Protocol of the Session on December 16, 2010

Ich bin als Grüner kein Fan der deutschen Lufthansa AG, aber ich will aus dem „Politikbrief“, den ich gerade in der Post hatte, zitieren - mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin -:

„Die Low-cost-Airlines haben dabei leichtes Spiel, Standorte gegeneinander auszuspielen,“

- Ryanair ist so eine Airline

„öffentliche Gelder abzukassieren und Millionengewinne in die eigenen Unternehmenskassen umzuleiten … Alarmzustand statt Aufbruchstimmung an deutschen Kleinstflughäfen.“

(Christopher Vogt [FDP]: Immer objektiv von der Lufthansa informiert!)

Ryanair denkt über ein neues Geschäftsmodell nach, O’Leary - das habe ich live in einem Interview gehört - will sich zukünftig mehr an dem Geschäftsmodell von Air Berlin orientieren. In einem Interview äußerte er sogar, dass er kein Interesse hört, hört! - mehr an einer Base in Lübeck hat und dagegen Bremen favorisiert.

Der Winterflugplan ist ausgedünnt. Linien nach Alicante, Girona, Edinburgh, Faro und Palma de Mallorca fallen ganz weg. Die einstige Prestigelinie nach London besteht nur aus einem täglichen Hinflug und einem Rückflug zu einem extrem unattraktiven frühen Zeitpunkt. Die erwartete Zahl an Fluggästen von 590.000 wird 2010 nicht annähernd erreicht. Ich fasse zusammen: Die Hoffnung auf steigende Nutzerzahlen, die Einrichtung einer Base durch Ryanair und den Einstieg eines Investors mit eigenem Risiko sind zerplatzt wie eine Seifenblase.

Das sogenannte Take-off-Konzept, das uns Herr Saxe im Ausschuss vorgestellt hat, bleibt am Boden kleben und kommt nicht in die Luft. Die jährlichen Verluste der Flughafengesellschaft liegen bei 6 Millionen €.

Ich möchte in dieser aktuellen Situation darauf hinweisen, dass Sie, Herr de Jager, eine Förderzusage in Höhe von 75 % angekündigt haben. Das ist großzügig in Zeiten knapper Kassen. Es geht um 1,76 Millionen € Landesförderung in der ersten Tranche. Liebe Kolleginnen und Kollegen, nachdem ich Ihnen zugehört habe, finde ich es unglaublich, welche Schlussfolgerungen Sie angesichts dieser aktuellen Tatsachen ziehen. Das nenne ich politischen Realitätsverlust.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten Antje Jansen [DIE LINKE])

Ryanair befindet sich in Deutschland im permanenten Sinkflug, und Sie wollen trotz einer angespannten Haushaltslage noch Geld hinterherschmeißen, Geld für ein Projekt, das tot ist. Viele Verbände haben für Kürzungen um 1.000 € vor dem Haus demonstriert, die Sie ihnen versagt haben. Mit Ihrer Entscheidung, Geld für den Flughafen zu geben, stehen Sie vor einem politischen Scherbenhaufen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Minister de Jager, die Förderung ist Ihre Ermessensentscheidung. Sie können dies mit Verweis auf § 14 der Flugplatzinvestitionsrichtlinie verweigern. Es liegt an Ihnen, mit Augenmaß und Weitsicht die hochfliegenden Pläne zu stoppen. Machen Sie nicht den gleichen Fehler, den Ihr Haus schon einmal gemacht hat! Wir konnten das besichtigen, Herr Habeck und ich waren auf dem Flughafen: Ein Instrumentenlandesystem für Lübeck liegt immer noch original verpackt am Rande der Startbahn, Kosten 8,5 Millionen €, davon 4,25 Millionen € vom Land gefördert. Nicht unbedingt ein tolles Investment!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN - Zuruf des Abgeordneten Gerrit Koch [FDP])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Flughafenausbau in Lübeck wird langsam von einer Luftnummer zu einer Lachnummer. Deswegen sagen wir Ihnen ganz klar: Wir Grüne wollen keinen Cent mehr in dieses Investitionsgrab stecken. Eine positive wirtschaftliche Perspektive ist nicht in Sicht. Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, beenden Sie endlich Ihren Blindflug! Eine Investitionsförderung für den Ausbau des Flughafens ist bei der aktuellen Faktenlage nicht nachhaltig. Ziehen Sie die Notbremse! Wir würden es tun!

Fazit: Wir wären doch mit dem Klammerbeutel gepudert,

(Gerrit Koch [FDP]: Klammeraffe!)

in dieser Situation dem Flughafen Lübeck 1,76 Millionen € hinterherzuschmeißen. Deshalb mein dringender Appell: Stimmen Sie unserem Antrag Drucksache 17/949 zu: Kein Geld mehr für Lübeck!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion DIE LINKE hat Frau Kollegin Antje Jansen das Wort.

(Zurufe)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meine Damen und Herren von CDU und FDP, vielleicht besuchen Sie einmal den Lübecker Flughafen und sehen sich einmal an, wie die Realität da aussieht.

(Gerrit Koch [FDP]: Wir fliegen sogar von da aus!)

Die Auseinandersetzung um den Lübecker Flughafen hat sich für die Dauer von zweieinhalb Jahren in eine Hängepartie verwandelt, durch diesen Bürgerentscheid, den wir sicherlich akzeptieren und umsetzen werden, und zwar in eine Hängepartie mit ungewissem Ausgang. Die Lübecker Stadtverwaltung soll bis 2012 einen Investor finden, der mit seinem eigenen Geld in das Betriebsrisiko einsteigt. Diesen Investor wird es nicht geben. Lübeck sucht schon seit Jahren einen Investor. Der eine ist ausgestiegen und hat uns 25 Millionen € gekostet. Das mussten wir ihm hinterherwerfen. Es steht keiner Schlange, keiner ist da.

(Unruhe)

Damit sind wir bis 2012 wieder da, wo wir im November 2009 schon einmal waren. Die Mehrheit der Lübecker Bürgerschaft wird sich dann aus dem Flughafen verabschieden. Das kann ich Ihnen schon jetzt sicher versprechen.

(Beifall bei der LINKEN)

Den berühmten kleinen Unterschied machen die Millionen, die es kostet, wenn der Absturz um eine Ehrenrunde vor dem Aufprall verlängert wird. Es kann nicht Aufgabe der Kommune sein, dauerhaft einen Regionalflughafen in Lübeck zu betreiben. Das Lübecker Rechnungsprüfungsamt hat klar vorgerechnet, dass das Geschäftsmodell ein Problem hat. Es funktioniert nicht, weil kostendeckende Nutzungsentgelte nicht marktgängig sind. Dieses

Problem teilt Lübeck mit fast allen Regionalflughäfen. Das hat mein Kollege von den Grünen hier bereits gesagt.

Dies gilt insbesondere überall dort, wo der Hauptkunde Ryanair heißt. Denn wo Ryanair landet, werden die Flughäfenbetreiber erpresst und gegeneinander ausgespielt. Lübeck wird nur einen Investor finden, wenn die Stadt die Übernahme der laufenden Verluste garantiert, und diese Verluste sind - wie mein Kollege schon sagte - hoch, 6 Millionen €. Lübeck hat kein Geld und kann für so ein unrentables Wesen nichts bezahlen.

(Beifall bei der LINKEN)

Verluste sind das Einzige, was der Flughafen jetzt und in Zukunft sicher produziert, und das schon seit zehn Jahren, immer steigend.

Die Passagierzahlen entwickeln sich weiter nach unten. Das Beschäftigungswunder Flughafengesellschaft findet nicht statt. Die Bindung von Ryanair an Lübeck und das Versprechen der Einrichtung einer sogenannten Base in Blankensee haben sich nicht erfüllt, Herr Vogt. Sie sagten, dass es immer noch Erwartungen gebe. Nein, diese Bindung war nie verlässlich. Ryanair hat immer nur vage gesagt: Sie werden machen, sie werden tun, wenn Lübeck zahlt. Sie haben es nicht gemacht.

Der irische Billigflieger streicht weiter Linien zusammen und verweist auf die neue Luftverkehrsabgabe. Das ist die nächste Luftnummer. Ryanair hat ernsthaft die Vorstellung, dass der Lübecker Flughafen die Kosten für die Luftverkehrsabgabe für die Fluggesellschaft übernimmt, die Sie auf Bundesebene beschlossen haben, meine Damen und Herren. Das nennen wir einen skrupellosen Versuch, aus der Notlage der Flughafengesellschaft immer noch mehr Kapital zu schlagen.

(Beifall bei der LINKEN und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Verwunderlich bis erheiternd ist die Reaktion der Flughafenbefürworter auf solche Äußerungen von O´Leary. Wenn er seine üblichen macht, sind Sie ohne Weiteres bereit, jedes seiner Worte auf die Goldwaage zu legen. Droht er aber mit dem Abzug, dann wird das immer als bekannt leeres Geschwätz abgetan.

Meine Damen und Herren, gestern war hier der große Tag der Haushaltskonsolidierung. Warum wollen Sie sich jetzt an der schieren Größe des finanziellen Scherbenhaufens berauschen, mit dem die Stadt Lübeck am Ende 2012 konfrontiert sein wird? Die Abwicklung des Flughafens Blankensee

(Dr. Andreas Tietze)

ist durch den Bürgerentscheid um zweieinhalb Jahre aufgeschoben, und dann wird sie kommen.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie wird kommen, schlicht aus wirtschaftlichen Gründen, weil es keinen Investor geben wird für ein Unternehmen, bei dem schon jetzt feststeht, dass das Defizit auch bei Umsatz wächst.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat beantragt, keine Investitionsfördermittel des Landes mehr für den Ausbau des Flughafens zu bewilligen. Wir werden diesem Antrag zustimmen.

(Beifall bei der LINKEN und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir fordern die Landesregierung auf: Nehmen Sie die Finger von Blankensee, bevor Sie sich selbst und den Lübeckern die ganze Hand verbrennen!

(Beifall bei der LINKEN und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bitte für den SSW nun Lars Harms an das Mikrofon.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bitte komme ich natürlich sehr gern nach. Wenn man die vorgelegten Anträge betrachtet, so muss man sie vor dem Hintergrund der politischen Festlegungen der Landesregierung und der Aussagen der Fraktionen betrachten. Ich verzichte hier bewusst darauf, die Entwicklung der letzten Wochen und Monate zu bewerten, sondern betrachte nur das, was politisch als Grundlage für die Förderung des Flughafens festgelegt worden ist.

Die Landesregierung hat gesagt, dass der Betrieb des Flughafens nicht durch das Land gefördert werden soll und wohl auch nicht gefördert werden kann. Diese Auffassung teilen wir als SSW.

Weiter hat die Landesregierung festgelegt, dass das Take-off-Konzept dergestalt überarbeitet werden soll, dass auch Szenarien eingearbeitet werden sollen, die eine Worst-Case-Betrachtung und eine Abschätzung der Risiken beinhalten. Dieses neue ergänzte Konzept sollte dann geprüft werden.

Nach meiner Information hat die Stadt Lübeck das Konzept überarbeitet, und nun muss es auf Stichhaltigkeit hin überprüft und gegebenenfalls weiter ergänzt werden. Die Notwendigkeit der Überarbeitung des Konzeptes haben wir als SSW ebenfalls

gesehen und die Landesregierung auch hier unterstützt.