Protocol of the Session on September 10, 2010

- Das Land entwickeln, das ist die Frage, Herr Schlie. Wir haben uns darüber schon einmal ausgetauscht. Offen sind die Kriterien, die er - wie ich finde - als Verschlechterung, mindestens aber als Verunklarung eingeführt hat, nämlich Freiwilligkeit und Kooperation. Was heißt das denn? Was heißt das vor allem konkret? Und wie verhindert man, dass der neue Entwurf das vorbereitet, was das Verfassungsgericht in Schleswig in seinem ersten Urteil gerade infrage gestellt hat, nämlich Intransparenz und mangelnde demokratische Legitimation.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Wenn man kommunalisieren will, wenn man Freiwilligkeit oder Kooperation organisieren will, muss man sie hier organisieren. Welche Bürgermeister sollen mit sich verhandeln - etwa in Wanderup oder Großenwiehe? Mit wem reden sie? Mit Oeversee ja, mit Großenwiehe nein?

(Zuruf des Abgeordneten Christopher Vogt [FDP])

Ist das nach Gusto zu entscheiden, oder gibt es ein geordnetes Verfahren dafür? Wie passt das alles mit der Schulentwicklungsplanung zusammen? Wie ist

das mit der Bauleitplanung oder der Fächennutzungsplanung in Zusammenhang zu bringen? - All das kann nicht dem freien Spiel der Kräfte anheim gestellt sein, sonst haben wir schnell Situationen, in der sich Gemeinden, die voneinander profitieren, zum Beispiel die Randgemeinden um zentrale Orte, zusammenschließen und sagen: Machen wir doch gegen die anderen das, was für uns am besten ist. Das wird das Land letztlich ins Chaos stürzen. Deswegen, weil ein Weg beschrieben ist, der nicht zu Ende ist, ist der produktive Teil, den der Landesentwicklungsplan zu der künftigen Debatte beitragen kann, dass wir dringend eine Antwort auf die erste Verfassungsgerichtsklage in Schleswig brauchen, nämlich wie die Verwaltung in Schleswig-Holstein auf kommunaler Ebene organisiert werden soll. Wenn es gelingt, diesen Plan mit dieser Debatte um die Verwaltungsstrukturreform zu verzahnen, dann kann die Schwäche des einen durch die Stärke der anderen geheilt werden. Dann würden wir alle einen Schritt nach vorn kommen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei SPD und SSW)

Für die Fraktion DIE LINKE hat Herr Abgeordneter Björn Thoroe das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Leider ist der Landesentwicklungsplan absolut visionslos geblieben. Der Landesentwicklungsplan gibt keine Antworten auf drängende Zukunftsfragen wie zum Beispiel die demografische Entwicklung. Der Landesentwicklungsplan fördert motorisierten Individualverkehr in einem Maß, das nicht hinnehmbar ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Landesentwicklungsplan ist eine Fortschreibung konservativer Politik der 70er-Jahre gespickt mit den Ansätzen der FDP, die den Staat zurückdrängen will.

(Zurufe von der FDP: Ja, ja!)

DIE LINKE steht für ein modernes Schleswig-Holstein der Zukunft.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wenn das so aus- sieht wie Sie, Herr Thoroe, dann gute Nacht!)

Es ist nicht hinnehmbar, wenn junge oder ältere Menschen, Menschen, die sich kein Auto leisten

(Dr. Robert Habeck)

können, oder Menschen, die aus anderem Grund kein Auto nutzen können, in ländlichen Gebieten massiv in ihrer Mobilität eingeschränkt sind.

DIE LINKE will den öffentlichen Personennahverkehr massiv ausweiten. Auch außerhalb der Kernzeiten des Berufsverkehrs muss es Menschen möglich sein, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Dies würde für alle Beteiligten große Vorteile bringen. Es würden Arbeitsplätze geschaffen. Für junge und ältere Menschen wäre es attraktiver auf dem Land, und nicht zuletzt würde die Umwelt profitieren, wenn erst einmal die Möglichkeit bestehen würde, das Auto überhaupt stehen zu lassen. Im Moment funktioniert das ja gar nicht.

DIE LINKE spricht sich in aller Deutlichkeit gegen neue Großprojekte im Straßenbau aus. Millionen- oder gar Milliardengräber kann SchleswigHolstein nicht gebrauchen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Fehmarnbelt-Querung oder ein neuer Elbtunnel sind solche Milliardengräber.

Zudem stehen auch hier der Umweltaspekt und der soziale Aspekt an vorderer Stelle. Investitionen in die Schiene sind ökologisch sinnvoller und kommen darüber hinaus auch Menschen ohne Auto zugute. Der Landesentwicklungsplan bleibt im alten Straßentrott und ist daher hoffnungslos rückwärtsgewandt.

DIE LINKE will die Westküste und die maritime Wirtschaft stärken und setzt sich für landeseigene Häfen in Schleswig-Holstein ein.

(Beifall bei der LINKEN)

In ohnehin schon strukturschwachen Gebieten einen solchen Aderlass vorzunehmen, ist wirtschaftlicher Kahlschlag und trifft ganze Regionen. Wer will und kann sich Friedrichskoog, Husum, Büsum, Tönning, Friedrichstadt oder Glückstadt ohne Hafen vorstellen!

DIE LINKE hält die Pläne der Landesregierung in diesem Bereich für fatal. DIE LINKE fordert die Landesregierung auf, ein integriertes Hafenkonzept in den Landesentwicklungsplan aufzunehmen und für alle Hafenstandorte, die in Frage stehen, ein abgestimmtes, zukunftsfähiges Konzept vorzulegen.

(Beifall bei der LINKEN)

DIE LINKE will Schleswig-Holstein auch im Bereich der Windkraft zukunftsfähig machen. Dafür ist die Festlegung von 1,5 % der Landesfläche als Windeignungsflächen nicht geeignet. Schon heute gibt es Anmeldungen für eine deutlich größere Fläche. DIE LINKE will das Wachstum in diesem Bereich in Schleswig-Holstein nicht ausbremsen und fordert, mindestens 2 % der Landesfläche als Windeignungsflächen auszuweisen. Der Landesentwicklungsplan bleibt ängstlich und zaghaft im Bereich Windkraft.

(Beifall bei der LINKEN)

DIE LINKE will in Schleswig-Holstein für alle Bürgerinnen und Bürger ortsnah Bürgerämter, die die wichtigsten Verwaltungsangelegenheiten regeln können. Es ist schlicht und ergreifend ein Märchen, dass Schleswig-Holstein zu viele öffentliche Angestellte hätte. Es ist vielmehr umgekehrt. SchleswigHolstein hat im Vergleich zu anderen Bundesländern auf die Einwohner gerechnet am wenigsten öffentliche Angestellte.

(Christopher Vogt [FDP]: Bei Ihnen wären ja alle öffentliche Angestellte!)

Für DIE LINKE ist das nichts, womit man angeben sollte. Wenig öffentliche Beschäftigung heißt schlechter Service für die Bürgerinnen und Bürger. Wenig öffentliche Beschäftigung heißt lange Wartezeiten bei Antragsverfahren. Das müsste eigentlich auch die FDP interessieren. Wenig öffentliche Beschäftigung heißt arbeitnehmerunfreundliche Öffnungszeiten der Ämter. Wenig öffentliche Beschäftigung bedeutet lange Wege zur nächsten Verwaltungsstelle und dort, lange zu warten, bis man drangenommen wird. DIE LINKE will eine freundliche, bürgernahe, serviceorientierte Verwaltung in Schleswig-Holstein. Alles, was dies angreift, werden wir ablehnen.

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die Fraktion des SSW hat Herr Abgeordneter Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Landesregierung strebt nun den Endspurt an, um den Entwurf des LEP noch in diesem Monat rechtskräftig werden zu lassen. Nicht alles, was lange währt, wird endlich gut. Das trifft aus Sicht des

(Björn Thoroe)

SSW zumindest auf den Entwurf des Landesentwicklungsplans zu. Will man dem Ganzen überhaupt etwas Positives abgewinnen, dann nur, dass mit dem Instrument für das Land und die kommunale Ebene die notwendige Planungssicherheit jetzt geschaffen worden ist.

Inhaltlich stehen wir wichtigen Punkten im LEP aber immer noch kritisch gegenüber. Einer der strittigsten Punkte im LEP war die Berücksichtigung des demografischen Wandels - sprich, der Wohnungsbauentwicklung. Hier gibt der LEP den Rahmen vor. Dies ist aber nur als Übergangslösung bis zur geplanten Kommunalisierung der Regionalplanung gedacht. Danach ist die kommunale Familie aufgefordert, einen Rahmen für die Siedlungsentwicklung festzulegen. Aus Sicht des SSW muss sich der vom LEP vorgegebene Rahmen dann auch in den Regionalplänen widerspiegeln.

Die Streichung des Einvernehmensvorbehalts durch die Landesplanung für die Festlegung eines Rahmens durch die Regionalplanung lässt aber befürchten, dass dies so nicht eingehalten wird. Auch die Möglichkeit, dass Gemeinden ohne Beteiligung eines zentralen Ortes ihre Wohnungsbauentwicklung mit Nachbargemeinden abstimmen oder dass einzelne Gemeinden den Rahmen auch überschreiten können, macht deutlich, dass der demografische Wandel von der Landesregierung in keinster Weise nachhaltig berücksichtigt wird. Der Tenor von Freiwilligkeit und Kooperation wird dazu führen, dass die Gemeinden in einen ruinösen Wettbewerb treten. Gleiches gilt im Übrigen auch für die Ausweisung von Gewerbegebieten. Das hat mit Landesplanung und Steuerung nichts zu tun. Stattdessen wird dies zu einer Zersiedelung der Landschaft und leer stehenden Baugebieten und Gewerbeflächen führen.

Maßgeblich für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes ist die Verkehrsinfrastruktur. Entlang der aufgeführten Entwicklungsachsen sollen sich Gewerbegebiete von überregionaler Bedeutung entwickeln können. Das halten wir für durchaus sinnvoll. Nachvollziehbar ist daher auch, dass die OstWest-Verbindungen als Hauptverbindungsachsen der Entwicklungsachsen aufgeführt sind.

Bedauerlicherweise ist im Bereich des Schienenverkehrs zur ,,Jütlandroute“ festzustellen, dass der vorliegende Entwurf hinter dem ersten Entwurf zurückbleibt. Das soll heißen: Dort war noch die Rede von einem Ersatzbauwerk über den NordOstsee-Kanal für die Eisenbahnbrücke in Rendsburg. Aber aufgrund der Instandsetzung der Brücke ist jetzt nicht mehr die Rede davon. Das ist

nach unserer Auffassung Flickschusterei, mit der wir das Nadelöhr nicht beheben können.

Die Ausweisung neuer Eignungsgebiete für die Windenergienutzung auf somit 1,5 % der Landesfläche halten wir für durchaus sinnvoll. Hierbei bedarf es weiterhin einer landesweiten Steuerung durch festgelegte Kriterien. Nur so kann jeder Kreis für sich festlegen, wo und wie viele Windkraftanlagen gebaut werden dürfen. Bereits in der letzten Debatte zum Landesentwicklungsplan haben wir deutlich gemacht, dass die Verteilung auf die Kreise unterschiedlich ausfällt. Das soll heißen: Die Kreise, die die Potenziale für mehr Windkraft haben, sollen dann auch die Möglichkeiten für sich nutzen können.

Im Gegensatz zu den Aussagen zu den Eignungsflächen für Windenergienutzung sagt der LEP nichts zur Nutzung von Biomasse oder Photovoltaik aus. Wir brauchen für diese beiden Bereiche klare Richtlinien darüber, wo und wie viele Anlagen errichtet werden dürfen. Hier brauchen wir auch eine klare Steuerung durch die Landesplanung analog zur Windenergie. Mittlerweile gilt es, auch bei Biomasseanlagen und bei Photovoltaikfreiflächen Wildwuchs zu verhindern.

Noch ein letztes Wort zur zukünftigen Organisation der Erarbeitung der Regionalpläne! Wir sehen einen regionalen Planungsverbund - also quasi einen Zweckverband - nicht als der Weisheit letzten Schluss an. Die kommunalen Erfahrungen mit diesem Mittel, insbesondere was Bürgerbeteiligung und Einfluss der gesamten Kommunalpolitik angeht, sind eher schlecht. Deshalb meinen wir, dass eigenständige Kreise und kreisfreie Städte gemeinsam Arbeitsgruppen bilden sollten, die sich mit ihren gewählten Gremien rückkoppeln. So ist die Kommunalpolitik in Gänze eingebunden. Planungsverbände - womöglich noch solche, zu denen wieder Wahlen stattfinden sollen - wären hier ebenso wie Zweckverbände auf gemeindlicher Ebene nicht der richtige Weg.

(Beifall beim SSW und des Abgeordneten Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Innenminister Klaus Schlie das Wort.

(Lars Harms)