Die Aufnahme der Minderheit in die Landesverfassung ist ein Symbol, ist ein Zeichen gegen Rassismus und Ausgrenzung, für Solidarität und Menschenliebe. Es wäre, wie ich finde, auch die richtige Antwort an die Unbelehrbaren, die am nächsten Wochenende, also am 27. März, durch Lübeck marschieren wollen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hätte Lust, mein Manuskript zur Seite zu legen und einfach auf das einzugehen, was jetzt gesagt worden ist. Ich werde aber vorerst bei meinem Manuskript bleiben. Ich möchte gern einen anderen Blickwinkel in die Debatte einbringen.
Ich halte es nämlich für wichtig, an Folgendes zu erinnern: Als der Schleswig-Holsteinische Landtag im März 2006 in erster Lesung eine Änderung der Landesverfassung debattierte, trat die damalige Opposition - sie bestand aus FDP, Grünen und SSW dafür ein, dass auch die Minderheit der Sinti und Roma in unsere Landesverfassung aufgenommen wird.
Bei der Gelegenheit hob der Kollege Kubicki in seinem Redebeitrag hervor - bezogen auf den Änderungsvorschlag der Großen Koalition -, dass im Ausschuss intensiv zu diskutieren sei - ich zitiere aus dem Protokoll -:
,,… warum bei den nationalen und autochthonen Minderheiten ausgerechnet gegenüber unserem Vorschlag Sinti und Roma wieder herausfallen, warum wir nach wie vor die Förderung der dänischen Minderheit und der friesischen Volksgruppe in die Verfassung aufnehmen.“
,,Mich interessiert insbesondere die Veränderung der Haltung der Sozialdemokraten in dieser Frage. Man kann ja nicht einfach die Begründung vortragen, man sei nun in einer Großen Koalition und habe deshalb einen
Für die SPD antwortete der damalige Kollege Klaus-Peter Puls, indem er hervorhob, dass die SPD weiterhin für die systematische Einbeziehung der Sinti und Roma in den Schutz nationaler Minderheiten und Volksgruppen sei. Er fügte hinzu, das sei in dieser Legislaturperiode aber leider nicht durchsetzbar - ich zitiere -, ,,weil dies im Koalitionsvertrag von der CDU ausgeschlossen ist“.
Nun kann man sagen, dass diese Auseinandersetzung einfach auf den Punkt bringt, wie Koalitionen funktionieren, und dass das politische Spiel zwischen regierungstragenden Fraktionen und Oppositionsparteien einfach so läuft.
mit ihm diskutiert und im Sinne dessen, wofür die FDP 2006 eintrat, davon überzeugt, dass die Zeit reif dafür ist, dass die in Schleswig-Holstein heimische nationale Minderheit der deutschen Sinti und Roma wie die dänische Minderheit und die friesische Volksgruppe Anspruch auf Schutz und Förderung nach Artikel 5 unserer Landesverfassung hat.
Geben Sie sich einen Ruck, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, und denken Sie daran, dass es bei dieser Sache nicht um Gesichtswahrung oder um Gesichtsverlust geht, sondern um Menschen, die sich zu Recht einer politischen Prinzipienreiterei ausgesetzt fühlen, die mit der Sache wirklich nur am Rande etwas zu tun hat!
Weder für die dänische Minderheit noch für die friesische Volksgruppe ist nachvollziehbar, hinnehmbar, warum in Schleswig-Holstein immer noch zwischen unseren Belangen und den Belangen der Sinti und Roma unterschieden wird. Wir arbeiten eng und freundschaftlich zusammen, weil die Minderheit der Sinti und Roma einfach dazugehört. Das ist auch auf Bundesebene mit dem Minderheitenrat der vier autochthonen Minderheiten die vierte autonome Minderheit, so sage ich einmal
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich verzichte bewusst darauf, auf weitere übergeordnete Zusammenhänge einzugehen. Ich will Ihnen jetzt keine Nachhilfestunde geben. Wer sich nicht auskennt, kann auch in früheren Debatten zu diesem Thema nachlesen, was eigentlich Sache ist. Ich stelle Ihnen gern meine früheren Reden zur Verfügung.
(Vereinzelter Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN - Chri- stopher Vogt [FDP]: O ja!)
Einen Aspekt möchte ich abschließend noch einbringen. Sinti und Roma stellen auf europäischer Ebene eine der größten nationalen Minderheiten dar, aber fast genauso groß ist zusammengelegt die Anzahl der Deutschen, die sich als nationale Minderheiten verstehen. Oder anders formuliert: Deutschland hat mit die größte Anzahl nationaler Minderheiten in Europa. Daraus ergibt sich meines Erachtens eine besondere Verantwortung in der Minderheitenpolitik. Es gehört zumindest zu den Merkmalen unserer Minderheitenregelung hier in Schleswig-Holstein, in der deutsch-dänischen Grenzregion, dass Minderheitenpolitik immer auch Ausdruck für Beteiligungsrechte auf Augenhöhe sein muss. Es geht eben nicht per se um Diskriminierung, es geht nicht per se um Benachteiligung, es geht um demokratische Rechte und Beteiligung, um Partizipation auf Augenhöhe.
Genau daran hapert es bei dem Umgang mit den Sinti und Roma. In allen europäischen Ländern gibt es immer noch Vorurteile gegen die Roma. Sie werden diskriminiert und verfolgt. Das Abkommen mit dem Kosovo ist vorhin schon angesprochen worden. Der Vorsitzende der Sinti und Roma in Schleswig-Holstein, Matthäus Weiss, weiß darüber ein Lied zu singen, weil er zu den wenigen gehört, die sich in dieser Frage sehr engagieren.
Daher sage ich zum Schluss noch einmal klar und deutlich: Die Aufnahme der Sinti und Roma in die Landesverfassung ist nicht Symbolpolitik, sie ist Ausdruck dafür, dass Sinti und Roma sich auf gleicher Augenhöhe in die politischen Prozesse unseres Landes einbringen können. Ich denke, das würde ihre Position insgesamt auch auf europäischer Ebene stärken.
Das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag erteile ich dem Vorsitzenden der CDU-Fraktion, Herrn Abgeordneten Dr. Christian von Boetticher.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Andresen, Sie haben - wie ich eben noch einmal nachgeguckt habe - Soziologie studiert, sicherlich sehr erfolgreich, sicherlich auch sehr engagiert. Ich würde nicht auf die Idee kommen, wenn Sie hier soziologisch etwas vortragen, mich hier hinzustellen und zu sagen, Sie seien ein dummer Schuljunge, Sie hätten keine Ahnung, ich wisse sowieso alles besser. Aber ich fand Ihren Auftritt eben extrem überheblich, arrogant und anmaßend. Das sage ich hier an dieser Stelle ganz, ganz deutlich. Ich sage so etwas selten, wie Sie wissen.
Ich sage das selten, aber vor dem Hintergrund, dass ich einer derjenigen bin, der ausdrücklich Staatsund Verfassungsrecht studiert hat, sage ich, ich weiß, worüber ich rede, wenn ich über unsere Verfassung rede. Wir machen uns diese Entscheidung auch nicht leicht. Ich sage das ganz deutlich und bewusst. Wir haben in den letzten Jahren - ohne meine Mitwirkung - hier eine ganze Menge von Verfassungsergänzungen vorgenommen, zum Beispiel im Bereich des Artikels 9, Erwachsenenbildung. Wir haben da jetzt den Sport, das Büchereiwesen, die Volkshochschulen und die niederdeutsche Sprache mit drinstehen. Wir haben außerdem den Artikel 5 zu den Minderheiten.
Man muss wissen, wofür die Verfassung wichtig ist. Die Verfassung gibt keinen Anspruch auf bestimmte Partizipationsrechte, und aus der Verfassung ergibt sich auch kein Anspruch auf Förderung in einer bestimmten Höhe. All das wird und kann auch heute schon einfach gesetzlich entschieden werden. Die Verfassung kommt nur in einem Punkt zum Tragen - wenn man nicht von Symbolik redet, liebe Kollegin Spoorendonk -, wenn nämlich bei einer Verwaltungsentscheidung unterschiedliche Prinzipien gegeneinander abgewogen werden müssen. Da stimmt dann eines: Je mehr ich in die Verfassung schreibe, je mehr Einzelheiten ich festlege, desto mehr Prinzipien gibt es, die gegeneinander abgewogen werden müssen, und desto weniger zählt das Einzelne.
Darum habe ich schon in der Vergangenheit bei vielen Verfassungsergänzungen, die dieses Haus gern vorgenommen hätte, große Bedenken gehabt habe, weil dadurch die alten Prinzipien, die man irgendwann einmal hineingeschrieben hat, jeweils in einzelnem Ausmaß relativiert worden wären.
Deshalb noch einmal - das kann ich Ihnen für mich gerade als Person sagen -: Ich tue mich deshalb verdammt schwer - egal mit welcher Forderung, wie berechtigt sie auch sein mag -, Verfassungsänderungen, die wir jetzt einbringen, die alle alte Verfassungsänderungen ein Stück weit kleiner und weniger bedeutend werden lassen, mit zu beschließen.
Das ist meine Auffassung, und ich sage Ihnen ganz bewusst, Herr Andresen, sich hinzustellen und zu sagen, wir hätten alle keine Ahnung, wir wüssten alle nicht, worüber wir redeten, nur Sie wüssten das, das finde ich wirklich sehr, sehr oberflächlich.
Das ist inzwischen eigentlich eine Nachfrage. Ich möchte Sie fragen, ob ich Sie richtig verstehe, dass Sie gar nicht gegen die Aufnahme einer Verfassungsergänzung zugunsten der Sinti und Roma sind, sondern gegen Verfassungsänderungen allgemein.
- Nein. Ich wäge im Einzelfall nach der Antragslage ab. Ich würde nicht sagen, generell. Ich weiß nicht, ob von Ihnen noch andere Anträge kommen. Ich würde immer eine Einzelfallbewertung durchführen.
Ich sage aber auch ganz bewusst: Jeder der ihr zustimmt, muss wissen, dass das nur bei einer einzigen Stelle zum Tragen kommt, nicht bei den Partizipationsrechten, nicht bei der Höhe der Förderung, sondern einzig und allein in einer Abwägungsentscheidung einer Verwaltung, bei der sie gegeneinander abwägen muss. In einem solchen Fall greift man auf die Verfassung zurück und fragt: Ist das ein Verfassungsprinzip? Je mehr Verfassungsprinzipien man hat, desto mehr muss man gegeneinander abwägen, desto weniger zählt das Einzelne. Sie
- Doch, so ist das bei einzelnen Verwaltungsentscheidungen! Deshalb sage ich noch einmal ganz deutlich: Das ist der Grund dafür, warum ich vorsichtig bin. Ich sage ganz bewusst noch nicht Nein, wir reden ja alle noch darüber, aber das ist der Grund dafür, warum ich vorsichtig bei der weiteren Aufnahme von Verfassungszielen bin.
Würden Sie denn sagen, dass sich die Situation der dänischen Minderheit oder der friesischen verbessern würde, wenn sie aus der Verfassung herausgenommen würden?
Theoretisch könnten wir in diesem Parlament Entscheidungen fällen, die - auch wenn diese Minderheiten nicht in die Verfassung aufgenommen worden wären - beispielsweise eine bessere Förderung oder auch ein besseres Partizipationsrecht zur Folge hätten, als wir es heute haben. Das wäre theoretisch auch ohne Eintrag in die Verfassung möglich. Da werden Sie mir zustimmen.