Protocol of the Session on July 7, 2010

Meine Damen und Herren, sicherlich müssen wir feststellen, dass größere Kommunen zusätzliche Aufgaben zu übernehmen haben, die nicht in jedem Fall durch Zentralitätsmittel aus dem Finanzausgleich ausgeglichen werden, zum Beispiel in der Infrastruktur. Genauso richtig ist aber auch die Feststellung, dass in kleineren Gemeinden eine andere Ausgabenpolitik betrieben wird. Es wird häufig nur das ausgegeben, was vorher eingenommen wurde.

(Beifall bei der FDP)

Wenn eine größere Investition ansteht, werden die erforderlichen Mittel vorher angespart, und erst dann wird gebaut.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, im Moment bitte nicht.

Es ist ein einfaches und wirksames Mittel, um die Gemeindefinanzen gesund zu erhalten. Die Kontrolle der Gemeindevertreterinnen und Gemeindevertreter findet in den Dörfern nämlich durch die Nachbarn statt,

(Lachen bei der SPD)

die ein sehr wachsames Augen auf die Finanzen der Gemeinden richten, während es in größeren Gemeinden und Städten natürlich wesentlich anonymer zugeht. Das ist nun einmal eine Tatsache. Auf jeden Fall ist es meines Erachtens nicht ohne Weiteres zu rechtfertigen, aus den vorgelegten Zahlen wesentliche Änderungen bei den Finanzzuweisungen aus der Finanzausgleichsmasse abzuleiten.

Meine Damen und Herren, der Bericht geht in den Vorbemerkungen auch auf die doppische Haushaltsführung ein. Ich glaube, wir alle unterstützen ihre Einführung. Ich nenne drei Gründe:

(Günther Hildebrand)

Durch sie wird das Vermögen der Kommune durch die Eröffnungsbilanz zum aktuellen Wert erfasst. Der jährliche Werteverlust wird in Form der Abschreibung erfasst und muss - das ist sicherlich für viele Kommunen ein Problem - erwirtschaftet werden. Und Erträge und Aufwendungen werden verursachungs- und periodengerecht zugeordnet. Dadurch erhalten die Kommunen eine realistische und transparente Darstellung ihrer Vermögens- und Finanzsituation.

Wir müssen dabei aber berücksichtigen, dass die Doppik einen erhöhten Aufwand verursacht - sowohl bei den laufenden Buchungen als auch bei der Erstellung der Eröffnungsbilanz. Im laufenden Betrieb müssen jetzt auch die Abschreibungen und ihre Verteilung exakt berücksichtigt und die Beträge entsprechend abgegrenzt und zugeordnet werden.

Ein wesentlicher Mehraufwand - wenn auch einmalig - ist das Erstellen der Eröffnungsbilanz. An dieser Stelle kann das Innenministerium als Kommunalaufsicht die jetzige Praxis vereinfachen. Zurzeit müssen zu Wertermittlungen zum Beispiel bei Gebäuden sämtliche Herstellungskosten anhand der Rechnungen ermittelt werden, auch wenn die Gebäude schon vor Jahrzehnten entstanden sind. Zu berücksichtigen sind natürlich auch die erhaltenen Zuschüsse.

Bei Grundstücken müssen alle Flurstücke einzeln erfasst und bewertet werden, unabhängig davon, ob es sich um Gewässer, Straßen und Wege, Spieloder Sportplätze, Grünanlagen oder bebaute Grundstücke handelt. Das ist natürlich nicht mit dem vorhandenen Stammpersonal der Verwaltungen zu leisten und erfordert zusätzliche Stellen oder die Beauftragung externer Büros und verursacht erhebliche Kosten.

In Niedersachsen können in diesen Bereichen zum Beispiel vielfach Schätzungen vorgenommen werden. Diese kommen im Prinzip zu ähnlichen Ergebnissen, erzeugen aber wesentlich weniger Aufwand. Das ist auch durchaus zu akzeptieren, da die daraus resultierenden Abschreibungen nicht - wie in der Wirtschaft - steuerliche Auswirkungen haben, sondern „nur“ zur Transparenz der Finanzsituation der jeweiligen Kommune beitragen sollen.

Ich bitte die Landesregierung um Überprüfung der entsprechenden Vorschriften mit dem Ziel, den erforderlichen Aufwand bei der Erstellung der Eröffnungsbilanz zu reduzieren. Ein Großteil der Gemeinden und Städte wendet noch keine doppische Haushaltsführung an. Ihre Einführung kann für die

betroffenen Gemeinden wesentlich erleichtert werden.

Immerhin sind noch drei Kreise, nämlich Segeberg, Steinburg und Stormarn, in der Lage, einen Überschuss zu erwirtschaften. Ich kann nur gratulieren; denn häufig müssen die Gemeinden und Städte im kreisangehörigen Bereich mit zum Teil sehr hohen Kreisumlagen und zusätzlichen Kreisumlagen die Finanzierung der Kreise sichern, ohne sich dagegen wehren zu können.

(Zuruf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Immerhin erhalten auch acht Kreise Fehlbetragszuweisungen. Das ist auch ein Spiegelbild der wirtschaftlichen Situation in diesen Kreisen.

Die Einnahmen der Kommunen aus Finanzausgleich und Steuern gehen im Moment zurück. Der Höchststand war im Jahr 2008 erreicht. Wie die weitere Entwicklung genau verläuft, bleibt abzuwarten. Zur Verbesserung der Finanzsituation können nur ein nachhaltiger Wirtschaftsaufschwung oder eine Reduzierung der wahrzunehmenden Aufgaben beitragen. Aber diesen Sachverhalt diskutieren wir im Rahmen der Funktionalreform schon seit vielen Jahren, ohne etwas erreicht zu haben. In diesem Bereich müssen wir endlich Erfolge erzielen.

Meine Damen und Herren, anfangs habe ich gesagt, dass der Bericht nicht alle Dinge richtig ausleuchtet und uns somit kein eindeutiges Bild der Kommunen widerspiegelt. Bei den Zahlen einer Kommune muss der Bericht allerdings falsch sein. Beim Durchblättern bin ich auf die Stadt Lübeck gestoßen. Die Zahlen können nicht richtig sein. Der Jahresfehlbetrag für das Jahr 2009 soll bei einem Schuldenstand von 446 Millionen € 176 Millionen € betragen haben. Nach Erstellung des doppischen Haushalts beträgt der Schuldenstand 1,3 Milliarden €. Meines Erachtens sind das unfassbare Zahlen.

Ich habe ich in der Zeitung gelesen, dass die Bürgerschaft für das Jahr 2010 unter anderem 60.000 € für die kostenlose Verteilung von Kondomen bereitstellen wollte, und dies in einer Haushaltssituation, in der eigentlich Enthaltsamkeit angesagt ist.

(Beifall und Heiterkeit bei FDP, CDU und SSW)

Ich danke dem Innenminister, dass er die Genehmigung des Haushalts versagt hat. Die Solidarität der restlichen Kommunen in Schleswig-Holstein wäre sonst auf eine harte Probe gestellt worden.

(Beifall bei FDP und CDU)

(Günther Hildebrand)

Für die Fraktion DIE LINKE erteile ich Herrn Fraktionsvorsitzenden Heinz-Werner Jezewski das Wort.

(Unruhe)

- Wollen wir das ausdiskutieren, bevor ich anfange?

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich verkneife mir schweren Herzens eine Replik auf schlüpfrigen Altherrenhumor und fange gleich mit meinem Vortrag an.

(Beifall bei der LINKEN, SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Manchmal kann einem diese Landesregierung schon leid tun. So schön schien es doch im letzten Herbst zu sein. Es gab eine Mehrheit - knapp zwar, aber immerhin. Endlich konnte man der eigenen Klientel einmal etwas Gutes tun, frei nach Altmeister Goethe: „Wie das Becken schwillt! Wie sich jede Schale voll mit Wasser füllt!“

Doch das Hochgefühl ist schnell verflogen, spätestens dann, wenn man einen Blick auf die Verhältnisse im Lande wirft. Was sich in den Kommunen Deutschlands abspielt, ist mit 17 % weniger Einnahmen und 5 % Mehrausgaben im ersten Quartal gegenüber 2009 nur äußerst dürftig beschrieben. Allein das, was der Bund jetzt als „Sparprogramm“ aufsetzt, führt zu weiteren Mehrausgaben bei den Kommunen, die in ihren Konsequenzen noch gar nicht abzusehen sind.

Zunächst wurde den Kommunen die Halbierung der Städtebauförderung angetan, dann sollen Kürzungen der Heizkostenzulage und als „Schmankerl“ der Wegfall der Rentenzuschüsse für Hartz-IVEmpfänger folgen. Als I-Tüpfelchen kommen noch Streichungen beim Wohngeld hinzu.

Das wird den Ärmsten angetan, die sich kaum wehren können und eindeutig nicht zur Klientel der schwarz-gelben Koalition gehören. Das wird aber auch den Kommunen angetan, die vorne und hinten nicht mit ihren Finanzen klarkommen, weil sie mangels Masse gar nicht damit klarkommen können.

Ein funktionierendes Gemeinwesen aufrechtzuerhalten ist bei sinkenden Steuereinnahmen und gleichzeitig steigenden Ausgaben unmöglich. Im Ergebnis spart der Bund so auf Kosten der Kommunen. Diese geben ihrerseits den Druck an die

Bürger weiter, und zwar nicht, weil sie dies wollen, sondern weil sie dazu gezwungen werden.

Ich sehe mich da mit Kommunalpolitikern aller Parteien einig. Ich halte es für bemerkenswert, dass sogar Petra Roth als CDU-Oberbürgermeisterin und Vorsitzende des Deutschen Städtetages diese Meinung teilt.

Höhere Gebühren, höhere Abgaben und weniger Leistungen: Am Ende will Schwarz-Gelb eigentlich nur hören, wie teuer und wie schlecht öffentliche Leistungen sind, dass die Privaten doch alles besser können und wir ihnen gleich den Staat überlassen sollten.

Das Sparpaket der Landesregierung wird diese katastrophalen Wirkungen noch verstärken, wenn es denn verabschiedet wird. Auch das Land wird und will auf Kosten der Kommunen sparen. Die Kommunen werden ausbluten. Dieses Sparen wird tausende Arbeitsplätze kosten. Rechnen Sie einfach einmal hoch, was die kumulierten Sparanstrengungen des Bundes und der Landesregierung kosten! Das ist in Arbeitsplätzen zu beziffern. Was Sie betreiben, ist aktiver Arbeitsplatzabbau.

Zu jedem von dieser Landesregierung direkt vernichteten Arbeitsplatz kommen weitere bei der Industrie, bei den Kaufleuten und Dienstleistern, die weniger Umsatz haben werden und Personal entlassen müssen.

Die schwarz-gelbe Koalition spart an der Existenz der Bevölkerung und an den Existenzen der Menschen in unserem Land. Hinzu kommen Steuermindereinnahmen und Mehrausgaben für Arbeitslose. Ihr Sparpaket ist in Wirklichkeit ein Existenzvernichtungspaket für Menschen und Kommunen. Die Wahrheit ist, dass jeder ausgegebene Steuer-Euro wie ein Multiplikator wirkt und mindestens das Anderthalbfache an wirtschaftlicher Wirkung erbringt. Es ist einzig dummes und unbedarftes Gerede, von einem Ausgabenproblem zu reden. Um es ganz deutlich zu sagen: Wir haben ein Einnahmeproblem und nichts anderes.

(Beifall bei der LINKEN und SSW)

Wer auf Hunderte von Milliarden an Steuereinnahmen verzichtet und die Tatsache bestreitet, dass wir ein Einnahmeproblem haben, der belügt die Menschen in unserem Land einzig und allein deshalb, um seine eigene Klientel zufriedenzustellen.

Das einzig Sinnvolle wäre es daher, die hohen Einkommen ordentlich zu besteuern, um die Wirtschaftskraft in der Rezession zu stärken. Sinkende

Staatsausgaben führen zu überproportional sinkenden Staatseinnahmen.

Was aber haben die Regierungen auf Bundesebene seit 1998 getan? Sie haben die Steuern für Großverdiener gesenkt.

Das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom 14. August 2007 kostet die Kommunen in Schleswig-Holstein jedes Jahr 32,7 Millionen €. Das Gesetz zur Schaffung einer Nachfolgeregelung und Änderung des Investitionszulagengesetzes aus dem Jahr 2007 kostet die Kommunen im Jahr 2011 2,7 Millionen €. Das Jahressteuergesetz 2009 vom 19. Dezember 2008 kostet die Kommunen in Schleswig-Holstein im Jahr 2011 9,3 Millionen €. Das Konjunkturpaket I kostet die Kommunen im Jahr 2010 63,7 Millionen €.

Hinzu kommen die Einnahmeausfälle aus sonstigen Maßnahmen. Dazu zählt zum Beispiel das Gesetz zur Förderung von Familien und haushaltsnahen Dienstleistungen vom 22. Dezember 2008. Es kostet die Kommunen in Schleswig-Holstein im Jahr 2010 18,3 Millionen €.

Das Gesetz zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland - das sogenannte Konjunkturpaket II - kostet die Kommunen 2010 33,8 Millionen €. Das Gesetz zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums - das sogenannte Wachstumsbeschleunigungs-, in Wirklichkeit das Mövenpick-Förderungsgesetz - vom 22. Dezember 2009 kostet die Kommunen in Schleswig-Holstein jährlich 58,4 Millionen €. Damit ist längst nicht Schluss.