Die Vorabkontrolle widerspricht zudem dem Haftungsregime des Telemediengesetzes. Inwieweit Blogs und private Web-2.0-Angebote von der Möglichkeit der Privilegierung Gebrauch machen, indem sie einen Verhaltenskodex unterzeichnen, dir bislang von großen kommerziellen Anbietern ausgearbeitet wurden, ist derzeit überhaupt nicht absehbar.
Die grün-mitregierten Länder - es werden ja immer mehr - haben es geschafft, das Schlimmste zu verhindern. In zwei Protokollerklärungen zu Artikel 5, denen inzwischen auch - und das sage ich mit Anerkennung - Schleswig-Holstein beigetreten sind, wird deutlich gemacht: Wir wollen nicht, dass der Staatsvertrag eine Pflicht zur Überwachung von User-Inhalten mit sich bringt und die bisherigen Haftungsregeln ausgeweitet werden.
Herr Fürter, dieses Stichwort hat mich geradezu elektrisiert, als Sie sagten, dass die Grünen das Schlimmste verhindert hätten. Die Grünen sind, wie Sie sagen, in der Regierung. Sie wissen auch, wie Staatsverträge verabschiedet werden. Ein Bundesland, das nicht zustimmt, würde diesen Staatsvertrag zum Fallen bringen. Wie
sieht das in den Ländern aus, in denen Sie mitregieren? Können wir denn damit rechnen, dass eine grüne Fraktion die Notbremse zieht?
- Ich kann nicht für Fraktionen in anderen Bundesländern sprechen. Das wissen Sie ganz genau. Es ist so, dass ich gerade sagte, dass die grünen Regierungsbeteiligungen durch die Protokollerklärungen, denen sich auch Schleswig-Holstein angeschlossen hat, das Schlimmste verhindert hat. Sie wissen genau, dass es im Föderalismus auch grüne Fraktionen geben wird, die am Ende diese Ratifizierung mit betreiben werden. Das ändert nichts daran, das wir uns als Fraktion überlegen müssen, wie wir in dieser Debatte eine Position entwickeln und durchhalten können. Wir als Grüne würden uns natürlich wünschen, dass es diesen JugendmedienschutzStaatsvertrag nie gegeben hätte. Dabei bleiben wir.
Die lautstarke Kritik und die Bemühungen anderer Parteien, Änderungen vorzunehmen, waren offenbar nichts weiter als heiße Luft.
Ich komme schon zum Ende: Für das Netz angemessene Lösungen beim Jugendmedienschutz zu finden, ist alles andere als einfach. Nichtsdestotrotz müssen und wollen wir den Jugendschutz auf der einen und die Netzfreiheit auf der anderen Seite unter einen Hut bringen. Wir werden uns auch weiterhin und mit Nachdruck dieser Aufgabe widmen. Dabei ist eins klar: Die nationale Segmentierung des Internets ist für uns keine Alternative.
Technische Maßnahmen sind zudem immer nur eine Krücke. Sie können und dürfen Eltern nicht von der Pflicht entbinden, hinzuschauen und zu verstehen, was ihre Kids am PC so treiben. Darüber, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind wir uns offensichtlich einig. Ich freue mich auf die weiteren Beratungen im Innen- und Rechtsausschuss.
Für die Fraktion DIE LINKE hat der Fraktionsvorsitzende, Herr Abgeordneter Heinz-Werner Jezewski, das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank an die Kollegen Eichstädt und Fürter. Die ersparen mir viele meiner Ausführungen. Deswegen wird es ein bisschen kürzer.
Der hier vorliegende Staatsvertrag erfüllt in den wesentlichen Punkten weder die Anforderungen, die meine Fraktion an den Schutz von Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden stellt, noch die Anforderungen der Ministerpräsidenten, die vor den Verhandlungen formuliert worden sind. Ich beschränke mich in meinen Ausführung - wie fast alle meine Vorredner auch - auf die Auswirkungen, die dieser Staatsvertrag auf das Medium Internet haben wird.
Der Kern des untauglichen Versuches, die angesprochenen Gruppen zu schützen, ist die Verpflichtung der Anbieter, Inhalte in fünf Gruppen einzustufen und diese für verschiedene Altersgruppen freizugeben. Diese nur vermeintlich freiwillige Regelung hat sich in Praxistests als absolut untauglich erwiesen. Internetbetreiber sind in aller Regel keine Jugendschutzexperten, sondern Menschen wie du und ich.
Der Arbeitskreis gegen Internetsperren und Zensur - das waren diejenigen Leute, die das unsägliche Internet-Sperrgesetz verhindert oder seine Aussetzung verursacht haben - hat sich die Mühe gemacht und einen Test durchgeführt. Mit Genehmigung der Präsidentin zitiere ich hier aus dem Abschlussbericht:
„So einfach, wie es sich der neue Jugendschutzmedien- Staatsvertrag macht, war auch unser Praxistest. Die Nutzer, also die Einsteller von Inhalten, sollten Inhalte im Netz nach Altersstufen, zum Beispiel mit ‚Geeignet ab zwölf Jahren’ bewerten, erläutert Alvar Freude das Experiment. Die Auswertung von über 10.000 Einzelbewertungen, ergab, das fast 80 % der Einstufungen falsch waren. Das verwundert nicht, sind doch nur wenige Internetnutzer Jugendschutzexperten. Ein erheblicher Teil der Teilnehmer hielt einige Inhalte fälschlicherweise für jüngere Kinder geeignet und würde damit in der Praxis ordnungswidrig handeln.“
Es gibt aber bei den Betreibern von Internetseiten den Wunsch, aktiv am Jugendschutz mitzuarbeiten. Hier steht aufgrund des Staatsvertrags zu befürchten, dass eine vorbeugende Selbstzensur zum Tragen kommen wird, und das nicht nur, weil Verstöße gegen die Regelungen bußgeldbewehrt sein sollen.
Ein weiterer kritischer Punkt betrifft diejenigen, die in der Hauptsache mit dem Jugendschutz beschäftigt sind, nämlich die Eltern und die Erziehungsberechtigten. Ihnen wird eine Sicherheit vorgegaukelt,
die in Wirklichkeit gar nicht vorhanden ist. Es hätte durchaus die Möglichkeit bestanden, diesen Staatsvertrag so zu gestalten, dass er die sachlichen Forderungen an einen effektiven Schutz von Kindern und Jugendlichen erfüllt.
Eine große, mit Internetspezialisten, Juristen, Medienpädagogen, Bloggern, Künstlern und mit Sachverständigen der Enquetekommission Internet und der Digitalen Gesellschaft des Deutschen Bundestags fachlich ganz hervorragend zusammengesetzte Gruppe hat in einem Appell die Ministerpräsidenten eindringlich gewarnt. Ich zitiere mit Erlaubnis der Frau Präsidentin auch hier:
„Wenn aber der jetzige JugendmedienschutzStaatsvertragsentwurf verabschiedet und durchgesetzt wird, würde dies umgehend irreversible Schäden in einem sich entwickelnden kulturellen und sozialen Raum hinterlassen. Insbesondere privaten und kleinen Anbietern würden unverhältnismäßige Hürden in den Weg gelegt. Hunderte Millionen an bestehenden Webseiten müssten auf ihre Erziehungsbeeinträchtigung für zwölfjährige Kinder durchsucht werden, während ausländische Anbieter völlig unbehelligt bleiben.“
Dieser Staatsvertrag schafft also keinen Schutz für Kinder, Jugendliche und Heranwachsende. Er schafft bisher einzig ein bürokratisches Monstrum, dass ebenso unwirksam wie unhandbar sein wird. DIE LINKE lehnt ihn bisher aus genau diesen Gründen ab. Wir hoffen, ihn noch so weit verändern zu können, dass er die Anforderungen, die die Ministerpräsidenten selbst an ihn stellen, dann endgültig erfüllt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eine so große Uneinigkeit, wie sie hier gerade angesprochen wird, sehe ich gar nicht. Wir sind uns alle darüber einig, dass es nicht ausreichend ist und dass es so nicht gehen kann.
Der beste Jugendschutz in diesem Falle ist, dass die Eltern mit ihrem Kind vor dem PC sitzen. Dann wäre doch wirklich die Überlegung, bevor man weiter über Filter und Ähnliches redet, dass man eine PC-Nutzung nur mit Eltern gestattet. Das wäre
Worüber ich jetzt spreche, sind die Hinweise, die wir gerade eben bekommen haben, was die Eignung für Kinder von sechs Jahren, zehn Jahren und so weiter betrifft. Auch da kann man sehr unterschiedlicher Auffassung sein. Das belegt zum einen die Studie, aber auch mein eigenes Erleben. Die Eignung ist nämlich erstaunlicherweise auch von den Fähigkeiten und Erkenntnissen der Kinder abhängig. Es gibt Kinder mit sechs Jahren und auch Erwachsene mit 18 Jahren, bei denen man nicht immer in bestimmten Bereichen die Unterschiede erkennen kann. Nur der Altersunterschied ist sofort zu sehen, weil der eine körperlich größer ist als der andere.
Unabhängig davon möchte ich darauf hinweisen, dass natürlich dieser Vorschlag die Lücken im Jugendschutzgesetz schließen will, wie sie tagtäglich in deutschen Familien zum Problem werden: Der Junior surft im Netz, auch junge Frauen surfen im Netz und gelangen ohne großen Suchaufwand auf jugendgefährdende Seiten. Der Handlungsdruck ist also eigentlich sehr groß. Aber dass Kompetenz und Einsicht in die Zusammenhänge dem entsprechen, ist mit diesem Vertrag vielleicht nicht unbedingt erreicht.
Die Netzgemeinde vermutet durch die verpflichtende Indizierung für alle deutschen Seiten den Einstieg in die Zensur. Nicht gekennzeichnete Angebote seien schließlich bei Anwendung eines entsprechenden Programms nicht mehr verfügbar, woraus sich durch die Hintertür eine Kennzeichnungspflicht ergebe. Die Indizierung sei also keineswegs freiwillig, wie die Ministerpräsidenten immer wieder betont haben. Richtig ist allerdings, dass eine automatische Sperre von der Wahl des Filterprogramms abhängt. Hier liegen natürlich noch keine Erfahrungen vor, weil es das noch nicht gibt.
Ich will meine weiteren Ausführungen zu diesem Problemkreis lieber dem Ausschuss vorbehalten. Ich weise nochmals darauf hin: Der beste Jugendschutz ist die Begleitung der Kinder im Alltag durch ihre Eltern und kompetente Erwachsene, die sich zusammen mit ihnen diese Programme anschauen. Das haben alle immer wieder betont, weil das nämlich von den Kindern selbst abhängig ist. Ich kenne Kinder, die sechs Jahre alt sind und sich nicht einmal einen Märchenfilm ansehen können, ohne Angstzustände zu bekommen. Andererseits gibt es Kinder, die das sehr wohl können. Das ist immer abhängig von den eigenen Kindern. Da ken
nen sich die Eltern wirklich am besten aus, was ihre Kinder sehen können. Bei der Alterskennzeichnung, die es da gibt, kann man sehr unterschiedlicher Auffassung sein. Ich habe Filme gesehen, die angeblich für 18-jährige geeignet waren. Da hätte ich eine noch höhere Altersgrenze vorgeschlagen. Es gab auch Filme, die für junge Leute geeignet waren. Ich finde es ausgesprochen schwierig, hier darüber zu reden.
überweisen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann ist es einstimmig so beschlossen.
Meine Damen und Herren, bevor ich die heutige Sitzung schließe, weise ich darauf hin, dass wir morgen um 10 Uhr mit den Tagesordnungspunkten 38 B und 38 C beginnen werden. Mit einer Redezeit von insgesamt 35 Minuten werden die Anträge zur Neuwahl des Landtags und des Landeswahlgesetzes zur gemeinsamen Beratung aufgerufen werden.
Herausgegeben vom Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtags - Stenographischer Dienst und Ausschussdienst