Bei all dieser Euphorie wurde eines zunächst kaum berücksichtigt: Konventionelle Kraftwerke werden dort errichtet, wo der Strom gebraucht wird, nämlich in den Ballungszentren. Erneuerbare Energien werden jedoch verständlicherweise dort eingesetzt, wo es für die Erzeuger am wirtschaftlichsten ist. Hier müssen wir den Strom vom Produktions- zum Verbrauchsort transportieren. Der Herr Minister hat dies ausgeführt. Doch genau dieses Problem hatte man am Anfang nicht im Fokus. Das ist ein Punkt, den sich insbesondere Rot-Grün ankreiden lassen muss, nämlich den fehlenden Weitblick.
Die Sensibilität für den Ausbau der Stromnetze ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen, doch nun ist es umso schwieriger, die Versäumnisse der Vergangenheit zu beheben. Schon in der ersten denaNetzstudie wurde der Ausbaubedarf auf über 1.200 km beziffert. Bei der zweiten Netzstudie kamen weitere 3.600 km hinzu.
- Herr Habeck, im Moment nicht. Diese Herausforderung verlangt unser aller Engagement. Die Netzbetreiber sind angehalten, ihre Netze zügig auszubauen. Dazu gehört auch, dass frühzeitig geplant wird und dass die Anwohner mit einbezogen werden. Das ist in der Vergangenheit nicht immer im ausreichenden Maß erfolgt. Auch politische Selbstkritik ist hier angezeigt.
Ich glaube aber, dass hier langsam auch bei den Netzbetreibern ein Umdenken eingesetzt hat. Die Landesregierung hat verdeutlicht, dass sie alles tut, beispielsweise durch die Netzinitiative, um diesen Umdenkprozess zu beschleunigen. Wir unterstützen sie dabei ausdrücklich.
Auf allen Spannungsebenen sind die Erfordernisse ermittelt und teilweise auf Planungsniveau gebracht worden beziehungsweise bereits in Planung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe bereits von einer großen Herausforderung beim Netzausbau gesprochen. Diese Herausforderung bezieht sich nicht nur auf den finanziellen Aufwand, sondern auch auf die Akzeptanz vor Ort. Hier sind wir alle, die den Ausbau der erneuerbaren Energien wollen, gefordert, um konstruktiv zu vermitteln. Es
- Verehrter Kollege Schulze, wir, auch Sie, müssen zur Kenntnis nehmen: Erneuerbare Energien fordern, Leitungsausbau verhindern; so geht das nicht.
Weil dieses Thema sicher wieder angesprochen wird, möchte ich auch das Thema Erdkabel aufgreifen. Ich kann alle Beteiligten nur vor diesem süßen Gift warnen. Auf den ersten Blick sind Erdkabel sehr gut. Man sieht sie nicht, und sie stören nicht. Erdkabel sind sogar teilweise vorgeschrieben, das haben wir in der Debatte vor einem Jahr erörtert. Doch für die Verlegung eines 380-kV-Erdkabels muss eine durchschnittlich 50 m breite Schneise durch die Landschaft gezogen werden. Das sind breite Schneisen und breite Trassen, die nicht mehr nutzbar sind. Einmal verlegt, lässt sich das Erdkabel unter anderem deutlich schlechter warten als Freileitungen. Das ist nur ein Grund. Das gewichtigste Argument aber sind die Kosten. Sie betragen im Vergleich zur Errichtung von Freileitungen oft ein Vielfaches, auch wenn Sie das dementieren.
(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann belegen Sie das! Dafür kriegen Sie E.ON-Studien, unabhängige Stu- dien stützen das nicht!)
- Genau, sehr gut. Das werden Sie mit Sicherheit gleich noch ausführen. Das dürfen wir aber nicht aus den Augen verlieren. Ich stelle hier noch einmal deutlich klar: Wirtschaftlich sinnvolle Lösungen tragen wir selbstverständlich mit.
Zwar wird das Energieleitungsausbaugesetz (En- LAG) gerade so geändert, dass eine Erdkabellösung bei den Pilotvorhaben des EnLAG von den Planungsbehörden verlangt werden kann, doch ich glaube nicht, dass es wünschenswert ist, diese Regelung auf alle Vorhaben zu übertragen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, dann kommen wir irgendwann so unter Druck, dass nur noch Erdkabel verlegt werden. Das können wir uns schlicht nicht leisten.
Die belehrenden Fragen des Kollegen Matthiessen lasse ich generell nicht zu. Das müsste er mittlerweile gelernt haben. - Das Erdkabel darf nicht das Feigenblatt sein, mit dem man sich beim Netzausbau aus der Verantwortung stehlen möchte. Ich plädiere daher dafür, die Erfahrungen, die beispielsweise jetzt in Niedersachsen mit dem EnLAG gesammelt werden, zunächst auszuwerten. Ich könnte mir vorstellen, dass analog zu den Windkraftanlagen das Repowering der bestehenden Leitungsnetze schneller zum Ziel führt. Ich beantrage die Überweisung des Berichts in den Wirtschafts- sowie in den Umwelt- und Agrarausschuss. Ich möchte es nicht versäumen, mich beim Wirtschaftsminister und bei der zuständigen Fachabteilung für den Bericht zu bedanken.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Netzausbau in Deutschland hält mit der Ausbaugeschwindigkeit der erneuerbaren Energien nicht Schritt.
Bereits der erste Satz des Berichts beschreibt die Kernaussage und das Kernproblem. Oder, um es mit der Überschrift der ,,Norddeutschen Rundschau“ von vor zwei Tagen auszudrücken: ,,Zu viel Strom für zu wenig Netz!“ - Wie wahr.
Der Bericht des Wirtschaftsministeriums, für den ich mich bei den Verfasserinnen und Verfassern im Namen meiner Fraktion bedanken möchte, hält es schriftlich fest: Es wird zwar weiter viel Strom aus Windenergie erzeugt, dieser versickert jedoch we
gen fehlender Netzkapazitäten ungenutzt. Biomasseanlagen laufen gerade im Norden unseres Landes im Leerlauf.
Viel ist zu lesen über die prognostizierten Strommengen im Allgemeinen und aus erneuerbaren Energien im Besonderen. Der Bericht enthält die zentrale Prognose, dass bis 2015 8.700 MW bis 10.300 MW zusätzlich aus erneuerbaren Energien produziert und damit vom Netz aufgenommen werden wollen. Daraus abgeleitetes Handeln sucht man in dem Bericht jedoch vergeblich.
Nach der Lektüre des Berichts bin ich weniger denn je der Auffassung, dass sich diese Landesregierung wirklich auf die zunehmende Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien und auf die Stromerzeugung auf See und in Küstennähe vorbereitet. Die Regierung geht davon aus, dass die Ableitungskapazität erhöht werden muss, dass vorhandene Leitungstrassen ertüchtigt werden müssen und dass neue Trassen aller Spannungsebenen notwendig werden. Was aber folgt daraus? - In welcher Weise wird die Regierung aktiv und handelt, damit die Ableitungskapazität erhöht wird, damit vorhandene Leitungstrassen ertüchtigt werden und damit neue Trassen aller Spannungsebenen gebaut werden? Wir lesen, sie werde die Gespräche intensivieren. Mehr nicht. Wir lesen, sie werde die Netzbetreiber auffordern, unverzüglich den notwendigen Netzausbau voranzutreiben. Mehr nicht. Wir lesen, sie werde die bundespolitische Diskussion um die Anerkennung von höheren Kosten von Erdkabeln gegenüber Freileitungen begleiten. Mehr nicht. Das ist entschieden zu wenig.
Mein Eindruck ist: Die Landesregierung will lediglich den Anschein erwecken, den erneuerbaren Energien nicht abgeneigt zu sein. Sie verkennt dabei, dass diese längst auf dem Vormarsch sind und dass wir inzwischen Strommengen erreichen, die wir nicht einfach vergeuden dürfen. Das ist volkswirtschaftlicher Irrsinn.
Der Bericht erkennt zutreffend, dass vielerorts Menschen einerseits für erneuerbare Energien seien, aber gegen Stromleitungen. Wenn das so ist, wenn Studien uns sagen, auf welche Menge die Stromerzeugung in den nächsten Jahren ansteigen
Kommen Sie endlich den Wünschen der Bevölkerung entgegen, und setzen Sie sich aktiv und mit Engagement für die Verlegung von Stromleitungen unter der Erde ein. Das, Herr Minister, löst die in Ihrem Bericht beschriebene Dichotomie auf und sorgt für echte Akzeptanz für neue Stromleitungen. Kollege Magnussen, auf der Ebene der Hochspannung bei 110 kV wären wir schon deutlich weiter, wenn Sie das wenigstens mal akzeptieren könnten.
Wenn Sie wirklich wollen, dass Leitungen schnell und ohne lange Klage- und Enteignungsverfahren gebaut werden, dann sollten Sie darauf hören, was die Menschen im Lande wollen, was Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker aller Couleur und auch Tourismus-, Bauern- und Naturschutzverbände wollen. Die letzteren sind sich ja ausnahmsweise mal einig. Das hat ja auch etwas zu bedeuten.
Nebenbei: Auch die im Bericht wie zufällig einstreute Behauptung, die Kosten für die Verlegung von Erdkabeln seien gegenüber Freileitungen deutlich höher, zeigt, welch Geistes Kind der Bericht ist: Er soll den Stromkonzernen gefallen und nicht den Menschen!
Nun mag man sagen, die öffentliche Hand, das Land, habe nur geringen oder gar keinen Einfluss auf den Netzausbau durch die Netzbetreiber. Wenn das so ist, dann müssen wir den Einfluss eben steigern. Die SPD-Fraktion ist seit jeher der grundsätzlichen Auffassung, dass Netz und Betrieb voneinander getrennt werden sollten. Die Stromkonzerne dürfen eben nicht mehr allein für den Ausbau und Betrieb der Netze zuständig sein. Auch darf die Verpflichtung der Netzbetriebe, ein leistungsfähiges und sicheres Netz vorzuhalten, nicht unter den Vorbehalt der wirtschaftlichen Zumutbarkeit gestellt werden.
Nur dadurch wird das, was die Landesregierung in ihrem Bericht mit freundlichen, aber, wie ich finde, schwachen Appellen versucht, auch mit politischem Nachdruck erreichbar sein: ein leistungsfähiges Stromnetz unter der Erde, das den Anforderungen unseres Landes auch über 2015 hinaus gewachsen sein wird, ein Stromnetz, das den Menschen dient und nicht den Stromkonzernen.
Vielen Dank, Frau Kollegin. Für die Fraktion der FDP erteile ich das Wort dem Abgeordneten Oliver Kumbartzky.