Protocol of the Session on September 9, 2010

(Beifall)

Für einen Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Andreas Tietze das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich beziehe mich ausdrücklich noch einmal auf den Beitrag der Kollegin Spoorendonk. Auch mir fehlt eine Gesamtstrategie, auch mir fehlt ein Leitbild. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass wir die Region zu einer Klimaregion weiterentwickeln, das Thema Nachhaltigkeit und Ressourcenverbrauch aufgreifen, all diese Themen, die wir immer so schön mit den Worten „Vereinbarkeit von Ökologie und Ökonomie“ zusammenfassen. Das wäre eine Präambel, die hätte mir gut gefallen. Die habe ich vermisst.

Herr Ministerpräsident, ich möchte auch noch auf einen zentralen Punkt eingehen, den ich als jemand, der in der Grenzregion selbst lebt, immer als sehr schwierig empfunden habe, nämlich auf die Zielkonflikte, die Sie haben, seit es in Dänemark diese Verwaltungsstrukurreform gegeben hat. Der dänische kommunale Bereich hat seinen Laden - so sage ich es einmal - in Ordnung gebracht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und der LINKEN)

Er hat eine Verwaltungsreform durchgeführt, bei der wir mit einem gewissen Respekt zur Kenntnis zu nehmen haben, dass die Dänen es geschafft haben, Interessen zu bündeln, Kompetenz und Professionalität in dieser Region umzusetzen. Wir haben immer noch das Problem, dass wir gar nicht so genau wissen, mit wem Herr Holst eigentlich verhandelt. Er verhandelt natürlich gern mit Ihnen als Ministerpräsident, das hat er sehr gern, da fühlt er sich ganz wichtig. Oder soll er mit den Landräten verhandeln? Verhandelt er mit den Regionen? Es gibt also einen Partner auf der dänischen Seite und - ich rechne einmal - drei bis vier Partner auf der deutschen Seite.

Die Zielkonflikte, die Sie selber benannt haben, sind für mich auch grundlegende Strategie. Sie haben es selber gemerkt, Sie müssen als Regierungschef eine Haushaltskonsolidierung für das gesamte Bundesland Schleswig-Holstein durchführen. Auch da gibt es Zielkonflikte, wenn Sie sich mit Herrn Holst treffen, der natürlich genau beobachtet, wie sich Entscheidungen der Haushaltsstrukturkommission auf seinen süddänischen Amtsbereich auswirken. Dass da atmosphärische Störungen auftreten, das ist klar, denn Sie als Regierungschef können nicht nur die Region sehen, Sie müssen das ganze Land sehen. Wir erkennen, wie schwierig hier diese Situation ist, die wir derzeit im Grenzbereich haben.

Mein zweiter Punkt. Ich möchte noch einmal auf das Thema INTERREG IV A eingehen. Ich habe den Eindruck, dass viele Projektmittel nicht abgerufen werden, weil es unter anderem daran liegt, dass auf der einen Seite die Qualität der Produkte nicht da ist - da reden wir darüber, wie die Antragsqualität eigentlich aussehen muss, um die Qualität für INTERREG IV A-Projekte zu erfüllen - und sich auf der anderen Seite der dänischen Partner nicht findet. Das heißt, auch da haben wir wieder das schwierige Problem zu lösen, wie ich eigentlich das Geld, was da ist, was wir sinnvoll investieren wollen, im Wirtschaftsraum investiert bekomme.

Dazu kommt das, was wir auch in anderen Regionen Europas haben. Wenn Sie sich beispielsweise die Europa-Universität Viadrina anschauen und anschauen, wie sie dort aus dem Bereich Forschung, Entwicklung und Innovation Projekte in die Region hineinbekommen, dann muss man feststellen, um auf Augenhöhe mit anderen europäischen Grenzregionen zu sein, bedarf es einer gewissen Qualität in Wissenschaft und Forschung. Das ist genau das, was wir in der Debatte um die Universität Flensburg vermissen.

Ich habe bei meiner Bereisung in Lübeck begriffen, wie eng Forschung, Entwicklung und Wirtschaftsraum zusammengehören, wie klar und wichtig es ist, dass man sich aus diesen Dingen wirtschaftliche Wertschöpfung organisiert, deshalb wünschte ich mir, dass wir mehr Augenmerk auf die Wirtschaftsregion setzen und vielleicht auch von anderen Wirtschaftsregionen in Europa, europäischen Wirtschafts- und Grenzregionen lernen können und dieses in unserem deutsch-dänischen Grenzraum umsetzen.

(Anke Spoorendonk)

Herr Abgeordneter Tietze, lassen Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Spoorendonk zu?

Ja, sehr gern.

Herr Kollege Tietze, stimmen Sie mir zu, wenn ich sage, dass gerade das, was Sie jetzt anführen, auch als Schlussfolgerung beinhalten müsste, dass die Landesregierung, sprich das Land Schleswig-Holstein, verstärkt gefordert ist, dass die wirtschaftliche Zusammenarbeit nicht mit Bordmitteln der Region zu schaffen ist?

- Ich glaube, wenn man dieses als gemeinsame strategische wirtschaftspolitische Aufgabe begreift, dann ist das tatsächlich eine Gesamtaufgabe des Landes, mit aller Kraft diese Region zu stärken, damit sie sozusagen an andere europäische Regionen anknüpfen kann, dass wir die Schätze und die Potenziale heben und nutzen, die wir in dieser Region haben. Das ist unser gemeinsames Ziel. Ich glaube, wir werden dieses nur erreichen, wenn wir uns in dieser Gesamtstrategie einig sind. Deshalb ist dieser Leitbildprozess, dieser Prozess, den Sie auch angesprochen haben, so entscheidend wichtig. Er muss endlich organisiert und als prioritäre Aufgabe einer schleswig-holsteinischen Landesregierung mit dem dänischen Partner zunächst einmal entwickelt und dann abgearbeitet werden.

Lassen Sie eine weitere Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Funke zu?

Ja, herzlich gern. Ich bin gerade so schön in Fahrt.

Sie sprachen vorhin davon, dass wir vor allem eine Klimaregion zwischen Deutschland und Dänemark in diesem Grenzgebiet fördern könnten. Stimmen Sie mir zu, dass sich Dänemark auf diesem Gebiet eher als großer Konkurrent zu Schleswig-Holstein sieht und in der Vergangenheit nicht unbedingt eine Partnerschaft gefördert hat?

- Zunächst einmal muss man sehen, dass die Wirtschaftsregionen insgesamt in Europa in einem Konkurrenzkampf miteinander stehen. Das ist richtig. Aber wenn man unseren Grenzraum anschaut und auch das, was Sie, Herr Ministerpräsident, mit der Fehmarnbelt-Querung beschrieben haben, dann habe ich große Sorge, dass wir die Wirtschaftskraft aus einer Region abziehen, weil wir sie an einer anderen Stelle erst einmal aufbauen müssen. Das macht auch dem dänischen Partner Angst.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Deshalb haben wir hier die Aufgabe, in einer Art Think Tank eine gemeinsame Strategie zu finden, zu sagen, wir brauchen so etwas wie einen übergeordneten Leitgedanken. Ich finde das Thema Ökonomie und Ökologie sehr gut geeignet. Wir haben nämlich die drei wichtigen Cluster, wir haben die regenerativen Energien, wir haben das Thema Life Science, Gesundheit, Tourismus, und wir haben auch die maritime Wirtschaft, die sich hier bestens eignet, mit denen wir an das Thema herangehen können. Ich darf auch daran erinnern, dass das Thema Kultur - wenn ich an das Weltnaturerbe Wattenmeer und an das Weltkulturerbe Dannewerk denke - eine Chance bietet, diese beiden wichtigen Wirtschaftsthemen aufzugreifen, weiterzuentwickeln und die Wirtschaftsregion zu einer Boomregion zu machen.

Aber noch einmal: Universitäten, Innovation, Forschung und Entwicklung sind die Motoren einer solchen Wirtschaftsentwicklung. Deshalb dürfen wir diese Grenzregion nicht im Stich lassen, wenn es darum geht, diesen Prozess gemeinsam zu organisieren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Abgeordneter Tietze, lassen Sie noch eine abschließende Frage von Herrn Herbst zu?

Auch die lasse ich gern noch zu.

Weil Sie gerade so schön in Fahrt sind.

- Nein, jetzt war ich ja schon fertig.

Sie haben als Leitmotiv eine verstärkte Zuständigkeit des Landes eingefordert. Sind Sie beim Thema INTERREG auch der Meinung,

dass Zuständigkeiten von den Regionen wieder aufs Land zurückverlagert werden sollten?

- Es geht hier nicht um die Rückverlagerung, es geht darum, dass wir professionell die Kompetenzen, die wir brauchen, um in dieser Wettbewerbssituation mit guten INTERREG-Projekten europäisch wettbewerbsfähig zu sein, dass wir einen Qualitätsstandart erreichen. Da bin ich in der Tat der Meinung, dass das weder eine Einzelaufgabe des Landes noch der Region ist, sondern das eine gemeinsame Aufgabe, eine gemeinsame Verpflichtung, der wir nachkommen müssen, ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Zu einem weiteren Kurzbeitrag hat sich Herr Abgeordneter Flemming Meyer gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte noch einmal ganz kurz auf die Einwände der Kollegin Herold eingehen, auf die Reaktionen aus Dänemark. Anke Spoorendonk hat es schon angedeutet, dass so etwas im Gesamtzusammenhang gesehen werden muss. Das muss man auch verstehen. Wie kommt es denn dazu, dass sich die Menschen in Dänemark auf diese Weise aufregen? Ich bin selber in der letzten Wahlperiode dabei gewesen, als der Ministerpräsident SchleswigHolsteins in Kopenhagen war. Ich kann mich sehr wohl an die Rede erinnern, die dort gehalten wurde. Es ist doch ganz klar, dass man heute das, was damals gesagt wurde, mit dem vergleicht, was heute hier im Land die Realität ist. Das vergleicht man dann auch mit der Situation in Dänemark.

Ich möchte daran erinnern: Als es nach der Strukturreform Probleme mit der deutschen Minderheit im Zusammenhang mit dem Wahlgesetz gegeben hat - was hat man gemacht? Man hat im Dialog mit der Minderheit Sonderlösungen gefunden, sodass sie in den Kommunen Repräsentanten hatten. Das wurde im Dialog mit der Minderheit getan, so wird ein Schuh daraus. Als man die Schülerbeförderung für die Privatschulen in Dänemark kürzte und merkte, dass die deutschen Schulen dadurch in eine Klemme gerieten - was hat man gemacht? Man hat im Dialog mit der Minderheit eine Lösung gefunden, mit der die deutschen privaten Schulen besser behandelt wurden als die anderen Privatschulen.

Heute, wo man auch in Dänemark darüber redet, kleinere Schulen abzuschaffen, hat man auch im Blick, dass darunter die Minderheit nicht leiden darf. Da werden Sonderregelungen geschaffen.

Das ist doch eine ganz andere Art, seine Minderheit zu behandeln. Dass man sich dann in Dänemark darüber aufregt, wenn man sieht, wie das hier läuft, dafür bitte ich dann doch um Verständnis.

Wenn jetzt dieser Ausschuss, der eingesetzt werden soll, so oft erwähnt wird, muss ich sagen, hätte man diesen Ausschuss vorher eingesetzt, dann hätte man darin noch einen Sinn sehen können. Aber das Klavier erst einmal umzukippen und dann nachher einen Ausschuss einzurichten, das ist nicht der richtige Weg. Das hat mit Dialog mit Minderheiten nichts zu tun.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Heinz-Werner Jezewski das Wort.

Frau Präsidentin! Dies ist die erste Diskussion in dieser Plenartagung, bei der ich mich gar nicht ärgere, dass sie länger geht. Ich merke, wie unterschiedlich man doch Minderheitenpolitik oder grenzüberschreitende Politik sieht, je nachdem, ob man aus dem hohen Norden kommt oder aus einer anderen Region. Zum Beispiel - ich sage das ganz ohne Vorwurf - spricht der Kollege Tietze von Energieregionen, Frau Funke spricht von einem Konkurrenzproblem. Ich könnte jetzt anfangen zu argumentieren: „Wenn man das in Konkurrenzkategorien ansieht“, will ich aber gar nicht. Ich erzähle einfach einmal, wie es in Flensburg ist. Ich sitze ja auch in der Flensburger Ratsversammlung.

Irgendwann, vor drei oder vier Jahren haben wir von einem „Project Zero“ gehört, das in Sonderburg stattfand. Dieses Projekt findet immer noch statt. Es geht darum, die Stadt Sonderburg zu einem sozusagen 0-%-Kohlendioxidausstoß zu bringen. Sie wollten kein Kohlendioxid mehr ausstoßen, sondern klimaneutral sein. Wir Flensburger haben uns gefragt, ob wir so etwas auch machen können. Wir haben aus Sonderburg sofort Hilfe bekommen. Die sind zu uns hinübergekommen und wir sind zu denen herübergefahren, weil uns beiden klar war, dass sowohl Flensburg als auch Sonder

(Dr. Andreas Tietze)

burg so niedrig liegen, dass, wenn der Klimawandel käme, wir ganz schnell nasse Füße bekämen. Darum geht es. Es geht nicht mehr um Konkurrenz. Es geht darum, die Katastrophe zu verhindern. Das hat dazu geführt, dass wir mittlerweile gesagt haben, dass wir die gesamte Region Flensburg/Sonderburg zu einer Null-CO2-Emission-Region machen.

Dass jeder dann auf seiner Seite guckt und sagt, er wolle seine Firmen dort einbringen - wir wollen die deutschen Firmen ins Geschäft bringen und die Dänen wollen ihre Firmen ins Geschäft bringen -, das ist eine ganz gesunde Konkurrenz. In diesen Konkurrenzkategorien denkt man nicht mehr, wenn man direkt an der Grenze wohnt, und wenn man erlebt, wie diese Region gerade wächst, wie die Grenze verschwindet und wirklich Region entsteht. Manchmal, wenn ich nach Kiel in den Landtag fahre, dann denke ich mir, dass dies eine größere Grenze ist, die ich überschreite, als wenn ich nach Sonderburg oder nach Appenrade fahre und Sport mache.

(Beifall bei der LINKEN)

Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Johannes Callsen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich würde gern noch einmal auf den Ursprung der Debatte zurückkommen, nämlich den Bericht über die deutsch-dänische Zusammenarbeit. Ich bin dem Ministerpräsidenten für die Vielzahl von Beispielen, die er hier aufgeführt hat, ausdrücklich dankbar. Beispiele, bei denen es darum geht, in der Verkehrspoltik, in der Wirtschaftspolitik, im Arbeitsmarkt und in vielen anderen Bereichen die deutschdänische Zusammenarbeit voranzubringen, und zwar für die Menschen Erleichterungen, für die Menschen Arbeitsplätze und für die Menschen Verkehrswege im Grenzgebiet zu schaffen.

Liebe Kollegin Spoorendonk, ich erinnere mich, dass auch der SSW bis vor wenigen Wochen und Monaten genau diese Arbeit der Landesregierung immer in den höchsten Tönen gelobt hat. Umso bedauerlicher finde ich es, dass die Bewertung dieser Arbeit heute hier eine Wendung genommen hat, die völlig anders aussieht, nämlich wenn hier das Stichwort Haushalt kommt. Auch hier ist es wieder die Opposition, die sagt: „Wir wollen zwar die Schuldenbremse, aber die ist ein Beispiel, bei dem überhaupt kein Cent gespart werden darf, wie in allen

anderen Bereichen.” Ich finde es schade, dass vielleicht auch aus eigener Betroffenheit - hier nur die finanziellen Aspekte der deutsch-dänischen Zusammenarbeit beleuchtet werden.

Eine Frage - weil das in Teilen auch sehr einseitig diskutiert wurde - müssen wir uns als verantwortliche Landespolitiker in Schleswig-Holstein auch stellen - Kollege Tietze hat darauf hingewiesen, dass wir auch das ganze Land im Blick haben müssen -: Wenn wir schon diesen Konsolidierungskurs gehen wollen und zu einer Null-Neuverschuldung kommen wollen, ob wir dann auch berücksichtigen müssen, dass ein Bevölkerungsteil das Gefühl hat, ein anderer werde vom Sparen ausgenommen. Das sage ich ohne jegliche Schärfe, weil ich auch eine sehr große Wertschätzung für die minderheitenpolitische Arbeit habe. Es gehört aber auch zur Gleichgewichtung der politischen Arbeit im Lande dazu, dass alle Bevölkerungsgruppen, alle Menschen in Schleswig-Holstein, ihren Beitrag zu diesem Konsolidierungskurs leisten.

(Beifall bei CDU und FDP)