Protocol of the Session on January 27, 2011

(Beifall bei FDP und CDU)

Meine Damen und Herren, wir wollen eine faire Bezahlung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Betrieben. Wir wollen faire Wettbewerbsbedingungen für die kleinen und mittleren Unternehmen. Das Gesetz betont den Vorrang der privaten Leistungserbringung und regelt neben der öffentlichen Vergabe von Aufträgen genau das, was den Mittelstand direkt betrifft. Neben der beruflichen Ausund Weiterbildung sind das der Bereich der Existenzgründungen, der Betriebsübernahmen und der Finanzhilfen, die wirtschaftliche Forschung und Entwicklung mit dem Technologietransfer sowie die Kooperation mit den Hochschulen. Außerdem werden die Außenwirtschaftsbeziehungen des Mittelstands unterstützt, beispielsweise das WTSH-Büro in Hangzhou, und die Bekämpfung der Schwarzarbeit, geregelt was einer der wichtigsten Punkte in diesem Gesetz ist, der bisher wenig angesprochen worden ist. Das ist ein ganz wichtiges Element des Gesetzes.

Wir haben das Gesetz in den letzten Jahren öfter aktualisiert, diesmal etwas umfangreicher, wir haben die Tariftreue aufgenommen. Zur Tariftreue liegen einige weitere Vorschläge vor. Auch die Grünen haben sich jetzt daran beteiligt. Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss. Ich glaube, am Ende wird etwas Gutes dabei herauskommen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Abgeordneter Dr. Tietze das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich eine kleine Vorbemerkung machen: Wir haben eine große Übereinstimmung bei der Beurteilung der Bedeutung des Mittelstands. 120.000 kleine und mittlere Unternehmen beschäf

(Christopher Vogt)

tigen rund 85 % aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Schleswig-Holstein und sorgen für 90 % der betrieblichen Berufsausbildungsplätze. Dieser Mittelstand ist in der Tat das wirtschaftliche Rückgrat unserer Gesellschaft.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Hans-Jörn Arp [CDU])

Der Mittelstand braucht aber auch verlässliche ordnungspolitische Rahmenbedingungen. Wir müssen unseren heimischen Mittelstand vor Lohndumping und ausländischen Billiganbietern schützen. Aus grüner Sicht ist der vorgelegte Gesetzentwurf der Landesregierung in dieser Hinsicht enttäuschend.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Sie haben leider alle guten Vorschläge, die in der langen Anhörung zum Tariftreuegesetz von Verbänden und Gewerkschaften vorgetragen worden sind, ignoriert. Sie stellen alle, die einen sozial und ökologisch gerechten Arbeitsmarkt fordern, unter den Generalverdacht, den Aufschwung abzuwürgen. Ich meine, es ist gefährlich, nach der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise so weiterzumachen wie vorher.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, auf die drängenden Fragen und Herausforderungen einer modernen Arbeitsmarktpolitik finden Sie keine Antwort. Bei den Rechten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer treten Sie auf die Bremse. Sie wollen keine sozial gerechte und ökologische Tarif- und Arbeitsmarktpolitik für Schleswig-Holstein.

Eine gesetzliche Regelung der Tariftreue ist auch nach dem Rüffert-Urteil machbar, wenn man nur will. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wie Unternehmen werden vor Lohndumping und Wettbewerbsverzerrung geschützt. Wie gesagt, das nützt dem Mittelstand.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Seit 2008 ist die Tariftreue in Schleswig-Holstein ausgesetzt. Es ist fast Arbeitsverweigerung. Es besteht dringender Handlungsbedarf, dies in Ordnung zu bringen. Der Wettbewerbsvorteil ausländischer Firmen besteht nach wie vor in geringen

Lohnkosten. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Schleswig-Holstein müssen von ihrer guten Arbeit, die sie leisten, auch leben können. Das ist eine zentrale Forderung. Wenn dieser einfache Grundsatz in unserer Arbeitswelt nicht mehr gilt, dann haben wir gewaltige Verwerfungen.

Der derzeitige Aufschwung hat nicht zur Lohngerechtigkeit beigetragen. Das finden wir eine Schande.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und SSW)

Tariftreueerklärungen sind nach dem EuGH-Urteil möglich. Die Bundesländer Bremen und Berlin praktizieren das in ihren Tariftreuegesetzen. Es gibt einen Mindestlohn von 7,50 €. Ich würde mich freuen, auch die SPD an unserer Seite zu haben, wenn es darum geht, den Mindestlohn von 7,50 € in das Gesetz hineinzuschreiben. Es ist ein Symbol für sozial gerechte Mittelstands- und Arbeitsmarktpolitik in Deutschland, dies zu tun.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Neue Studien in den Vereinigten Staaten - die sind ja nicht gerade als sozialistisch-kommunistisches Land bekannt - zeigen:

(Christopher Vogt [FDP]: Die sind aber auch pleite!)

Mindestlöhne sind Meilensteine einer modernen Arbeitsmarktpolitik. Dies ist auch international anerkannt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und SSW)

Ich will die Rezeptur, die wir mit unserem Gesetzentwurf vorgelegt haben, für eine moderne Arbeitsmarktpolitik noch einmal nennen. Es ist der Mindestlohn, es ist die Tariftreue, die man für den ÖPNV, für die Busfahrerinnen und Busfahrer in Schleswig-Holstein organisieren kann, es ist die Präqualifikation, die sogenannte vorwettbewerbliche Eignungsprüfung - die ist EU-Norm -, es geht um die Kernarbeitsnormen der ILO - Frau Kollegin Poersch hat es angesprochen -, es geht um soziale und ökologische Rechte, es geht um Menschenrechte, es geht um Umweltstandards, die man einhalten kann.

Wir wollen einen fairen Wettbewerb vor öffentlichen Aufträgen. Diejenigen Unternehmen bekommen den Zuschlag, die soziale und ökologische Standards einhalten. Das ist ein Geben und Neh

(Dr. Andreas Tietze)

men, das ist eine sozial gerechte Mittelstandsförderpolitik in Schleswig-Holstein.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Meine Fraktion ist überzeugt, dass wir endlich einen Green New Deal für Schleswig-Holstein brauchen. Wir brauchen in der Wirtschaftsförderung eine Fokussierung auf grüne Technologien und Dienstleistungen. Da sind wir spitze, und da können wir Weltmeister werden. Das sind die Wachstumsmotoren im 21. Jahrhundert, dem Jahrhundert des Klimawandels. Da generieren wir zukünftige Wirtschaftungsketten und unseren Wohlstand.

Der Blaumann wird tatsächlich grün. Wir haben das im strategischen Ziel unter Punkt sieben bei den Zielvorgaben ergänzt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Förderung des Mittelstands ist für uns eine permanente Aufgabe, ein Prozess kontinuierlicher Verbesserungsvorschläge, damit wir den Mittelstand in SchleswigHolstein konkurrenzfähig halten. Das stand und steht bei uns auf der Agenda. Mit unserem grünen Gesetzentwurf wollen wir uns diesem qualifizierten Prozess stellen. Geben Sie doch konstruktiven Verbesserungsvorschlägen, die wir gar nicht immer nur mit uns verbinden - andere haben sie in der Anhörung auf den Tisch gebracht; ich verweise auch auf das engagierte Eintreten des SSW, der dieses Thema für sich immer wieder nach vorne stellt - eine echte und faire Chance! Denken Sie daran: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. Das gilt auch für ein modernes Mittelstandsförderungsgesetz.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Für die Fraktion DIE LINKE hat Herr Abgeordneter Thoroe das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Den Mittelstand zu stärken, liegt auch im Interesse der LINKEN. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird dieses Ziel jedoch nicht erreicht werden. Es ist eher ein ideologisches Flickwerk geworden als ein Gesetz zur Mittelstandsförderung. Mittelstandsförderung wäre zum Beispiel, wenn sich die Landesregierung dafür einsetzen würde, dass Großunternehmen höhere Steuern zahlen würden und der Mittelstand im Gegenzug dafür entlastet würde.

(Beifall des Abgeordneten Ulrich Schippels [DIE LINKE])

Auch Monopole zu zerschlagen, würde dem Mittelstand helfen.

Ich möchte dies am Beispiel des Buchhandels demonstrieren. Im Buchhandel ist der Vertrieb von Büchern mittlerweile monopolisiert. Die großen Bücherketten haben Extraverträge mit den Monopolisten geschlossen. Kleinere mittelständische Buchläden gucken in die Röhre und bekommen für ihre Schaufensterauslage nur noch die Bücher mit relativ geringen Verkaufsaussichten.

In der Kritik konzentriere ich mich auf die von Ihnen geplante Einführung einer Zielbestimmung des Gesetzes, die zu meinem Erstaunen auch noch im Änderungsantrag der Grünen enthalten ist. Sie fordern in Ihrer Gesetzesvorlage einen permanenten Zwang zur Überprüfung der Privatisierungsmöglichkeiten von Leistungen und Unternehmen der öffentlichen Hand.

Diese Verpflichtung, immer wieder zu überprüfen, ob weitere Privatisierungen möglich sind, ist hart an der Grenze zum Grundrechtsbruch. Das Grundgesetz schützt die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden durch die Verfassungsgarantie der kommunalen Selbstverwaltung aus Artikel 28 Abs. 2. Dort heißt es:

„Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln.“

(Beifall des Abgeordneten Ulrich Schippels [DIE LINKE])

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, ich möchte Ihre Gesichter sehen, wenn DIE LINKE hier einen Gesetzentwurf einbringen würde, der das Gegenteil fordert: Die kontinuierliche Überprüfung der Möglichkeiten zur Rekommunalisierung von Leistungen und Unternehmen der öffentlichen Hand gehört zu den ständigen Aufgaben der Gemeinden.

Was ist denn in den letzten zehn, 20 Jahren anderes geschehen, als dass alle Gemeinden - nicht nur in Schleswig-Holstein - geprüft haben, was noch zu privatisieren ist? Was ist das Ergebnis der wirklich vollzogenen Privatisierungen? Ein einziges Desaster. Heute suchen viele Gemeinden auch in Schleswig-Holstein händeringend nach Möglichkeiten der Rekommunalisierung. Nur wenn die öffentliche Hand Einfluss auf die Daseinsvorsorge nehmen kann, ist gewährleistet, dass Einrichtungen der Da

(Dr. Andreas Tietze)

seinsvorsorge für die Menschen da sind. Daseinsvorsorge in privaten Händen ist in erster Linie immer auf Profit aus und zielt nicht darauf, das Beste für die Menschen vor Ort zu erreichen.

(Werner Kalinka [CDU]: Warum seid ihr heute eigentlich so wenige?)

Was würde denn geschehen, wenn sich ein solches Vorhaben einer flächendeckenden Privatisierung durchsetzen würde? Dieser Weg führt zu einer neomittelalterlichen Wirtschaft, die nur noch einen Geldadel kennt und den Rest der Gesellschaft fallen lässt.

Zum Schluss möchte ich auf die im Gesetz enthaltenen Regeln zur Tariftreue eingehen. Wer lediglich die Einhaltung von Tarifverträgen fordert, akzeptiert Dumpinglöhne. DIE LINKE will ein Tariftreue- und Vergabegesetz, das soziale und ökologische Vorgaben macht. Die öffentliche Hand hat eine Vorbildfunktion. Nur eine Mindestlohnregelung im Vergaberecht kann gewährleisten, dass Dumpinglöhne zumindest bei öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen sind.