Protocol of the Session on December 15, 2010

Viertens. Gute Politik muss auch Freiräume für individuelle Leistungen schaffen. Schleswig-Holstein ist stark geprägt von der mittelständischen Wirtschaft, vom Handwerk und von kleinen Familienbetrieben. Wirtschaftspolitik in Schleswig-Holstein muss der Wahrnehmung von Eigenverantwortung und der Leistungsförderung größeren Raum bieten.

Fünftens. Gute Politik wird von Werten und Zielen geprägt und getragen.

Gemeinsam wollen wir - das ist unser Punkt - investieren statt reparieren. Wir wollen Schleswig-Holstein menschlicher machen durch gezielte Investitionen in Bildung, durch gute Arbeit, durch bessere Chancen für Menschen mit Benachteiligungen gerade auf dem Arbeitsmarkt, durch die Bewahrung und den Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen, durch eine nachhaltige Integration zugewanderter Familien, durch Geschlechtergerechtigkeit, durch demokratische Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger und durch einen wirksamen Schutz ihrer Rechte und ihrer Sicherheit. Das ist die Wertvorstellung, die unsere Politik in SchleswigHolstein prägt.

(Beifall bei der SPD)

Wir bekennen uns ausdrücklich zum finanzpolitischen Ziel der Haushaltskonsolidierung und des Schuldenabbaus. Wir wissen um unsere Verpflichtung, unseren Kindern und Enkeln keinen riesigen Schuldenberg zu hinterlassen. Wir stellen aber auch fest, dass die übliche Vorgehensweise der Haushaltspolitik, Sozialausgaben zu kürzen und das Personal abzubauen, nicht zu einer langfristigen Kon

solidierung geführt hat. Eine solche Politik des Rotstifts bringt bestenfalls kurzfristig Entlastung, führt aber letztlich zu einem Anstieg sozialer Kosten.

Ich zitiere die vorhin von Ihnen geschmähte Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, Hannelore Kraft. Mit dem, was sie in ihrer Regierungserklärung gesagt hat, hat sie vollkommen recht:

„Wir stehen für eine nachhaltige Finanzpolitik.“

Weiter heißt es:

„Man muss jetzt den Mut haben, in Vorbeugung, in Betreuung und in Bildung zu investieren. Wir bekennen uns offen und selbstbewusst dazu, dass wir dafür zunächst höhere Ausgaben und vielleicht auch zusätzliche Schulden machen müssen. Doch wir sind davon überzeugt, dass nur eine solch mutige Politik, die auf Stärkung der Familien, auf Prävention, auf beste Bildung setzt, im zweiten Schritt dazu führt, dass es mehr Wirtschaftswachstum, höhere Steuereinnahmen und sinkende Staatsausgaben auf allen Ebenen geben wird.“

Wir haben den Mut zu dieser neuen Finanzpolitik, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Unsere Vorstellungen von der Zukunft finden sich nicht nur in unseren Haushaltsschwerpunkten wieder, sondern auch in der Devise für das, was wir tun wollen, wenn wir dieses Land wieder regieren. Sie wissen, dass das bald so sein wird.

Erstens. Gute Arbeit. Das Fundament unserer Gesellschaft ist und bleibt gute Arbeit, von der man leben kann und die den Menschen guttut. Wenn die Menschen so Steuern und Beiträge zahlen und keine Sozialtransfers brauchen, dann unterstützen sie den Haushalt. Es ist gut, wenn die Menschen nicht von der Aufstockung ihrer Arbeitslöhne leben müssen.

Wir brauchen ein Investitionsprogramm für den Ausbau erneuerbarer Energien mit neuen innovativen Arbeitsplätzen im Mittelstand und im Handwerk quer durch das Land. Es gibt Arbeit ohne Ende bei der Kinderbetreuung, in der Bildung, bei der Pflege und in der Gesundheit.

Zweitens. Beste Bildungschancen. Wenn wir wieder regieren, werden wir vom ersten Tag an konsequent darauf hinarbeiten, dass in Schleswig-Holstein künftig kein Kind mehr zurückgelassen wird. Wer frühzeitig in Bildung investiert, in die Kinder

(Dr. Ralf Stegner)

und Ganztagsbetreuung, in passgenaue Hilfen für Alleinerziehende und Familien und in eine Vorsorge der sozialen Integrationspolitik, der sorgt am besten für die Zukunft vor, weil er direkt in die Zukunft investiert. Eine solche präventive Politik wird sich mittelfristig und erst recht langfristig rechnen.

Wir investieren mit unseren Vorschlägen deswegen in erster Linie in die Zukunftschancen unserer Kinder und Enkel und in die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Schleswig-Holstein. Wenn wir es nicht schaffen, mehr junge Menschen zu Schulabschlüssen zu führen, wird unser Land keine Zukunft haben. Dass in Dänemark 80 % aller Kinder Abitur machen, bei uns aber nur 45 % - bei Migranten sind es 12 % -, das kann nicht an den Genen liegen. Das hat politische Ursachen. Eine neue Landesregierung wird dafür arbeiten, dass sich das deutlich verbessert.

Dies geht übrigens nur über die Stärkung der Gemeinschaftsschulen, über längeres gemeinsames Lernen. Abitur mit G 8, Gemeinschaftsschule mit G 9, das ist der Weg, aber nicht ihr teures Y-Chaos, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Größere Anstrengungen sind bei der Reform der Lehrerausbildung notwendig. Beste Bildung, und zwar gebührenfrei von der Kita bis zum Studium, das ist das, was wir brauchen, weil wir nämlich in die frühestmögliche Entwicklung von Kindern und damit in ihre Lebenschancen investieren müssen. Tun wir das nicht, wird das Land ärmer, weil die gesellschaftlichen Kosten unterlassener Bildung immens sind.

Klar ist, dass sich das in erster Linie in den Städten und Gemeinden entscheidet. Deshalb brauchen wir mehr finanzielle Anstrengungen des Bundes, des Landes und der Kommunen. Es bedarf eines zehnjährigen Kraftaktes. Deshalb muss auch die Verfassung geändert werden, meine sehr verehrten Damen und Herren. Einen entsprechenden Antrag haben wir heute gestellt.

Drittens. Die Verbesserung der Situation von Eltern und Familien: Das Schlüsselthema für Eltern in der Rushhour ihres Lebens, also zwischen 25 und 45 Jahren, ist die Frage, wie sie Familie und Beruf miteinander vereinbaren können. Hierbei geht es um beitragsfreie Kitas und um den Ausbau der Betreuungsangebote für unter Dreijährige. Das ist genau das, was die Mittelschicht braucht. Die Familien, über die wir sprechen, haben nicht nur die häufig teure Erziehung ihrer Kinder zu leisten. Sie stehen auch vor der Herausforderung der Pflege ihrer

Eltern, und sie sollen häufig stärker für die eigene Rente vorsorgen.

Diese Mehrfachbelastung gehört zu den Themen, die wir uns künftig genauer ansehen müssen. Eine gebührenfreie Bildung, für die wir eintreten, ist nämlich eine viel größere Entlastung als all das, was Sie über Steuerpolitik fabulieren, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Viertens. Neue Energie. Die konsequente Energiewende schafft nicht nur Arbeitsplätze in SchleswigHolstein, sondern mit dem Ausstieg aus der Atomenergie, mit der konsequenten Vorfahrt für erneuerbare Energie und mit den Leitungsnetzen in öffentlicher Hand schaffen wir die Voraussetzungen dafür, dass wieder in den Kommunen vor Ort entschieden wird und dass unsere Kinder und Enkel noch in Wohlstand leben können.

Ich glaube, wir brauchen Mut, das richtig Erkannte auch beherzt anzupacken. Es ist doch heute so, dass wir es in der Politik mit sogenannten Realisten, mit Tatsachenmenschen zu tun haben, die nur noch darauf verweisen, was nicht geht, sodass die Potenziale, die in der Gesellschaft stecken, nicht zur Entfaltung kommen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Wir können das aber, und die Gemeinschaftsschule ist ein Beispiel dafür. Wir können Mut schöpfen aus dem, was wir schon gewagt haben. Deshalb bedeutet das Haushaltspaket, das die SPD vorgelegt hat, dass wir es mittragen, in zehn Jahren aus der Neuverschuldung auszusteigen. Damit das gelingen kann, müssen wir aber einen Schwerpunkt im Bereich der Bildung setzen.

Zusammengefasst heißt das: Wir stehen zu der Vereinbarung aus der Zeit der Großen Koalition, dass das letzte Kindergartenjahr gebührenfrei sein soll. Wir stehen außerdem zu der Vereinbarung aus der Zeit der Großen Koalition, dass es keine Verpflichtung der Kreise geben sollte, die Eltern an den Kosten der Schülerbeförderung zu beteiligen. Wir stehen darüber hinaus zu der Minderheitenpolitik, wie wir sie in 21 Jahren Regierungspolitik formuliert haben. Bei den Schulen der dänischen Minderheit darf nicht gekürzt werden, wie Sie das aber tun.

Wir setzen auch im Sozialbereich auf einen moderaten Beitrag zur Haushaltskonsolidierung. Wir können aber nicht wahllos Einsparungen in diesem Bereich vornehmen. Wir schlagen Ihnen neue Sozialverträge vor, die Planungssicherheit bedeuten. So können diejenigen, die mit Schleswig

(Dr. Ralf Stegner)

Holstein Verträge schließen, endlich wieder einmal merken, dass eine Landesregierung vertragstreu sein kann. Das sind Sie nämlich nicht. Das wird sich ändern, wenn Sozialdemokraten wieder regieren.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Die Kürzungen, die Sie vorschlagen, werden die Gesellschaft teuer zu stehen kommen. Tausende demonstrieren dagegen im Land. Wenn Sie bei Vereinen und Projekten kürzen, führt das oft zum Exitus. Sie sparen an der falschen Stelle. Die Kürzung des Landesblindengeldes ist Ihr Hauptbeitrag. Das ist nicht hinzunehmen. Ich muss Ihnen sagen: Sie haben überhaupt nicht verstanden, was Sie damit anrichten. Wir werden Schlusslicht sein, wenn wir das tun, was Sie vorschlagen.

Es ist unglaublich, was Sie bei der Eingliederungshilfe beabsichtigen. Das ist der größte Titel im Bereich der Politik für Menschen mit Behinderung. Sie kürzen nicht nur die Mittel an bestimmten Stellen um 45 %, sondern machen das am Parlament vorbei und ohne die Verbände zu beteiligen. Das ist ein Skandal. Nach den Neuwahlen werden wir alle verfügbaren Mittel für die Inklusion einsetzen.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben ein vorbildliches Kinderschutzgesetz. Was machen Sie aber? Sie kürzen die Mittel für die frühen Hilfen um 40 %. Das tragen wir nicht mit. Kinder und Jugendliche sind die Zukunft unseres Landes, meine sehr verehrten Damen und Herren. Was Sie bei Jugendverbänden, bei Mädchentreffs und bei Familienbildungsstätten tun, das zeigt, dass keine Ideen und Konzepte hinter Ihren Haushaltskonsolidierungsplänen stehen. Es ist Willkür, und es ist Aktionismus. Die Leidtragenden Ihrer Politik sind hilfebedürftige Menschen sowie Kinder und Familien.

Für uns ist die Familie das Fundament unserer Gesellschaft. Das steht übrigens auch in Ihrem Koalitionsvertrag. Warum zerstören Sie dieses Fundament durch Ihre eigene Politik, meine sehr verehrten Damen und Herren?

(Beifall bei der SPD)

Im Bereich der Wirtschaftspolitik wollen wir die Subventionierung von Unternehmen durch einzelbetriebliche Förderung abschaffen. Die Subventionierung von Unternehmen gefährdet nämlich mehr Arbeitsplätze, als damit an anderer Stelle gesichert werden. Den Unternehmen in SchleswigHolstein wäre weit besser gedient, wenn die Regie

rungsfraktionen endlich ein europarechtskonformes Tariftreuegesetz beschließen würden, das von Gewerkschaften und Wirtschaft gleichermaßen gefordert wird.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD - Zuruf von der FDP: Machen wir doch!)

Sie stellen als erstes Bundesland die Beibehaltungsförderung für den ökologischen Landbau ein. Sie sind der Meinung, bei allem, was mit Umwelt, Naturschutz und Klima zu tun hat, könne man richtig kürzen und reinhauen. Sie lassen das Freiwillige Ökologische Jahr zur Ader. Sie kürzen in einem Bereich, in dem sich junge Menschen organisieren. Sie streichen sämtliche Mittel für den Klimaschutz. Als ob ausgerechnet das Land zwischen den Meeren es sich leisten könnte, bei diesem Thema zu schlafen.

Die Kommunen dachten, dass sie endlich in den Bereichen investieren können, in denen das dringend notwendig ist. Sie müssen sich nun aber darauf einrichten, dass die Opfer Ihrer Sparpolitik an den Rathaustüren anklopfen werden. Was sollen die Beratungsstellen für Frauen, Migranten, Familien, Senioren und Behinderte auch sonst machen, wenn sie ihre Arbeit nicht einstellen wollen? Natürlich werden sie versuchen, etwas von den Kommunen zu bekommen. Was freiwillige Leistung heißt, ist in unserem Sozialstaat in Wirklichkeit Pflichtleistung, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Sie versprachen den Beamten und Beamtinnen, dass sie bereits ihren Beitrag geleistet haben. Herr Kollege Kalinka hat genauso Versprechen abgegeben, wie es der Kollege Kubicki getan hat. Sie haben zuerst versprochen, dass sie keine Verlängerung der Lebensarbeitszeit für Polizisten beschließen werden. Jetzt machen Sie es aber doch. Herr Kubicki hat gesagt, er lasse sich in die Förde werfen, wenn es doch beschlossen wird. Sie sollten sich beeilen; denn es wird allmählich kühl draußen.

Auch die Verschlechterung bei unserem bundesweit vorbildlichen Mitbestimmungsgesetz lehnen wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ab.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie kürzen überall: bei der Europapolitik, bei den Minderheiten. Man sieht - Sie haben das Europaministerium aufgelöst -, immer dann, wenn ein Politikgegenstand Chefsache wird, wird es in Schleswig-Holstein Zeit für die Betroffenen, Reißaus zu nehmen. Das ist das, was wir hier erleben.

(Beifall bei der SPD)