Meine Damen und Herren! Die Sitzung ist eröffnet. Ich begrüße Sie alle ganz herzlich. Erkrankt sind die Abgeordneten Dr. Gitta Trauernicht, Lothar Hay, Rolf Fischer und Ellen Streitbörger. - Wir wünschen ihnen gute Besserung.
Für den heutigen Tag ist Herr Abgeordneter Hans Müller beurlaubt, ab heute Nachmittag Frau Abgeordnete Anette Langner sowie von der Landesregierung Frau Ministerin Dr. Juliane Rumpf.
Auf der Zuschauertribüne begrüße ich Mitglieder des CDU-Ortsverbands Kosel sowie der Seniorenunion Kiel. - Seien Sie uns im Schleswig-Holsteinischen Landtag herzlich willkommen!
Ich gebe Ihnen eine Änderung zu Tagesordnungspunkt 34, Antrag der Fraktion DIE LINKE, Drucksache 17/912, bekannt. Dieser Tagesordnungspunkt wird nach Einreichung des Änderungsantrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 17/942, aus der Sammeldrucksache herausgenommen und am Ende der Tagung vor Aufruf der Abstimmung über die Sammeldrucksache abgestimmt.
Erste Lesung des Entwurfs eines schleswig-holsteinischen Gesetzes zur Sicherung von Tariftreue, Sozialstandards und Wettbewerb bei öffentlicher Auftragsvergabe (Vergabe- und Ta- riftreuegesetz)
Mindestlohn und wirksame Kontrollmöglichkeiten in den Entwurf eines schleswig-holsteinischen Gesetzes zur Sicherung von Tariftreue, Sozialstandards und Wettbewerb bei öffentlicher Auftragsvergabe (Vergabe- und Tariftreue- gesetz) integrieren
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn die öffentliche Hand aus Steuermitteln Aufträge für öffentliche Infrastruktur, für Schulsanierung, für Straßenbau, für Rathausreinigung erteilt, dann ist es Pflicht und eigentlich auch eine Selbstverständlichkeit, dass diese Arbeiten nicht zu Dumpinglöhnen erbracht werden.
Firmen bewerben sich um öffentliche Aufträge. Sie verdienen damit ihr Geld und beschäftigen Menschen. Sie sind verantwortungsvoll und stellen sich einem Wettbewerb um Zuverlässigkeit, um Leistungsfähigkeit und um Fachkunde. Wir müssen verhindern, dass sich dieser Wettbewerb über Lohndumping abspielt. Das wollen wir nicht, und das will auch das Handwerk nicht.
Ich freue mich deshalb, dass heute Morgen vom Handwerk Schleswig-Holstein e.V. der Präsident, Herr Ulrich Mietschke, und der Geschäftsführer, Herr Tim Brockmann, unserer Debatte folgen. Herzlich willkommen im Landeshaus!
Wir freuen uns auf den weiteren Meinungsaustausch mit Ihnen, mit anderen Verbänden, mit Gewerkschaften, aber natürlich auch mit der Kommunalpolitik.
Unser Gesetzentwurf schlägt neben klaren Regeln zur Tariftreue klare Vergaberegeln vor. Eindeutige Wertgrenzen, die realistische Größen für typische Vergabevorgänge beinhalten, und Hinweise zu den zu wählenden Ausschreibungsverfahren geben Transparenz und Sicherheit. Sicherheit übrigens nicht nur für Auftragnehmer, auch Auftraggeber und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter profitieren davon.
Zu den Tariftreueregeln! Unser Gesetzentwurf greift Anregungen aus der Anhörung auf, die aufgrund eines Gesetzentwurfs des SSW stattgefunden hat. Für das auf den Weg gebrachte Verfahren danke ich den Kolleginnen und Kollegen vom SSW, ganz besonders aber dem Kollegen Lars Harms, aufrichtig und herzlich. Vielen Dank.
Wir haben im Verfahren und in der Anhörung viel lernen können, zum Beispiel, dass EU-konforme Tariftreueregeln möglich sind, sogar im ÖPNV, zum Beispiel, dass Tariftreueregeln mitnichten Preistreiber sind, zum Beispiel, dass solche Regelungen nicht nur symbolisch sind, sondern dass wir hier wirklich materiell-rechtlich die Welt ein kleines bisschen gerechter machen können.
Wir haben zum Beispiel aber auch gelernt, dass ein Mindestlohn das politische Ziel der SPD bleibt und in ein Bundesgesetz gehört. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen den gesetzlichen Mindestlohn - einen Mindestlohn, der bundesweit gewährleistet, dass Menschen von ihrer Hände Arbeit angemessen und ohne aufstockende staatliche Leistungen leben können,
Die Landesregierung hat uns in diesen Tagen über ihren Entwurf eines Mittelstandsförderungs- und Vergabegesetzes unterrichtet. Ich frage mich, was am geltenden und - wie ich finde - bewährten Mittelstandsförderungsgesetz von 2003 falsch ist und geändert werden muss. Ich meine, das ist nicht erforderlich.
Die in den Regierungseckpunkten bisher geplanten Tariftreueregeln gehen aus Sicht meiner Fraktion nicht weit genug. Wir werden in der weiteren Beratung sehen und bewerten können, ob die Regierung hier einen zielführenden Weg beschreitet.
Alles in allem ist es gut, dass die Regierung die Tariftreue überhaupt in einen Gesetzentwurf schreibt. Ich hoffe, das wird dann auch von den Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP getragen. Der Anfang ist gemacht. Die Tariftreue erobert bei ihrer Rückkehr nun die Herzen der Landesregierung in Schleswig-Holstein, und das ist gut so.
Wir dürfen nicht vergessen: Am 31. Dezember 2010 tritt das geltende Tariftreuegesetz außer Kraft. Möglicherweise wird das hier in Schleswig-Holstein niemand merken, denn der CDU-Wirtschaftsminister erklärte unter dem Schock des EuGH-Urteils 2008 das schleswig-holsteinische Gesetz schlichtweg für nicht anwendbar. Es ist höchste Zeit, den tariftreuelosen Zustand zu beenden.
Für das weitere Verfahren liegen damit nun drei Gesetzentwürfe auf dem Tisch. Ich freue mich auf die Diskussion und Beratung in den nächsten Wochen im Wirtschaftsausschuss.
Wir haben uns bei der Formulierung unseres Gesetzentwurfs an bereits bewährten, EU-rechtskonformen Gesetzen orientiert. Ich halte es - wie beim Mittelstandsförderungsgesetz - mit dem 1. Thessalonicherbrief, Kapitel 5, Vers 21, meinem Konfirmationsspruch:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Geschichte des schleswig-holsteinischen Tariftreuegesetzes ist eine lange Geschichte. Es ist eine Geschichte mit lebhaften Debatten und intensiven Beratungen. Es ist aber auch eine Geschichte der Missverständnisse, eine Geschichte des populistischen Erheischens von Aufmerksamkeit und zum Teil eine Geschichte der unredlichen Debatte.
Damit sind wir schon bei dem vorgelegten Entwurf der SPD. Er geht zwar über elf Seiten, Neues steht für mich dort aber nicht drin, denn das Bremer Vergabegesetz kannten wir schon vorher, und dort wurde kräftig abgeschrieben. Zwei Punkte hat die SPD vom Bremer Modell nicht übernommen. Zum einen ging Kollegin Poersch der Kontrollwahn der dortigen rot-grünen Koalition zu weit, zum anderen wurden Mindestlohnbestimmungen ersatzlos gestrichen. Während die Kollegin Poersch nun vielleicht überlegt, wie Sie das den Vertretern der Sozialverbände und Gewerkschaften erklären soll, stelle ich mir die Frage, ob ich dazu applaudieren müsste.
Ich freue mich, dass die SPD offenbar einsieht, dass der gesetzliche Mindestlohn nicht der richtige Weg ist. Ansonsten kann ich mit Ihrem Gesetzentwurf nicht viel anfangen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach dem Rüffert-Urteil zum niedersächsischen Vergabegesetz und dem uns allen wohlbekannten Schreiben des
damaligen Europaministers Uwe Döring weiß jeder, dass eine Tariftreueerklärung nur deklaratorischen Charakter haben kann. Daraus elf Seiten zu machen, ist wahrlich meisterhaft.
Da hilft es auch nicht, dass Sie den ÖPNV mit aufgenommen haben. Denn eines steht fest: Die Aufnahme des öffentlichen Personennahverkehrs in Tariftreueerklärungen ist europarechtlich mit großen Unsicherheiten behaftet. Wenn Sie Gefahr laufen wollen, dass das Gesetz in zwei Jahren wieder vom EuGH einkassiert wird, können Sie das so machen. Wir hingegen machen seriöse Politik; wir arbeiten handwerklich sauber.
Den Hinweis, dass das bremische Vergabegesetz noch nicht beanstandet wurde, sollten Sie sich sparen. Schließlich zweifeln Sie dies offensichtlich selbst an. Sonst hätten Sie kaum auf die Mindestlohnbestimmungen verzichtet.
Die Krone in der Debatte kann sich am heutigen Tag DIE LINKE aufsetzen. Die Änderungen, die die SPD an der bremischen Vorlage vorgenommen hat, will DIE LINKE partout nicht akzeptieren und schreibt das ab, was bisher ausgelassen wurde. Das ist ein lustiger Vorgang, der sich dort abspielt. Immerhin, Sie waren etwas innovativ: 10 € Mindestlohn fordert DIE LINKE bei der öffentlichen Vergabe. Da muss sich die SPD schon anstrengen, um mithalten zu können.
An dieser Stelle kann ich - wir haben darüber vorgestern debattiert - nur auf die zahlreichen Rechenbeispiele verweisen, die auch in den Medien aufgenommen wurden. Jeder kann ausrechnen, wie hoch der Stundenlohn für einen Alleinverdiener bei einer vierköpfigen Familie ausfallen muss, damit er überhaupt das Niveau von Hartz IV, circa 1.800 € monatlich, erreicht. Da kommen Sie je nach Miethöhe und Alter der Kinder auf einen Wert von bis zu 10 €. Es bedarf keines gesetzlichen Mindestlohns. Er zerstört nur Arbeitsplätze für Geringqualifizierte und erhöht die Arbeitslosigkeit.