Protocol of the Session on November 20, 2009

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW – Wolfgang Kubicki [FDP]: Steuersenkung! – Heiterkeit bei CDU und FDP)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Katharina Loedige von der FDP-Fraktion.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! „Beim Geld hört die Gemütlichkeit auf“, sagt ein Sprichwort, das auch innerhalb der politischen Familie gilt. Zusammen mit dem von der Großen Koalition auf den parlamentarischen Weg gebrachten Entlastungsgesetz beläuft sich die Entlastung für die Menschen in diesem Land beziehungsweise die staatliche Mindereinnahme durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz auf jährlich rund 21 Milliarden €.

Natürlich wollen wir Steuerreduzierungen. Menschen und Unternehmen müssen entlastet werden. Das schafft Kaufkraft, Investitionsmöglichkeiten und mehr Beschäftigung. Frau Heinold, dem Hartz IV-Empfänger ist mit einem Arbeitsplatz besser gedient als damit, billig in ein Schwimmbad zu kommen.

(Beifall bei FDP und CDU – Widerspruch bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Natürlich wollen wir eine Senkung der Unternehmen- und Erbschaftsteuer. Wir wollen nicht, dass bei der Übergabe von mittelständischen Unternehmen in jüngere Hände in der Familie das Eigenkapital angegriffen werden muss, um die Erbschaftsteuer zu bezahlen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Das schafft Planungssicherheit und macht Mut für neue unternehmerische Initiativen. Natürlich sind wir für die verstärkte Familienförderung durch eine Erhöhung des Kindesgeldes und der Kinderfreibeträge. Nicht zuletzt sind wir für die Erhöhung der Vergütung für die Stromeinspeisung von modular aufgebauten Biogasanlagen, da sie gerade der Agrarwirtschaft in diesem Lande zugute kommen.

Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz ist ein Startsignal für den Marsch aus der Krise. Das haben die Parteitage der an der Regierung beteiligten Parteien so gewollt. Ohne Wachstum gelingt am Ende auch keine Haushaltskonsolidierung.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

(Olaf Schulze)

Allenthalben hören wir positive Reaktionen, zum Beispiel aus Bayern und aus Niedersachsen. „Wir sind die Niedersachsen“, singt man in Hannover. Die 135 Millionen € Mindereinnahmen stecken sie, so Herr Wulff, innerhalb der Neuverschuldung für 2010 locker weg. Ähnlich ist der Tenor aus München von Herrn Seehofer. Jetzt zeigt sich: Sparst du in der Zeit, so hast du in der Not. Doch 21 Jahre SPD-Regierung haben leider ihre dramatischen Spuren in Schleswig-Holstein hinterlassen.

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen?

Nein, jetzt nicht. – Wir in Schleswig-Holstein verlieren 70 Millionen €, unser „Eekboom“ droht wegen Unterspülung der Steilküste wegzubrechen, und wir brauchen den Kies dringend. „Beim Geld hört die Gemütlichkeit auf“, das gilt, wie gesagt, auch in der politischen Familie. Doch es ist alte Tradition – es gibt viele Beispiele in der Geschichte der Bundesrepublik dafür –, aber auch beabsichtigte Ratio des föderativen Prinzips, dass es unterschiedliche Ausgangs- und Interessenlagen zwischen den peripheren und zentralen Regierungen gibt, und oft ist dies unter heftigem Streit ausgetragen worden, ohne dass der Staat Schaden daran genommen hat.

Wir werden uns aber nicht in einen unlösbaren Konflikt mit dem Bund hineinmanövrieren lassen und dabei – zu Ihrem Vergnügen, meine Damen und Herren von der Opposition – einen Streit darüber austragen, ob es besser ist, zuerst die Steuern zur Anregung der Wirtschaft zu senken oder zuerst die Verschuldungsquote zu senken. Es ist übrigens müßig: Beides ist notwendig.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Im Übrigen eine Bemerkung zu den Grünen! In der Begründung zu Ihrem Antrag sagen Sie:

„Der Bundesrat muss seiner Rolle als Vertretung der Länder gerecht werden und sich unabhängig von Regierungsmehrheiten für die Länderinteressen aussprechen.“

Ich erinnere daran, dass der Bundesrat nach Artikel 50 Grundgesetz ein Bundesorgan und kein Organ der Länder ist. Insofern berücksichtigt er und muss er auch die Belange des Bundes berücksichtigen. Die Notwendigkeit eines Kompromisses ist hier angesagt.

Die finanzielle Lage dieses Landes war schon seit Langem notorisch desaströs, dramatisch verschlechtert noch durch die Kosten des öffentlichen Krisenprogramms für die HSH Nordbank. Sie zwingt uns, die neue Koalition, Berlin aufzufordern, uns entgegenzukommen. Kein Crashkurs, es muss verhandelt werden!

Da können wir von anderen Bundesländern lernen, beispielsweise von den darin geübten Bayern, die genau wissen, wie und wo Barthel den Most holt, und den Bremern, den Saarländern und Berlinern, die wissen, wie man Kompensationen aushandelt, vielleicht nicht als direkte Finanzhilfe, sondern über ein stärkeres Engagement des Bundes bei Investitionen in unsere Infrastruktur - das würde auch den Kommunen helfen -, vielleicht nicht im selben Jahr, sondern auch zeitverzögert, aber: Wir brauchen sie dringend, und wir brauchen sie unbedingt. So wird es - denke ich - funktionieren.

(Beifall bei FDP und CDU)

Für die Fraktion DIE LINKE erteile ich dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Abgeordneten Heinz-Werner Jezewski, das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich stehe hier nicht nur als Landtagsabgeordneter, sondern auch als einer von 10.000 Kommunalvertretern in diesem Land. Deswegen will ich den Schwerpunkt meiner Rede ein bisschen anders legen.

Wer sich in den Kommunen ein kleines bisschen auskennt, der weiß: Die Kommunen sind schon heute nicht mehr in der Lage, ihre Pflichtaufgaben ohne Schulden zu finanzieren. Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Wir verpflichten die Kommunen, Kitas zu unterhalten, Schulen zu betreiben und eine einsatzbereite Feuerwehr vorzuhalten, und gleichzeitig gewähren wir ihnen nicht die Einnahmen, die sicherstellen würden, dass sie das ohne Schuldenaufnahme machen können.

Im Koalitionsvertrag und in der Regierungserklärung sichert die Landesregierung den Kommunen Unterstützung und Hilfe zu. Das finden wir gut und sinnvoll. Gleichzeitig sagt der Ministerpräsident aber auch: Dafür gibt es kein Geld. - Salbungsvolle Worte und vor allem Händedrücke sind aber in kommunalen Haushalten nicht darstellbar, weder kameralistisch noch doppisch.

(Katharina Loedige)

(Beifall bei der LINKEN und des Abgeord- neten Lars Harms [SSW])

Wollen die Kommunen selbst ihre Einnahmesituation verbessern, bleibt ihnen eigentlich nur ein Schritt: Die Erhöhung von Gewerbesteuer und Grundsteuer B. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand von uns die Kommunen dazu zwingen will. Ich würde mich da ungern von der Regierungskoalition eines Besseren belehren lassen, im Ernst darauf einzugehen, dass es weitere Abgaben gibt. Wir könnten natürlich die Hundesteuer auf 15.000 € im Jahr erhöhen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Nur für Luxus- hunde!)

Es glaubt aber keiner daran. Dann hätten sogar FDP-Mitglieder und Mitglieder der Grünen einen Sozialtarif, schätze ich einfach einmal, als Besserverdiener.

„Wer anderen Schecks ausstellt, der muss sie auch bezahlen“, hat der Ministerpräsident gesagt. Dem stimme ich zu. Wir unterstützen das, egal ob der Scheckaussteller in Berlin oder in Kiel sitzt.

Wer den Kommunen immer mehr Aufgaben übertragen will, ohne sie finanziell in die Lage zu versetzen, diese Aufgaben auch zu erfüllen, der darf sich da nicht wundern, wenn ihm Gleiches passiert. An Frau Merkels Stelle würde ich Herrn Carstensen noch ganz anders abkanzeln, als sie das bei der CO2-Geschichte getan hat. Ich würde ganz einfach sagen: Was willst du? - Du machst doch das Gleiche mit deinen Kommunen, was du von mir verlangst, sein zu lassen; also leb damit, dass ich das auch mir dir mache!

Man muss vielleicht einmal darüber nachdenken. Ich glaube ja, die gehen anders miteinander um.

Über den volkswirtschaftlichen Unsinn, Steuern zu senken und so die Einnahmen zu erhöhen, muss ich gar nicht viele Worte verlieren. Denn ich weiß, dass CDU und FDP in dieser Beziehung ziemlich beratungsresistent sind. Da man allgemein weiß, dass sie mit Geld nicht umgehen können, werden sie es vermutlich auch nicht verstehen.

(Beifall bei der LINKEN, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Lachen bei CDU und FDP)

- Kein Beifall von der CDU? - Denn mit der Logik, Steuern zu senken, um Einnahmen zu erhöhen, könnten wir auch den Vermietern empfehlen, die Mieten zu halbieren, um mehr Geld für die Renovierung zu haben. Das funktioniert aber nicht, da

muss man einmal nachgucken und mit ein paar Leuten reden, die wissen, wie man mit Geld umgeht, und die eins und eins nicht nur zusammenzählen, sondern auch noch subtrahieren können.

(Zurufe)

Wir stimmen dem vorliegenden Antrag zu und werden auch in den kommenden Jahren nicht nachlassen, die Landesregierung an ihre Verantwortung für die Finanzierung der Kommunen und für die Finanzierung des Gemeinwesens in diesem Land zu erinnern. Denn - darüber sollten wir uns klar sein wenn wir die Kommunen wirklich gegen uns aufbringen und die Kommunen nicht mehr funktionieren, wird in diesem Land alles zusammenbrechen. Dann werden wir hier sitzen und nur noch ins Blaue hineinreden und Beschlüsse fassen. Dann können wir nämlich gar nichts mehr machen. Das zu verhindern, müsste unser oberstes Ziel sein. Deswegen fordern auch wir den Ministerpräsidenten auf, seinen Einfluss geltend zu machen, sich durchzusetzen und dieses unsinnige Gesetz in Berlin zu verhindern.

(Beifall bei der LINKEN und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die SSW-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Lars Harms das Wort.

(Zurufe - Lars Harms [SSW]: Ich kann mit Geld umgehen, und wie! Deswegen bin ich nicht in der CDU und auch nicht in der FDP! - Vereinzelter Beifall und Zurufe)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn es nicht so traurig wäre, wäre es zum Lachen. Die Berliner Koalition schreibt nämlich in ihrem Koalitionsvertrag: „Die steuerlichen Entlastungen schaffen die nachhaltige Grundlage für gesunde Staatsfinanzen.“ Tatsächlich ruinieren die geplanten sogenannten Entlastungen die Staatsfinanzen. Allein das sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz wird dem Landeshaushalt 70 Millionen € Minus bringen und die Kommunen mit 60 Millionen € belasten. Die hiesigen Kämmerer rechnen derzeit angesichts massiver Steuerausfälle bereits sehr pessimistisch, auch ohne das Wachstumsbeschleunigungsgesetz.

Die Wirtschaftskrise ist schon jetzt für die Kommunen ein richtiger Schlag ins Kontor. Die letzten Steuerschätzungen haben gerade für Schleswig

(Heinz-Werner Jezewski)

Holstein gezeigt, dass die Kommunen hier mit massiven Einnahmerückgängen kämpfen müssen. Dass ihnen jetzt auch noch der Bund im Rechnungsbuch herumstreicht, hat viele von ihnen deshalb besonders kalt erwischt.

Der SSW prophezeit für das nächste Jahr massive Kürzungen der kommunalen Ausgaben. Ob manche freiwillige Leistung überhaupt noch erbracht werden kann, ist überaus fraglich. Darüber hinaus denken Bürgermeister und Amtsvorsteher wegen der leeren Kassen über Entlassungen nach. Die kommunalen Schulden werden weiter wachsen. - So sieht die Wirklichkeit in Schleswig-Holstein aus. Und dann setzt Schwarz-Gelb mit seiner Klientelpolitik in Berlin auch noch eins obendrauf!

Dabei hatte die FDP in klaren Worten vor weiteren Schulden gewarnt. Jeder kann das im Wahlprogramm nachlesen, in dem steht: „Es ist unverantwortlich, unseren Kindern immer höhere Schuldenberge zu hinterlassen.“

(Beifall des Abgeordneten Günther Hilde- brand [FDP])

Doch genau das ist das, was wir unseren Kindern zumuten, wenn wir jetzt die Steuern für Bessergestellte auf Kosten der Länder und Kommunen senken,