Herr Kollege Harms hat hier gesagt: Keiner weiß, worum es geht. Herr Kollege Harms, zu zwei Untersuchungsausschüssen von vor 20 Jahren hier im Land biete ich Ihnen eine durchgehende dreitägige Debatte an. Da wissen wir schon sehr genau, worum es geht.
Die Frage der Wirkung von Untersuchungsausschüssen - das will ich eigentlich sagen - ist ja nicht nur auf das formulierte Ergebnis bezogen. Es gibt hier auch eine gewisse Nachhaltigkeit.
Ich will das am Beispiel des Flick-Untersuchungsausschusses deutlich machen. Daraus sind doch Folgerungen gezogen worden. Das hat doch bleibende Bedeutung gehabt. Koko war damals, 1991, noch nicht so sichtbar. Ich habe vor einigen Wochen aus gutem Anlass da noch einmal intensiv nachgearbeitet. Da liest sich nach 20 Jahren manches noch viel interessanter, wenn man die Gesamtschau der Dinge hat. Daher darf man Untersuchungsausschüsse nicht nur vom Ergebnis her betrachten.
Nehmen Sie die beiden Untersuchungsausschüsse Barschel-Affäre I und II: der erste, den eine Partei im Überschwang meinte durchziehen zu können und eine nicht verteidigungsfähige CDU dagegen stand, und der zweite, der dann Gott sei Dank die Dinge korrigiert hat.
Dazu gehört auch - das ist für mich in bleibender Erinnerung -, wie Abgeordnete und Politiker sich einlassen. Ich habe zu diesen Ausschüssen in guter Erinnerung die Namen Heinz-Werner Arens, Norbert Gansel und auch Jürgen Weber,
die im Zweifel gegen Auffassungen in den eigenen Parteien gesagt haben, was sie denken und was sie für wichtig für die Ermittlung ansehen. Das, finde ich, macht die Arbeit von Untersuchungsausschüssen aus. Klar ist es so gewesen. Das hat ja auch dafür gesorgt, dass es dann nachhaltige Veränderungen gab.
Herr Kollege Kalinka, der Antrag des SSW steht doch nicht im Gegensatz zu dem, was Sie sagen. Ist Ihnen bekannt, dass auch das Untersuchungsausschussgesetz des Bundes mit einem Beauftragten operiert, der auch wie in unserem Vorschlag Zeugenvernehmungen vornehmen kann?
- Das ist mir natürlich bekannt. Ich hatte ja auch vorgetragen, dass wir selbst das Instrument haben, Unterausschüsse zu machen. Aber dennoch ist die Frage, ob wir die Möglichkeiten, die wir jetzt haben, ersetzen sollten durch ein System, durch einen Prozess, in dem Richter zu Ergebnissen kommen, die nachher erneut zur Diskussion gestellt werden. Da habe ich meine Zweifel. Das ist der Punkt, der uns unterscheidet. Sie wollen ja auch nicht die Untersuchungsausschüsse abschaffen, Sie wollen nur die Beweiserhebung anders gestalten. Das muss ganz klar gesagt werden. Daher kommen wir zu anderen Ergebnissen.
Lassen Sie mich abschließend sagen, auch wenn unsere Positionen im Ergebnis klar sind: Ich glaube, dies ist nicht das drängendste Problem für die jetzige, noch verbleibende Legislaturperiode. Erstens wird sie kürzer sein, und zweitens gehen wir nicht davon aus, dass wir noch einen Untersuchungsausschuss bekommen. Insofern mögen wir Ihren Vorschlag noch einmal diskutieren, aber die Prioritäten der nächsten Zeit sind, glaube ich, andere.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Kalinka, manchmal können Lobpreisungen auch töten. Aber das Lob von Ihnen nehme ich sehr gerne auf. Wir wollen
dieses Thema jetzt nicht verbreitern, aber ich glaube, dass parlamentarische Untersuchungsverfahren in den letzten 20 Jahren einen Wert an sich gewonnen haben, den man nicht kleinreden soll und auf den wir gemeinsam stolz sein können, auch wenn nicht jedem jedes Ergebnis passt.
Lassen Sie mich zum Antrag des SSW kommen. Es klingt natürlich auf den ersten Blick verlockend, würde ich sagen. Richterliche Untersuchungen und Beweisaufnahmen klingen nach mehr Unabhängigkeit, nach mehr Überparteilichkeit, vielleicht auch nach ein bisschen mehr Kompetenz und mehr Fachlichkeit.
Allerdings führen wir diese Diskussion in der Tat nicht das erste Mal. Bei der Diskussion und Verabschiedung des Untersuchungsausschussgesetzes 1993 war es die FDP-Fraktion, die vorgeschlagen und beantragt hatte, dass der Ausschussvorsitz an die Befähigung zum Richteramt geknüpft wird. Das übrige Parlament hat das damals unisono so nicht akzeptieren wollen, weil wir der Auffassung waren, dass es schon eine eigene Bedeutung der parlamentarischen Arbeit und der parlamentarischen Untersuchung geben soll.
Ich will zurückkommen auf das, was uns damals die Enquetekommission ins Stammbuch geschrieben hat, und in der Kürze der Zeit nur ein paar wichtige Punkte herausgreifen, weil ich glaube, dass sie immer noch gelten.
Das Erste war die Warnung, Untersuchungsverfahren des Parlaments zu vergerichtlichen, und der Hinweis darauf, dass wir parlamentsgerechte und parlamentsadäquate Vorschriften und Verfahren suchen sollen. Wir haben diese Verfahren nicht nur aus der Strafprozessordnung abgeschrieben, sondern wir haben uns auf die Untersuchungsverfahren des Parlaments konzentriert.
Zum Zweiten möchte ich aus dem damaligen Bericht der Enquetekommission zitieren. Dort heißt es: Durch ein eigenständiges parlamentarisches Verfahren
„kann auf diese Weise das Vertrauensdefizit der politischen Organe umso eher beseitigt oder wenigstens verringert werden, je wirksamer der ‚investigative Parlamentarismus’ ausgestaltet und je deutlicher er vom Gerichtsverfahren, insbesondere vom Strafprozess, abgegrenzt ist, je konsequenter er also
der Eigengesetzlichkeit des Politischen folgt. Für eine Neuordnung des Rechts der Untersuchungsausschüsse ergibt sich daraus zwingend, dass sie politikadäquat und parlamentsgerecht sein, das heißt den Bedingungen des bipolaren Kräftespiels im parlamentarischen Regierungssystem entsprechen muss.“
Ich will das nicht ausführen. Ich will nur deutlich sagen, dass natürlich auch die politische Auseinandersetzung zwischen Regierung und Opposition, zwischen Exekutive und Legislative Bestandteil dieses gesamten Systems ist und nicht ausgeblendet werden darf, indem es an eine dritte oder vierte Instanz überwiesen wird. Deswegen glaube ich, dass man noch einmal deutlich machen muss und dabei deutlich unterstreichen sollte, was uns damals die Enquetekommission ins Stammbuch geschrieben hat, indem sie abschließend formulierte:
„Wie man vom Richter nicht verlangen darf, dass er nach politischen Präferenzen urteilt, sollte man umgekehrt den Abgeordneten auch nicht an der Elle richterlicher Distanz und Unabhängigkeit messen wollen. Von diesem Zielkonflikt ‚zwischen Aufklärung und politischem Kampf’ hat auch jede Neuordnung des Rechts der Untersuchungsausschüsse auszugehen.“
Ich will vielleicht aus der aktuellen Praxis des aktuell existierenden Untersuchungsausschusses noch einmal deutlich sagen: Anders als bei einigen der Vorläufer - ich erinnere an „Kieler Schloss“ und ähnliche - sehe ich das Problem des HSH-Nordbank-Untersuchungsausschusses nicht in mangelnder Überparteilichkeit oder zu heftigem politischen Streit. Das kann ich nicht als Kernproblem dieses Untersuchungsausschusses erkennen. Ich will deutlich sagen, dass die regelmäßigen Schlüsselreize für den Kollegen Koch, wenn er die Namen Simonis oder Stegner hört, zum normalen Geschäft gehören und nun wirklich niemanden irritieren oder auf die Palme bringen. Das gehört zur Politik dazu. Ich finde, das ist überhaupt gar kein Problem. Auch die Kompetenz der Abgeordneten, ihren Job zu machen, sollte man nicht zu tief aufhängen. Man sollte sagen, dass wir unseren Job sehr kompetent machen.
Was allerdings neu ist beziehungsweise ein Stück weit dazu führt, dass wir sagen, dass wir im Ausschuss darüber reden und darüber nachdenken müssen, ist, dass wir uns anders als bei den Untersuchungsausschüssen der letzten zehn oder 15 Jahre eigentlich faktisch im Kern nicht mit Regierunghandeln, Handeln von Institutionen des Landes oder
nachgeordneten Behörden befassen, sondern mit Bankenhandeln befassen. Dadurch sind wir in Bereiche eingetaucht, die nicht der normalen parlamentarischen Kontrolle unterliegen und nicht zu unserem Regelgeschäft zählen. Dort sind wir allerdings vor Probleme gestellt, bei denen man vielleicht ein Stück mehr Support braucht. Die Fraktionen haben sich durch juristischen Sachverstand welchen geholt.
Ob man das, wenn es nicht vorrangig um Regierungshandeln geht, im Verfahren anders regeln kann, darüber wollen wir gern noch einmal im Ausschuss reden. Aber das Verfahren grundsätzlich und prinzipiell umzustellen, davon raten wir ab. Dem können wir die Hand nicht reichen. Lassen Sie uns das im Ausschuss noch einmal besprechen. Ich freue mich auf die weiteren Stellungnahmen und bin voll von großer Neugier. Mich würde interessieren, was gerade die Liberalen dazu sagen, die früher sehr stark das Thema Richterkompetenz im Ausschuss in den Vordergrund gestellt haben. Frau Brand-Hückstädt, ich freue mich auf Ihre Ausführungen!
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und ver- einzelt bei der SPD - Beifall des Abgeordne- ten Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Da sind Sie nicht allein. Frau Brand-Hückstädt ist jetzt in der Tat an der Reihe, und ich erteile ihr gern das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Weber, vielen herzlichen Dank. So viel Aufmerksamkeit hatte ich ja noch nie!
Ich bin in der Tat nicht überrascht, weil wir in schöner Regelmäßigkeit immer dann, wenn wir Untersuchungsausschüsse haben und sie ein bisschen dauern, immer irgendwie von irgendjemandem mal von der Presse, mal von Fraktionen - der Hinweis kommt, man könnte das doch entweder beenden oder etwas schlanker machen. Kollege Harms, wir haben schon einige schleswig-holsteinische Untersuchungsausschüsse zusammen erlebt. Wir waren auch durchaus erfolgreich in Ausschüssen, die drei Jahre gedauert haben, wenn ich an den Schubladenausschuss erinnern darf. Ich bin deshalb gerade von Ihnen ein bisschen enttäuscht, wenn ich das sagen darf, wenn Sie von grundsätzlichen Problemen der Praxis der parlamentarischen Untersu
chungsausschüsse reden und behaupten, Untersuchungsausschüsse dauerten zu lange und - man beachte - sie seien politisch. Sie wollen sie entpolitisieren, so haben Sie es in Ihrem Antrag formuliert.
Ich habe verstanden, worauf sie hinaus wollen. Bei der Abgrenzung der Beweisaufnahme zur politischen Bewertung habe ich durchaus verstanden, wie Sie das meinen. In der Tat bin ich aber der Meinung, dass parlamentarische Untersuchungsausschüsse politisch sind und auch genauso gedacht sind. Für unpolitische Ermittlungen gibt es Staatsanwälte und Richter. Es gehört zu den wichtigsten Funktionen des Parlaments, die anderen Staatsorgane unmittelbar oder auch mittelbar zu kontrollieren und gegebenenfalls auch Sachverhalte, die es im Interesse der Öffentlichkeit als aufklärungsbedürftig erachtet, selbstständig und unabhängig von Justiz, Regierung und Verwaltung aufzuklären. Ich stimme dem Kollegen Weber ausdrücklich zu - ich glaube, das ist auch das, was wir als das Problem in diesem Ausschuss bezeichnen können -, dass wir uns auf einem Feld bewegen, auf dem nicht mehr nur die Politik zu betrachten ist, sondern wir praktisch in den Interessen Dritter, in selbstständigen Unternehmen hinein forschen müssen, was uns zu diesem Problem bringt, das Sie angesprochen haben.
Dabei liegt allerdings die hauptsächliche Verwendung der formalen Kontrollinstrumente bei der Opposition. Gerade das finde ich in diesem Falle wichtig, und das darf man nicht unterschlagen. Als das sogenannte schärfste parlamentarische Kontrollinstrument gilt eben dieser Untersuchungsausschuss. Er wird zu Recht in der Literatur und Praxis als ein „politisches Kampfinstrument“ betrachtet ein gefährlicher Ausdruck, der schlimmer ist als der Ausdruck „Strategie“, den wir gestern hatten.
Damit ist nicht gemeint, dass man parlamentarische Kompetenzen missbräuchlich ausnutzen kann und soll. Nein, die Formulierung orientiert sich an den Tatsachen. Untersuchungsausschüsse sind eingebunden in das Kräfteverhältnis und in die Interessen- und Gemengelage des jeweiligen Parlaments. Da liegt es auf der Hand - und ist auch so gewollt -, dass es politisch zugeht, und sich die objektive Wahrheitssuche und -findung möglicherweise oftmals im Dickicht der subjektiven Parteieninteressen verfangen kann.
„Vorstellungen, die dahin gehen, die Aufgabe von Untersuchungsausschüssen aus der parlamentarischen Verantwortung zu entlas
sen und auf gerichtsähnliche Kommissionen zu verlagern, beruhen daher nicht selten auf einem grundlegenden Missverständnis der Aufgabe von parlamentarischen Untersuchungen.“
„Vergleiche dazu den Antrag der Abgeordneten des SSW vom 17. Dezember 2003, ‚Abschaffung der Parlamentarischen Untersuchungsausschüsse’...“