Protocol of the Session on June 18, 2010

Meine Damen und Herren, wenn man diese Verbesserung wirklich will und zugleich die Haushaltskonsolidierung zum Erfolg führen will, dann geht das nicht ohne Einschränkungen an anderer Stelle, also beim beitragsfreien Kita-Jahr. Das führt zum Wegfall einer Sozialleistung, die undifferenziert allen Empfängern zugutekommt, also auch jenen, die sich aufgrund ihrer Einkommenslage problemlos Kita-Gebühren für ihre Kinder leisten können. Gleichzeitig wird es dadurch aber möglich, auch in einer extrem schwierigen Haushaltslage frühkindliche Bildungs- und Betreuungsangebote in unserem Land weiter auszubauen und sie in ihrer Qualität zu sichern.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Damit handelt es sich eben gerade nicht um eine Kürzung zulasten der Kindertagesstätten, wie es auch in der vorigen Woche mehrere Verbände und Gewerkschaften in einem Brief an die Landtagsabgeordneten wieder einmal fälschlicherweise behauptet haben.

(Antje Jansen [DIE LINKE]: Das sind Men- schen aus der Praxis, die wissen das!)

Es geht hier um eine Prioritätensetzung, die in diesen Zeiten auch nach politischen und ethischen Maßstäben vertretbar und vernünftig ist.

(Beifall bei FDP und CDU)

Denn die Beitragsfreiheit könnte nur über höhere noch höhere - Schulden weiter finanziert werden. Das beträfe besonders die junge Generation, die durch diese zusätzlichen Schulden weiter belastet würde.

Die Verbesserung der frühkindlichen Bildungs- und Betreuungsangebote, in die wir künftig stärker als bisher investieren, ist demgegenüber eine echte Investition in höhere Bildungschancen für Kinder und

(Minister Dr. Ekkehard Klug)

eben nicht - wie die Beitragsfreiheit - eine Sozialleistung auch für jene, die sie gar nicht nötig haben.

(Beifall bei FDP und CDU)

In der vorigen Woche - Wolfgang Kubicki hat das Zitat schon angeführt - schrieb Martin Spiewak in der Wochenzeitung „Die Zeit“:

„Die Gebührenfreiheit ist extrem teuer, erhöht weder die Chancengerechtigkeit, noch hebt sie das Bildungsniveau.“

Er fährt dann fort: Als Berlin das letzte Kita-Jahr beitragsfrei stellte, seien daraufhin nur 500 Kinder zusätzlich in die Kindertageseinrichtungen im Land Berlin aufgenommen worden. - In Berlin!

(Antje Jansen [DIE LINKE]: Woher wissen Sie das?)

Für Schleswig-Holstein wird die exakte Statistik, die die Auswirkung der Beitragsfreiheit auf die Besuchsquote im Kita-Jahr 2009/2010 zeigen wird, erst im Herbst dieses Jahres vorliegen.

(Antje Jansen [DIE LINKE]: Wunderbar!)

- Jetzt hören Sie doch vielleicht noch einen Moment zu! - Wir wissen jedoch, dass im Januar 2009

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

im letzten Kita-Jahr - 22.176 Kinder gefördert wurden. Im Oktober 2009, also im jetzigen Kita-Jahr, waren es nur 21.943.

(Günther Hildebrand [FDP]: Weniger! - Wei- tere Zurufe - Unruhe - Glocke des Präsiden- ten)

- Auf diesen Zwischenruf, der einem Zwischenruf des Kollegen Höppner auf die Rede von Frau Herdan entspricht, habe ich eigentlich gewartet.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Henning Höpp- ner [SPD])

- Ja, aber jetzt überlegen Sie sich einmal, Herr Kollege Höppner: Wann dürften die Kinder, die zum Kita-Jahr 2009/2010 als Fünfjährige angemeldet worden sind - drittes Kita-Jahr - wohl geboren worden sein? Fällt Ihnen das möglicherweise jetzt ein? Eine überraschende Auswirkung des Geburtenrückgangs?

Ich will das noch einmal deutlich machen - ich habe das eben mit den beiden Zahlen schon eingeleitet -: Das Bildungsministerium des Landes SchleswigHolstein hat im Spätherbst 2008, als in der letzten

Wahlperiode die Gesetzgebung zur Beitragsfreiheit des Kita-Jahres hier im Landtag verabschiedet wurde, eine Annahme für die Berechnung der Kompensationszahlungen zugrunde gelegt. Die Annahme beruhte damals - in Kenntnis der Geburtenzahlen fünf Jahre zuvor - auf der Vermutung, dass man eine Steigerung der Beteiligungsquote auf 97 % erreichen würde. Das steht übrigens alles in dem Vermerk, den Sie heute auch vorgelegt bekommen haben; das können Sie alles nachlesen und gedanklich nachvollziehen. Das hat aufgrund der vorhandenen Daten damals zur Annahme geführt, es würden dann im beitragsfreien Kita-Jahr 2009/2010 24.253 Kinder in den Kindertageseinrichtungen des Landes beitragsfrei gestellt werden müssen. Das war natürlich nur eine Schätzung, aber eine Annahme aufgrund einer statistischen Datenlage, die da schon vorhanden war. Die einzig denkbare Abweichung wären Wanderungsbewegungen, die im Nachhinein noch eingetreten wären und von denen man noch nichts wusste. Das will ich gern einräumen. Wir bekommen die exakte Statistik im Herbst. Dann können Sie sich noch einmal damit beschäftigen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Spoorendonk?

Darf ich einen kleinen Moment lang meinen Gedankengang noch weiterführen? Ich bin gern bereit, Frau Kollegin Spoorendonk dann eine Frage stellen zu lassen.

Ich will damit nur deutlich machen, dass der Effekt der Beitragsfreiheit für die frühkindliche Bildung nach den von mir eben geschilderten Daten und Fakten - ebenso wie übrigens auch nach den Berliner Erfahrungen - bestenfalls als sehr gering einzuschätzen ist, wenn er überhaupt vorhanden sein sollte.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Jetzt bin ich gern bereit, auf eine Zwischenfrage zu antworten.

Das Wort hat jetzt Frau Kollegin Spoorendonk zu einer Zwischenfrage.

(Minister Dr. Ekkehard Klug)

2 Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung liegt als Anlage 2 bei

Vielen Dank, Herr Minister. Meine Frage bezieht sich auf Ihre Aussage vor diesem langen Satz. Sie sagten, dass Eltern von Beiträgen befreit wurden, die es sich leisten konnten, das Kind im Kindergarten zu haben. Soll ich das Argument so verstehen, dass in öffentlichen Schulen Eltern, dies sich eigentlich auch das Schulgeld der Schulen leisten könnten, dies auch bezahlen sollen? Ich frage etwas provozierend, Herr Minister, ich war nämlich davon ausgegangen, dass die Einführung des beitragsfreien Kita-Jahres notwendig wurde, um die Angleichung der frühkindlichen Bildung an das normale Bildungssystem herbeizuführen.

(Beifall bei SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Nein, liebe Frau Kollegin Spoorendonk, das können Sie so nicht verstehen. Und ich bin eigentlich der Meinung, dass Sie es vorhin schon richtig verstanden haben und verstanden haben müssten so, wie wir uns kennen.

Ich werde mir das alles noch einmal genau durchlesen. Ich bin aber der Meinung, dass Sie einen Paradigmenwechsel vornehmen.

Frau Kollegin, wir führen aber im Moment keine Diskussion, sondern wir stellen Fragen, und eine Antwort ist gegeben worden. Das Wort hat jetzt wieder der Minister.

Ich hatte vor der Zwischenfrage über den mutmaßlichen - wenn überhaupt vorhandenen, dann nur sehr geringen - Effekt der Einführung der Beitragsfreiheit gesprochen.

Ich möchte jetzt anschließen, dass man das zu den erheblichen Kosten in Beziehung setzen muss, die das beitragsfreie Kindergartenjahr mit sich bringt. Diese Kosten sind enorm, selbst wenn man berücksichtigt, dass die Ausgleichszahlungen in der vorigen Wahlperiode aufgrund einer damals unzulänglichen Datenbasis mit 35 Millionen € zu hoch angesetzt worden sind. Das Kostenmonitoring für

den Monat Oktober 2009 hat eine Überzahlung für diesen Monat in Höhe von rund 809.000 € ergeben. Daraus lässt sich für das gesamte Kindergartenjahr 2009/2010 eine Überkompensation in Höhe von schätzungsweise 9 bis 10 Millionen € ableiten. Ich denke, das relativiert vielleicht auch ein klein bisschen manche beredt vorgetragene Klage aus der kommunalen Familie, die wir gelegentlich hören.

Die Entscheidung, die Beitragsfreiheit des letzten Kita-Jahres abzuschaffen, ist das Ergebnis einer sorgfältigen Abwägung und einer bildungs- und finanzpolitisch sinnvollen Prioritätensetzung. Am meisten fällt für mich dabei ins Gewicht, dass uns dieser Schritt nun ermöglicht, auch in schwierigen Zeiten die frühkindliche Bildung in unserem Land weiter zu stärken.

(Beifall bei FDP und CDU)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, über den Gesetzentwurf in einer namentlichen Abstimmung abzustimmen. Die Schriftführerinnen werden gleich die Namen einzeln vorlesen. Wer dem Gesetz zustimmen möchte, der möge mit Ja stimmen, die anderen mit Nein oder Enthaltung. Es erfolgt jetzt der Namensaufruf.

(Namentliche Abstimmung) 2 Präsident Torsten Geerdts: Ich gebe Ihnen das Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt. Das Gesetz zur Änderung des Kindertagesstättengesetzes ist mit 48 Jastimmen bei 47 Neinstimmen beschlossen worden. (Beifall bei CDU und FDP)

Ich rufe die Abstimmung über die Sammeldrucksache auf.

Sammeldrucksache über Vorlagen gemäß § 63 Abs. 1 a der Geschäftsordnung des SchleswigHolsteinischen Landtags

Drucksache 17/620

Eine Aussprache ist nicht vorgesehen.