Protocol of the Session on February 24, 2011

Ich möchte noch ein paar weitere Aspekte erwähnen. Dass wir dieses Thema überhaupt ansprechen müssen, ist klar. Ich erinnere auch noch einmal an die Debatte nach der Kommunalwahl im Mai 2008. Da gab es ein großes Kuddelmuddel, ein großes Durcheinander. Ich möchte Klaus-Peter Puls zitieren, der damals für die SPD am 11. September 2008 das auch als „offensichtlich gesetzgeberischen Murks“ bezeichnet hat. Natürlich müssen wir jetzt handwerklich eine saubere und bessere Lösung finden. Das ist doch ganz klar.

Ich finde es sehr gut, dass die Grünen auch die Argumente, die sich aus dem Urteil des Landesverfassungsgerichts zur Landtagswahl abgeleitet haben, mit aufgenommen haben. Das finde ich sehr gut. Das betrifft zum einen die Größe der Wahlkreise, und ich finde zum anderen auch die Idee sehr gut, das Verhältnis der Direktwahlkreise und Listenmandate in den großen Städten zu ändern. Ich weise aber auch darauf hin, dass zu Recht gesagt wurde, dass wir das Prinzip einer natürlichen Hürde haben, um überhaupt in Fraktionsstärke ins Parlament einziehen zu können. Insofern werden wir dort noch entsprechende Beratungen in den Ausschüssen brauchen. Das ist ganz klar.

So, wie es jetzt ist, kann es natürlich nicht weitergehen. Wir haben bei uns in der Tat das Problem, dass es auf der einen Seite Kommunalvertretungen gibt zum Beispiel Bad Segeberg -, die die kleine Lösung angewendet haben, es auf der anderen Seite aber auch Kommunalvertretungen gibt - zum Beispiel Kiel -, die die große Lösung angewendet haben. Das geht natürlich nicht. Deshalb brauchen wir da eine einheitliche Lösung. Logisch, ein Mensch - eine Stimme; und die muss auch gleich viel wert sein. Das bedeutet auch, dass der Vollausgleich auf jeden Fall kommen muss.

Wir können uns auch noch mehr vorstellen. Wir können uns tatsächlich vorstellen, dass wir kumulieren und panaschieren. Ich sehe es nicht so, dass die Ergebnisse aus Hamburg bei der Wahl vom letzten Wochenende ein deutliches Zeichen gegen diese weitere Möglichkeit der Bevölkerung setzen, das Parlament so zu wählen und dabei eine größere Auswahl zu schaffen. Ich finde eher, dass von den

(Günther Hildebrand)

Bürgerinnen und Bürgern in Hamburg damit verantwortungsvoll umgegangen worden ist. Ich glaube auch, dass es uns tatsächlich gut anstehen würde, wenn wir das jetzt schon nicht auf der Landesebene diskutieren - vielleicht auch aufgrund der Situation, dass wir bald zu Potte kommen müssen -, das zumindest in Bezug auf die Kommunalwahlen zu diskutieren. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass Kommunalwahlen noch stärker als Landtagswahlen von den Persönlichkeiten vor Ort getragen werden. Ich glaube schon, dass durch kumulieren und panaschieren auch den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger nach mehr Mitbestimmung bei der Wahl Rechnung getragen würde.

Ich hoffe, wir haben eine interessante Debatte im Innen- und Rechtsausschuss.

Ein Wort noch zu Sainte-Laguë/Schepers. Wir haben den entsprechenden Antrag zusammen mit dem SSW gestellt. Ich denke, auch da werden wir zu einer einvernehmlichen Lösung kommen.

(Vereinzelter Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Schippels. - Das Wort hat jetzt für die Fraktion des SSW Frau Abgeordnete Silke Hinrichsen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der SSW hat zu dem heute vorliegenden Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eine Änderung eingebracht. Vielen hier im Haus kommt diese Änderung bekannt vor, sie stammt nämlich aus der letzten Legislaturperiode und ist hier in den Landtag damals vom Kollegen Hentschel eingebracht worden.

Hintergrund ist, dass wir uns schon damals über das Wahlsystem bei Gemeinde- und Kreistagswahlen unterhalten haben. Wir begrüßen auch ausdrücklich die Änderungen, die heute seitens BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN hier vorgetragen worden sind. Denn nicht nur allein die Änderung der Verhältnisse der Listenmandate zu den Wahlkreismandanten bringt eine bessere Darstellung der Wählerentscheidung zum Ausdruck, sondern auch die Wahl des Zählverfahrens. Nach unserer Ansicht kann die Wahlauszählung nach d'Hondt eine Verfälschung des Wählerwillens mit sich führen, wie es bei der Landtagswahl 2009 geschehen ist. Nach Ansicht der Experten, die im Innen- und Rechtsausschuss zum neuen Wahlgesetz angehört wurden, ergibt sich,

dass der Erfolgswert einer Stimme auch beim Einstimmenwahlrecht allein durch das Auszählverfahren verändert werden kann. Schon aus diesem Grund ist es angezeigt, auch bei den Gemeindeund Kreiswahlen das Zählverfahren umzustellen.

Wie meine Kollegin Anke Spoorendonk im September 2008 sagte, muss oberstes Ziel eines Wahlgesetzes sein, die Stimmen der Wählerinnen und Wähler so präzise wie möglich in eine Mandatsverteilung umzusetzen. Im Jahr 2008 führte das bestehende Wahlrecht aber dazu, dass es in Husum möglich war, den SSW aus den Ausschüssen zu drängen: Der SSW hatte 10,5 % der Stimmen erhalten und war trotzdem nur in zwei Ausschüssen vertreten. Dagegen konnten FDP und die Grünen trotz 4,3 beziehungsweise 2,8 % weniger Stimmen jeder für sich mehr Ausschusssitze erhalten als der SSW. Und die CDU konnte auch noch mit rund drei Mal so vielen Stimmen wie der SSW zwölf Mal so viele Sitze in den Ausschüssen ergattern. Diese Darstellung zeigt, dass hier wirklich der Wurm drin ist. Und so etwas darf nicht noch einmal geschehen.

(Vereinzelter Beifall bei SSW und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Dabei ist uns bekannt, dass die Einführung von Sainte-Laguë nicht nur hier im Kreis- und Gemeindewahlgesetz, sondern auch in der Gemeinde- und Kreisordnung erfolgen muss, damit die Verfälschungen, wie sie nach der letzten Kommunalwahl stattgefunden haben, nicht wieder geschehen können.

Hierzu dient auch die Änderung in § 10 Abs. 4, nämlich die vollständige Streichung von Satz 3, die nach der letzten Wahl zu unterschiedlichen Interpretationen Anlass gab und je nach Couleur auch zu unterschiedlichen Ergebnissen in einzelnen Kommunen und Kreistagen führte. Die Gefahr der erheblichen Mehrsitze in den Kommunen und Kreistagen sehen wir, aber dafür spiegelt sie besser die Stimmenverteilung und damit den Wählerwillen wider. In der Begründung des Antrags wird den Ausführungen zur Interpretation zu § 10 Abs. 4 des Gemeinde- und Kreiswahlgesetzes viel Raum gegeben, und dies hat bereits 2008 zu erheblichen Irritationen und Ärger vor Ort geführt.

Diese unterschiedlichen Auslegungen des Gesetzes darf es im Zusammenhang mit der Kommunalwahl 2013 nicht wieder geben, denn Gesetze wie Gemeindeordnung, Kreisordnung und auch Gemeindeund Kreiswahlgesetz sind Gesetze, die auch für jeden Laien verständlich und nachvollziehbar sein müssen. Das waren sie nach der letzten Wahl nicht.

(Ulrich Schippels)

Das Landesverfassungsgericht hat uns hier Instrumente genannt, mit denen man dies ändern kann.

Der SSW ist der Auffassung, dass es auch vor Ort eine ebenso gerechte Verteilung der Sitze in den Gremien der Kommunalvertretungen geben muss. Das Verteilungsverfahren für Ausschüsse und Gremien muss deshalb auch geändert werden, und wir werden zur Gemeinde- und Kreisordnung eine entsprechende Gesetzesänderung einbringen, weil die demokratische Kultur vor Ort Verzerrungen nicht vorgebeugt hat. Es kam zu unterschiedlichen Interpretationen, die große und die kleine Lösung - je nachdem, wie es gerade vor Ort passte. Der Kollege Fürter hat es vorhin schon ausgeführt. Es muss deshalb auch hier eine bessere Regelung der Sitzverteilung geben.

Auch die Änderung der Wahlkreisgrößen ist neben der Änderung des Verhältnisses zwischen Direktwahlkreisen und Listenmandaten eine Regelung, die der Erfolgswertgleichheit der jeweiligen Stimme Rechnung trägt. Damit ist - wie der Kollege Fürter ausgeführt hat - nur noch ein absoluter Unterschied von höchsten 30 % möglich und nicht wie jetzt von 50 %.

Abschließend möchte ich aus dem Gesetzentwurf zitieren: Eine Mehrheit „muss eine Mehrheit an der Urne“ widerspiegeln und nicht durch einzelne Vorschriften des Wahlrechts zu einer anderen Mehrheit führen.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Frau Abgeordneter Monika Heinold das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Nicolaisen, sie haben vorhin aus den „Lübecker Nachrichten“ zitiert. Ich denke, es tut gut, zu dem, was Sie gesagt haben, zu ergänzen, was unser Modell so alles noch beinhaltet. Sie haben hier eine Zwischenfrage nicht zugelassen.

Erstens. Es ist ein Modell, das rein auf Freiwilligkeit beruht. Ich weiß nicht, ob Ihnen das bekannt ist. Wenn es Ihnen bekannt ist, hätten Sie das auch hier mit sagen können. Es ist also keine Zwangsveranstaltung für die Kommunen.

Zweitens. In Teilen von Ostholstein wird dieses Modell mit Großgemeinden und Dorfschaften seit

Jahrzehnten praktiziert - scheinbar zur Zufriedenheit der Dorfschaften und der Bevölkerung. Uns ist das jedenfalls so widergespiegelt worden, als wir in Stockelsdorf waren. Ich weiß nicht, ob Ihnen das bekannt ist. Wenn es Ihnen bekannt ist, verstehe ich nicht, warum Sie das so hier verteufeln und suggerieren, wir wollten hier irgendetwas ganz Schlimmes.

Und drittens - das wird Ihnen auch bekannt sein -: Das Urteil zur Amtsverfassung zwingt uns auch, etwas zu verändern. Wir müssen also als Landtag aktiv werden. Wir haben uns als Grüne mit einem Modell rausgewagt. Wenn Sie ein besseres Modell haben, dann nur Mut, dann präsentieren Sie es. Wir sind von dem Modell des Innenministers genauso wenig überzeugt, wie es der Gemeindetag ist. Insofern ist hier der Wettbewerb angesagt und nicht das halbe Zitieren oder das nicht richtige Darstellen von Modellen, die andere Fraktionen vorlegen.

(Beifall der Abgeordneten Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das war der erste Punkt.

Der zweite Punkt: Herr Hildebrand, ich bin es leid, dass Sie die Opposition ständig zu Statisten degradieren wollen, indem Sie immer wieder sagen, die Opposition brauche sich gar nicht zu Wort zu melden, wenn etwas schon im Koalitionsvertrag stehe oder wenn die Regierung Handeln angekündigt habe. Was wäre das für ein Parlament, wenn die Opposition immer dann, wenn die Regierung sagt, sie werde demnächst etwas tun, stillschweigend dasitzen würde? - Das ist nicht mein Parlamentsverständnis.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Eine Opposition muss Alternativen aufzeigen. Eine Opposition muss die Regierung antreiben. Ob Ihnen das passt oder nicht, das werden wir in den nächsten Jahren weiter machen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Lachen bei der FDP)

Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Dr. Kai Dolgner das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schön, dass es hier im Schleswig-Holsteinischen Landtag viele Kolleginnen und Kollegen

(Silke Hinrichsen)

gibt, die kommunalpolitische Erfahrungen mitbringen. Deshalb möchte ich an dieser Stelle etwas dazu beitragen. Lieber Kollege Fürter, ich habe mich aufgrund eines Satzes in Ihrem Redebeitrag gemeldet. Man kann es im Protokoll genauer nachlesen. Sie haben ausgedrückt, dass eine Mandatsbegrenzung einen Beitrag dazu leisten würde, dass die Kommunen finanziell nicht überfordert werden.

(Zuruf des Abgeordneten Thorsten Fürter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Ja, wir können das in der Diskussion relativieren. Überfordern tun verschiedene Dinge. Wenn ich ein Gewicht von 100 g trage, dann überfordert mich das nicht so sehr, als wenn ich eine Tonne tragen sollte.

(Zurufe)

- Ja, es gibt verschiedene Tropfen, die das Fass zum Überlaufen bringen können. Ich glaube aber, dass dieser ein minimaler ist. Ich möchte diesen Duktus nicht in der Debatte haben. Deshalb habe ich mich zu Wort gemeldet. Wir reden hier nicht über hauptamtliche Politik. Wir haben gerade auch im Innenund Rechtsausschuss eine Initiative zur Stärkung des Ehrenamtes. Ich sage ganz ehrlich: Wir haben im Kreistag von Eckernförde 56 Mandate, und es sollten nur 49 sein. Wir können über alles reden, um diese Zielzahl zu erreichen. Wir können auch darüber reden, dass man es kleinen Gemeinden ermöglicht, ihren Gemeinderat freiwillig zu verkleinern, wenn es gar nicht anders geht. Beides geht aber ganz sicher nicht unter dem Aspekt, damit die Finanzen zu retten.

In Rendsburg-Eckernförde bekommt ein Kreistagsabgeordneter eine Aufwandsentschädigung von knapp 90 €. Für einen Kreis, der flächenmäßig ungefähr mit dem Saarland vergleichbar ist und in dem eine Viertelmilliarde Euro an Steuergeld zu verwalten ist, muss man dies in Relation setzen. Ich habe zum Thema Nanotechnologie promoviert. Dies hat nach einer entsprechenden Division eine ähnliche Dimension. Deshalb muss ich mich entschieden dagegen wehren, eine Ratsverkleinerung in kommunalen Parlamenten unter dem Aspekt der Finanzeinsparungen machen zu wollen. Solche Diskussionen bin ich eigentlich eher aus Bereichen und von Menschen - auch aus meinem kommunalen Bereich - gewöhnt, die nie ein kommunales Mandat angenommen haben, aber irgendwelche Vermutungen darüber haben, was man dort verdienen würde. Wenn man diesen Menschen das sagt und wenn diese den Betrag auf die Stundenzahl umrechnen, dann kommen sie relativ schnell zu der Erkenntnis,

dass man die Mindestlohnforderungen zumindest durch 20 teilen müsste, um bei einem entsprechenden Stundenlohn zu sein. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, dies aus der Debatte herauszunehmen. Über alle anderen Aspekte können wir in Ruhe und Vernunft reden.

Ich danke für die Aufmerksamkeit, wenn sie mir zuteil geworden ist. Ich bin auch gern bereit, dies den Vertretern aus Lübeck zu erklären. Man ist nicht verpflichtet, Höchstsätze bei den Entschädigungssätzen zu nehmen. Das Gleiche gilt für Fraktionsmittel und so weiter. Wenn Sie glauben, dass hier zu viel Geld ausgegeben wird, dann haben Sie alle Möglichkeiten. Wir in Rendsburg-Eckernförde kommen zum Beispiel mit einer halben Bürokraft in der Fraktion aus. Das müssen andere Fraktionen nicht unbedingt machen, aber ich finde, das können die Kommunen selbst richten.

(Günther Hildebrand [FDP]: Die meisten Kreise haben überhaupt keine Bürokraft!)

- Herr Hildebrand, ich könnte zitieren, was die Kollegen von der FDP gesagt haben, als wir gesagt haben, dass man die Bürokraftkosten vielleicht der Mandatszahl annähern könnte. Diese Zitate möchte ich Ihnen an dieser Stelle ersparen. Wenn andere Kreise mit noch weniger auskommen und dies für sich richtig halten, dann finde ich das richtig. Aber auch eine halbe Bürokraft oder keine Bürokraft würden die Defizite des Kreises Rendsburg-Eckernförde, die übrigens lange nicht so groß sind wie in anderen Städten, in keinster Weise ausgleichen.

Herr Dr. Dolgner, Ihre Redezeit ist gut überschritten.

Das ist einfach die falsche Debattendimension.