Protocol of the Session on February 24, 2011

(Beifall beim SSW sowie vereinzelt bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LIN- KEN)

Darum ist es ärgerlich, dass die Kollegin Funke dies vorhin doch sehr formaljuristisch betrachtet hat. Ich denke, das ist der Sache nun wirklich nicht dienlich.

(Beifall beim SSW sowie vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LIN- KEN)

Darum sage ich: Norwegen hat es vorgemacht. Nachdem Aktiengesellschaften ihre Aufsichtsräte freiwillig quotieren konnten, gibt es seit 2003 ein Gesetz, das einen Mindestanteil von 40 % Frauen

(Björn Thoroe)

beziehungsweise Männern in Aufsichtsräten von Aktiengesellschaften vorschreibt.

(Christopher Vogt [FDP]: Die sind doch gar nicht in der EU!)

Ausgerechnet ein Minister unter einer konservativen Regierung führte die Regie für ein Gesetz, dass die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in Spitzenpositionen sichert. Erst war die Empörung groß über diesen politischen Eingriff in die Wirtschaft. Aber mittlerweile herrscht weitestgehend Konsens bei beiden Geschlechtern, dass nur mit Zwang und begleitenden Maßnahmen die Gleichberechtigung von Frauen und Männern erreicht werden kann.

Diese Erkenntnis gibt es mittlerweile auch in Deutschland. Daher begrüßen wir ausdrücklich den Gesetzentwurf der Grünen, in dem gefordert wird, dass zukünftig mindestens vier Frauen im Aufsichtsrat des UK S-H vertreten sein müssen.

Bisherige freiwillige Absprachen zwischen Politik und Wirtschaft - wie zum Beispiel 2001 zwischen den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft und der Bundesregierung zur Förderung der Chancengleichheit - führten eben nicht zu den gewünschten Ergebnissen. Bis heute ist es eher eine Ausnahme als eine Selbstverständlichkeit, dass Frauen Spitzenpositionen in der Wirtschaft einnehmen. Der Gesetzentwurf der Grünen ist also ein Schritt in die berühmte richtige Richtung.

Die Statistiken zu den Top-200-Unternehmen in Deutschland zeigen, dass Frauen 2010 in Vorständen zu 3,2 % und in Aufsichtsräten zu 10,6 % vertreten waren. Obwohl sich die Anzahl der Frauen zum Beispiel in den Aufsichtsräten seit 2007 auf 7,8 %, also um 2,8 %, erhöht hat, ist das Ziel der Gleichberechtigung von Frauen und Männern noch lange nicht erreicht. Dies hängt nicht damit zusammen - das möchte ich dann auch noch einmal vorsichtshalber wiederholen -, dass Frauen nicht bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und lieber zu Hause das Familienglück suchen, es hängt ganz einfach damit zusammen, dass Männer Männer unterstützen und auch Frauen eher Männer fördern, sodass Frauen häufig keine Chance erhalten.

Für Frauen gibt es in weiten Teilen der Berufswelt eine sogenannte „gläserne Decke“ auf der Karriereleiter. In diesem Punkt unterscheidet sich Deutschland im Übrigen wenig von Norwegen. Hier wie dort das gleiche Bild: Frauen arbeiten eher im öffentlichen oder sozialen Sektor, sie haben häufig Teilzeitstellen inne, und Aufstiegschancen bleiben ihnen häufig verwehrt. Auch Universitäten ma

chen dies vor. Obwohl der Anteil der Studienanfängerinnen und -anfänger fast gleichauf liegt, gehen die Frauen im Karriereverlauf irgendwie verloren. Es gibt sehr viel mehr Professoren als Professorinnen. Gerade einmal 18 % der in Deutschland lehrenden und forschenden 39.800 Professorinnen und Professoren sind Frauen. Und auch in der Politik sieht es nicht anders aus. Die beschämende Zahl von Staatssekretärinnen und Ministerinnen in der Landesregierung zeigt, wie weit wir von einer geschlechtergerechten Gesellschaft entfernt sind.

(Beifall bei SSW und der LINKEN)

Wer für Gleichberechtigung eintritt, muss Frauen fördern. Von den in den Aufsichtsräten der „Top 200“ vertretenen Frauen wurden um die 75 % von Arbeitnehmervertretungen entsandt. Hier gibt es also Strukturen, die Frauen fördern. Das Gleiche gilt für den öffentlichen Dienst. Es gibt Frauenförderprogramme und die öffentliche Ausschreibung aller Führungspositionen, sodass hier Frauen eher in Spitzenpositionen zu finden sind als in der öffentlichen Wirtschaft.

Insgesamt gilt aber, dass Frauen nicht die besseren Männer sein sollten, sondern dass wir eine Kultur der Frauen- und Familienförderung in unserer Gesellschaft brauchen. Es gibt strukturelle Rahmenbedingungen zur Förderung von Frauen und auch Familien, aber sie reichen in Teilen nicht aus oder werden erst gar nicht umgesetzt. Und auch die bisherigen freiwilligen Vereinbarungen machen deutlich, dass wir so dem Ziel der Gleichberechtigung nicht näher kommen. Aus Sicht des SSW gilt es daher, ein höheres Maß an Verbindlichkeit zu schaffen. Klare Vorgaben für Aufsichtsräte sind ein Schritt. Es geht aber auch darum, endlich zu verstehen, dass Unternehmen nicht nur wirtschaftlich von Frauenbeteiligungen profitieren, sondern dass schlichtweg der Respekt vor den Geschlechtern Gleichberechtigung verlangt.

(Beifall beim SSW sowie vereinzelt bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LIN- KEN)

Für einen Dreiminutenbeitrag erteile ich jetzt der Frau Abgeordneten Dr. Marret Bohn das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Beitrag ist nur für die Kollegin Funke. Liebe Kollegin Funke, ich finde es sehr

(Anke Spoorendonk)

interessant, dass Sie mir unterstellen, dass das populistisch sei, was ich hier vorstelle. Ich habe 20 Jahre lang als Ärztin gearbeitet, ich weiß ganz genau, wovon ich rede. Ich meine das ganz genau so, wie mein Kollege Andresen und ich das hier vorgetragen haben. Es gibt eine gläserne Decke. Es wird höchste Zeit, dass sich endlich einmal etwas ändert. Und bei dieser Retrofrauenpolitik, die Sie hier vorstellen, platzt einem wirklich der Kragen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und der LINKEN - Dr. Christian von Boetticher [CDU]: O Gott, o Gott! - Weitere Zurufe von CDU und FDP)

Wenn Sie sich bitte freundlicherweise mit der Andiskriminierungsrichtlinie und ihrer Geschichte auseinandersetzen würden - Sie müssen sich ja nicht mit Kollegen der Grünen, des SSW oder der SPD darüber unterhalten, sondern nur mit „unabhängigen“ Experten -, dann wüssten Sie, warum sie zustande gekommen ist. Genau das ist ja der Grund, nämlich, dass die Dinge zu mehr Gleichberechtigung führen sollen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt beim SSW)

Mein letzter Punkt: Sie beanspruchen in Ihrer Partei eine Wirtschaftskompetenz. Lesen Sie die Studie der Wirtschaftsberatung McKinsey, dann werden Sie sehen, dass die Unternehmen erfolgreicher sind, in denen es gemischte Aufsichtsräte gibt.

(Zurufe von der FDP)

Das ist eindeutig nachgewiesen. Das ist keine Grünen-nahe Studie.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP jetzt komme ich wieder zu Ihnen allen -: Wie kommt es denn - wenn Sie alle doch gleich gut sind -, dass bei Ihnen auf den ersten vier Listenplätzen nur Männer kandidiert haben? Wie kommt das denn?

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, der LINKEN und SSW)

Für die Landesregierung hat der Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, Herr Jost de Jager, das Wort.

(Zurufe von der FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eine kurze Vorbemerkung: Eigentlich habe ich mir vorgenommen, nicht auf Anmerkungen aus der Fraktion DIE LINKE einzugehen, weil dies meistens nicht sinnvoll ist. In diesem Fall möchte ich es aber machen, weil es mir die Gelegenheit gibt, mein eigenes Ministerium in einem guten Licht darstellen zu können. Sie haben mich gefragt, wie ich mir vorstellen kann, eine verbesserte gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen ohne Quote hinzubekommen. Ich sage Ihnen, das ist ganz einfach: 100 % der Staatssekretärspositionen in meinem Haus sind mit Frauen besetzt. Wir sind im Moment dabei, 50 % der Abteilungsleitungen ebenfalls mit Frauen zu besetzen.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und vereinzelt bei CDU und SPD - Zu- rufe)

- Ja, ich kann mir vorstellen, dass Sie wollen, dass 100 % der Wirtschaftsminister Frauen sind.

Ich sage das nicht aus einem gönnerhaften Ansatz nach dem Motto: Wir machen Frauenförderung. Ich halte den Begriff für problematisch. Ich sage dies, weil es ein Beweis dafür ist, dass man eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen hinbekommen kann, ohne eine Quote einzuführen. Das ist aus meiner Sicht ein ganz entscheidender Punkt. Es geht nicht um die Quote, sondern es geht darum, dass die Mentalität in den Gremien, die Personalentscheidungen fällen, so ist, dass diese gleichberechtigte Teilhabe tatsächlich angewendet wird. Das ist aus meiner Sicht der entscheidende Punkt.

(Beifall bei der FDP)

Zur Sache glaube ich, dass der Antrag der Grünen mit dem Gesetzentwurf problematisch ist, weil er mit einem anderen Prinzip widerstreitet, das in der gegenwärtigen Hauptsatzung und in dem Gesetz des UK S-H für die Besetzung des Aufsichtsrates angelegt ist. Das Prinzip ist gegenwärtig, dass die unterschiedlichen Interessen im Klinikum im Aufsichtsrat abgebildet werden. Ich komme gleich dazu.

Die Eigentümerinteressen werden durch gesetzlich fixierte Positionen innerhalb der Landesregierung vertreten. Das sind die drei Staatssekretärspositionen aus den betreffenden Ministerien. Zwei Positionen können in der Tat von der Landesregierung benannt werden. Das sind die Experten aus Wissen

(Dr. Marret Bohn)

schaft und Wirtschaft. Ansonsten gibt es Vertretungen der Personalräte der beiden Universitäten, und zwar wissenschaftlich und nicht wissenschaftlich. Diese sind dabei ebenfalls zu berücksichtigen. Das Prinzip ist so angelegt, dass diese Interessengruppen ihre Vertreter selbst benennen. In dieses Recht einzugreifen, muss man sich sehr genau überlegen.

Frau Bohn, Ihr Gesetzentwurf würde in der gegenwärtigen Situation bei drei Frauen, die jetzt Mitglied sind, Folgendes auslösen: Wenn der Personalrat Wissenschaft einen neuen Vertreter benennt, der ein Mann ist, dann müsste ich dem Personalrat schreiben: Ich kann ihn nicht benennen. Benennen Sie bitte eine Frau. Nun finde ich aber, dass der Personalrat Wissenschaft autonom entscheiden sollte, wer benannt wird. Ich bin auch der Auffassung, dass die Präsidien selbst benennen sollten, wen sie dort haben. Insofern glaube ich, dass das im Aufsichtsrat des UK S-H angelegte Prinzip richtig ist, dass sich im Aufsichtsrat des UK S-H alle Interessengruppen wiederfinden und dass die Interessengruppen ihre Vertreter selbst benennen können. Ich bin der Auffassung, wir sollten dies durchhalten.

(Beifall bei CDU und FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratungen.

Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf Drucksache 17/1282 an den Bildungsausschuss zu überweisen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen. - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich unterbreche die Beratungen für eine Mittagspause bis 15 Uhr. Ich wünsche Ihnen einen guten Appetit und gute Gespräche.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Unterbrechung: 13:14 Uhr bis 15:03 Uhr)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die Sitzung wieder. Ich bitte, Platz zu nehmen.

Begrüßen Sie mit mir herzlich auf der Besuchertribüne Besucherinnen und Besucher. Und zwar haben wir heute Vertreterinnen und Vertreter der neuen Eutiner Festspiele hier, wir haben ebenfalls GEW-Senioren aus Flensburg hier und Mitglieder des Inner Wheel Club aus Flensburg. - Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall)

Meine Damen und Herren, wir kommen zunächst verabredungsgemäß zu dem uns jetzt vorliegenden Dringlichkeitsantrag.