Kindes- und Jugendalter“. Darin sind eine Menge Studien aufgelistet worden, die gemacht worden sind. Hierzu gibt es hoch wissenschaftliche Studien.
In einer aktuellen Studie aus der Schweiz aus dem Jahr 2006 wird betont, dass vor allem die Jugendlichen mit Migrationshintergrund eine höhere Gewaltbelastung aufzeigen, die aus Familien mit einem niedrigen Bildungsstatus stammen beziehungsweise deren Eltern eine schwache berufliche Position haben. Sozial privilegierte Jugendliche mit Migrationshintergrund zeigen sogar eine niedrigere Belastung als Schweizer Jugendliche ohne Migrationshintergrund. Die Rolle des sozioökonomischen Status darf bei der Analyse der Kriminalitätsbelastungszahlen von deutschen und nichtdeutschen Kindern und Jugendlichen demnach grundsätzlich nicht übersehen werden.
- Deshalb wird das auch nicht unter der Hand diskutiert. Es ist diskutiert worden. Wir führen die Diskussion seit 20 Jahren. Außerdem gab es Studien, um diesen statistischen Befund zu klären. Es ist geklärt. Auch die Antworten sind geklärt.
Die Frage ist bloß - dabei schließe ich mich dem Kollegen Dr. Habeck an -: Welche Konsequenzen zieht man daraus? Welche risikomildernden Faktoren können wir betonen? Was tun wir, um die sozioökonomischen Problematiken von Kriminalität zu bekämpfen?
Das werden wir morgen und im Ausschuss diskutieren. Das hat nichts, aber auch gar nichts mit dem Unterscheidungskriterium Migrationshintergrund zu tun.
Herr Dolgner, ich finde es gut, dass Sie die Zahlen so offen ansprechen. Macht aber nicht gerade Ihre Statistik deutlich, dass wir offen darüber reden müssen, wie es auch von unserem Fraktionsvorsitzenden gefordert worden ist?
- Herr Dr. von Abercron, ich habe gerade versucht auszuführen, dass nicht nur intensiv unter verschiedenen Regierungen darüber geredet worden ist,
sondern auch Studien in Auftrag gegeben worden sind. Diese haben ziemlich eindeutige Ergebnisse geliefert. Wenn man immer wieder die gleiche Frage stellt, auf die es schon längst Antworten gibt, dann muss man sich auch einmal fragen, was man damit erreichen möchte. Die Antwort darauf hat Herr Habeck in seinem Beitrag gegeben. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich der Frau Fraktionsvorsitzenden Anke Spoorendonk das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich zu Wort gemeldet, weil ich gemeinsam mit dem Kollegen Habeck der Meinung bin, dass man zur Versachlichung der Diskussion beiträgt, wenn man sich überlegt, ob eine Unterscheidung zwischen deutsch und ausländisch die richtige Unterscheidung ist, wenn es sich um Problemfälle beziehungsweise Probleme in unserer Gesellschaft dreht.
Aus der Bildungspolitik und aus vielen Bildungsberichten wissen wir, dass die sozialen Faktoren Schwierigkeiten im häuslichen Umfeld und all das, was junge Menschen belastet - sehr viel schwerer wiegen als die Unterscheidung zwischen deutsch und ausländisch.
Wir wissen außerdem, dass in der Hauptschule darüber haben wir vielfach bei Debatten über Berichte zur Unterrichtsversorgung diskutiert - die Jungen mit Migrationshintergrund überwiegen. Wir haben uns auch mit der Frage befasst - früher waren wir dazu imstande, und ich hoffe, das können wir wieder machen -: Wo sind denn diese Ballungsräume? Was ist denn der soziale Hintergrund dieser Kinder und jungen Menschen?
Deshalb plädiere ich dafür, dass man endlich weiterkommt, dass man sich endlich einmal damit befasst, wie die sozialen Komponenten aussehen. Hierzu zählen Arbeitslosigkeit, das häusliche Umfeld, Ausbildung und natürlich die Sprachkompetenz; denn Sprache ist ein Schlüssel zum weiteren Erfolg in der Schule und im gesellschaftlichen Leben insgesamt.
Das gilt aber auch für alle anderen Kinder. Sprachliche Probleme müssen beseitigt werden, müssen aufgearbeitet werden. Deshalb ist ein notwendiger
Ansatz, Integrationspolitik aufzuschlüsseln. Integrationspolitik hat mit Bildung zu tun, aber auch mit der Frage, wie man aufbrechen und ein Muster durchbrechen kann. Das ist meines Erachtens ganz zentral.
Die Debatte hat aber auch gezeigt, dass wir uns anderen Fragestellungen widmen müssen. Über das Staatsbürgerschaftrecht in Deutschland haben wir oft diskutiert. Wir haben auch oft darüber diskutiert, wie schwierig es ist, deutsche Staatsbürgerin beziehungsweise deutscher Staatsbürger zu werden. Wichtig ist auch die Teilhabe an unserer Gesellschaft.
Notwendig ist auch, dass ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern ein Wahlrecht zum Beispiel bei Kommunalwahlen zugesprochen wird. Derzeit ist dieses Wahlrecht ein EU-Wahlrecht. Das heißt, mein türkischer Nachbar darf an Kommunalwahlen nicht teilnehmen, während mein griechischer Nachbar aber wählen darf. Das ist eine Ungleichheit, die überhaupt nicht zeitgemäß und richtig ist. Außerdem läuft diese Regelung Integrationsmaßnahmen entgegen.
Das Wahlrecht bei Kommunalwahlen ist EU-Recht. EU-Bürger dürfen wählen. Griechenland ist ein Mitglied der EU, die Türkei aber nicht. Das ist der springende Punkt. Ich habe türkische Nachbarn, die seit 20 Jahren in Harrislee und Umgebung leben, aber nicht wählen dürfen. Das ist doch nicht in Ordnung.
(Beifall bei SSW und der LINKEN - Zuruf von der FDP: Sie können ja einen deutschen Pass beantragen!)
Ich komme zum Schluss. - Es ist notwendig, hinter die Überschrift „Integration“ zurückzutreten und zu fragen, worum es eigentlich geht. Es geht um Identität. Es geht um Kultur. Es geht um Teilhabe in unserer Gesellschaft. Es geht nicht zuletzt um Bildungschancen. Ich glaube, wir wären einen Schritt weiter, wenn wir uns darauf besinnen könnten.
Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich dem Fraktionsvorsitzenden der SPD, Herrn Abgeordneten Dr. Ralf Stegner, das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, weil ich auf die beiden Beiträge der Kollegen von Boetticher und Kubicki eingehen möchte. Herr Kubicki hat völlig recht, da bin ich ganz bei ihm, dass es auch eine Frage von politischer Führung ist, dass man Probleme nicht ignoriert, dass man nicht über sie wegsieht, dass man nicht so tut, als gäbe es sie gar nicht, sondern dass man sich damit beschäftigt und dass man übrigens auch zugesteht - das muss man auch tun -, dass man nicht immer schon so klug war, alles gleich richtig zu machen. Auch früher hätte man mehr tun können. Das gilt für jeden, der politische Verantwortung getragen hat.
Aber immerhin, wir haben damit angefangen. Die Integrationsministerkonferenz wurde seinerzeit eingerichtet. Ich habe das damals gemeinsam mit dem Kollegen Laschet getan, damit diese Aspekte von Sozialem und Bildung und anderen Dingen zusammenkommen.
Aber es geht eben auch um Sprache und Inhalt. Sehr verehrter Herr Kollege von Boetticher, Sie sind ja intelligent genug, um zu wissen, was es auslöst, wenn Sie hier davon reden, Islam sei gut, aber Islamismus sei schlecht. Das teilt doch jeder. Über 99 % der Menschen, die an den Islam glauben, sind für friedliches Miteinander in diesem Land.
Insofern muss man darüber nicht reden. Das ist doch so bei den Menschen, die hier sind. Es gibt eine kleine Minderheit, die das anders sieht. Das lehnen alle ab. Hier im Hause lehnen das mit Sicherheit alle ab, und das wird auch nicht beschönigt. Sie wissen, was Sie damit tun. Man fördert damit Ressentiments. Das ist nicht gut. Das haben Sie mit Ihrem Redebeitrag leider getan, und zwar im Gegensatz zu vielen anderen, die hier gesprochen haben.
Ich will dem Kollegen Kubicki an einer Stelle widersprechen. Ich sage das, weil es schmerzhaft für uns ist, denn der Sarrazin ist noch ein Sozialdemokrat. Dieses Buch ist nicht nur in der Sprache menschenverachtend. Dann könnte man damit ja noch umgehen. Es ist auch im Inhalt menschenverachtend. Wenn ich hingehe und sage, Intelligenz wird vererbt, Bildung ist sinnlos, es ist gut, dass eine
Oberschicht regiert, und wir zahlen Gebärprämien für intellektuelle Frauen, dann hat das mit meinem Menschenbild überhaupt nichts zu tun. Das ist in der Sache menschenverachtend und falsch.
Dann ist es auch - damit schließt sich der Reigen eine Anfrage der politischen Führung, dass sie sich dann, selbst wenn 90 % der Anrufer sagen, der hat doch recht, oder wenn man viel Zustimmung für Dinge auf der Straße bekommt, nicht wegduckt, sondern sagt: Jawohl, wir kümmern uns um die Probleme, aber wir haben bestimmte Grundwerte, die etwas mit Solidarität, mit Achtung vor anderen Menschen zu tun haben, und die lassen uns davor zurückschrecken, diese Unterstellung noch zu befördern. Da hat gerade die politische Führung eine enorme Verantwortung dafür, das sensibel in der Sprache und vernünftig in der Sache zu tun. Das ist eine Aufgabe auch für die Volkspartei SPD - ich bekenne das ganz selbstkritisch -, aber das gilt eben für alle. Dann darf man keine Reden halten, die das Feuer sozusagen noch schüren, sondern dann muss man dazu beitragen, diejenigen zu unterstützen, die an der Überwindung dieser Probleme arbeiten. Das ist der Kern dessen, was wir tun müssen. Toleranz ist etwas, was ein großer Fortschritt ist. Gerade in Deutschland muss man dieses heute sagen, weil wir eine eigene Geschichte haben, die uns ganz besonders verpflichtet, das ernst zu nehmen.
Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich dem Herrn Abgeordneten Dr. Axel Bernstein das Wort.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Der nun vielfach gehörte Aufruf zur Sachlichkeit kommt ja in jeder Debatte gut an, sicherlich auch in dieser. Allerdings sträube ich mich dagegen, wenn unter dem Postulat der Sachlichkeit bestimmte Tatsachen nicht mehr angesprochen werden dürfen, ohne dass das von Teilen des Hauses als unanständig oder polemisch dargestellt wird. Das kann es nicht sein.
Da der Bericht der Landesregierung zur Sicherheit in Schleswig-Holstein schon zitiert wurde, will ich die Zahlen noch einmal nennen. Bei den ermittelten Tatverdächtigen im Bereich Gewaltkriminalität
weist dieser Bericht 5.746 deutsche Tatverdächtige aus, und er weist 1.057 nichtdeutsche Tatverdächtige aus. Wenn wir uns dann mal den jeweiligen Anteil an der Bevölkerung angucken, dann ist doch für jeden offensichtlich, dass es hier ein Schwerpunktproblem bei nichtdeutschen Tatverdächtigen gibt. Darüber muss man doch reden können, ohne dass das Ganze als in irgendeiner Form grenzwertig dargestellt wird.
Der Bericht führt zu den Ursachen Folgendes aus da sind wir gar nicht so weit auseinander -: Nur oberflächlicher Kontakt zur einheimischen Bevölkerung, mangelndes Vertrauen zum Staat und seinen Organen, Abschottung, Gruppenbildung, Aggression, Gewalt und ein Leben nach eigenen Regeln sind oftmals die Stationen auf dem Weg in die Kriminalität. Wissenschaftliche Studien belegen, dass es sich bei jungen Ausländern und Aussiedlern um eine besondere Problemgruppe handelt, die häufig unter sozial schwierigen Bedingungen und einem hohen Maß an innerfamiliärer Gewalterfahrung aufwächst. Gerade wenn wir das als Ursachen erkannt haben, muss doch eine Debatte über Integration möglich sein, die auch Forderungen stellt und die völlig zu Recht fordert, dass sich diejenigen, die aus diesem Bereich kommen, bei der Integration Mühe geben. Eine solche Debatte kann dann doch nichts Unanständiges oder Merkwürdiges sein.
Teilen Sie die Auffassung, dass das sehr, sehr wichtig ist, dass das Problem aber ist, dass die Debatte immer nur über diesen Personenkreis geführt wird, dass sich die Debatten immer nur auf diese Minderheit - wenn man sich die gesamten Bevölkerungsteile anguckt - konzentriert? Das ist das, was mich stört. Selbstverständlich müssen alle bestraft werden, die hier straffällig werden, oder es müssen präventive Maßnahmen durchgeführt werden.
- Ich möchte gern auf die Frage antworten. Ich kann die Befindlichkeit nachvollziehen. Aber wenn wir in der jetzigen Diskussion - eine Ursache dafür ist