Protocol of the Session on March 19, 2010

Meine Damen und Herren, zum Teil scheitert die Ausbildungsmöglichkeit an der Ausbildungsfähigkeit und -willigkeit einiger weniger Jugendlicher. Das ist bedauerlich. Hier sind wir als Staat gefordert, diese Probleme früh im Schulwesen anzupacken. Es gilt diesen Jugendlichen ebenfalls eine Chance zu geben, denn wenn wir diese Chance ungenutzt lassen, hat dies nicht nur wirtschaftliche Konsequenzen, sondern hinterlässt vor allem auch ein gesellschaftlich falsches Bild.

(Beifall bei FDP und CDU)

Lobend möchte ich hierbei das Konzept „Schule und Arbeitswelt“ des Kreises Schleswig-Flensburg erwähnen. Dort hat man sich das Ziel gesetzt, die Jugendarbeitslosigkeit innerhalb von sechs Jahren von 11,3 % auf 6,5 % zu senken. Interessant sind hierbei die Instrumente, die der Kreis dazu ansetzt, um insbesondere bei den sogenannten schwierigen Fällen erfolgreich zu sein. Begriffe wie Kompetenzfeststellung, Berufsfelderprobung, Coaching und Qualifizierung der Jugendlichen zeigen, wie staatliches Handeln im Zusammenwirken mit den unterschiedlichsten Partnern erfolgreich angewendet werden kann.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie schreiben in Ihrem Antrag, dass Teil des Erfolgs des Bündnisses für Ausbildung die stetige Weiterentwicklung war. Das ist natürlich richtig. Ebenso ist die Anpassung an aktuellen Anforderungen stetig geboten. Gern wollen wir Ihre Punkte noch einmal im Ausschuss diskutieren. Deswegen beantrage ich die Ausschussüberweisung.

(Beifall bei FDP und CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich der Frau Abgeordneten Ines Strehlau das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist eine Bildungsdebatte, in der wir uns nicht ständig beharken. Das lässt mich hoffen, dass wir im berufsbildenden Bereich in der nächsten Zeit tatsächlich ein Stück vorankommen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für alle Jugendlichen einen erfolgreichen Start ins Berufsleben organisieren; so ist der SPD-Antrag überschrieben. Muss man so einen Antrag überhaupt stellen? - Gibt es nicht bereits genügend

(Oliver Kumbartzky)

Maßnahmen, um für Jugendliche den erfolgreichen Start ins Berufsleben zu gewährleisten? - Ja, es hat sich in den letzten Jahren viel getan. Mit dem Bündnis für Ausbildung, das Rot-Grün 1997 in Schleswig-Holstein ins Leben gerufen hat und das jährlich erneuert wird, bemühen sich viele Akteure - Landesregierung, Sozialpartner, Kammern, die Agentur für Arbeit, ARGEn und Optionskommunen -, jedem Schulabgänger und jeder Schulabgängerin zu einem Ausbildungsplatz zu verhelfen.

Außer diesem Bündnis gibt es unter anderem das Handlungskonzept Schule & Arbeitswelt, die Landespartnerschaft Schule und Wirtschaft in Schleswig-Holstein, Coaches und Fachberater und Fachberaterinnen für Jugendliche, Berufseingangsklassen, berufsvorbereitende Maßnahmen, das ausbildungsvorbereitende Jahr und noch einige Möglichkeiten mehr. Ob mit oder ohne Schulabschluss, die Beruflichen Schulen und freien Träger bieten jedem und jeder Jugendlichen die Möglichkeit, sich weiterzubilden. Sie bemühen sich, die Jugendlichen fit für den Arbeitsmarkt zu machen und ihnen dabei eine berufliche Perspektive zu vermitteln. Immerhin knapp zwei Drittel eines Jahrgangs beginnen eine Ausbildung im dualen System. Sie finden also den Einstieg in den Arbeitsmarkt.

Jetzt kommt das große Aber: Es verlassen immer noch 10 % der Schülerinnen und Schüler eines Jahrgangs die Schule ohne einen Abschluss. Es befinden sich circa 7.500 Jugendliche und junge Erwachsene in berufsvorbereitenden Maßnahmen. Außerdem haben wir etwa 5.000 jugendliche Arbeitslose zwischen 15 und 20 Jahren. Das sind Zahlen, die uns beunruhigen müssen. Diese Zahlen zeigen uns, dass etwas falsch läuft.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und SSW)

Die hohe Zahl der Jugendlichen ohne Schulabschluss macht klar, dass wir mehr und früher in die Bildung der Kinder investieren müssen, und das vom ersten Lebensjahr an. Das darf kein bloßes Lippenkenntnis bleiben. Dafür müssen wir Geld in die Hand nehmen. Diese Investition zahlt sich später mehrfach aus und hilft den Kindern und Jugendlichen. Sie hilft auch dem Staat, den Schuldenberg abzubauen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Im Bereich der berufsvorbereitenden Maßnahmen müssen grundlegende Veränderungen stattfinden. Da reicht die von der SPD in ihrem Antrag geforderte Bündelung der Maßnahmen nicht aus.

Maßnahmen wie die Berufseingangsklassen, in denen Jugendliche an einem Tag in der Woche in die Berufsschule kommen, nur um ihre Berufsschulpflicht zu erfüllen und um aus der Statistik raus zu sein, darf es nicht mehr geben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Die berufsvorbereitenden Maßnahmen müssen zu Ausbildungsgängen weiterentwickelt werden, in denen sich die Schülerinnen und Schüler einen fühlbaren und messbaren Erfolg erarbeiten und nicht das Gefühl haben, nur ihre Zeit absitzen zu müssen. Ein Weg sind Ausbildungsgänge an Produktionsschulen, in denen die Jugendlichen ihre Stärken erkennen und ausbauen und auf eine Ausbildung vorbereitet werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Die bereits existierenden schulischen Ausbildungsgänge müssen zahlenmäßig ausgebaut werden. Ein Schritt in die richtige Richtung wurde mit der Einrichtung von zusätzlichen Fachklassen für die Ausbildung zur Erzieherin zum nächsten Schuljahr getan. Die Einrichtung von zusätzlichen Fachklassen für sozialpädagogische Assistentinnen wird folgen.

Insgesamt gibt es aber in fast allen Bereichen der beruflichen Bildung noch nicht genügend Plätze. So kann es doch nicht sein, dass an einigen Beruflichen Gymnasien, an denen ein Notendurchschnitt von 2,4 in den Hauptfächern eigentlich den Einstieg ermöglichen soll, für das nächste Schuljahr nur Schülerinnen und Schüler einen Platz bekommen, deren Notendurchschnitt besser als 2,0 ist. Wir wollen eine bessere Schulbildung. Dann müssen wir auch die benötigten Kapazitäten zur Verfügung stellen, und zwar für alle.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Bei der Zahl der Schulplätze hat die Regierung in den letzten Jahren viel zu wenig getan. Insgesamt müssen wir also viele Bereiche angehen und teilweise neue Konzepte erarbeiten, und zwar gemeinsam mit den Beteiligten, auch mit den Partnern des Bündnisses für Ausbildung.

Die Problembereiche haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, in Ihrem Antrag richtig benannt. Deshalb werden wir ihm zustimmen beziehungsweise im Ausschuss weiter beraten. Das Bündnis für Ausbildung ist unserer Auffassung nach aber nicht das Gremium, um die notwendige konzeptionelle Weiterentwicklung des Berufsbil

(Ines Strehlau)

dungssystems zu leisten. Hier ist die Politik gefordert. Sie muss die Federführung und die Verantwortung selbst übernehmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich hoffe, wir kommen auf diesem Weg ein Stück weiter.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, der LINKEN und SSW)

Für die Fraktion der LINKEN erteile ich Frau Abgeordneter Antje Jansen das Wort.

(Oliver Kumbartzky [FDP]: Jetzt kommt „alle Betriebe verstaatlichen“!)

- Genau, alle Betriebe verstaatlichen. Das ist unsere Position. Wenn Sie sich der anschließen, dann würden wir uns freuen.

(Christopher Vogt [FDP]: Ich denke nicht!)

- Das denken Sie nicht? - Wir sitzen hier noch ein paar Jahre zusammen. Das schaffen wir vielleicht noch.

(Christopher Vogt [FDP]: Wenn wir das überleben!)

- Wer weiß, wer weiß. Es gibt viele Veränderungen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das A und O bleibt, dass junge Menschen nach dem Schulabschluss den Sprung in Ausbildung und Beruf schaffen. Wir brauchen eine Ergänzung des dualen Systems. Ausbildungsverbünde, außerbetriebliche Ausbildungsstätten bei Trägern und berufsbildenden Schulen müssen gemeinsam ein ausreichendes Angebot an Lehrstellen sichern.

(Beifall bei der LINKEN und des Abgeord- neten Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die jungen Menschen - wie in der Vergangenheit in Warteschleifen abzuschieben, bedeutet Frustration und diesen Jugendlichen Berufs- und Lebenschancen zu verweigern, sagte der Bundesvorsitzende der GEW. DIE LINKE schließt sich dieser Darstellung an.

(Beifall bei der LINKEN)

Leider enthält der Antrag der SPD dazu nur wenig konkrete Anregungen. Die SPD würde es begrüßen,

wenn mehr Betriebe durch Einstiegsqualifikationen und Praktika auch benachteiligten Jugendlichen einen Ausbildungsplatz anbieten würden. Das lehnt DIE LINKE ab. Genau das sind nämlich die besagten Warteschleifen. Teilzeitausbildungen einzuführen, wie im Antrag vorgeschlagen, wäre nur begrenzt sinnvoll. Dies wäre zum Beispiel gerade für Alleinerziehende nur eine freie Wahl, wenn auch genügend flächendeckende und kostenfreie Kinderbetreuungsmöglichkeiten sichergestellt wären. Das ist die Erfahrung.

(Beifall bei der LINKEN)

Viele junge Frauen können diese Angebote nicht annehmen, weil sie eine Kinderbetreuung entweder nicht bezahlen können oder weil keine Kinderbetreuung zur Verfügung steht.

Das duale Berufsausbildungssystem auch durch staatliche Angebote zu ergänzen, wäre eine gute Sache. Wir sind der Meinung, es liegt in der Verantwortung des Staates, dafür zu sorgen, dass alle Schulabgängerinnen und Schulabgänger einen Ausbildungsplatz zur Verfügung gestellt bekommen.

(Beifall bei der LINKEN)

DIE LINKE fordert darüber hinaus: Ein Recht auf Ausbildung muss in der Landesverfassung festgeschrieben werden. Das Land muss haftbar gemacht werden, wenn zu wenig Ausbildungsplätze angeboten werden.

(Beifall bei der LINKEN - Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Wie Honecker! Sauber!)

- Jeder Jugendliche hat ein Recht auf Ausbildung. Das müssen wir haben. Einzig eine Selbstverpflichtung der Wirtschaft wie der Pakt für Ausbildung reicht nicht aus. Das kann ein kleiner Schritt in die richtige Richtung sein, es reicht aber nicht aus, diesen Pakt mit der Wirtschaft als alleiniges Instrument zu nehmen.