Protocol of the Session on June 17, 2010

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Erfreulicherweise erkennen dies auch immer mehr CDU-Politiker. Sie fordern, dass auch Besserverdienende und Vermögende am Sparpaket beteiligt werden. Von Ministerpräsident Peter Müller über Bundestagspräsident Lammert bis hin zu Hamburgs Ersten Bürgermeister Ole von Beust, der sich gestern für die Erhöhung des Spitzensteuersatzes von 42 auf 44 % und für die Erhöhung der sogenannten Reichensteuer ausgesprochen hat.

Herr Wiegard, schließen Sie sich diesen Forderungen an! Kämpfen Sie für Einnahmesteigerungen für unser Land!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und SSW)

Mit unserem Antrag „Zukunft finanzieren - Steuereinnahmen steigern“ sprechen wir uns für Steuererhöhungen und gegen das unsoziale Sparpaket der Bundesregierung aus, denn dieses Sparpaket verschärft die Kluft zwischen Arm und Reich.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und SSW)

Dieses Sparpaket ist ein Angriff auf den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Breite Schultern müssen mehr tragen als schmale. Das können wir nicht oft genug betonen. Und wir brauchen eine Finanztransaktionssteuer, damit die Finanzjongleure, die dieses ganze Dilemma mit verursacht haben, die Milliarden vernichtet haben, nicht ungeschoren davonkommen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und SSW - Wolfgang Kubicki [FDP]: Sehr gut!)

Gerade gestern gab es eine Studie des DIW, wahrscheinlich nicht von der FDP bestellt,

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

die noch einmal deutlich dokumentiert hat, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinanderklafft, dass Reiche immer reicher und Arme immer ärmer werden.

Wenn also, wie Ministerpräsident Carstensen gestern betont hat, eine Bewährungsprobe von historischer Dimension vor uns liegt, dann ist es doch

(Vizepräsidentin Anita Klahn)

die Bewährungsprobe, die Spaltung der Gesellschaft zu überwinden und soziale Gerechtigkeit und Bildungsgerechtigkeit wiederherzustellen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und vereinzelt bei der LINKEN)

Wer die öffentlichen Kassen nachhaltig sanieren will, der kommt an einer Vermögensabgabe und an einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes nicht vorbei.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Vermögensbezogene Steuern erbringen in Deutschland nur ein Aufkommen von 0,9 % des Bruttoinlandsproduktes, im EU-Schnitt sind es 2,1 % und in den USA sogar 3,1 %. Das lädt doch geradezu zum Handeln ein. Einige der Betroffenen haben dies inzwischen auch erkannt, so der Hamburger Reeder und Millionär Krämer, der fordert, dass der Staat Reiche mehr in die Pflicht nehmen sollte, statt die Ärmsten noch stärker zu belasten.

Ich sage Ihnen: Packen wir es gemeinsam an, kämpfen wir gemeinsam für ein gerechtes Steuersystem. Ich sage Ihnen auch ganz persönlich: Ich kann die Menschen in unserem Land, die im Rollstuhl sitzen, nicht von Sparmaßnahmen überzeugen,

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Brauchen Sie auch nicht!)

wenn es nicht, Herr Kubicki, gleichzeitig ein deutliches Signal gibt, dass Besserverdienende und Vermögende mit dabei sind, dass wir alle in einem Boot sitzen, alle rudern müssen und nicht nur die einen unter dem Sparpaket zu leiden haben und die anderen mit ihrer Megayacht ungeschoren davonkommen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und der LINKEN)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Ulrich Schippels von der Fraktion DIE LINKE das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ja, Frau Heinold, wir rudern alle im gleichen Boot, bloß leider in unterschiedliche Richtungen. Das ist das Problem. Das liegt daran, dass es einfach unterschiedliche Interessen in diesem Hause gibt.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Die einen vertreten die Interessen der sozial schwachen, der einkommensschwachen Bevölkerungsschichten, die anderen die der Besserverdienenden. Deswegen wird in eine unterschiedliche Richtung gerudert. Es kommt immer darauf an, wer stärker ist, dann wird sich das Schiff in die eine oder andere Richtung bewegen. Wir hoffen, dass sich das hier in diesem Haus einmal ändern wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte heute zu zwei Aspekten reden. Es gibt ja auch zwei verschiedene Anträge. Zur Grunderwerbsteuer. Die finden wir steuerpolitisch nicht ganz unproblematisch. Ich fürchte, Herr Kubicki wird uns zustimmen, da sie ja nichts anderes ist als eine Sonderumsatzsteuer ohne Vorsteuerabzugsmöglichkeit. Sie nimmt in keinster Weise Bezug auf die steuerliche Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen. Sie dient einzig und allein dem Zweck, die Einnahmen des Staates zu erhöhen.

Zugleich halten wir es auch für verfassungsrechtlich geboten, die Leistungsfähigkeit des Einzelnen zu berücksichtigen. Früher hatten wir eine Grunderwerbsteuer in Höhe von 7 % mit übrigens auch zahlreichen Ausnahmetatbeständen. Dann wurde entschieden, diese Ausnahmetatbestände entfallen zu lassen. Dafür wurde dann der Satz der Steuer auf 2 % reduziert. 1997 sind wir dann wieder auf 3,5 % gegangen. Sie wissen, man hat im Zuge der Föderalismusreform den Ländern das Recht eingeräumt, den Hebesatz für die Grunderwerbsteuer festzusetzen.

Das Steueraufkommen würde sich nach den Berechnungen des Landesrechnungshofs, wenn wir dann auf 4,5 % gehen, um mindesten 54 Millionen € erhöhen. Ich denke, dass wir diese Mehreinnahmen auch dringend benötigen. Die Grunderwerbsteuer ist eben die einzige Steuerstellschraube - trotz meiner Bedenken, die ich vorhin formuliert habe -, die schnell bewegt werden kann.

Es gibt zwei Szenarien in diesem Land. Das eine ist, wir haben eine wachsende Attraktivität des Landes. Es kommen Leute zu uns. Dann lässt sich eine höhere Grunderwerbsteuer gut mit dem Konzept eines wachsenden Landes vereinbaren. In diesem Szenario würde zwar die Eigentumsbildung erschwert werden, aber dies würde durch den Druck des Zuzuges auch kompensiert werden.

Bei Großunternehmen findet man übrigens schon jetzt bei der Erhöhung auf 3,5 % überwiegend Vermeidungsstrategien. Sie werden keine Asset Deals, sondern Share Deals machen. Bei 20 Millionen € für Gewerbeobjekte spielt die Grunderwerbsteuer

(Monika Heinold)

schon eine wesentliche Rolle. Dann wird die Immobilie eben nicht gekauft, sondern nur die Gesellschaftsanteile. Die damit verbundene Rechtsunsicherheit wird dann in Kauf genommen.

Das zweite Szenario im Lande wäre eine abnehmende Attraktivität des Landes. Das bedeutet nennenswerte Vorzüge durch Einsparungen des Landes. Die höhere Grunderwerbsteuer wird dann durch fallende Immobilienpreise wahrscheinlich mehr als kompensiert. Für Großunternehmen gilt das Gleiche wie das Szenario eins.

Lassen Sie mich einmal den damaligen Finanzsenators Hamburgs, Herrn Freytag, zitieren. Das Zitat ist ein bisschen länger, aber ich nehme nur ein Teil daraus, weil mir die Zeit wieder wegläuft. Er sagte: Wir sind insbesondere der Auffassung, wenn jemand sich ein Haus für 400.000 € oder ein Grundstück kauft und künftig 404.000 € dafür bezahlen muss, ist dies zumutbar und auch bezahlbar, dass insgesamt diese Steuer zwar nicht erfreulich, aber zumutbar und leistbar ist.

Ich führe das jetzt nicht weiter aus. Vor diesem Hintergrund sagt er letztlich: Deswegen machen wir das.

Hamburg hat tatsächlich die Grunderwerbsteuer auf 4,5 % angehoben. Wir sehen das letztlich auch so wie Herr Freytag.

Kurz noch einmal zu dem Antrag der Grünen beziehungsweise zu unserem Änderungsantrag. Wir freuen uns - muss ich dazu sagen - erst einmal, dass jetzt tatsächlich die Grünen unsere Position, die wir schon einige Jahre lang hatten, aufnehmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist wirklich ein Schritt in die richtige Richtung, gerade auch beim Spitzensteuersatz. Ich denke, es war die letzte rot-grüne Bundesregierung, die den Spitzensteuersatz gesenkt hat. Ich finde schön, dass es jetzt ein Umdenken gibt, ein Umdenken, welches uns allerdings nicht weit genug geht. Wir wollen auch den Höchststeuersatz - deswegen unser Änderungsantrag -, wir wollen ihn zwar nicht auf 56 % anheben, wie es einmal unter Helmut Kohl war, sondern auf 53 % senken, denn wir wollen uns dem Vorwurf entziehen, sozialistische Steuerpolitik wie Helmut Kohl zu betreiben.

(Lachen bei der CDU)

Natürlich sehen wir ein Problem darin, dass der Höchststeuersatz heute bereits bei 53.000 € Jahreseinkommen beginnt. Dann ist nämlich nach der Kappungsgrenze der Sozialversicherung der

Steuersatz bis zur sogenannten Reichensteuer stabil, und damit ist das Gesamtabgabengefüge stark degressiv.

In den letzten Monaten hat es eine deutliche Änderung der öffentlichen Meinung in Deutschland gegeben, nachdem sich die Vermögen in Deutschland wieder auf den Stand von vor der Lehman-Pleite erholt haben und deutlich wurde - auch von den Reichsten inzwischen -, dass es ein Fehler war, sein eigenes Vermögen zu mehren und dabei die Schulen, Hochschulen und Beschäftigten zu wenig zu finanzieren. Zugleich leidet auch die Mehrheit der Bevölkerung unter den Folgen der Krise. Die ausweglose Finanzsituation des Landes wird durch Sparen keinesfalls besser.

Vor diesem Hintergrund machen wir folgenden Vorschlag: Wir wollen analog zu dem Verfahren nach dem Zweiten Weltkrieg einen Lastenausgleich einführen, eine Abgabe der Vermögenden im Land. Diese Mittel sollen hälftig verwendet werden, um einen Altlasten-Tilgungsfonds für die aufgelaufenen Schulden des Bundes und der Länder zu speisen und zusätzlich noch einen Bildungsfonds für die Schulen und Hochschulen zu finanzieren.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

- Danke schön.

Wir würden uns freuen, wenn unsere Idee - ich höre schon, das ist so - in diesem Parlament auf Zustimmung stößt.

(Beifall bei der LINKEN und des Abgeord- neten Lars Harms [SSW])

Für die Fraktion der CDU erteile ich Herrn Abgeordneten Peter Sönnichsen das Wort.