Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der soeben gehörte Dreiminutenbeitrag sollte nicht der letzte in dieser Debatte gewesen sein.
Man könnte die Debatte unter die Überschrift stellen: „Wenn Theorie auf Praxis trifft“ oder „Wenn fremde Welten aufeinanderprallen“. Ich habe den Eindruck, dass man sich über die Parteigrenzen hinweg einig ist, wenn es um das Ziel geht, den Frauen zu helfen. Mein Kollege Andreas Tietze hat ausführlich dargestellt, dass das Thema auch für die Arbeitgeber sehr wichtig ist. Sich darauf zu verlassen, dass Betriebsvereinbarungen allein oder zum
(Anita Klahn [FDP]: Moment! - Dr. Christi- an von Boetticher [CDU]: Das hat sie doch gar nicht gesagt!)
Die Betriebsvereinbarungen sind schön und gut, aber wir müssen darauf hinwirken, dass die Strukturen umgesetzt werden.
Wir alle setzen uns dafür ein, dass Gewalt geächtet wird. Darin sind wir uns einig; davon bin ich zumindest bis vor Kurzem ausgegangen.
Die gesundheitlichen Folgen von Gewalt am Arbeitsplatz sind gravierend. Für diejenigen, die es trifft, ist es immer schlimm. Es stellt auch zunehmend ein wirtschaftliches Problem dar, was sich hinter dieser Gewalt verbirgt. Deswegen kann ich die Ausführungen der Vorrednerin nicht im Raum stehen lassen. Wir alle müssen uns für die Ächtung von Gewalt einsetzen.
Es ist gut, dass Arbeitgeber sich engagieren; da haben Sie völlig recht, Frau Kollegin Funke. Aber alle Arbeitgeber müssen sich engagieren! In diesem Bereich muss noch viel passieren.
Das Wort zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich Frau Kollegin Silke Hinrichsen von der SSW-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hinsichtlich des vorletzten Dreiminutenbeitrags darf ich auf Folgendes hinweisen: Die Behauptung, dass Workplace Policy ein Eingriff in die Privatautonomie sei, weise ich ausdrücklich zurück.
Diese Behauptung spiegelt eine Auffassung wider, die in den vergangenen 100 Jahren geherrscht hat, was das Thema häusliche Gewalt angeht. Früher wurde immer damit argumentiert, man habe sich dort nicht einzumischen, weil diese Gewalt zu Hause, hinter der geschlossenen Tür, stattfinde. Uns geht es darum, das Thema hinter der geschlossenen Tür hervorzuholen, „um die gesellschaftliche
Ächtung häuslicher Gewalt durchzusetzen“. Es hat mich überrascht, dass ich im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt wieder mit den Argumenten „Schutz der Privatautonomie“ und „Das passiert doch hinter der geschlossenen Tür!“ konfrontiert wurde. Das kann nicht sein.
Ihnen ist vielleicht nicht bekannt, dass die Polizei vor vielen Jahren immer wieder Probleme hatte, in solchen Fällen einzugreifen. Sie traf traumatisierte Familien an, konnte aber damals nichts unternehmen, weil keine Strafanzeige gegen die Täter erstattet wurde. Genau das ist Sinn und Zweck der Wegweisung, die es heute der Polizei ermöglicht zu sagen: Der Täter muss gehen, er darf nicht mehr zu Hause bleiben. - Diesen Aspekt hielt ich bisher immer für den größten Fortschritt hier im Land. Das wird aber ad absurdum geführt, wenn man bei einem Vorgehen gegen häusliche Gewalt immer noch von einem „Eingriff in die Privatautonomie“ spricht.
„Das Thema häusliche Gewalt wird zunehmend aus der Grauzone von Tabuisierung und Verharmlosung als Familienstreit herausgelöst. Im gesellschaftlichen Bewusstsein wird Gewalt gegen Frauen immer mehr geächtet.“
Dazu hat die KIK-Initiative beigetragen. Sie haben hier mit keinem Wort gewürdigt, was die Gleichstellungsbeauftragten, die Frauenhäuser und die KIK-Koordinatorinnen bereits in diesem Lande tun.
Ich finde es wirklich peinlich, dass Sie hier über häusliche Gewalt reden und behaupten, wir kümmerten uns nicht darum.
Sie haben den Antrag gestellt, Betriebe par ordre du mufti zwangsweise dazu zu verpflichten, Personen einzustellen und Dinge zu tun, die Betriebe, die ihre soziale Aufgabe wichtig nehmen und wahrnehmen, bereits freiwillig tun. Ich kenne persönlich keinen Arbeitgeber, der einfach wegschauen würde, stünde vor ihm eine Frau und wäre es offensichtlich, dass sie leidet.
Ich habe diverse berufliche Arbeitsjahre hinter mir, vielleicht ein paar mehr als einige Abgeordnete hier im Hause.
(Vereinzelter Beifall bei der FDP - Silke Hinrichsen [SSW]: Das ist eine Unver- schämtheit! - Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist das Gleiche wie: „Halt die Klappe!“ - Antje Jansen [DIE LIN- KE]: Die FDP braucht eine Gleichstellungs- beauftragte!)
Für die Landesregierung erteile ich jetzt dem Minister für Justiz, Gleichstellung und Integration, Herrn Emil Schmalfuß, das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich, dass mir der Antrag der Fraktion DIE LINKE, eine Workplace Policy einzuführen, die Gelegenheit gibt, Ihnen vorzustellen, wie gut Schleswig-Holstein bei der Bekämpfung der häuslichen Gewalt aufgestellt ist.
In unserem Land gibt es bereits ohne eine Workplace Policy ein abgestimmtes und funktionierendes System von Ansprechpartnerinnen und -partnern, die beim Thema häusliche Gewalt informieren, einschreiten, beraten und Beratungshilfe für betroffene Frauen vermitteln. Dazu gehören zunächst unsere Gleichstellungsbeauftragten in Gemeinden, Kreisen, Ämtern, in Dienststellen und an
Hochschulen. Diese stehen für die individuelle Beratung von Frauen und Vorgesetzten bereit. Sie sind eng eingebunden in die regionalen Kooperationsrunden des Kooperations- und Interventionskonzepts KIK gegen häusliche Gewalt. Heute ist bereits ausführlich hierüber gesprochen worden, und ich werde gleich noch näher hierauf eingehen.
Zunächst will ich aber darauf hinweisen, dass auch unsere Personalräte diesbezüglich tätig sind. Sie unterstützen die Beschäftigten auch bei häuslicher Gewalt und deren Folgen. Das Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein garantiert, dass Frauen und Männer Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner in den Personalräten finden.
Eine weitere Einrichtung, die allen Beschäftigten offensteht, ist die Beschwerdestelle nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Seit Inkrafttreten dieses Gesetzes sind öffentliche und private Arbeitgeber verpflichtet, Beschwerdestellen einzurichten. Dorthin können sich Beschäftigte wenden, wenn sie sich vom Arbeitgeber, von Vorgesetzten und anderen Beschäftigten oder Dritten benachteiligt fühlen. Diese Beschwerden müssen zwingend geprüft werden.
Ein ganz wesentlicher Bestandteil unserer Anstrengungen gegen häusliche Gewalt ist jedoch das Kooperationsund Interventionskonzept gegen häusliche Gewalt, kurz KIK. KIK, meine Damen und Herren, ist ein beispielloses Netz von Behörden und freien Trägern. Dank dieses Netzwerks wurden in den letzten Jahren Prävention, Sanktion und Opferschutz systematisch verknüpft und professionell gemanagt. Gleich, an welche Behörde oder Einrichtung sich ein Opfer häuslicher Gewalt wendet, sei es die Polizei, die Rechtsantragsstelle, die Hausärztin oder der Hausarzt - an jeder Stelle wird der Weg zu Beratungseinrichtungen aufgezeigt, speziell zu Frauenberatungsstellen und Frauenhäusern.
Die von kommunaler Seite und vom Ministerium geförderten Frauenberatungsstellen und Frauenhäuser bieten bei häuslicher Gewalt ein landesweites qualitativ hochwertiges Netz ambulanter und stationärer Hilfe.
Meine Damen und Herren, das bleibt auch so, trotz vorgesehener Sparmaßnahmen. Ich habe den Vertreterinnen der Frauenhäuser heute Morgen deutlich gemacht und versichert, dass eine qualitativ hoch