Protocol of the Session on May 21, 2010

der Bundeskanzlerin jetzt nur offene Türen einlaufen, wenn sie beim nächsten Bildungsgipfel alle diese Forderungen ins Gespräch bringt.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die Fraktion des SSW erteile ich Frau Abgeordneter Anke Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir in Schleswig-Holstein gebannt auf den 26. Mai schauen, weil an dem Tag bekanntlich die Empfehlungen der sogenannten Haushaltsstrukturkommission verkündet werden sollen, ist nach der nordrhein-westfälischen Steuerschätzung nun auch auf Bundesebene das Sparen angesagt. Zu befürchten ist, dass wir eine weiteres Spiel von „Rechte Tasche, linke Tasche“ bekommen, dass die Bürger dadurch doppelt und dreifach belastet werden.

Zur Einstimmung auf kommende schwierige Zeiten werden vorsorglich schon einmal Drohkulissen aufgebaut. Dabei wird völlig verkannt, dass die Folgen solcher Szenarien nicht die Motivation für politisches Handeln sind. Zum einen blockieren solche Negativszenarien die politischen Möglichkeiten zu handeln. Zum anderen führen sie zu Politikverdrossenheit und zu Pessimismus. Politik handelt aber davon, Wege zu finden. Dreh- und Angelpunkt ist daher, dass politische Prioritäten gesetzt werden müssen, allen voran die prioritären Punkte der Bildung.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Das vor zwei Jahren auf dem ersten Bildungsgipfel beschlossene Ziel, zukünftig 10 % des Bruttonationalprodukts für Bildung auszugeben, ist daher symptomatisch für den Stellenwert von Bildung in unserer Gesellschaft. Es wird viel geredet und wenig getan und schon gar nichts investiert.

Beim ersten Bildungsgipfel wurde beschlossen, die Bildungsausgaben auf 10 % des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen. Vor einem Jahr folgte die Empfehlung, dass dafür 13 Milliarden € mehr investiert werden müssen. In diesem Jahr, am 10. Juni, wollen sich Bund und Länder überlegen, woher denn dieses Geld kommen soll. Es sind drei Jahre vergangen, in denen noch nichts passiert ist.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Robert Ha- beck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

(Ellen Streitbörger)

Mittlerweile hat der Bund zwar zugesagt, von den 13 Milliarden € 40 %, also 5,2 Milliarden €, zu übernehmen. Leider gibt es dabei das Problem, dass vor vier Jahren alles getan wurde, um zu verhindern, dass sich der Bund in die Bildungspolitik der Länder einmischen kann. Denn neben der Verankerung der Bildungshoheit der Länder im Grundgesetz hat man im Ergebnis der Föderalismuskommission I in Artikel 104 b des Grundgesetzes auch noch das Kooperationsverbot aufgenommen, Stichwort Entflechtung von Aufgaben. Die Situation der Länder hat sich aber seitdem verändert. Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz lässt grüßen.

Wo die Länder früher eine Einmischung des Bundes verhindern wollten, ist man jetzt für eine Einmischung dankbar. Längst hat sich gezeigt, dass einige Landesregierungen - allen voran die schwarzgelben in Hessen und auch in Schleswig-Holstein nicht bereit sind, Bildung die Priorität zu geben, die notwendig ist, um die Entwicklung dieser Republik zu sichern.

Aus Sicht des SSW ist das Kooperationsverbot ein Entwicklungshindernis für die Bildungslandschaft unserer Republik als Ganzes.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Eine Bildungspolitik je nach Kassenlage der Länder wird nämlich über kurz oder lang zum Wettbewerbsföderalismus führen, der insbesondere den ärmeren Bundesländern schadet. Daher kann ich für den SSW nur sagen, dass es höchste Zeit ist, dass der Bund seine Ausgleichsfunktion wahrnimmt. Der Bund muss die Länder darin unterstützen, zu annähernd gleichen Lebensverhältnissen zu kommen. Das ist sein Auftrag laut Grundgesetz, und davon entbindet ihn auch keine Föderalismuskommission und keine Föderalismusreform. Bildungsausgaben sind eine Zukunftsinvestition und damit eine gesamtgesellschaftliche und gesamtstaatliche Verpflichtung. Sowohl der Bund als auch die Länder müssen diese Verpflichtung wahrnehmen.

Aber selbst wenn das Kooperationsverbot zurückgenommen werden sollte, steht in den Sternen, was mit dem 10-%-Ziel des Bildungsgipfels geschieht. Der Bund zahlt nämlich nur, wenn auch die Länder zahlen. Die Landesregierung hat dazu gesagt - ich zitiere aus dem vorliegenden Bericht -:

,,Ob Schleswig-Holstein … angesichts der verfassungsmäßig verankerten Schuldenbremse und der gegenwärtigen Steuermindereinnahmen, die das Land zwingen, seine Ausgaben drastisch zu verringern, seinen An

teil an der Deckung der ‚Gipfelsumme’ von 13 Milliarden € Euro erbringen kann, ist fraglich.“

Ich hätte Lust, liebe Kolleginnen und Kollegen, diesen Satz noch einmal zu zitieren. Den muss man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen. Das alles ist nämlich mehr als dürftig.

(Beifall bei SSW, der LINKEN und des Ab- geordneten Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Datum für den kommenden Bildungsgipfel ist nicht erst gestern oder vorgestern beschlossen worden. Die Landesregierung hat damit eine Chance in den Sand gesetzt, mit Unterstützung des Landtages mit eigenen Konzepten zu diesem Bildungsgipfel zu reisen. Das ist ein Armutszeugnis.

(Beifall bei SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Dieses Zitat macht aber auch deutlich, dass wir uns gerade im Kreis drehen. Der Bund will Geld für die Bildung geben, darf nicht. Die Länder wollen gern Geld für die Bildung nehmen und können nicht. Damit sind wir - Schuldenbremse hin oder her wieder bei dem Thema der politischen Prioritätensetzung. Aus Sicht des SSW muss Bildung oberste Priorität haben. Anders formuliert: Sparen ist eben kein Ersatz für Politik. Sparen ohne Prioritätensetzung schon gar nicht. Um dem Ministerpräsidenten Sachsens, Herrn Tillich, auf seine Äußerung, dass mehr Geld nicht automatisch klüger macht, zu antworten: Weniger Geld macht auch nicht klüger.

(Beifall bei SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag erteile ich der Frau Abgeordneten Anke Erdmann von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir alle wissen jetzt, warum wir so einen dürftigen Bericht von Ihnen bekommen haben, Herr de Jager. Sie haben es auch im Ausschuss schon deutlich gemacht: Sie haben sich eigentlich schon längst von diesem 10-%-Ziel verabschiedet. Sie wussten ja noch nicht einmal, ob der Ministerpräsident dem 10-%-Ziel überhaupt zugestimmt hat. Sie haben im Ausschuss im Juni gesagt: Ich weiß gar nicht, ob wir dem 10-%-Ziel zustimmen wollen.

(Anke Spoorendonk)

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Seit Dezember 2008 ist es aber die Pflicht der Landesregierung, hier eine Operationalisierung hinzubekommen. Ich frage mich, ob im Kabinett nicht miteinander geredet wird.

Was Sie hier geboten haben, war eine Vorstellung: Der Minister als Aal. Sie haben nicht die Chuzpe gehabt, sich hier hinzustellen und ganz klar zu sagen: „Nein, vom 10-%-Ziel haben wir uns längst verabschiedet“, auch wenn jede Ihrer Gesten das deutlich gemacht hat.

Sie halten den Ministerpräsidenten für einen Traumtänzer, der trotz Schuldenbremse auf Bundesebene einem Ziel zugestimmt und diese Zustimmung im Dezember erneuert hat, das Sie nicht mehr für realistisch halten. Das ist schon ein starkes Stück.

Frau Franzen - da ist sie -, Sie fragen genau wie Herr de Jager immer, wo die Grünen das Geld hernehmen wollen. Ich wiederhole das gern. Wir haben immer zwei Vorschläge gemacht. Wir haben immer gesagt, das beitragsfreie Kita-Jahr finanzieren wir nicht einfach so aus der Portokasse, sondern wir haben immer gesagt: Wir erhöhen dafür die Grunderwerbsteuer. 45 Millionen € pro Jahr. Das ist der erste Punkt.

Wir haben schon lange gesagt: Für eine vernünftige Finanzierung auf Bundesebene nehmen wir den Bildungs-Soli. Das sind ungefähr 10 Milliarden €. Das ist nicht einmal eine Steuererhöhung. Das ist eine Umschichtung.

Jetzt einmal an die Kabinettsriege gerichtet ein Vorschlag, der von der Uni Flensburg - Wirtschaftswissenschaften - kommt. Den sollte man sich einmal genauer anschauen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Carstensen, Sie haben im Dezember hier gestanden und gesagt, mit welchen Ergebnissen Sie aus Berlin zurückgekommen sind. Wir haben Sie dafür gelobt, weil wir gesagt haben: Wenn das wirklich bedeutet, 13 Milliarden € mehr für Bildung und Forschung, dann ist das mehr, als RotGrün hinbekommen hat. Dafür haben wir Sie verhalten gelobt. Jetzt stellen Sie sich auf Bundesebene an die Spitze derer, die im Bereich Bildung den Kahlschlag machen wollen. Wir erwarten von Ihnen, Herr Ministerpräsident, eigentlich, dass Sie in Berlin an der Spitze derjenigen stehen, die sich für das 10-%-Ziel starkmachen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich wünsche mir, dass Sie hier und heute erklären: Wo sind die 100 Millionen €? Wie soll diese Kompensation eingefordert werden? Bitte erklären Sie uns heute, wo dieses Geld geblieben ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten Ellen Streitbörger [DIE LINKE])

Weil sich Herr de Jager so auf diese Debatte gefreut hat, sage ich: Herr de Jager, wir wollen nicht ja irgendwie einmal darüber reden, ob Sie an dem 10-%-Ziel festhalten. Nach eineinhalb Jahren muss man als Landesregierung dazu eine Position haben finde ich jedenfalls.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich dem Herrn Abgeordneten Dr. Ralf Stegner das Wort.

(Peter Lehnert [CDU]: Jetzt kommen wieder die Erben und die Hoteliers! - Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Jetzt kommen wieder die Erben! - Heike Franzen [CDU]: Bildung, Betreuung und Klimaschutz!)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bewundere die Nachsicht und Freundlichkeit, mit der der Kollege Weber mit dem Wissenschaftsminister umgegangen ist. Ich muss sagen, das ist bemerkenswert.

(Heike Franzen [CDU]: Das ging ja gar nicht!)

Sie haben hier ja sehr freundlich vorgetragen. Ihr Bericht ist mit nur einem Satz zusammenzufassen: Die Landesregierung hat keine Vorschläge.

Peinlich ist nicht nur, dass die Landesregierung keine Vorschläge hat, sondern dass das von den Regierungsfraktionen auch noch beklatscht wird und dass Sie in der Parlamentstagung, in der man darüber reden sollte, Reden vorlesen lassen, in denen wir - die Kollegin Franzen hat das getan - allen Ernstes gefragt werden, wie wir das finanzieren wollen, was Sie, Frau Franzen, selbst hier mitbeschlossen haben.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

(Anke Erdmann)

Frau Kollegin Franzen, Sie haben dafür die Hand gehoben. Dann fragen Sie: Wie wollen Sie das finanzieren? Das ist doch wirklich ein abenteuerliches Parlamentsverständnis. Dass Sie so tief gesunken sind, dass Sie Nichts beklatschen und dann sagen, die Opposition solle bitte erzählen, wie das finanziert werden soll, was Sie selbst beschlossen haben, ist schon bemerkenswert.

Ich habe mich aber auch aus einem anderen Grund gemeldet. Ich habe nämlich heute mit Faszination das Interview in der „Welt“ gelesen, in dem ein schöner Satz drinsteht. Auf die Frage: „Also empfehlen Sie der Kanzlerin?“, sagt der amtierende Ministerpräsident dieses Landes: