Protocol of the Session on September 8, 2010

(Zuruf von Ministerpräsident Peter Harry Carstensen)

- Selbstverständlich ist mir das bekannt, Herr Dr. Stegner.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Dann sollten Sie nicht das Gegenteil sagen!)

- Nein, okay. Ich bin aber davon ausgegangen, dass Sie ob Ihrer dominanten Rolle bei der Sozialdemokratie auf Bundesebene mit Ihrer Kampfkraft dafür hätten Sorge tragen können, dass sich wenigstens die stimmberechtigten Mitglieder der SPD in der Föderalismuskommission anders verhalten hätten, als sie sich verhalten haben.

(Beifall bei FDP und CDU - Zurufe von der SPD)

Möglicherweise habe ich da auch Ihre Bedeutung überschätzt.

Sparen an sich ist kein Selbstzweck. Das haben wir immer gesagt. Wir haben auch nie bestritten, dass wir wirtschaftliche Rahmenbedingungen verbessern müssen, um die Wachstumsfaktoren nachhaltig zu stärken. Denn nur dies schafft Investitionen und Arbeitsplätze, die dann auch höhere Steuereinnahmen möglich machen.

Dazu haben wir in den vergangenen Monaten auch einiges bewegt. Ich erinnere daran sehr gern: Das Sparkassengesetz und den Landesentwicklungsplan haben wir trotz erheblicher Widerstände beschlossen beziehungsweise überarbeitet. Herr Kollege Dr. Stegner, ich kann mich noch daran erinnern, wie Sie den Weltuntergang beschworen haben. Heute hören wir von Sparkassen - Frau Heinold, Ihnen geht es wahrscheinlich ähnlich - und sogar aus dem Verband selbst, dass es ein Glück gewesen sei, die Öffnungsklausel zu beschließen. Und jemand, der wie Sie, Herr Dr. Stegner, die norddeutsche Kooperation und die Zusammenarbeit mit Hamburg beschwört, gleichzeitig aber die Beteiligung der Hamburger Sparkasse an schleswigholsteinischen Sparkassen verhindern will, der macht sich extrem unglaubwürdig.

(Beifall bei FDP und CDU)

Der neue Landesentwicklungsplan ermöglicht Investitionen dort, wo sie bisher noch verhindert wurden, und eröffnet den Kommunen eine Flexibilität, die sie bisher nicht hatten. Wir sind sicher, dass der Innenminister dafür sorgen wird, künftig neue und weitere Investitionen auf der Basis des neuen Lan

(Wolfgang Kubicki)

desentwicklungsplanes in Schleswig-Holstein zu ermöglichen. Er hat das notwendige Werkzeug dazu. Es muss jetzt nur noch genutzt werden.

CDU und FDP haben sich darauf verständigt, ein neues Denkmalschutzgesetz zu erarbeiten, das die widerstreitenden Interessen von notwendigen Investitionen und denkmalpflegerischen Ansätzen in Einklang bringt. Wir sind sicher, dass wir auch hier eine befriedigende Lösung finden werden, weil auch der beste Denkmalschutz ohne eine florierende Wirtschaft nicht funktionieren kann.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

CDU- und FDP-Fraktion haben einen Glücksspielstaatsvertragsentwurf erarbeitet, der dem Land erhebliche Mehreinnahmen verschaffen wird - nach sehr seriösen, überschlägigen Berechnungen mindestens 150 Millionen € pro Jahr. Damit sichern wir Maßnahmen für Kultur, Sport und Soziales auf hohem Niveau, das das Land ansonsten jedenfalls in den nächsten Jahren nicht halten könnte. Wir trocknen den bereits bestehenden Grau- und Schwarzmarkt aus. Das ist ein größerer Beitrag zur Prävention als gesetzgeberische Verbote, die ins Leere laufen und nicht sanktioniert werden können.

Vielleicht können Sie das nachvollziehen, Herr Dr. Stegner: Es ist vielleicht auch ein Glücksfall der Geschichte, dass heute der Europäische Gerichtshof entschieden hat, dass der bestehende Glücksspielstaatsvertrag mit europäischem Recht nicht vereinbar ist. Wir müssen den Staatsvertrag gar nicht mehr kündigen. Er darf von heute an nicht mehr angewandt werden - so die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

mit der Folge, dass sich die Länder sehr zeitnah aber auf etwas Neues verständigen müssen. Und die Vorarbeiten dazu haben FDP und CDU in Schleswig-Holstein geleistet - bundesweit anerkannt.

(Zuruf der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Auf dieser Grundlage wird es eine neue Regelung geben. Da sind wir sehr sicher. Es wird erhebliche Einnahmeverbesserungen zugunsten unseres Landes geben.

(Beifall bei der FDP)

Die Koalition hat auch beschlossen, auf der Einnahmeseite nachzusteuern. Im Rahmen unserer Roadmap 2020 - und dies fiel meiner Fraktion nicht

leicht - wollen wir die Grunderwerbsteuer zum 1. Januar 2013 von derzeit 3,5 % auf 5 % anheben. Auf die Frage, warum dies nicht gleich geschieht, gibt es eine einfache Antwort, Frau Heinold. Der Grundstücksmarkt muss erst wieder in Gang kommen, denn eine Steuer kann man nur auf Grundstücksgeschäfte erheben, die auch getätigt werden. Das ist schlicht und ergreifend eine Erkenntnis.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Deshalb haben wir auch keine Ein- nahmen!)

- Frau Heinold, selbstverständlich ist die Grunderwerbsteuer in den letzten Jahren zurückgegangen. Sie haben die Zahlen auch gelesen. Unser Interesse muss also darin liegen, den Grundstücksmarkt wieder in Schwung zu bringen, um dann die Steuer zu erheben, anstatt mit einer vorweggenommenen Steuer Grundstücksgeschäfte zu verhindern. Vielleicht kann man Ihnen das im Ausschuss noch einmal erklären.

(Beifall bei FDP und CDU - Zurufe der Ab- geordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Man wird nicht dadurch zu einer Finanzexpertin, dass die Fraktion einen zum finanzpolitischen Sprecher ernennt, Herr Kollege Habeck. Das allein reicht noch nicht aus. Genauso wenig wird man zu einem Arzt, wenn man gesundheitspolitischer Sprecher ist.

Apropos Steuererhöhung: Diese Koalition hat sich darauf verständigt, dass Schleswig-Holstein keinen Steuersenkungen im Bundesrat mehr zustimmen wird, die unseren Konsolidierungspfad berühren.

Erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Habeck?

Selbstverständlich, Frau Präsidentin! Die Zeit wird angehalten? Gut.

Herr Kubicki, Sie kennen wahrscheinlich den viel gelobten Finanzplan des Finanzministers. Wie erklären Sie, dass Sie davon ausgehen, dass der Grundstücksmarkt nicht anzieht, wenn der Finanzminister für die nächsten Jahre mit einem Konjunkturaufschwung von 2 % und dann 5, 6 % rechnet?

(Wolfgang Kubicki)

Herr Kollege Habeck, das erkläre ich wie folgt: Der Immobilienmarkt folgt in aller Regel dem Aufschwung im Wirtschaftsbereich und nicht umgekehrt. Deshalb sagen wir, wir rechnen mit einem Aufschwung in den nächsten Jahren. Wir rechnen damit, dass sich der Immobilienmarkt ab 2013 auch wieder erholt haben wird, sodass die Grunderwerbsteuer erhöht werden kann.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das spielt doch für die Steuer keine Rolle!)

- Vielleicht könnten wir dies im Ausschuss vertiefen. Ich könnte jetzt 20 Minuten lang einen Vortrag über die Auswirkungen von Steuern auf die Wirtschaft halten. Herr Kollege Dr. Habeck, das hole ich gern im Ausschuss nach. Einleuchtend ist jedoch, dass man Steuern erst dann erheben sollte, wenn die Wirtschaft floriert. Man sollte nicht durch Steuererhebungen ein anwachsendes Wirtschaftswachstum verhindern.

(Beifall bei der FDP)

Diese Koalition hat sich also darauf verständigt, im Bundesrat keinen Steuersenkungen mehr zuzustimmen, die unseren Konsolidierungspfad berühren. Allerdings halten wir auch nicht sehr viel davon, wie es der Kollege Dr. Stegner vorgeführt hat, konkrete Haushaltsvorgaben mit Luftbuchungen nach der Devise zu erfüllen: Wenn wir - gemeint ist wohl die SPD, woher sie den Optimismus nimmt, weiß ich nicht - erst einmal in Berlin an der Regierung sind, werden dort die Steuern erhöht und damit die Finanzlage des Landes Schleswig-Holstein verbessert. Eine seriöse Finanzpolitik und vor allen Dingen eine seriöse Haushaltspolitik sehen anders aus, verehrter Herr Dr. Stegner. Aber schon als Finanzminister des Landes Schleswig-Holstein haben Sie ja dokumentiert, dass eine solide Politik Sie nicht interessiert. Wir sind gespannt auf die konkreten Vorschläge der SPD-Fraktion zu den Haushaltsberatungen 2011/2012. Wir sind gespannt, wie das, was der Kollege Stegner angekündigt hat, umgesetzt werden soll. Wir werden sehen, wie die schleswig-holsteinische Öffentlichkeit darauf reagiert.

Apropos Einnahmen: Frau Kollegin Heinold, angesichts der aktuellen Debatte über die Verlängerung der Laufzeiten von Kernkraftwerken erlaube ich mir den rein statistischen Hinweis, dass dem Land Schleswig-Holstein aus dem Betrieb der drei Kernkraftwerke, wenn sie denn betrieben würden, etwas mehr als 40 Millionen € jährlich an Oberflächenwasser-Entnahmeabgabe zufließen würden.

Frau Kollegin Heinold, Sie stimmen mir sicherlich zu, dass dies allein kein Argument für die Grünen wäre, einer Laufzeitverlängerung zuzustimmen.

Bereits der Landesrechnungshof hat darauf hingewiesen, dass wir kein Einnahmeproblem haben, auch wenn ich mir wünschen würde, dass das strukturelle Steuerdefizit Schleswig-Holstein liegt deutlich unter dem Bundesschnitt der Steuereinnahmen pro Kopf der Bevölkerung - durch eine intensivierte Wachstumspolitik reduziert würde.

Wir haben ein Ausgabeproblem. Wir müssen die Ausgaben begrenzen. Die Landesregierung hat daher einen Haushaltsentwurf vorgelegt, der in den Jahren 2011 und 2012 im Vergleich zum Haushaltsjahr 2010 sogar Minderausgaben vorsieht. So liegen die Ausgaben im Jahre 2011 um 304 Millionen € unter denen des Jahres 2010, und zwar effektiv, nicht nur virtuell. Im Jahre 2012 liegen sie noch einmal 7 Millionen € unter dem Wert von 2011. Das heißt, sie liegen um 311 Millionen € unter dem laufenden Haushaltsjahr. Auch wenn Sie ansonsten alles bestreiten, sollten Sie zumindest anerkennen, dass es bisher einmalig in der Geschichte des Landes Schleswig-Holstein ist, dass eine Regierung einen Haushalt vorlegt, der zweimal in Folge Minderausgaben gegenüber dem Vorjahr festschreibt.

Die Koalition plant allein in den nächsten zwei Jahren die Einsparung von über 830 Stellen. Auch dies ist der Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung geschuldet. Es wird keine betriebsbedingten Kündigungen geben, und wir werden, soweit es möglich ist, auch eine Arbeitsverdichtung vermeiden. Es wird schlicht und ergreifend notwendig sein, Verwaltungsaufgaben zu reduzieren und Verwaltungsabläufe zu entschlacken. Bis zum Jahr 2020 werden insgesamt über 5.360 Stellen im Landesdienst wegfallen; nicht die Menschen, sondern deren Planstellen. Auch dies ist das größte Einsparpotenzial in der Geschichte des Landes, und ich hätte mir persönlich gewünscht, die Einschnitte nicht so tief vornehmen zu müssen.

Bedauerlicherweise aber haben die Vorgängerregierungen - aus welchen Gründen auch immer - die Sache schleifen lassen und der jetzigen Regierung einen Schuldenberg vor die Füße geworfen, der wegen seiner Größe auch in größeren Mengen abgetragen werden muss.

Es ist ein Glück für Schleswig-Holstein und für unseren Haushalt, dass der Sozialminister es erreicht hat, den Anstieg der Kosten in der Eingliederungshilfe um zwei Drittel zu begrenzen. Herr Kollege Dr. Stegner, auch hier haben Sie die Unwahrheit

(Wolfgang Kubicki)

gesagt. Es wird keine Verringerung der Ausgaben zur Eingliederungshilfe geben, sondern nur eine Begrenzung des Kostenanstiegs. Aber auch diese Differenzierung scheint Ihnen nicht geläufig zu sein. Die Eingliederungshilfe ist der größte Einzeletatposten, und ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich den Sozialverbänden dafür danken, dass sie hier mit einem wesentlichen Beitrag die Konsolidierungsbemühungen des Landes unterstützen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Wir haben auch sehr schmerzhafte Eingriffe in den Landeshaushalt vornehmen müssen. Wir haben das dritte beitragsfreie Kindergartenjahr streichen müssen, das Sie nicht finanziert hatten, Herr Dr. Stegner. Gleiches gilt für die Beteiligung des Landes an den Schülerbeförderungskosten. Niemandem von uns ist das leicht gefallen, aber jeder, der daran festhalten will, muss erklären und dokumentieren, wie die Konsolidierung des Landeshaushaltes anders gelingen soll. Herr Dr. Stegner.

Besonders schmerzlich ist die Absenkung des einkommensunabhängigen Landesblindengeldes für Erwachsene von 400 € auf 200 €. Ich weiß ja, dass es der Opposition nicht gefällt.

Es ist aber noch keiner Regierung vor dieser gelungen, dem Bund die Zusage einer Dauerfinanzierung in Höhe von 25 Millionen € im Wissenschaftsbereich abzuringen, die es allein ermöglicht hat, den sonst notwendigen Abbau der Medizinerausbildung an der Universität Lübeck nicht vornehmen zu müssen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])