Protocol of the Session on June 16, 2010

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Unglaublich!)

Der Vergleich mit anderen Ländern, das Benchmarking, ist oft irreführend und wird dann bewusst unterlassen, wie beim Thema Hochschulen, wenn man sieht, wie schlecht das aussieht, was Sie da alles vorschlagen.

Die Liste enthält mehr Fragen als Antworten, was die Zukunft des Landes betrifft. Vorschläge müssen sich auch rechnen. Sie sollten, wenn es geht, keine Mehrkosten verursachen, wie offenkundig bei der JVA Flensburg, und sie sollten nicht erst am SanktNimmerleins-Tag wirken.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Denn Sie werden nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag regieren, sondern, wenn Sie so weitermachen, nicht mehr lange. Das ist der Punkt.

(Beifall bei der SPD - Christopher Vogt [FDP]: Wir freuen uns auf Sie!)

Ich verstehe, dass Sie nervös sind, aber Sie müssen das schon aushalten. Sie werden noch mehr aushalten müssen. Daran werden Sie sich gewöhnen müssen.

Drittens. Ihr Kürzungsprogramm löst kein einziges Zukunftsproblem Schleswig-Holsteins.

(Zuruf der Abgeordneten Antje Jansen [DIE LINKE])

Sie wissen nicht, wie man Probleme löst, stattdessen verursachen Sie selbst ständig neue Probleme. Das ist der Kern.

Diese traurige Feststellung wird in der Schulpolitik am deutlichsten, für die Sie, Herr Ministerpräsident, doch produktive Ruhe an den Schulen versprochen hatten. Ihre Schulpolitik stürzt Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen, Lehrer und Eltern sowie kommunale Schulträger binnen weniger Monate in ein bildungspolitisches Chaos ungeahnten Ausmaßes.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Hatten im letzten Landtag 65 von 69 Abgeordneten dem Kompromiss im Schulgesetz zugestimmt, so lassen Sie sich von der kurzfristig aufgeblähten FDP wieder in die Vergangenheit führen. Das ist die Wahrheit, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Warum entwickeln Sie nicht mit Gymnasien und Gemeinschaftsschulen eine sinnvolle und von der Bevölkerung akzeptierte Schullandschaft weiter, die deutlich effektiver strukturiert und verwaltet werden könnte? - Lieber Herr Kollege Kalinka, die CDA schreibt dazu am 12. Mai dieses Jahres, was ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitiere:

„Ausgerechnet das landespolitisch relevante Bildungsressort habe man der FDP überlassen und in der Folge die bildungspolitische Kompetenz unter anderem durch die Duldung der G8/G9-Experimente selbst in wohlgesonnenen Fachkreisen nachhaltig ramponiert.“

So der Herr Kollege Kalinka und seine Parteifreunde. Selbst Ihr Philologenverband ist auf der Zinne, Herr Dr. Klug. Ihre schulpolitischen Sonder- und Irrwege kosten die Betroffenen Zeit und Kraft und das Land und die Kommunen viel Zeit und Geld.

(Beifall des Abgeordneten Detlef Matthies- sen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es ist übrigens ein Kennzeichen, dass von Ihnen herausgegebene Erlasse nur für einen Tag gelten, nämlich den 1. April. Das ist typisch für die Politik, die Sie hier machen.

(Beifall bei SPD, der LINKEN und verein- zelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Warum wollen Sie verhindern, dass auf Gymnasien in acht und in Gemeinschaftsschulen in neun Jahren das Abitur möglich ist? - Nur beim Verzicht auf Ihre Y-Sackgasse ließen sich überhaupt jene 3.200 Stellen einsparen, die die SPD am Ende der Großen Koalition mit Blick auf zurückgehende Schülerzahlen mitgetragen hat. Hieran sehen Sie übrigens, dass die SPD auch zu schwierigen Kompromissen steht. Was machen Sie? - Sie haben sich mit dem, was Sie heute zur demografischen Rendite gesagt haben, selbst von diesem Punkt verabschiedet, Herr Ministerpräsident. Man muss es im Kalender schon rot anstreichen, wenn Sie sich einmal an das halten,

(Dr. Ralf Stegner)

was Sie im Zusammenhang mit einem Vertrag oder mit einer Vereinbarung sagen, die man mit Ihnen trifft.

(Klaus Schlie [CDU]: Wann kommen Sie zur Sache?)

Statt dafür zu sorgen, dass wir bei unserer ersten Priorität Kinderbetreuung und Bildung mehr tun können, handeln Sie fahrlässig gegen den Willen der Betroffenen und gegen den Rat aller Fachleute. Sie verursachen mehr Kosten, die den Druck an anderer Stelle im Haushalt sogar noch verstärken. Herr Dr. Klug, kehren Sie um! Denken Sie an Karl Otto Meyer, der einst im Landtag zu Ihnen gesagt hat:

„Klug heißen, Doktor sein und dann hier so einen Unsinn machen, das passt doch nicht zusammen.“

Das war der Kollege Karl Otto Meyer.

(Beifall bei der LINKEN und SSW)

Das galt dem Abgeordneten Dr. Klug. Wie viel mehr müsste das für den Minister Dr. Klug gelten. Schade, dass Sie dies bei dem, was Sie tun, überhaupt nicht beherzigen.

(Christopher Vogt [FDP]: Kann nicht jeder in Harvard studieren!)

- Ein bisschen Neid darf sein.

Herr Carstensen, ein anderes Beispiel für selbst geschaffene Probleme ist Ihr Ja im Bundsrat zum sogenannten Wachstumsbeschleunigungsgesetz im Dezember 2009: Strukturell und jährlich wiederkehrend 130 Millionen € weniger für Land und Kommunen in Schleswig-Holstein, nur um Hoteliers zu entlasten und reichen Erben zu helfen. Das sind genau die Mittel, die man bräuchte, um zum Beispiel den Investitionskostenanteil des Landes für den Masterplan des Universitätsklinikums zu finanzieren

(Zurufe von der FDP)

oder kostenfreie Kita-Jahre, wie vor der Wahl versprochen, beizubehalten und auszubauen. Das ist mehr als die Hälfte Ihres so vollmundig verkündeten Kraftakts. Dafür tragen Sie allein die Verantwortung, sonst niemand, und das werden wir Ihnen so lange sagen, bis Sie es entweder rückgängig gemacht haben oder bis es Ihnen zu den Ohren herauskommt, Herr Ministerpräsident.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Wochenlang ließen Sie sich für Ihre angebliche Standhaftigkeit gegen den Bund feiern. Ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, den Kollegen Kubicki aus seiner Pressemitteilung vom 16. Dezember 2009:

„Ich kann eindeutig sagen, Schleswig-Holstein wird im Bund ernst genommen, Schleswig-Holstein hat gekämpft, Schleswig-Holstein hat dem Bund erhebliche Zugeständnisse abgerungen.“

Nichts davon ist eingetroffen. Ich sage Ihnen eines: Wir werden gewiss nicht den Fehler machen, diese Geschenke für Hoteliers und reiche Erben wie den Jäger 90 als Lösung für alle Probleme zu betrachten.

(Christopher Vogt [FDP]: Für arme Erben!)

Das gewiss nicht, aber es zeigt sich besonders deutlich, dass die Reisegefährten Carstensen und Kubicki die Interessen des Landes überhaupt nicht vertreten haben, dass es angebliche Zusagen entweder gar nicht gegeben hat oder dass sie jetzt nicht eingehalten werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich erinnere nur an den vollständig gescheiterten Bildungsgipfel der letzten Woche. Es ist doch entlarvend, wenn Herr Minister de Jager im Bildungsausschuss auf die Frage, warum Schleswig-Holstein als erstes Bundesland das 10-%-Ziel bei der Bildung infrage gestellt habe, antwortet, SchleswigHolstein könne sich das leider nicht mehr leisten. Dies sagt er, nachdem sein eigener Regierungschef wenige Monate zuvor gesagt hatte, die Bedingungen seien durch den großartigen Verhandlungserfolg bei der Bundeskanzlerin deutlich günstiger geworden. Das ist die Politik der gespaltenen Zunge. Das werden wir deutlich machen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Ich glaube, es ist auch die virtuelle Realität, von der Herr Kubicki in seinem „Zeit“-Interview gesprochen hat. Lieber Herr Landtagspräsident, ich darf noch einmal zitieren. Ich liebe es, Sie zu zitieren:

„Wenn ich abends spät nach Hause komme, kann ich mich am besten entspannen, wenn ich mir im Fernsehen alte Kriegsfilme anschaue. Ich habe da eine richtige Sammlung, lauter Filme, die sich andere schon aus politischer Korrektheit nicht zulegen würden. Wir waren Helden und so weiter.“

(Dr. Ralf Stegner)

Nein, Sie sind wahrlich keine Helden. Herr Carstensen, was Sie in Berlin bewirken, wissen wir. Offensichtlich hält die Frau Bundeskanzlerin aber auch den großen Vorsitzenden der FDP-Landtagsfraktion in Kiel für einen Leichtmatrosen. Das ist die Wahrheit, die man Ihnen vorhalten muss.

(Beifall bei der SPD)

Viertens. Ihr Kürzungsprogramm hat keinen inhaltlichen Kompass. Sie wissen nicht, welche Richtung Sie wählen sollen, also entscheiden Sie sich für einen permanenten Zickzackkurs und erklären jede neue Kehrtwendung als alternativlos. Herr Ministerpräsident, wie ein roter Faden zieht sich durch Ihre Vorschläge eine Kette aus Wortbrüchen und Wahlbetrug. Herr Ministerpräsident, Sie erinnern sich sicher noch genau an die schönen Plakate der Landespolizei, der Sie genau das Gegenteil dessen beschert haben, was Sie vorher versprochen hatten. Dann sagen Sie: „Ich konnte mein Wort leider nicht halten.“

Das sagten Sie damals. Was sagen Sie nun? - Sie können auch beim Sparkassengesetz Ihr Wort leider nicht halten, denn auch hier hatten Sie versprochen, dass es dann, wenn die Gefahren einer Privatisierung durch die Hintertür nicht ausgeräumt werden können, ein solches Gesetz nicht geben werde. Was machen Sie? - Sie wollen ein solches Gesetz am Freitag mit Ihrer Einstimmenmehrheit hier im Landtag beschließen.

Herr Carstensen, Sie können auch beim beitragsfreien dritten Kindergartenjahr Ihr Versprechen vor der Wahl nach der Wahl leider nicht halten; angeblich wegen der Schuldenbremse, obwohl die schon damals im Grundgesetz stand. Das haben Sie wahrscheinlich nicht mitbekommen, aber die war schon vor dem Wahlkampf im Grundgesetz. Immerhin dürfen die Eltern die Erhöhung der bisher aus Finanznot gedeckelten Kita-Förderung von 60 Millionen € jetzt selbst finanzieren. Zwei Drittel davon kassiert der Finanzminister. - So sieht das aus, wenn Sie Ihr Wort geben, Herr Ministerpräsident. Die Eltern wissen genau, was sie davon zu halten haben.