Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die heutige Sitzung und begrüße Sie alle herzlich.
Aufgrund der gestern vom Landtag vorgenommenen Neufeststellung des Wahlergebnisses ist die bisherige Abgeordnete Christina Musculus-Stahnke nicht mehr gewählt. Ihre Mitgliedschaft ruht, solange der Beschluss des Landtages noch anfechtbar ist oder das Landesverfassungsgericht noch nicht entschieden hat.
Stattdessen tritt Herr Björn Thoroe als nächstfolgender, bisher noch nicht berücksichtigter Bewerber auf der Landesliste der Partei DIE LINKE vorläufig in den Landtag ein. Herr Thoroe hat die Mitgliedschaft im Schleswig-Holsteinischen Landtag am heutigen Tage erworben. Ich bitte Sie, Herr Thoroe, zur Verpflichtung als Abgeordneter nach vorn zu kommen. Die Anwesenden bitte ich, sich von den Plätzen zu erheben. Ich spreche Ihnen die Eidesformel vor, und ich bitte Sie, die rechte Hand zu heben und mir nachzusprechen.
(Die Anwesenden erheben sich - Der Abge- ordnete wird nach folgender Eidesformel vereidigt: Ich schwöre, meine Pflichten als Abgeordneter gewissenhaft zu erfüllen, Ver- fassung und Gesetze zu wahren und dem Lande unbestechlich und ohne Eigennutz zu dienen, so wahr mir Gott helfe.)
Meine Damen und Herren, ich gebe Ihnen bekannt, dass die Abgeordneten Frau Dr. Gitta Trauernicht und Hauke Göttsch sowie Frau Ministerin Dr. Rumpf erkrankt sind. Wir wünschen den Kolleginnen und Kollegen von dieser Stelle aus gute Besserung.
Ich begrüße auf der Zuschauertribüne Schülerinnen und Schüler sowie deren Lehrkräfte von der TimmKröger-Realschule in Kiel. - Seien Sie uns herzlich willkommen!
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache und erteile Frau Kollegin Monika Heinold von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Wahlkampf 2005 schwärmte der damalige Spitzenkandidat der CDU von einem zukünftigen Nordstaat. „Ich bin überzeugt“ - so sagte er - „dass er“ der Nordstaat - „kommt“. Herr Carstensen, das waren Ihre Worte. Wenn man den Nordstaat wirklich wolle, sagten Sie, „ist es in zehn bis 15 Jahren zu schaffen“.
Und weiter: Im Falle eines Wahlsiegs wolle er 2005 sagte er das - dieses Fusionsprojekt starten, er hätte nichts dagegen, der letzte Ministerpräsident von Schleswig-Holstein zu sein.
Herr Ministerpräsident, nach fünf Jahren stelle ich fest: Von den euphorischen Ankündigungen ist nichts übrig geblieben, unter einem Ministerpräsident Carstensen dämmert die norddeutsche Zusammenarbeit vor sich hin.
Die letzten großen Fusionsprojekte, die Zusammenlegung der Eichämter und der Statistischen Landesämter, wurden unter Rot-Grün beschlossen.
Und auch offensichtlich sinnvolle Fusionen wie die der Landeszentralen für Datenschutz Hamburg und Schleswig-Holstein scheiterten in der letzten Legislaturperiode an der strategischen Unfähigkeit der CDU. Strippenzieherei im Hintergrund, nicht nach vorn gedacht.
Stillstand statt Dynamik. Das können wir uns aber angesichts der Haushaltssituation schon lange nicht mehr leisten. Deshalb ist es richtig, dass die schleswig-holsteinische Wirtschaft alljährlich mahnt, die Zusammenarbeit der norddeutschen Länder zu beschleunigen. Deshalb ist es so fatal, dass auch im Koalitionsvertrag nichts zu diesem Thema auftaucht. In diesem „Aufbruch nach nirgendwo“ stehen die Wörter „norddeutsche Kooperation“ nicht, geschweige denn „Fusion“.
Also ist es unsere Aufgabe als Opposition, neuen Schwung in die Debatte zu bringen, in eine Debatte, die seit über zehn Jahren oder länger läuft, immer wieder hochkocht und Thema in der Föderalismuskommission war, aber nicht so recht weiterkommt.
Das Schneckentempo bei der norddeutschen Kooperation muss durchbrochen werden, es steht im krassen Widerspruch zum Alltag der Bürgerinnen und Bürger, die sich beruflich wie kulturell schon lange über die Landesgrenzen hinweg orientieren. Täglich pendeln mehr als 230.000 Menschen zwischen ihrem Arbeitsplatz in Hamburg und ihrem Wohnort in Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern oder Schleswig- Holstein hin und her.
Die wirtschaftliche Entwicklung Schleswig-Holsteins hängt schon lange nicht mehr einzig von der Gesetzgebung in Kiel ab, sondern von der Entwicklung der gesamten Metropolregion Norddeutschland. Hafenpolitik, Verkehrsnetze, Klimaschutz und die Entwicklung der Hochschulen machen an Landesgrenzen nicht Halt, sondern erfordern eine gemeinsame norddeutsche Strategie.
Es ist doch geradezu absurd, wenn in einem Europa der Regionen ein schleswig-holsteinisches Kind eine Hamburger Schule nicht besuchen darf und es eine lange Diskussion über die Kostenfrage gibt.
Der norddeutsche Raum muss sich gemeinsam aufstellen, um der rasanten Entwicklung der Globalisierung gewachsen zu sein, um sich angesichts des Zusammenwachsens des Ostseeraums zu positionieren und um die Bevölkerungsentwicklung positiv zu gestalten.
Die Metropolregion Hamburg muss als Chance begriffen werden, nicht als Konkurrenzveranstaltung. Wir müssen auch Schluss damit machen, als Erstes immer zu fragen, was es im Länderfinanzausgleich bringt - 1 Milliarde mehr oder weniger. Darum geht es gar nicht. Erst einmal muss man über Strukturen und über Zukunftsmodelle reden, und dann müssen die Finanzstrukturen logischerweise dementsprechend sortiert werden.
Neue Rahmenbedingungen erfordern neue Antworten. Es ist die Landesplanung, das Flächenmanagement, die Energiepolitik, der Klimaschutz sowie der öffentliche Personennahverkehr, die Notwendigkeit, sich von der Straße auf die Schiene umzuorientieren. Diese Schwerpunktaufgaben müssen wir als Zukunftsaufgaben begreifen, nach vorn gerichtet diskutieren, planen in räumlichen Zusammenhängen und nicht in Landesgrenzen.
Zwei Drittel der Schienenpersonenverkehre in Schleswig-Holstein beziehen sich auf Hamburg, und für den Schienengüterverkehr sind leistungsfähige Umfahrungen der großen Zentren existenziell, um Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern.
Auch bei Flughäfen und Häfen kommen wir nur mit abgestimmten norddeutschen Konzepten weiter. Wir müssen raus aus der gnadenlosen Konkurrenzsituation um Standorte und brauchen eine Planung für die gesamte Region.
Noch drängender ist die Zusammenarbeit der Küstenländer beim Klimaschutz. Es sind die norddeutschen Länder, die vom Klimawandel in besonderem Maße betroffen sind und die ein abgestimmtes Konzept für den Küstenschutz brauchen und sich darauf verständigen müssen, Vorbild beim Erreichen der Klimaschutzziele zu sein.
Hinzu kommen die massiven Haushaltsprobleme der Länder, die alle Landtage dazu zwingen, Strukturen zu überprüfen und Synergieeffekte auszuloten.
Ich sage an die Adresse der CDU: Stellen Sie sich der Herausforderung, große Strukturen zu hinterfragen, statt mit dem Rasenmäher kleinteilig den Haushalt zu rasieren!
Meine Damen und Herren, wer auf dem Weg der norddeutschen Kooperation vorankommen will, der muss weg von der Zufälligkeit von Fusionen und Standortentscheidungen. Deutlich wird dies bei einem Blick auf die Fusion der Statistischen Landesämter Hamburg und Schleswig-Holstein. Dadurch, dass beide Standorte erhalten wurden - so der Rechnungshof -, sind nur drei Millionen € jährlich eingespart worden; es hätten aber acht Millionen € gespart werden können. Dies aufzubrechen, gelingt nur, wenn es eine mehrjährige Gesamtplanung gibt, eine Gesamtstrategie, bei der Stand
ortentscheidungen rational und vor allem als Paketlösung getroffen werden. Nur so können einerseits Kosten gespart und andererseits Arbeitsplätze in beiden Ländern erhalten bleiben.
Wir erwarten von der Enquetekommission, dass sie in diesem Sinne über Fraktionsgrenzen hinweg Antworten findet, unterschiedliche Aspekte wägt, juristische, ökologische, ökonomische, soziale und demokratische. Dabei gilt es, regionale Interessen genauso zu berücksichtigen wie die Interessen der nationalen Minderheiten.
Für meine Fraktion ist dies eine Debatte mit offenem Ausgang. Wir haben bewusst auf den Begriff „Nordstaat“ verzichtet, wir haben aber wohl gesagt, dass Kooperation als auch Fusion natürlich ergebnisoffen geprüft werden müssen, damit wir auch einschätzen können, was es bringt und ob es etwas bringt für den Haushalt, aber auch für die Demokratie, für die Bürgernähe, vor allem, wie sie gerade bei Kooperationen unterhalb von Fusion auch parlamentarische Rechte sichern können.
Sollte es so sein, dass das Ergebnis der Kommission aufzeigt, dass die größten Vorteile nicht in einzelnen Kooperationsprojekten, sondern in der Zusammenführung ganzer Bundesländer liegen, dann wird es anschließend natürlich eine breite Diskussion mit der Bevölkerung geben müssen. Denn es sind die Bürgerinnen und Bürger, die, wie im Grundgesetz verankert und gesichert, letztlich über Länderfusionen entscheiden.
Ziel der Enquetekommission ist es, ergebnisorientiert zu arbeiten und möglichst bis 2011 konkrete Handlungsempfehlungen in ihrem Abschlussbericht vorzulegen.
Nach meiner Auffassung müssten alle norddeutschen Bundesländer ein hohes Interesse daran haben, gemeinsame Strukturen zu planen, aufzubauen, parlamentarische Steuerung zu sichern sowie Haushalts- und Kontrollrechte der Parlamente sicherzustellen. Es ist doch nicht hinnehmbar, wenn zukünftig Verwaltungsabkommen die Höhe der Zuschüsse für einzelne Einrichtungen diktieren und der Haushaltsgesetzgeber darauf keinen Einfluss mehr hat, weil in Staatsverträgen Steigerungsraten vereinbart wurden.
Es ist nicht optimal, wenn man, um Einrichtungen zu kontrollieren - ich nenne mal die HSH Nordbank -, zwei sehr aufwendige nebeneinander tagen