Protocol of the Session on November 13, 2008

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort zu einem weiteren Beitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erhält der Herr Abgeordnete Thomas Stritzl.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Matthiessen, ich habe mich auf eine Ihrer Äußerungen gemeldet. Sie haben gesagt, das, was es in Kiel an Kraft-Wärme-Kopplung gebe, sei faktisch nichts.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist auch so!)

- Das ist Ihre Meinung. Wenn Sie Ihren Kopf wendeten, sähen Sie das Kraftwerk. Der Schornstein, der dort steht, ist der Schornstein für 60.000 Haushalte in Kiel bei einer Einwohnerzahl von rund 235.000. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, Herr Kollege Matthiessen: Wenn das für Sie nichts ist, sagen Sie, wo für Sie mehr ist.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Kollege, Sie kennen ja noch nicht einmal den Wirkungsgrad von diesem Kraftwerk!)

- Herr Kollege! Ich schätze Ihre Fähigkeiten als Tierarzt, aber ich weise daraufhin, dass Sie in Debatten wie dieser vielleicht einen Ruf als Politiker zu verlieren haben.

(Beifall des Abgeordneten Claus Ehlers [CDU])

Wenn man mit Ungenauigkeiten arbeitet, wie Sie es tun, indem Sie -

Herr Abgeordneter Stritzl, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen?

Herr Kollege Stritzl, ist Ihnen denn der Wirkungsgrad des jetzigen Gemeinschaftskraftwerks Kiel-Ost bekannt, ist Ihnen bekannt, wie viel Wärme dort ausgekoppelt wird? Haben Sie eine Vorstellung davon, wie viel Wärme ausgekoppelt werden könnte, wenn man die Stromzeiten in der Kapazität verdreifacht? Das würde mich mathematisch interessieren, weil Sie mir so viel Unkenntnis unterstellen.

- Herr Kollege Matthiessen, ich kann beide Fragen mit Ja beantworten.

(Heiterkeit)

Ich will Ihnen sagen, um was es uns eigentlich geht.

(Zuruf)

- Frau Kollegin, auch in Lübeck hat es diese Diskussion einmal gegeben.

Es geht schlichtweg um die Frage, ob Sie ein 30 Jahre altes Kraftwerk möglichst zügig durch ein modernes ersetzen, oder ob die Grünen diejenigen sind, die sagen: Alte Dreckschleudern sind uns das Liebste für die Versorgung der Zukunft. - Bei uns ist das anders.

Sie werfen dem Kollegen Kalinka Perfidie vor, weil er nicht für eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 120 km/h auf der Autobahn ist. Sie wissen wahrscheinlich selber, um welchen Minibruchteil CO2 es überhaupt gehen kann, wenn es um die Frage der Tempobegrenzung geht.

(Beifall bei CDU und FDP)

(Detlef Matthiessen)

Das ist bei Ihnen eine Frage der Ideologie, aber nicht der wissensbasierten Aussage in Sachen Klima.

Herr Kollege, ich fordere Sie auf - Sie haben ja gesagt, Sie seien der große Sachkenner -: Sagen Sie hier und heute den Menschen auch im Großraum Kiel und in der Stadt Kiel: Wo stehen die Blockheizkraftwerke in Kiel? In welchem Ort? Wie viele? Was heißt das für die Emissionswerte bei Furanen und Dioxinen? Was heißt das für die Frage einer zusätzlichen CO2-Belastung? Was kommt an zusätzlichen Kosten auf die Menschen in dieser Stadt zu? Sagen Sie den Menschen ehrlich, was Sie vorhaben, und versuchen Sie nicht, mit einer unvernünftigen Angstmacherei notwendige Entwicklungsschritte in dieser Stadt zu verhindern.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort zu einem weiteren Beitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Fischer.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Stritzl, lassen Sie mich zwei Punkte ansprechen. Die Kollegin Poersch hat unsere Position zur Energiefrage sehr sachlich dargestellt. Die ganze Dynamik, die darin liegt, wurde deutlich. Ich kann verstehen, dass Sie sagen, wir müssten über Kiel reden. Das finde ich auch richtig.

An dieser Stelle will ich aber auch auf Folgendes hinweisen. Sie sagen: Sagen Sie doch bitte klar, was Sie wollen! Diesen Vorwurf muss ich eigentlich an die CDU zurückgeben. Vor der Wahl waren Sie für Kohle. Dann waren Sie in der Ratsfraktion für ein seltsames energietechnisches Zwitterwesen 800 kW mit GuD und mit Kohle. In Ihrem Wahlkampfprogramm haben Sie geschrieben, Sie wollten ein klimaneutrales Kraftwerk. Was das ist, weiß ich auch nicht so richtig.

Herr Abgeordneter Fischer, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Stritzl?

Nein. Ich will das eben zu Ende führen. - Dann sagten Sie, Sie wollten Abscheidung. Das ist wahrscheinlich das klimaneutrale. Diese Technik aber

steckt noch in den Kinderschuhen. Die Antwort, die Sie von den Grünen verlangen, können Sie selbst gar nicht geben - es sei denn, Sie wollen 800 kW Kohle. Wenn Sie das aber nicht wollen, müssen Sie sagen, was Sie eigentlich wollen.

Die drei Felder, die ich gerade genannt habe, zeigen, dass Sie selbst hin- und herschwanken zwischen auf der einen Seite einem Opportunismus gegenüber der Kohlelobby und E.ON und auf der anderen Seite dem Wissen, dass ein großes Kohlekraftwerk, wie Sie es wollen, in Kiel überhaupt nicht zu verwirklichen ist,

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und zwar weil die Menschen es nicht wollen. Das ist der Kern der Argumentation. Jetzt können Sie hier gern einen weiteren Beitrag liefern. - Eine Zwischenfrage lasse ich jetzt nicht mehr zu.

(Beifall bei der SPD)

Die Frage danach stelle ich. - Bevor es zu weiteren Wortmeldungen kommt, weise ich darauf hin, dass unter dem Tagesordnungspunkt 12 eine Debatte zum Landesentwicklungsgrundsätzegesetz geführt werden soll.

(Zurufe: Ist es auch! - Wolfgang Kubicki [FDP]: Da sind wir gerade!)

Jetzt erteile ich für die Landesregierung Frau Ministerin Ute Erdsiek-Rave in Vertretung für Herrn Minister Hay das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es wird Sie vielleicht nicht überraschen, aber ich werde mir das, was die Frau Präsidentin eben gesagt hat, zu Herzen nehmen und mich an einer grundsätzlichen Debatte für und wider Kohlekraft und für und wider Standort Kiel hier nicht beteiligen. Das ist an dieser Stelle eine Debatte auf Umwegen.

Es ist eine wichtige energiepolitische Grundsatzfrage, über die hier debattiert wird. Für die Landesregierung aber will ich sagen: Das Landesentwicklungsgrundsätzegesetz ist schlicht und einfach nicht der geeignete Ort für Ihr Anliegen. Es ist auch nicht der geeignete Ort, diese Grundsatzdebatte, die in eine energiepolitische Debatte gehört, zu führen wie auch immer man zur Ansiedlung oder zum Bau von Kohlekraftwerken steht, wie ich hinzufüge.

(Thomas Stritzl)

Das Landesentwicklungsgrundsätzegesetz beschreibt in allgemeinen Grundsätzen die räumlichen Perspektiven zur Landesentwicklung. Es bildet sozusagen das Fundament, den Rahmen für die Spezifizierung im Landesentwicklungsplan. Angefangen von den räumlichen Grundsätzen des Raumordnungsgesetzes auf Bundesebene über das Landesentwicklungsgrundsätzegesetz bis hin zu den Zielen der Raumordnung auf Landes- und Regionalplanebene entsteht so ein System ineinandergreifender Entwicklungsperspektiven.

Ihr Antrag geht inhaltlich über die Ebene des Landesentwicklungsgrundsätzegesetzes zu weit hinaus. Solche konkreten Vorgaben gehören auf die Ebene der Raumordnungspläne. Ihre Vorschläge wären damit inhaltlich in der Diskussion um den künftigen Landesentwicklungsplan aufgehoben. Da sollte sie auch geführt werden. Sie hätten Ihre Anregungen passender schon in der Stellungnahme Ihrer Fraktion vom 7. August dieses Jahres zum Entwurf des Landesentwicklungsplans unterbringen können.

Dieser befindet sich, wie bekannt ist, im Aufstellungsverfahren und wird im ganzen Land bereits intensiv diskutiert. Das Thema Energie wird dabei selbstverständlich behandelt, neben vielen anderen Fragen. Dort ist das Thema Kohle als Energieträger in der Konkretisierung, wie Sie das möchten, richtig aufgehoben.

Ob zusätzlich dazu schon jetzt oder später - das mag sein - im Landesentwicklungsgrundsätzegesetz Änderungen erforderlich werden können, mag heute dahinstehen. Sie sollten aber auf jeden Fall den Vorschaltcharakter des Gesetzes wahren. Der Landesentwicklungsplan ist für unser Land von herausragender Bedeutung. Darüber muss es eine breite Diskussion geben. Die wird es auch geben. Das ist bei solchen weitreichenden Weichenstellungen für die Zukunft auch unverzichtbar.

Ich werbe hier aber auch dafür, den Zeitplan einzuhalten und dieses wichtige Instrument bis Ende 2009, spätestens Anfang 2010 wirklich auf den Weg zu bringen.

Planerische Vorausschau ist unverzichtbar und kann nicht als bloße Steuerungswut gegenüber denen abgetan werden, die immer wieder darauf verweisen, dass Planung lediglich bedeutet, den Zufall durch Irrtum zu ersetzen. Denen sage ich klar und deutlich: Wer keine Ziele hat, der darf sich über Siedlungs- und Infrastruktur, die er vorfindet, über Arbeitsmarktverhältnisse, Daseinsvorsorge, Bildungschancen, Umweltsituationen und so weiter, kurz: über die räumliche Ausgangslage und ihre

Perspektiven, nicht beschweren. Diese Zielvorstellungen für die räumliche Entwicklung gilt es nun an den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen auszurichten.

(Beifall bei SPD und SSW)

Ich danke der Frau Ministerin. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die Beratung. Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf, Drucksache 16/2302, dem Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Bevor ich den Tagesordnungspunkt 3 aufrufe, begrüßen Sie bitte mit mir auf der Tribüne Schüler und Schülerinnen der Gemeinschaftsschule Viöl/ Ohrstedt mit den begleitenden Lehrkräften. - Herzlich willkommen!

(Beifall)