Frau Erdmann, ist Ihnen bewusst, dass es sehr wohl möglich ist, dass Schülerinnen und Schüler - ob sie nun einer Konfession oder einer anderen Glaubensgemeinschaft angehören oder ob sie konfessionslos sind - am konfessionellen Unterricht teilnehmen können, und zwar sowohl am evangelischen wie auch am katholischen Religionsunterricht? Dieser Unterricht ist offen für alle.
Ja. Es ist doch aber ein Unterschied, ob ich evangelischen Religionsunterricht anbiete und diesen für alle öffne oder ob ich Unterricht nach dem Modell Religion für alle anbiete. Letzteres läuft unter anderen Vorzeichen. Frau Todsen-Reese, das ist der entscheidende Unterschied.
Wenn heute in der Sache abgestimmt wird, werden wir für den vorliegenden Antrag stimmen, weil wir es wichtig finden, dass wir die angesprochene Auseinandersetzung führen, vielleicht allerdings unter etwas anderen Vorzeichen. Am liebsten wäre uns aber eine Überweisung an den Ausschuss, um dort behutsam eine Debatte darüber führen zu können, wie Religionsunterricht und Weltanschauungsunterricht in einer modernen Gesellschaft heute aussehen sollte und was wir in dieser Hinsicht von anderen Ländern lernen können.
Für den SSW erteile ich der Fraktionsvorsitzenden, der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Religionsunterricht in unseren Schulen ist keine Religionskunde, sondern vermittelt grundsätzlich nur den Glauben der Glaubensgemeinschaft, durch
die dieser Unterricht erteilt wird. Wir haben in Schleswig-Holstein an unseren Schulen überwiegend einen evangelischen Religionsunterricht, weil über 60 % der Schülerinnen und Schüler evangelisch sind. Die Grundkonzeption des Religionsunterrichts ist mit anderen Worten der konfessionell gebundene Religionsunterricht oder Bekenntnisunterricht. Dieser Unterricht hat sich, vor allem was die Unterrichtsinhalte angeht, in den letzten Jahren erheblich weiterentwickelt. Philosophische, ethische und interreligiöse Fragen nehmen heute einen breiten Raum im Religionsunterricht ein. Trotzdem bleibt der Bekenntnisunterricht für andere Konfessionen und für konfessionslose Familien ein Problem. Die vorhin von Herrn Kollegen Fischer angesprochenen Kleinen Anfragen der Frau Kollegin Erdmann und des Herrn Kollegen Weber deuten ja genau darauf hin.
Etwa jeder zehnte bis zwanzigste Schüler kommt aus einer islamischen Familie, aber nur die wenigsten von ihnen können am islamischen Schulunterricht teilnehmen. Dieser Unterricht muss also weiter ausgebaut werden. Darüber haben wir in der letzten Legislaturperiode schon eine Debatte geführt, als es um die Große Anfrage zum Religionsunterricht ging.
Wir müssen uns grundsätzlich fragen, ob die Art, wie der schulische Religionsunterricht organisiert ist, unseren Kindern das richtige Werkzeug an die Hand gibt, wenn es darum geht, sich in einer Welt zurechtzufinden, die einerseits verstärkt von religiösem Fanatismus, Fundamentalismus und von religiös legitimiertem Terrorismus und andererseits von Nihilismus und ausgesprochen antiklerikalen Tendenzen geprägt ist. Daher gehört es meines Erachtens zu einer ganz zentralen Herausforderung des Religionsunterrichts an unseren Schulen, nicht nur für mehr Wissen um die Andersgläubigen zu sorgen, sondern noch mehr als bereits jetzt für Toleranz, für mehr Verständigung im Unterricht zu werben.
Den Religionsunterricht einfach zu streichen, kommt für uns nicht infrage. Ich möchte allerdings auch betonen, dass eine Streichung keineswegs gleichbedeutend mit der Abschaffung jeglicher Wertevermittlung in den Schulen wäre. Denn die Vermittlung von humanen und sozialen Werten gehört zum Fundament unseres Schulsystems, die in allen Fächern ihren Platz haben muss. Wenn das nicht der Fall sein sollte, dann hätten wir ein echtes Problem, weil die Schulen ihren gesellschaftlichen Auftrag verfehlt hätten.
Ein Weg könnte heißen, einen gemeinsamen Ethik- und Religionsunterricht einzuführen, der allen Schülerinnen und Schülern gerecht wird, weil er eben kein konfessionsgebundener Bekenntnisunterricht ist.
Eine Plöner Elterninitiative „Pro PER“ hat bereits einen sehr konkreten Vorschlag erarbeitet, der ein neues Fach schaffen soll, nämlich PER, was für Philosophie, Ethik und Religion steht. Öffentliche Schulen sollen für alle Schüler des Landes unvoreingenommene Begegnungsstätten sein, ohne dabei Religion aus der Schule zu verbannen.
Bekenntnisunterricht bleibt bestehen, allerdings als freiwilliges Wahlfach. Nach Ansicht der Elterninitiative erlaubt der Änderungsvorschlag eine Lösung ohne jede Benachteiligung, die durch Wegfall der Bekenntniserwägungen bei Lehrern und Schülern mehr Flexibilität und Kosteneinsparungen ermöglicht. So heißt es in der Stellungnahme dieser Elterninitiative. Aus der bisherigen Entweder-oderLösung wird also eine Lösung, die Philosophie und Religion verbindet.
Die Erfahrungen, die es in Brandenburg mit dem Fach „Lebensgestaltung, Ethik und Religion“ gegeben hat, möchte ich außen vor lassen, denn Schleswig-Holstein ist eben nicht Brandenburg. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sollten die anstehenden Novellierung des Schulgesetzes nutzen, um in dieser Frage einen Schritt weiterzukommen.
Zur Abstimmung: Wir werden in unserer Fraktion unterschiedlich abstimmen. Ich hätte mir genau wie die Kollegin Erdmann gewünscht, dass es zu einer Ausschussüberweisung gekommen wäre. Wir brauchen eine Ausschussüberweisung, um uns noch einmal grundsätzlich mit dieser Fragestellung auseinanderzusetzen.
Denn es geht nicht um das persönliche Glaubensbekenntnis. Es geht wirklich darum, wie der Religionsunterricht in den Schulen künftig verankert sein könnte. Darum wäre eine Ausschussüberweisung wirklich wünschenswert gewesen. Ich werde mich im Übrigen bei der Abstimmung persönlich der Stimme enthalten - nicht, weil ich keine Meinung dazu habe, ich würde eher gegen diesen Antrag stimmen. Aber das ist nicht das Zentrale. Das Zentrale ist die Frage, wie wir den Religionsunterricht künftig an unseren Schulen gestalten wollen. Da wäre eine Ausschussüberweisung gut und richtig gewesen.
Sie gestatten das Wortspiel: Ich möchte nicht päpstlicher sein als der Papst, aber ich finde es schwierig, einen Antrag, der die Aufhebung des Religionsunterrichtes zum Inhalt hat, in den Ausschuss zu überweisen, um dann dort über die Reform des Religionsunterrichtes zu reden.
Der Bildungsausschuss hat Selbstbefassungsrecht. Er kann sich mit dem Religionsunterricht selbst befassen. Wenn wir dazu kommen und sagen, dass wir das auf die Tagesordnung setzen, dann werden wir uns mit der Reform des Religionsunterrichtes befassen. Das finde ich sehr gut. Da können all die Punkte, Frau Erdmann, die Sie angesprochen haben, diskutiert werden: multikulturelle Gesellschaft, Attraktivität des Unterrichts, möglichst breites Angebot für alle. Das, was Sie sagen, ist unzweifelhaft im Ausschuss zu diskutieren.
Ich fände es auch als Signal, auch an die Kirche nach außen ganz schlecht, wenn wir das auf der Basis eines Antrages machen würden, der die Abschaffung zum Inhalt hat. Das finde ich nicht logisch, nicht konsequent, alles andere gern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal zwei Dinge klarstellen. Wir wollen den Religionsunterricht nicht abschaffen.
Im Schulgesetz steht Religionsgemeinschaften das ist doch Plural. Das muss nicht notgedrungen evangelisch und katholisch bedeuten. Ich habe wahrgenommen, dass einiges dagegen spricht, einiges dafür. Ich habe aber allen Beiträgen entnommen, dass erheblicher Klärungsbedarf besteht. Daraus schließe ich, dass eine Ausschussüberweisung
genau die richtige Lösung wäre. Deshalb möchte ich noch einmal, weil ich es in meinem Redebeitrag nicht gemacht habe, um Ausschussüberweisung bitten.
Das Wort für die Landesregierung erteile ich dem Minister für Bildung und Kultur, Herrn Dr. Ekkehard Klug.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu einer guten Allgemeinbildung gehören die Fächer Religion und Philosophie. Von einer Vermischung beider Fächer halte ich jedoch nichts.
Darüber hinaus würden wir gegen das Grundgesetz verstoßen, wenn wir dem Antrag der LINKEN folgten. Artikel 7 Abs. 3 des Grundgesetzes enthält eine institutionelle Garantie für den konfessionsgebundenen Religionsunterricht. Wir können ihn daher weder abschaffen noch auf andere Religionen ausweiten.
Die in Artikel 141 Grundgesetz enthaltene Ausnahmeregelung, die sogenannte Bremer Klausel, bezieht sich auf Länder, in denen es schon vor dem 1. Januar 1949 keinen Religionsunterricht gab. Diese Sonderregelung kann in Schleswig-Holstein nicht in Anspruch genommen werden - so weit zu Ihrer Information.
Was Brandenburg betrifft, da bezieht sich der Unterricht im Fach Lebensgestaltung, Ethik, Religionskunde auf eine nach einem Vergleichsvorschlag des Bundesverfassungsgerichts erfolgte Regelung im Einvernehmen mit den Kirchen. Das ist auch eine Sonderlösung. Abgesehen von diesen rechtlichen Aspekten ist für mich entscheidend, dass sich der konfessionell gebundene Religionsunterricht in der Praxis bewährt hat.
Er hat sich auch deshalb bewärt, weil niemand gegen seinen Willen oder nach dem Willen seiner Eltern dazu verpflichtet werden kann, am Religionsunterricht teilzunehmen. Dazu gehört dann Philosophie als Ersatzfach, das wir im Übrigen künftig auch in der Grundschule einführen wollen. Dazu muss es entsprechende Vorläufe geben, die Erarbeitung eines Lehrplans für altersgerecht didaktisch
gestaltete Unterrichtsinhalte. Dann muss auch eine entsprechende Qualifizierung der Lehrkräfte im kommenden Jahr erfolgen. Wir wollen auch hier dem Wunsch vieler Eltern nach einem entsprechenden Ersatzangebot in Zukunft Rechnung tragen.
Der Antrag der Fraktion DIE LINKE präsentiert eine Scheinlösung, die mehr verspricht, als sie halten kann. Das fängt schon bei den Lehrkräften an. Der Ethik- und Religionskundeunterricht, den Sie sich vorstellen, müsste von einer Lehrkraft gegeben werden, die quasi über allen Regionen steht oder die sich völlig neutral zu allem stellt. Wie soll das gehen? Da ist mir, ehrlich gesagt, der ausgebildete Theologe lieber, der auf dem festen Boden seines Fachbereichs steht.
Das geht dann weiter mit den Inhalten. Sie wollen, ohne das näher zu spezifizieren, alle Glaubensund Religionsgemeinschaften sowie Weltanschauungen gemeinsam berücksichtigen. Da muten Sie natürlich auch den Lehrern und Schülern vieles zu. Interessant ist nicht nur die Frage der Gewichtung, sondern zum Beispiel auch die Frage, ob unsere Schüler etwa mit den Vorstellungen von Religionsgruppen wie etwa den Zeugen Jehovas vertraut gemacht werden sollen. Dazu sagt Ihr Antrag überhaupt nichts.
Meine Damen und Herren, in der Zusammenarbeit mit den beiden großen Kirchen haben wir klare Regeln, was die Vermittlung von religiösen Inhalten angeht. Durch die Lehrerbildung und durch die Gestaltung der Lehrpläne ist gewährleistet, dass der Religionsunterricht zu einer offenen Auseinandersetzung mit jedweder Religiosität und Weltanschauung beiträgt und zu Toleranz, Respekt und Dialogfähigkeit führt.
Aus meiner Sicht ist der christliche Religionsunterricht auch ein Kulturunterricht. Unsere Kultur ist in weiten Teilen Ergebnis einer jahrhundertelangen Auseinandersetzung mit dem Christentum. In heutiger Zeit ist die Auseinandersetzung kritischer geworden. Aber deshalb verschwindet nicht der Gegenstand, um den es hier geht. Man muss sich mit einer Sache gut auskennen, um sie bewerten und gegebenenfalls auch kritisieren zu können.
Letztlich ist es auch so, dass ein Unterrichtsfach wie Religion sehr stark von der Nachfrage abhängt. Hier haben wir keine Anzeichen, dass das Interesse an einem konfessionell geprägten Angebot nachlässt. Sie sollten sich daher - ich wende mich an die Kollegen von der LINKEN - auch fragen, ob Ihr Antrag wirklich geeignet ist, auf übergreifende Ak