Protocol of the Session on May 21, 2010

Dass wir in vielen Bereichen zu Schwerpunktsetzungen gezwungen sein werden, ist vor dem nun

mehr viel zitierten Hintergrund der Haushaltslage wohl offensichtlich. Dennoch halte ich es im Allgemeinen nicht für sonderlich zielführend, wenn wir im Rahmen der gesamten Haushaltsberatungen Einzelpunkte herausgreifen, die gänzlich der Diskussion entzogen sind. Wenn wir nicht alle Variablen in unsere Gesamtkalkulation einbeziehen, können wir nicht - wenn Entscheidungen anstehen - guten Gewissens behaupten, wir hätten alle Positiva und Negativa gegenübergestellt. Das wäre verantwortungslos. So kann heute nicht gesagt werden, wie die Antworten und Lösungsansätze aussehen werden.

Abschließend möchte ich noch hinzufügen: Wir alle im Hohen Haus wissen um die Verdienste einzelner Fakultäten und deren herausragende Stellung innerhalb der Hochschulen Schleswig-Holsteins. Und wenn es in der nächsten Zukunft Entscheidungen zu treffen gilt, so geschieht dies nicht etwa auf der Grundlage der Unzufriedenheit mit der dortigen Arbeit, sondern auf der Grundlage, dass der Erhalt einer breit und finanziell solide aufgestellten Hochschullandschaft in Schleswig-Holstein gewährleistet sein muss.

(Beifall bei FDP und CDU)

Für die Fraktion DIE LINKE erteile ich Herrn Abgeordneten Björn Thoroe das Wort.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Wir können doch die Anträge an die Haushaltsstrukturkommis- sion überweisen!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Wer jetzt für die Kürzung des Bildungssystems plädiert, versündigt sich an der Zukunft“, sagte Bundesbildungsministerin Schavan auf dem gerade zu Ende gegangenen ökumenischen Kirchentag.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie sagte das als Kommentar zur Kürzungsorgie der hessischen Landesregierung im Bildungsbereich. Der dortige Ministerpräsident Koch hat den Universitäten seines Landes gerade 30 Millionen € jährlich an Einsparungen abgepresst.

Auch eine weitere Aussage von Frau Schavan scheint mir hier erwähnenswert zu sein. Sie zeigte sich verwundert darüber, dass die Diskussion über zukünftige Haushalte über Interviews geführt werde. Roland Koch hatte die Spardebatte in der Bildung nicht etwa im Hessischen Landtag oder im

(Martin Habersaat)

Bundesrat angefangen, sondern er ist an die Presse gegangen. Damit wären wir dann auch schon wieder hier in Schleswig-Holstein.

Am 19. Mai 2010 wird der Wissenschaftsminister im „Flensburger Tageblatt“ mit der Aussage zitiert: „Entscheidungen werden in der kommenden Woche getroffen.“ - Welch eine Ohrfeige das für alle ist, die sich seit Jahren für den Universitätsstandort Flensburg einsetzen, scheint er nicht einmal zu merken.

(Beifall bei der LINKEN und SSW sowie vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Begutachtung der Uni durch die wissenschaftliche Kommission in Niedersachsen ist keineswegs eine beliebige Einzelaktion. Sie ist Teil eines Prozesses, in den sich die Uni Flensburg - ganz nebenbei bemerkt zusammen mit der Landesregierung begeben hat. Während auf der einen Seite in den Hochschulstandort Kiel über sogenannte Exzellenzinitiativen, über deren Sinnhaftigkeit man trefflich streiten kann, Millionen gepumpt werden, soll auf der anderen Seite die selbstverschuldete Haushaltsnotlage nun die Ausrede dafür sein, den Hochschulen in Flensburg das Wasser abzugraben.

(Beifall bei der LINKEN - Christopher Vogt [FDP]: Billige Ausrede!)

Dabei irrt sich die Regierung hier ganz entschieden. Die gute Bildungslandschaft gehört zu den wenigen Stärken des Landes. Es ist nicht nur attraktiv, am Meer zu studieren, sondern die Hochschulen bilden das Rückgrat der vielen Weiterbildungsmöglichkeiten im Land und sichern, dass viele junge Leute gut ausgebildet werden.

(Beifall bei der LINKEN und des Abgeord- neten Lars Harms [SSW])

Diese gut ausgebildeten jungen Leute braucht nicht nur das Land, sondern die ganze Republik. Diese gut ausgebildeten jungen Leute sind nötig, um die Zukunft zu gewinnen. Sie werden nämlich sonst dafür verantwortlich sein, wenn unsere Kinder hier in Schleswig-Holstein in 20 Jahren T-Shirts für China nähen.

(Beifall bei der LINKEN)

Flensburg wird wohl nicht der letzte Hochschulstandort sein, der wegen der Schuldenbremse, auf die Sie hier alle zusammen so stolz sind, geschleift wird, so wie wir das am Mittwoch vorhergesagt haben und Herr Günther das vorhin auch bestätigt hat.

Sie werden allerdings noch mehr Schulden produzieren. Es werden die Einnahmen fehlen, die die

Hochschulen erbringen. DIE LINKE setzt sich dafür ein, dass in Schleswig-Holstein eine breite Bildungslandschaft erhalten bleibt. Dabei ist der Hochschulstandort Flensburg ein wichtiger Baustein.

(Beifall bei der LINKEN, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort für einen Dreiminutenbeitrag hat Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk vom SSW.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Beitrag des Kollegen Günther hat mich doch noch einmal gereizt, hier nach vorn zu gehen. Auf den Beitrag will ich jetzt gleich eingehen. Aber noch eine Bemerkung vorweg. Die Haushaltsstrukturkommission ist ein interner Arbeitskreis der Regierungskoalition, nicht mehr und nicht weniger.

(Beifall beim SSW - Zuruf)

- Nein, ich sage das, weil viele Kollegen von den regierungstragenden Fraktionen das vergessen haben. Ich bedauere Sie auch nicht. Nächsten Dienstag werden Sie eingenordet werden. Da bedauere ich Sie wirklich nicht. Da werden Sie spüren, welche Funktion die Haushaltsstrukturkommission in Wirklichkeit gespielt hat. Aber das war nur eine Bemerkung vorweg.

Zu dem Antrag des SSW: Stärkung des Hochschulstandorts Flensburg! Dazu haben wir vier Punkte aufgeführt. Punkt 4: Keine Strukturentscheidung zu Fällen, die zulasten des nördlichen Landesteils oder der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit oder gegen die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Schleswig- Holstein und der Region Süddänemark gehen.

Natürlich können die Strukturentscheidungen zu Einsparmöglichkeiten führen. Aber das, denke ich, wird auf den Standort Flensburg bezogen überhaupt nicht zum Tragen kommen. Man wird nichts einsparen können, wenn man einfach die Universität amputiert.

(Beifall beim SSW)

Darum glaube ich - ich stelle es einfach in den Raum -, dass das, was man im Kopf hat, einfach den Sinn hat, Strukturentscheidungen zu treffen, die leichter steuerbar sind. Am leichtesten steuerbar ist die Etablierung einer Landesuniversität und einer Landesfachhochschule. Das kann man richtig

(Björn Thoroe)

schön aus dem Ministerium heraus steuern. Das ist schön zu handlen. Aber das genau, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist nicht etwas, was die Hochschullandschaft in Schleswig-Holstein und die Wissenschaft in Schleswig-Holstein insgesamt voranbringt. Darum sage ich: Wir brauchen eine Strukturentscheidung, die auch für den nördlichen Landesteil zu mehr Wissenschaft und zu mehr Wachstum führt.

Da bin ich bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Es ist kein Zufall, lieber Kollege Günther, dass die süddänische Region ein Konzept entwickelt hat, woraus hervorgeht, dass man jetzt alles danach ausrichten will, dass man von der Grenzregion zur Wachstumsregion kommt. Man will eine Wissensregion haben. Dazu gehört die Zusammenarbeit mit dem Hochschulstandort Flensburg. Das heißt, wir werden jedes Mal, wenn die Landesregierung Strukturentscheidungen fällt, diese auch daraufhin ausrichten und prüfen lassen. Denn bis jetzt sehe ich noch kein Konzept der Landesregierung, das eigentlich zu einer Weiterentwicklung des nördlichen Landesteils führt.

Frau Kollegin Spoorendonk, Ihre Redezeit ist beendet.

Ich bin auch am Ende meiner Rede. - Ich möchte nur noch einmal sagen: Genau das ist die Stoßrichtung unseres Antrages, und daran werden wir auch die Landesregierung messen.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einem weiteren Wortbeitrag von drei Minuten, Herr Abgeordneter Dr. Robert Habeck.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Kollege Günther, bei aller persönlichen Wertschätzung und auch einer gewissen Fachkompetenz, die ich Ihnen nicht absprechen möchte, finde ich es fast beschämend, dass Sie Beschlüsse verteidigen, von denen Sie selbst sagen, Sie kennen sie noch gar nicht. Wir machen hier doch eine Farce der parlamentarischen Demokratie durch.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Funke stellt sich hin und sagt: Am besten reden wir gar nicht darüber; wird schon alles gut werden. Sie machen sich hier zu Statisten im bürgerlichen Trauerspiel! Ich würde mich schämen an Ihrer Stelle.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Herr Carstensen, für Sie gilt das Gleiche, was ich zu Herrn Günther gesagt habe. Wir diskutieren hier die Zukunftsfragen des Landes, die Schuldenbremse und Bildung, und Sie äußern sich nicht. Sie stellen sich nicht der Debatte. Ich finde, das ist einfach zu wenig für die Debatten, die wir hier führen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun kann man ja sagen: Oh ja, ist so. Irgendwie fünf, sechs Männer und eine Frau, Frau Loedige, sind mächtig und schließen sich zusammen, und wir müssen eben abwarten. Aber sehen Sie nicht, was das für eine perfide Strategie ist, die das Land in Flammen setzt? Die Sprachlosigkeit des Parlaments und der Regierung führt in dieser Debatte dazu, dass Sie alle gegeneinander ausspielen: Standorte gegen Standorte, FHs gegen Universitäten. Sie bestellen Kommissionen ein, die Sie danach düpieren. Keiner weiß mehr, wo es langgeht. Und das führt dazu, dass dieses Parlament letztlich keine Entscheidung mehr hat, weil Sie alle Leute gegeneinander aufgehetzt haben und das Land so unregierbar ist, dass die Haushaltsstrukturkommission ihre Sachen durchziehen kann. Dagegen müssen wir uns doch gemeinsam wehren. Es kann doch nicht sein, dass Sie sich als Abgeordnete dem so beugen und dem so unterwerfen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Was wir erleben, ist das Suchen von Abwrackprämien für Bildung, was wir brauchen, ist eine Wachstumsstrategie. Ist Ihnen eigentlich bekannt, dass die Bundesregierung kürzlich einen Bericht herausgegeben hat, wo nachgerechnet wurde, dass jeder Euro in Bildung eine Rendite von 10 % abwirft? Mehr kann man auch mit griechischen Staatsanleihen nicht spekulativ erwerben. Und das bleibt alles hier im Land. Ist Ihnen dieser Bericht bekannt? Wir haben 10.000 Abiturienten, die wir nicht an unseren eigenen Hochschulen unterbringen können, und Sie schaffen eine Uni ab. Wir haben nicht eine Universität zu viel, wir haben eine Universität zu wenig. Sie stellen die falschen Fragen,

(Anke Spoorendonk)

und deswegen geben Sie auch die falschen Antworten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und der LINKEN)