viel Kilowattstunden Ökostrom nicht den Weg zum Verbraucher fanden, konnte die Landesregierung schlicht nicht beantworten. Es geht aber um Millionenwerte, meine Damen und Herren. Wenn Sie selbst sagen, dass das volkswirtschaftlicher Wahnsinn sei, dann erwarte ich, dass die Landesregierung allein aus wirtschaftlichen Gründen diese Daten abfragt. Dabei möchte ich als Fragesteller nicht auf eine Homepage der Bundesnetzagentur verwiesen werden.
Hat die Landesregierung einmal ein eigenes Gutachten zur Entwicklung der Netze oder der erneuerbaren Energien erstellt? Nach meiner Kenntnis hat sie das bisher nicht getan. Das letzte Gutachten war das Handschin-Gutachten, das von den Grünen im Jahr 2000 erstmals in Auftrag gegeben wurde, damit sich die Landesregierung einmal ein eigenes Bild von der Infrastruktur im Land machen kann.
Transparenzmangel zeigt sich auch aktuell bei der Durchführung von Planfeststellungsverfahren beim Bau der 380-kV-Leitung beim Umspannungswerk Hamburg-Nord nach Dollern. Die Anhörung fand im April 2009 statt. Die Bürger haben bis heute noch keine Rückmeldung zu ihren Einwendungen bekommen, und das im Zeitalter des Internets. Das geht doch nicht.
Sowohl die Projektsteuerungsgruppe für die denaStudie als auch die Netzausbauinitiative der Landesregierung sind geschlossene Veranstaltungen mit intransparenten Verfahren. Die Stimmrechtsverteilung in der dena-Projektgruppe beispielsweise unterliegt der Vertraulichkeit. Das liegt daran, weil die Stimmrechte nach den Finanzmitteln, die die Beteiligten einbringen, verteilt werden. Wer mehr zahlt, setzt sich bei dena-Studien also mehr durch als andere und hat mehr Stimmrechte. Das ist Infrastrukturplanung in Deutschland. Das ist ein Skandal.
E.ON hat in den vergangenen fünf Jahren ganze 20 Millionen € in den Mittelspannungs- und den Niederspannungsbereich investiert. Das sind 4 Millionen € pro Jahr, also fast nichts. Das ist gerade mal der Gegenwert einer modernen Windmühle. TenneT und Vorgänger investierten rund 17 Millionen €, also auch fast nichts.
Erzeuger von erneuerbaren Energien müssen deshalb, von der Landesregierung verlassen, ihre Interessen selbst in die Hand nehmen. So wurde wegen des großen Repoweringprojektes Fehmarn-Mitte von den Investoren, die übrigens ausschließlich von der Insel stammen, ein eigenes neues Umspannwerk gebaut und eine 110-kV-Erdleitung unter dem Fehmarnsund bis zum Umspannwerk Göhl gebaut. Die Windmüller konnten es, der zuständige Netzbetreiber konnte es offenbar nicht. Die Dithmarschen Windmüller wollten neben das Umspannwerk Hemme ein zweites Umspannwerk bauen. Als alles geplant und finanziert war, erklärte E.ON plötzlich, dass E.ON das doch lieber selbst machen möchte. Die Beispiele lassen sich fortsetzen.
Ständig werden die Entwicklungsprognosen von der Wirklichkeit überholt. Sie haben die Zahlen genannt, Herr Minister: 9 GW Onshore-Windstrom bis zum Jahr 2015 und 3 GW offshore. Gut ist - das war auch in dem Bericht zu lesen -, dass der Minister diese neuen Zahlen korrigierend in die Bundesdebatte einführen will. Das ist auch bitter nötig, weil die dena-Studie immer noch von lächerlichen 3,9 GW in Schleswig-Holstein ausgeht. Das war noch nicht einmal der Stand Anfang 2010. Die Studie wurde aber im Dezember 2010 abgeliefert. Das ist die Aktualität auf der Bundesebene. Aus meiner Sicht ist das eine Schrottplanung, so will ich das jetzt einmal etwas volkstümlich erklären.
Wie funktioniert denn ein schneller Netzausbau? Akzeptanz und neue Technologien statt Augen zu und durch!
Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. - Wir brauchen eine neue Planung für die Umrüstung der 110-kV-Leitung Niebüll-Brunsbüttel auf 380 kV. So stand es in einer Pressemitteilung der Landesre
gierung, aber nicht im Bericht. Das kann uns doch nur erstaunen. Wir sind es der mittelständisch geprägten Branche der erneuerbaren Energien schuldig, den Fuß von der Bremse zu nehmen und anständig Gas zu geben. Der Netzausbau in Schleswig-Holstein muss endlich vorankommen.