Wir wollten die gesellschaftspolitische Diskussion über den Sonntag eröffnen. Sie spielen tatsächlich mit dem Feuer. Denn wenn die Kirche klagt, ist es wahrlich nicht das erste Mal, dass Ihre bornierte Einsichtslosigkeit das schleswig-holsteinische Landesverfassungsgericht auf den Plan ruft und dies dann das korrigiert, was Sie auf den Weg bringen.
- Entschuldigung, ich habe fünf Minuten Redezeit. Ich kann mich gern noch zu einem Dreiminutenbeitrag melden. Ich habe hier noch einige Argumente vorzutragen, ich bin damit noch nicht durch.
Herr Abgeordneter, dann bitte ich Sie, dass Sie nachher die Gelegenheit für einen Dreiminutenbeitrag nutzen. Ihre Redezeit ist überschritten.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Debatte zur Bäderregelung treibt seltsame Blüten. Die letzte Ausschusssitzung zur Behandlung des Gesetzentwurfs - viele habe es hier schon gesagt war eine Farce. Der Minister berichtete dem Ausschuss von bevorstehenden Gesprächen mit den Kirchen und Gewerkschaften am 25. November 2010. Er betonte in diesem Zusammenhang, dass er nicht gedenke, bei diesem Treffen einen Kompromissvorschlag zu präsentieren. Er habe die Absicht, sich die Vorschläge der Kirchen und Gewerkschaf
ten anzuhören und dann im Anschluss nichts zu ändern. Deshalb könne auch der vorliegende Gesetzentwurf ruhig schon vor dem Treffen abgelehnt werden.
Dies ist ein weiteres Beispiel für die kompromisslose Haltung der Landesregierung. Was andere sagen, hört man sich im besten Falle an. Argumenten gegenüber ist man absolut unaufgeschlossen. DIE LINKE fordert die Landesregierung und Minister de Jager auf, ergebnisoffen in die Verhandlungen mit Kirchen und Gewerkschaften hineinzugehen.
Mit der Aussage des Ministers, man könne gleich abstimmen, waren die Fraktionen von FDP und CDU anscheinend einverstanden. Sie setzten eine Abstimmung über den vorliegenden Gesetzentwurf durch. Die Begründung dafür war überraschend: CDU und FDP stellten die steile These in den Raum, das Ladenöffnungszeitengesetz stehe mit der Bäderregelung in keinem Zusammenhang. Das zeugt von Unkenntnis oder Desinteresse. Im Ladenöffnungszeitengesetz ist zum Beispiel die Zahl der Sonntage bestimmt, an denen Geschäfte in den in der Bäderregung aufgeführten Orten sonntags geöffnet haben dürfen. Zurzeit sind dies alle Sonntage in der Zeit vom 15. Dezember bis 31. Oktober.
Damit sind nur sechs Sonntage im Jahr von der Bäderregelung ausgenommen. Die bestehende Regelung macht Sonntagsöffnungszeiten zur Regel, nicht zur Ausnahme. Dies lehnt DIE LINKE entschieden ab.
Sonntagsöffnungszeiten sind der Ausdruck deregulierter Lebensverhältnisse. Die Verkäufer und in den meisten Fällen Verkäuferinnen müssen sonntags im Geschäft stehen, sie haben keinen gesicherten festen Tag in der Woche für ihre Familien und ihre Freundinnen und Freunde. Das will DIE LINKE nicht. Auch immer und zu jeder Zeit Konsumterror ausgesetzt zu sein, ist für DIE LINKE nicht erstrebenswert.
Der Gesetzentwurf der Fraktion der Grünen begrenzt die Sonntagsöffnungszeiten in Bäderorten auf die Zeit vom 15. März bis zum 31. Oktober. So fallen noch 29 Sonntage unter die Bäderregelung. Keine Lösung, wie sie DIE LINKE wünscht. DIE
Der Gesetzentwurf der Grünen ist aber ein Schritt in die richtige Richtung. Daher werden wir ihm zustimmen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben im Ausschuss ausgiebig über die von den Grünen begehrte Änderung des Ladenöffnungszeitengesetzes beraten. Da ich selber aus einer sehr stark vom Tourismus geprägten Region stamme, ist es sicherlich verständlich, dass ich vor allem die Arbeitsplätze, die mit den offeneren Regelungen zum Ladenschluss verbunden sind, im Auge habe. Bevor wir aber womöglich in eine ideologische Debatte einsteigen - das scheinen wir ja schon getan zu haben -, möchte ich darauf hinweisen, dass die Menschen, die in Kur- und Erholungsorten in Supermärkten und anderen Läden arbeiten, nicht die einzigen sind, die sonntags arbeiten. Natürlich arbeiten Menschen auch an Wochenenden und Feiertagen in Dienstleistungsbereichen, die für die Daseinsvorsorge unverzichtbar sind. Zu nennen sind da Energieversorgungsunternehmen, Krankenhäuser, die Polizei oder auch die Flugüberwachung. Wir haben Sonn- und Feiertagsarbeit bei der Bundeswehr, der Post, beim Zoll oder auch bei Verkehrsunternehmen. Schon hier, bei den Verkehrsunternehmen, also Bus und Bahn, kann man die Frage stellen, ob diese Angebote lebensnotwendig sind oder eher nicht und ob so eine Ausnahme vom verfassungsmäßig gewollten Arbeitsverbot gerechtfertigt ist.
Sonn- und Feiertagsarbeit gilt auch für landwirtschaftliche Betriebe, gastronomische Betriebe, alle Arten von Großunternehmen, Tankstellen, Bäckereien, Museen, Zoos, Schwimmbäder, Imbisse und viele andere Unternehmen, die wir alle selbstverständlich auch gern am Wochenende nutzen.
Was ich mit diesen Beispielen sagen will, ist, dass die faktische Entwicklung bei der Sonn- und Feiertagsarbeit schon wesentlich weiter fortgeschritten
ist, als man in ideologischen Debatten immer meint. Diejenige, die übrigens auch die längste und dauerhafteste Tradition für Sonntagsarbeit hat, ist die Kirche.
Laut Institut der deutschen Wirtschaft in Köln arbeiten in Deutschland circa 8,1 Millionen Menschen an Sonn- und Feiertagen. Die Sonntagsarbeitsquote liegt damit bei 22,5 %, ein Viertel der Bundesbürger arbeitet auch am Sonntag. So viel zu den Fakten.
Sonn- und Feiertagsarbeit ist somit ein Faktum in Deutschland und eine Realität, der man sich nicht verschließen kann. Die Bäderregelungen in den einzelnen Bundesländern haben hieran einen verhältnismäßig kleinen Anteil, sie sind aber für die betroffenen Regionen eine wichtige Grundlage für die wirtschaftliche Entwicklung. Gerade deshalb ist es wichtig, das Thema mit Ruhe und ohne ideologische Scheuklappen zu betrachten.
Wir können feststellen, dass wir im Grundgesetz ein Gebot der Sonn- und Feiertagsruhe verankert haben. Es geht hier aber nicht darum, über den Sinn oder Unsinn dieser Regelung zu debattieren. Ich stelle einfach fest, dass diese Regelung da ist und dass das Arbeitszeitgesetz und andere Regelungen hiervon abgeleitet sind. Diese Regelungen wiederum stellen den Rahmen der gesetzlich zulässigen Sonn- und Feiertagsarbeit dar, und gerade hier ist festgelegt, wie oft im Jahr und unter welchen Bedingungen Sonn- und Feiertagsarbeit zulässig ist und wie diese vergütet werden soll. Weiteres darüber hinaus ist in Tarifverträgen geregelt.
Genau hier möchte ich ansetzen. Wenn man etwas für Beschäftigte tun möchte und wenn man akzeptiert, dass die Sonn- und Feiertagsarbeit ein Faktum ist, dann sollte man sich diese Regelungen ansehen und nicht eindimensional ausschließlich auf die Bäderregelung in Schleswig-Holstein sehen. Es geht nämlich im Kern nicht darum, einem bestimmten Teil der Beschäftigten die Sonn- und Feiertagsarbeit nicht zu ermöglichen, sondern es müsste vielmehr darum gehen, den Beschäftigten bei Sonnund Feiertagsarbeit vernünftige Rahmenbedingungen zu geben.
Das Urteil in Mecklenburg-Vorpommern ist somit nicht der Hebel, um die hiesige Bäderregelung zu kippen, sondern wir müssen, wie es hier auch schon geschieht, mit Kirchen und Gewerkschaften darüber reden, wie und unter welchen Bedingungen Sonn- und Feiertagsarbeit möglich sein soll und welche Bedingungen es geben soll, die es den Beschäftigen leichter ermöglichen, dieser Arbeit nach
zugehen. Dafür bedarf es aber keines grünen Antrags, sondern einer an den wirtschaftlichen Notwendigkeiten und den Interessen der betroffenen Beschäftigten orientierten Verhandlungsführung.
Dabei geht es dann sowohl um die Chance für die Beschäftigten, einen Arbeitsplatz zu erhalten und auch zu behalten, und für die Unternehmen, bei uns insbesondere aus der Tourismuswirtschaft, Geld zu verdienen, als auch um die Möglichkeit, den grundgesetzlich abgesicherten Sonn- und Feiertagsschutz zu gewährleisten. Meine Damen und Herren, das erreicht man am besten durch Gespräche und Verhandlungen mit den Betroffenen und nicht durch ideologiegeschwängerte Anträge.