Protocol of the Session on December 16, 2010

Meine grüne Partei und auch Fraktion haben sich immer in Kontinuität für eine gesetzliche Regelung der Tariftreue ausgesprochen. Man muss an dieser Stelle auch deutlich sagen: Es war der SSW, der das in diesem Hause vorangebracht hat, der sich immer für diese Thematik engagiert hat. Insofern liegt die Tatsache, dass wir hier heute nicht weiterkommen, ganz klar daran, dass Sie blockiert haben.

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und Unternehmen werden vor Lohndumping und Wettbewerbsverzerrung geschützt, wenn es ein Tariftreuegesetz gibt. Das sollte uns leiten. Deshalb ist die Diskussion über Tariftreue, Herr Vogt, aktuell. Der entsprechende Erlass des Wirtschaftsministeriums vom 26. Mai 2008 zeigt aber deutlich, dass auch Sie, Herr Minister de Jager, kein Herzblut für das Thema Tariftreue übrig haben. Im Erlass wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bei neuen Vergabeverfahren eine Tariftreueerklärung nicht mehr einzufordern ist.

Es besteht nach unserer Ansicht dringender Handlungsbedarf. Der SSW hat Ihnen die Hand ge

reicht, die haben Sie ausgeschlagen, genauso wie Ihre Fraktionen es gestern bei den Haushaltsvorschlägen gemacht haben. Sie wollen allein durchregieren, und das, was Sie dann abliefern, ist schlecht.

Der Wettbewerbsvorteil ausländischer Firmen besteht in Schleswig-Holstein nach wie vor durch die geringen Lohnkosten. Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer müssen von guter Arbeit leben. Das müssen auch Sie nachvollziehen. Gerade in den unteren Lohnbereichen sind die Einkommen weiter gesunken.

Insofern haben wir nach wie vor große Sympathie für den Antrag aus Bremen. Ich darf das noch einmal sagen: Bremen und Berlin haben im Rahmen von Tariftreuegesetzen einen Mindestlohn von 7,50 € eingeführt. Rheinland-Pfalz ist sogar darüber hinaus gegangen und hat einen Mindestlohn von 8,50 € eingeführt. Das ist ein fortschrittliches Tariftreuegesetz. Das müssten wir eigentlich auch in Schleswig-Holstein umsetzen. Einen Mindestlohn, da bin ich mir aber sicher, werden Sie durch Ihr Mittelstandsgesetz garantiert nicht einführen. Das ist so klar wie Kloßbrühe.

Meine Fraktion hat die Formulierung des Bremer Gesetzes zur Sicherung von Tariftreue, Sozialstandards und Wettbewerb bei öffentlicher Auftragsvergabe für die beste Alternative gehalten. Ich sage Ihnen: Wenn man das so sieht, kann man das eins zu eins übernehmen. Aber auch da, lieber Herr Callsen, sind Sie dagegen. Wie gesagt, Sie sind dagegen, wenn es um Arbeitnehmerrechte in SchleswigHolstein geht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.

Ja, ich komme zum letzten Satz. - Wir brauchen in Schleswig-Holstein ein wirksames Tariftreuegesetz. Wir brauchen es jetzt und nicht irgendwann. Insofern haben Sie die Chance dazu verschlafen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, der LINKEN und SSW)

(Dr. Andreas Tietze)

Für die Fraktion DIE LINKE erteile ich Herrn Abgeordneten Björn Thoroe das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Was ich echt nicht mehr hören kann, ist dieser Vorwand, Gerichte würden uns das alles wieder kippen, wenn darin Mindestlöhne, wenn darin Arbeitnehmerrechte geregelt würden.

(Zurufe von der FDP)

- Sie können das doch nicht wissen, bevor das Gericht entschieden hat. Es gibt existierende Regelungen zum Mindestlohn in Berlin und Bremen und in Rheinland-Pfalz; das haben wir gerade gehört. Verstecken Sie sich doch nicht hinter Gerichten, sondern sagen Sie, dass Sie das nicht wollen. Dann haben wir hier eine ehrliche Grundlage, und dann können wir auch weiter miteinander reden.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich glaube nicht, dass wir uns irgendwie einigen werden. Dass die SPD da noch irgendwelche Hoffnungen hat, kann ich nicht ganz nachvollziehen.

Wie bei der letzen Beratung zur Tariftreue gilt mein Dank erst einmal dem SSW, der schon letztes Jahr den Gesetzentwurf eingebracht hat. Ich freue mich auch, dass wir das heute hier noch einmal diskutieren. Das kann man nämlich nie genug tun.

(Beifall bei der LINKEN)

DIE LINKE will ein Tariftreue- und Vergabegesetz, das soziale und ökologische Vorgaben macht. Die öffentliche Hand hat nämlich auch eine Vorbildfunktion.

Folgende Punkte sollte nach Ansicht der LINKEN ein Tariftreue- und Vergabegesetz enthalten: Die Verpflichtung der Auftragnehmer, sich an Tarifverträge zu halten; die Einbeziehung aller Branchen ohne Ausnahme; die regelmäßige und verpflichtende Kontrolle des Gesetzes durch eine eigens dafür vorgesehene Struktur; Unternehmen, die öffentliche Aufträge erhalten wollen, müssen ausbilden; Unternehmen, die öffentliche Aufträge erhalten wollen, müssen Materialien verwenden, die ökologisch vertretbar sind; Unternehmen, die öffentliche Aufträge erhalten wollen, müssen Materialien verwenden, die unter sozialen Mindeststandards hergestellt worden sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Um dieses Gesetz einhalten zu können, ist auch eine wirksame Sanktionierung nötig. Jedes Unternehmen, das weniger als 10 € Stundenlohn bezahlt, sollte von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Wie ich schon sagte, die öffentliche Hand hat eine Vorbildfunktion. Die öffentliche Hand hat eine besondere Verantwortung. Die öffentliche Hand hat auch eine Steuerungsfunktion. Auf Möglichkeiten des Landes Schleswig-Holstein zu verzichten, kommt für DIE LINKE nicht infrage.

(Beifall bei der LINKEN)

Humane Arbeitsbedingungen und ökologisch vertretbare Mindeststandards sollten auf jede erdenkliche Art und Weise durchgesetzt werden.

Beim letzten Mal habe ich das auch schon gesagt: Besonders am Herzen liegt der LINKEN dabei ein Mindestlohn. Sogar der Deutsche Juristentag setzt sich mittlerweile für Mindestlöhne ein. Eine Höhe nennt er nicht, aber er gibt Vorgaben. Ein Mensch, der 45 Jahre lang gearbeitet hat, soll eine Rente erhalten, die über dem Existenzminimum liegt.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn ein Mensch 45 Jahre gearbeitet hat und pro Stunde 7,50 € verdient hat, bekommt er eine Rente von 620 €. Das ist unter dem Existenzminimum, und das geht nicht. Deshalb sind wir auch mit 10 € mindestens schon ganz gut dabei.

Seit dem Start von Hartz IV haben die Steuerzahler außerdem weit über 50 Milliarden € ausgegeben, um Niedriglöhne aufzustocken. Die Ausgaben für die Aufstocker stiegen kontinuierlich von 8 Milliarden € im Jahr 2005 auf 11 Milliarden € 2009. Fast jeder dritte Euro im Hartz-IV-System muss dafür herhalten, Niedriglöhne aufzustocken, um den Lebensunterhalt zumindest auf unterster Ebene zu sichern. 2005 hatte dieser Anteil noch bei einem Fünftel gelegen. Auch das ist eine Ursache für die wachsende Verschuldung bei Bund, Ländern und Gemeinden.

Der einzige ökonomisch bedeutsame Teil von Hartz IV war die Absenkung des Sozialhilfeminimums. Man hat damit einen Druck auf die Löhne nach unten ausgelöst. Wir konnten das gestern wieder lesen. In den letzten 10 Jahren sind in Deutschland die Löhne um 4,5 % gesunken. Das ist beispiellos in den Industrieländern. Deutschland, so titelte es der „Spiegel“ gestern, ist der - - Ich weiß es nicht mehr.

Ich sage noch einmal, warum wir uns beim Gesetzentwurf des SSW enthalten. Der Gesetzentwurf des SSW geht leider nicht auf den Mindestlohn ein, auch nicht auf andere soziale und ökologische Standards. Wir freuen uns auf die Debatte über unseren Änderungsantrag zum SPD-Antrag im nächsten Jahr. Da bin ich sehr gespannt, ob die Sozialdemokratie für einen Mindestlohn im Tariftreuegesetz stimmen wird. Ich denke, sonst wird Ihnen das gehörig auf die Füße fallen. DIE LINKE wird auch im nächsten Jahr ohne Wenn und Aber für Mindestlöhne und soziale und ökologische Standards bei öffentlichen Aufträgen streiten.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die Fraktion des SSW erteile ich nun dem Herrn Kollegen Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im November letzten Jahres haben wir einen Gesetzentwurf zur Änderung des Tariftreuegesetzes in den Landtag eingebracht, der es ermöglichen sollte, das Gesetz an die aktuelle europäische Rechtsprechung anzupassen. Dieses frühe Vorgehen am Anfang der Legislaturperiode war notwendig, weil das Gesetz zum Jahresende dieses Jahres ausläuft. Es war nach unserer Auffassung ein Kardinalfehler, dass dieses Gesetz - als einziges Gesetz in diesem Land seinerzeit - mit der schwarzroten Mehrheit zeitlich begrenzt wurde.

Ohne dass der Landtag eine Entscheidung treffen muss, wird das Gesetz jetzt am Ende des Monats auslaufen, und damit werden wir wohl wieder einen ungeregelten Zustand bei den tariflichen Löhnen haben, wie er schon vor der Einführung unseres Tariftreuegesetzes bestand hatte. Damit sind wir dank der von CDU und SPD geschaffenen zeitlichen Begrenzung des Gesetzes rechtlich gesehen wieder da, wo wir vor Einführung unseres Tariftreuegesetzes im Jahr 2002 waren. Dies, meine Damen und Herren, ist ein Rückschritt für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land und auch für unsere Betriebe, die einen fairen Wettbewerb verdient haben.

(Beifall beim SSW)

Vor dem Hintergrund des Zeitdrucks, der sich ergab, haben wir - wie gesagt, rechtzeitig - vor einem Jahr eine Novelle des Gesetzes auf den Tisch gelegt. Relativ schnell wurde eine Anhörung durchge

führt, und die dort gemachten Vorschläge hätten schnell in den vorgelegten Gesetzentwurf einmünden können. Wir haben sehr zeitnah im April eine betont kompromissfähige Änderung des Gesetzentwurfes auf Grundlage der Anhörungsergebnisse eingebracht. Wir haben bewusst nicht die reine Lehre in unseren Antrag eingebaut, sondern Ihnen von der Koalition die Hand gereicht, um schnell den Beschäftigten und den Unternehmen Sicherheit geben zu können. Eigentlich wäre es nun an den regierungstragenden Fraktionen gewesen, diesen Ball aufzunehmen und ebenfalls die Gesetzesarbeit voranzutreiben. Aber Fehlanzeige, die Regierungsfraktionen haben sich einer offenen Zusammenarbeit mit der Opposition in diesem Feld völlig verweigert.

Ich glaube, meine Damen und Herren von der CDU und der FDP, ich bin ihnen wirklich immer entgegengekommen, um hier eine für alle tragfähige Lösung zu ermöglichen. Obwohl jedem der Zeitdruck klar war, musste eine Entscheidung immer wieder verschoben werden, weil Sie nicht bereit oder fähig waren, sich eine Meinung zu bilden. Da hilft es auch nicht, wenn zwar ein Mittelstandsförderungs- und Vergabegesetz angekündigt wird, aber dieses dann in die Beratungen des Landtages nicht rechtzeitig offiziell eingeführt wird. Bis heute liegt bloß ein Referentenentwurf der Landesregierung vor, der sich eben nicht im parlamentarischen Verfahren befindet. Vor dem Hintergrund, dass das Tariftreuegesetz jetzt ausläuft, kann ich hier nur von Arbeitsverweigerung der Regierungsfraktionen sprechen.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und vereinzelt bei der SPD)

Im Übrigen sei auch noch erwähnt, dass der Referentenentwurf, was die Tariftreue angeht, anscheinend völlig ohne Berücksichtigung der Ergebnisse der Expertenanhörung zu unserem Gesetzentwurf entstanden sein muss. So wie es aussieht, wollen Sie eben nicht, dass Menschen einen vernünftigen Lohn bekommen, sondern dass auf Kosten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Lohn gedrückt wird. Sie wollen anscheinend auch nicht, dass unsere Unternehmen bei Aufträgen, die hier im Land vergeben werden, gleiche Chancen haben. Ich kann Ihnen sagen, unsere Politik ist eine andere Politik, und wir werden sie hoffentlich nach der Neuwahl umsetzen können.

(Beifall bei SSW und CDU)

Mit unserem Gesetzentwurf wollten wir, dass die Mindestlohnregelungen im Vergabeverfahren im

(Björn Thoroe)

Vorwege als Kriterium angewandt werden. Das hätte bedeutet, dass nicht immer dann, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, nachträglich gegen sittenwidrige Löhne vorgegangen wird, sondern schon vorher ausgeschlossen wird, dass solche Löhne überhaupt gezahlt werden. Das nämlich sichert Arbeitsplätze und faire Löhne in unserem Land.

(Beifall der Abgeordneten Ranka Prante [DIE LINKE])

Wir wollten, dass im ÖPNV weiter der vereinbarte Tariflohn die Grundlage für Vergaben bildet. Dies ist immer noch möglich und würde die Beschäftigung in unseren tarifgebundenen Verkehrsunternehmen und damit auch deren langfristige Existenz sichern.

Wir wollten, dass der Verstoß gegen diese Regelungen auch wirklich spürbare Sanktionen nach sich zieht. Das heißt, nicht nur eine kleine Ordnungswidrigkeitsstrafe, sondern für einen bestimmten Zeitraum sollten der Ausschluss von zukünftigen Vergaben und die fristlose Kündigung des Auftrages möglich sein.