Ab ins Hinterzimmer! Kungeln ist wieder angesagt, vorbei die Zeit, als man nicht wusste, welches Ei einem die Wähler und Wählerinnen ins Nest legen.
Meine Damen und Herren, meine Partei war mehr als skeptisch, als im Jahr 1995 die Direktwahl der Verwaltungschefs beschlossen wurde. Dennoch sind wir heute dafür, die Direktwahl beizubehalten, denn wir sind grundsätzlich dagegen, Wahlen abzuschaffen, nur weil einem die Ergebnisse und die Wahlbeteiligung nicht passen.
Wenn wir eine Lehre aus der geringen Wahlbeteiligung ziehen sollten, dann die, dass Bürgerinnen und Bürger nur einen geringen Bezug zu ihrer Kreisverwaltung und damit auch zum Landrat haben. Sie identifizieren sich mit ihrer Gemeinde, mit dem Kreis eher nicht. Deshalb war auch die ganze Debatte darüber, ob wir den Menschen ein Stück Heimat wegnehmen, wenn wir eine Gebietsreform und Großkreise machen, eine Phantomdebatte, die überwiegend unter den Kommunalpolitikern selbst geführt wurde.
Die jetzt von der Großen Koalition gewählte Lösung, die Gebietsstrukturen nicht zu verändern, aber die demokratische Beteiligung der Bevölkerung zu kappen, ist die schlechteste aller Lösungen, denn -
In der Regel beende ich gern meine Sätze. Vielleicht kann man sich denken, wie der Satz weitergegangen wäre. - Ich beantworte die Frage gern.
Frau Kollegin, halten Sie die derzeitige Stellung des politischen Ehrenamts bei uns in den Kreisen für ausreichend stark gegeben?
Ich war damals im Kreistag, als es geändert wurde. Ich sage noch einmal: Ich hatte erhebliche Bedenken, dass dieses Konstrukt für die Kreistage gefunden wurde, auch weil der Landrat sozusagen weit von der Bevölkerung entfernt ist, aber auch, weil ich die Machtbalance damals richtig fand. Jetzt aber zu sagen: Mir passen die Ergebnisse nicht, und mir passt die Wahlbeteiligung nicht, und ich schaffe eine Wahl ab -
Da sagen wir: Das machen wir nicht mit. Das ist ein Stück aus dem Tollhaus. Eine geringe Wahlbeteiligung darf in einer Demokratie niemals, aber auch niemals der Grund dafür sein, Wahlen abzuschaffen. Dies inmitten eines Verfahrens zu tun, in dem es Ausschreibungen in den Kreisen gibt und in dem sich die Kreise darauf eingestellt haben, kommt einer Entmündigung der Kommunalpolitik, aber auch der Wählerinnen und Wähler gleich, und das führt zu Politikverdrossenheit.
Frau Abgeordnete, ich habe mich jetzt bemüht zu warten, bis Sie Ihren Satz beendet hatten. Erlauben Sie eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Kalinka?
Frau Kollegin, Sie haben gerade gesagt, die Machtbalance in den 90er-Jahren hielten Sie damals für richtig und gut.
- Ich kann es Ihnen noch einmal sagen. Sie waren damals so idiotisch, dieses Gesetz zu ändern. Jetzt gibt es eine Direktwahl, und nun stellen Sie sich hin und sagen: Uns passen die Ergebnisse nicht, uns passt die Wahlbeteiligung nicht; wir schaffen die Wahl wieder ab. Das kann und darf in einer Demokratie nicht zugelassen werden!
(Beifall bei der FDP - Wolfgang Kubicki [FDP]: Wo sie recht hat, hat sie recht! - Mi- nister Dr. Christian von Boetticher: Er macht gleich einen Heiratsantrag! - Zurufe von der CDU)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Manchmal ist es gut zu wissen, wie bestimmte Dinge gelaufen sind. Ich kann mich nämlich noch gut daran erinnern, wie dieses Gesetz zustande kam. Damals war die CDU in der Opposition und suchte ein Thema, mit dem sie die SPD jagen konnte, weil die SPD, als diese in der Opposition war, Gleiches schon einmal der CDU gegenüber versucht hatte. So ist das gelaufen. Das hatte nichts, aber auch gar nichts mit Demokratie oder Partizipation zu tun.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist nicht leicht, eine Wahl wieder einzusammeln. Aber die Einführung der Direktwahl von Landräten und Bürgermeistern war eine historische Fehlentscheidung. Deshalb ist es konsequent und richtig, dass der Landtag heute diesen Schritt nimmt.
Die Direktwahl hatte von Anfang an einen Webfehler. Denn entweder geht es hier darum, einen obersten Verwaltungsleiter zu wählen, der in den Kreisen die Vorgaben der Landesregierung und des Kreistags umsetzt. Dann ist eine Direktwahl aber überflüssig, weil sie einen politischen Einfluss suggeriert, der nicht vorhanden ist. Oder aber es geht bei der Direktwahl um einen Verwaltungschef, der politisch gestalten soll, und deshalb durch eine Wahl legitimiert wird. In diesem Fall ist die Direktwahl aber höchst problematisch, weil damit eine Interessenkollision mit der ebenfalls von der Bevölkerung gewählten Kreisvertretung vorprogrammiert ist. Diese ist letztlich auch eingetreten.
Nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass überall nach neuen Steuerungsmodellen gearbeitet wird, bei denen die Politik nur die Ziele vorgeben soll und die Verwaltung über Wege und Mittel zur Zielerreichung entscheidet, ist für die Landräte und Bürgermeister ein politischer Raum entstanden. So hat die Direktwahl schädliche Langzeitwirkung für das Machtgefüge der kommunalen Selbstverwaltung, weil der damit einhergehende Macht- und Legitimationszuwachs der hauptamtlichen Verwaltungschefs eindeutig zulasten des kommunalpolitischen Ehrenamts geht.
Für den SSW gilt: Wir haben kein Problem damit, dass die Bürgerinnen und Bürger mehr direkten Einfluss auf Politik bekommen. Aber wir haben ein Problem damit, wenn die Stärkung eines Verwaltungschefs die Demokratie auf kommunaler Ebene insgesamt schwächt. Es ist nicht mehr Demokratie, wenn eine Person, die zudem in der Regel nur von einem Bruchteil der Bürger gewählt wurde, jahrelang Entscheidungen trifft, die früher ein ganzes Kommunalparlament mit verschiedenen Parteien in einer mehr oder weniger offenen Meinungsbildung zu entscheiden hatte. Deshalb begrüßt der SSW, dass die Große Koalition nun den Mumm gefunden hat, dieses zugegebenermaßen schwer zu vermittelnde Thema anzupacken. Es ist eine der mutigsten und vernünftigsten Entscheidungen dieser Wahlperiode.
Allerdings - auch das muss ich sagen - mit dem vorliegenden Vorschaltgesetz hat die Große Koalition nur die Hälfte ihrer Hausaufgaben gemacht. Die ebenso problematische Direktwahl der Oberbürgermeister und hauptamtlichen Bürgermeister bleibt weiter bestehen. Gerade in diesem Bereich hat es die Direktwahl für einige hauptamtliche Verwaltungschefs leicht gemacht, sich auf das hohe Ross zu setzen und gegen ihre Kommunalvertretungen zu regieren, als kleiner Sonnenkönig oder als bockiger Suppenkasper.
Lieber Kollege Astrup, wie problematisch dies sein kann, zeigt zum Beispiel das Dauerdrama, dass Verwaltung und Politik in Schleswig seit einigen Jahren aufführen. Alle hier im Plenum werden weitere Beispiele nennen können. Deshalb bleiben wir dabei: Ebenso wie bei den Landräten brauchen wir bei den hauptamtlichen Bürgermeistern eine Änderung der Kommunalverfassung, die den kommunalen Parlamenten die Macht zurückgibt.
Wir werden diesem Gesetz zustimmen, nicht weil es in allen Punkten zufriedenstellend ist, sondern weil damit zumindest ein Teil des Problems angegangen wird, das wir seit der Einführung der Direktwahl immer wieder unterstreichen. Dabei finden auch wir das Verfahren nicht unbedingt gelungen. Die Regelung über ein Vorschaltgesetz und mit zwei Lesungen innerhalb einer Plenartagung ist - milde gesagt - unglücklich. Schließlich hat die Große Koalition bereits bei der Debatte zum SSWGesetzentwurf im Dezember 2006 zu verstehen gegeben - liebe Kolleginnen und Kollegen, so weit liegt das zurück -, dass sie diese Änderung anstrebt. Wir wissen alle, dass die Abstimmung innerhalb einer Großen Koalition lange dauert. Aber innerhalb von zwei Jahren hätte sich selbst diese Koalition einigen und ein reguläres Verfahren durchziehen können. Dann würden wir heute auch nicht in der absurden Situation stehen, dass einige Kreise Anfang 2009 neue Landräte brauchen und die Kreisordnung eigentlich noch die Direktwahl vorsieht. Aber trotzdem: Wir sind bereit, diesen Weg mitzugehen, weil wir ihn inhaltlich für völlig richtig halten.
Sollte die Große Koalition doch noch den Mut finden, statt dieser halben Lösung volle Vernunft walten zu lassen und den ehrenamtlichen Kommunalpolitikern in den kreisfreien Städten und größeren Gemeinden ebenso konsequent die Macht zurückzugeben, dann werden wir mit großer Freude auch ein solches Gesetz unterstützen.
Ich danke der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk und erteile für die Landesregierung Herrn Innenminister Lothar Hay das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Koalitionsfraktionen haben sich entschlossen, die Direktwahl der Landrätinnen und Landräte abzuschaffen. Stattdessen soll es wieder die mittelbare Wahl durch den Kreistag geben. 1995 war die Direktwahl eingeführt worden und Bestandteil des schleswig-holsteinischen Kommunalverfassungsrechtes.
Mit dem heute zur Beratung anstehenden Vorschaltgesetz soll eine Rechtsänderung vorbereitet werden. Ziel des Gesetzes ist es, auch bereits für die im kommenden Jahr anstehenden Wahlen in
den Kreisen Steinburg und Pinneberg eine mittelbare Wahl zu ermöglichen. Die in der Diskussion um das Vorschaltgesetz vereinzelt geäußerte Kritik an dem Tempo der eingeleiteten Maßnahme ist dabei für mich nicht nachvollziehbar.
Es ist sinnvoll und folgerichtig, die erforderlichen Maßnahmen so zügig einzuleiten, dass alle künftigen Wahlen von der neuen Regelung erfasst werden. Es wäre inkonsequent, würden wir ungeachtet der anstehenden Rechtsänderung in den betroffenen Kreisen noch eine Direktwahl durchführen.
In rechtlicher Hinsicht möchte ich zwei Dinge anmerken: In der Diskussion der vergangenen Wochen wurde die Frage aufgeworfen, ob es überhaupt rechtlich zulässig sei, die Direktwahl im Wege eines Vorschaltgesetzes auszusetzen. Hieran besteht aus meiner Sicht kein Zweifel. Der Erlass und die Änderung von Rechtsvorschriften - Herr Oppositionsführer - sind originäre Aufgabe des Gesetzgebers, des Landtags.
Dazu gehört es auch, bestehende Rechtspositionen zu verändern oder aufzuheben. Die wesentliche Schranke dabei bildet das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete sogenannte Rückwirkungsverbot.