Protocol of the Session on November 13, 2008

Mehr als sechs Jahre später freue ich mich daher, dass wir heute einen umfassenden Bericht diskutieren - für den ich dem Innenminister und seinem Mitarbeiterstab ausdrücklich danke –, der über die Umsetzungsergebnisse des schleswig-holsteinischen Integrationskonzepts und des Nationalen Integrationsplans Auskunft gibt.

Der Bericht führt eindringlich vor Augen, dass Integration eine Querschnittsaufgabe aller Politikfelder ist. Ich möchte mich hier auf lediglich drei Bereiche beschränken.

Im Bildungsbereich reichen mittlerweile die Projekte von der verpflichtenden frühkindlichen Sprachförderung im Kindergarten über Kooperation von Kindergärten und Schulen, Schulsozialarbeit und individuelle Förderung in einer zunehmenden Anzahl von Ganztagsschulen bis zur Elternarbeit. Ergänzt werden diese Angebote durch das Handlungskonzept „Schule und Arbeitswelt“, Sprachförderung in beruflichen Schulen und das Beratungsund Betreuungsprogramm für ausländische Studierende.

Die Integration in das Erwerbsleben wird unter anderem gefördert durch das „Zukunftsprogramm Arbeit“, das Modellvorhaben Produktionsschule Lernwerk Kiel, das Projekt „Ausbildung und Integration für Migranten“ sowie den Leitfaden zur Anerkennung ausländischer Schul- und Berufsabschlüsse.

Die Integration vor Ort wird unterstützt durch das Bund-Länder Programm „Soziale Stadt“, den neuen Schwerpunkt „Stadtteilschule“ als einem Ort des Lernens und Lebens, die Soziale Wohnraumförderung oder die Errichtung und Änderung von kleineren Gewerbezentren oder Gewerbehöfen im Rahmen des Programms „Nachhaltige Stadtentwicklung“.

Wir verfügen also in Schleswig-Holstein über viele gute Instrumente, an deren Ergänzung, Verbesserung und Justierung wir jedoch noch ständig arbeiten müssen, um unserem Ziel einer nachhaltigen und umfassenden Integration näher zu kommen.

Aber wir sollten nicht vergessen, dass Integration ein zweiseitiger Prozess ist. Beide Seiten müssen aufeinander zugehen. Integration fordert unsererseits Toleranz für andere Lebensweisen, anderer

seits die Bereitschaft der Migrantinnen und Migranten, sich in unsere Gesellschaft eingliedern zu wollen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Darüber hinaus ist Integration eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Sie kann nur gelingen im Zusammenwirken von Verwaltung, Unternehmen, Verbänden, Vereinen, politischen und gesellschaftlichen Institutionen, Kirchen, Hilfe- und Selbsthilfeorganisationen, aber auch dem einzelnen Bürger. Die Politik kann lediglich Anstöße geben, Instrumente und Verfahren entwickeln, Hilfen und Schulungen anbieten, finanzielle Voraussetzungen schaffen. Zur erfolgreichenUmsetzung ist jeder von uns gefordert.

Schleswig-Holstein verfügt über eine lange und prägende Migrationstradition mit zahlreichen Beispielen erfolgreicher Integration. Aber sicherlich gibt es auch noch Mängel und Kritik, die es aufzuarbeiten gilt. Integration kann nicht verordnet werden. Sie erfordert nach wie vor Anstrengungen von allen, vom Staat und der Gesellschaft.

Abschließend möchte ich jedoch feststellen, dass wir uns in Schleswig-Holstein bei der Integration von Migrantinnen und Migranten auf einem guten Wege befinden.

Ich freue mich auf die Diskussionen im Bildungs-, im Sozial- und im Wirtschaftsausschuss und - federführend - im Innen- und Rechtsausschuss.

(Beifall bei CDU und SPD)

Für die Fraktion der SPD erteile ich Herrn Abgeordneten Klaus-Peter Puls das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der SPD-Landtagsfraktion bedanke ich mich ebenfalls bei der Frau Ministerin dafür, dass sie in Vertretung des Ministers den Bericht abgegeben hat.

Es stimmt: Schleswig-Holstein ist in Sachen Integrationspolitik und Integrationspraxis gut aufgestellt, war dies im Vergleich zu anderen Bundesländern auch schon in den vergangenen Jahren und wird es - das hoffen wir, und davon gehen wir auch aus - weiterhin bleiben. Denn genauso richtig ist die Ministerin hat darauf hingewiesen -: Es gibt weiterhin Handlungsbedarf. Integration ist eine dauerhafte Aufgabe, und - das will ich hinzufügen es bleibt eine besondere Herausforderung, sich die

(Wilfried Wengler)

ser Aufgabe nicht nur mit übergeordneten politischen Konzepten, sondern in alltäglicher gesellschaftlicher Praxis zu stellen. Denn nicht nur an Stammtischen und in kleinen, überschaubaren Rechtsaußen-Zirkeln findet ausländerkritisches, Ausländer abwehrendes, Ausländer ausgrenzendes Denken und Reden nach wie vor statt. Vorurteilsfreie Fremdenfreundlichkeit und Aufnahmebereitschaft sind auch mitten in unserer deutschen Gesellschaft keineswegs schon selbstverständliche Realität.

Als SPD-Fraktion und als Partei werden wir deshalb weiterhin darauf hinwirken, dass sich in der öffentlichen Meinung und im Bewusstsein der Bevölkerung generell die Überzeugung durchsetzt, dass Ausländer keine sozialen oder gar polizeilichen Sicherheitsrisiken sind, sondern in aller Regel Schutz, Wohnung und Arbeit suchende Mitmenschen, die unsere Gesellschaft, Kultur und Wirtschaft bereichern und denen wir Respekt, Hilfe und Unterstützung schulden.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Politisch bedeutet das für uns als SPD - ich nenne nur drei Punkte -: Erstens. Eine dauerhafte und nachhaltige Bleiberechtsregelung des Bundes bleibt überfällig. Wir begrüßen, dass unter Mitwirkung des damaligen schleswig-holsteinischen Innenministers Ralf Stegner im März 2007 endlich ein Bleiberechtskompromiss auf Bundesebene zustande gekommen ist. Der Übergang von der Kettenduldung zum befristeten Probeaufenthalt bis Ende 2009 ist allerdings noch keine wirklich substanzielle Veränderung. Wenn die Befristung nicht zur Galgenfrist werden soll - 2009 ist ja nicht mehr allzu weit entfernt -, muss der Zugang zum Arbeitsmarkt auch für nur geduldete ausländische Menschen erleichtert werden. Wir hoffen, dass das Aufenthaltsgesetz des Bundes in absehbarer Zeit zumindest insoweit stabilisierende Wirkung entfalten kann und Veränderungen bringt.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens. Wir erwarten, dass landesseitig wenigstens die im Bundesrecht schon vorhandenen begrenzten Möglichkeiten zur Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen aus humanitären Gründen nicht restriktiv, sondern ausländerfreundlich angewendet werden.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir erwarten, dass auch durch untergesetzliche Verfahren wirksame Schritte unternommen werden, um die Situation der bei uns lediglich geduldeten Flüchtlinge zu verbessern, und wir ermuntern unseren Innenminister ausdrücklich, durch konkrete Erlasse und notfalls durch Weisungen darauf hinzuwirken, dass die Entscheidungen aller schleswigholsteinischen Ausländerbehörden, soweit Ermessensspielraum vorhanden ist, nicht durch auch dort hin und wieder vorhandene latente Abwehrmechanismen, sondern durch Zuwendung und Aufnahmebereitschaft geprägt sind.

(Beifall bei der SPD)

Drittens komme ich zum Kern der heutigen Diskussion zu diesem Tagesordnungspunkt, der alle bei uns lebenden Menschen mit Migrationshintergrund betrifft. Wir begrüßen es, dass sich, ebenfalls unter entscheidender Mitwirkung des damaligen schleswig-holsteinischen Innenministers Ralf Stegner, Mitte 2007 der Bund und alle 16 Bundesländer erstmals auf gemeinsame Ziele und konkrete Handlungsschwerpunkte in Form eines Nationalen Integrationsplans verständigt haben. Das Integrationskonzept der Landesregierung und der dazu heute vorgelegte Bericht enthalten eine Fülle guter Ansätze zur Umsetzung der auf nationaler Ebene vereinbarten Landesselbstverpflichtungen. Die in Schleswig-Holstein schon vorhandenen konkreten Integrationsangebote bedürfen einer weiteren praktischen Erprobung und natürlich auch einer angemessenen finanziellen Ausstattung, für die wir allerdings nicht nur das Land, sondern auch die Kreise, Städte und Gemeinden in der Pflicht sehen.

Danken - mich insoweit Herrn Wengler und der Ministerin anschließend - möchte ich den Migrantenorganisationen, den kirchlichen und sozialen Verbänden, Einrichtungen und Initiativen, die sich in vielfacher Weise für die Integration der bei uns lebenden ausländischen Menschen engagieren. Sie sind weiterhin auf unsere nicht nur ideelle Unterstützung angewiesen.

Auf die in dem Bericht beschriebenen zwölf integrationspolitischen Handlungsfelder der Regierung heute näher einzugehen, ist nicht möglich. Die Gelegenheit dazu können und sollten wir in den Fachausschussberatungen nutzen.

(Beifall bei SPD und SSW)

(Klaus-Peter Puls)

Für die Fraktion der FDP erteile ich dem Oppositionsführer und Fraktionsvorsitzenden, Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki, das Wort.

(Zuruf: Sehr gut!)

Herr Kubicki, Sie haben das Wort!

(Thomas Stritzl [CDU]: Die Zeit läuft!)

Die Zeit läuft, aber meine Zeit läuft nicht ab, Kollege Stritzl.

(Beifall bei der FDP)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst vor wenigen Tagen bat die Kanzlerin zum dritten Integrationsgipfel nach Berlin. Es war der erste Gipfel zur Bewertung der Umsetzung der Maßnahmen, die im letzten Jahr als Nationaler Integrationsplan beschlossen wurden. Das Fazit verschiedener Migrantenverbände hierzu, auch von Vertretern aus Schleswig-Holstein, kann wie folgt zusammengefasst werden:

Erstens. Die Integrationsgipfel und der Integrationsplan haben dafür gesorgt, dass sich die Kommunikation zwischen Migrantenverbänden und Verwaltung oder Politik verbessert hat. Heute wird auf allen Ebenen mehr mit den Vertretern von Migrantenverbänden als über sie gesprochen.

Zweitens. Auch auf kommunaler Ebene, beispielsweise bei Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, herrscht eine größere Offenheit, wenn es um Integrationsthemen geht.

Drittens. Aber in vielen Bereichen mangelt es immer noch an der notwendigen finanziellen Unterstützung von Integrationsmaßnahmen.

Dass der Bericht der Landesregierung zu diesem Thema eine positive Bilanz zieht, ist natürlich nachvollziehbar. Er liest sich auf den ersten Blick auch wirklich gut. Man bekommt als Leser das Gefühl, Schleswig-Holstein kümmere sich intensiv um die Integration von Migranten. Dennoch gibt es Kritik der mit Integrationsfragen befassten Verbände, auch an der Umsetzung des Integrationsplans in Schleswig-Holstein: Auch in Schleswig-Holstein habe die neue Offenheit für Integrationsfragen immer noch nicht dazu geführt, dass man sich inhaltlich wirklich ernsthaft mit diesem Thema beschäftigt.

Reinhard Pohl, der Vorsitzender des Vereins Zentrale Bildungs- und Beratungsstätte für Migrantin

nen und Migranten, berichtet von einer Podiumsdiskussion mit Bürgermeistern zum Nationalen Integrationsplan. Von den zunächst 13 Bürgermeistern, die auf die Einladung hin zugesagt hatten und teilnehmen wollten, seien neun kurzfristig abgesprungen, und von den übrigen vier hätten drei noch nicht einmal in den Integrationsplan hineingeschaut. So kann ihnen natürlich nicht bewusst gewesen sein, dass sie sich eigentlich dafür stark machen müssten, dass mehr Jugendliche mit Migrationshintergrund einen Ausbildungsplatz in ihrer Verwaltung bekommen sollen. Dazu hatten sich im Übrigen die kommunalen Spitzenverbände im Nationalen Integrationsplan verpflichtet. Insoweit besteht also noch Aufarbeitungsbedarf.

Weitere Defizite werden bei der Umsetzung des Plans gesehen. Zum Beispiel sei kein einziger Bildungspate in Schleswig-Holstein bekannt. Für diese will der Bund ein Netzwerk aufbauen. Eine Aufgabe der Paten könnte es sein, Eltern auf Versammlungen im letzten Kindergartenjahr das komplizierte deutsche Schulsystem auf Türkisch oder Russisch zu erklären. Dies ist eine sinnvolle Idee, aber nicht mehr als das, wenn man dabei nur auf ehrenamtliche Helfer setzt.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Daran krankt nach Aussagen der Verbände oftmals auch der ganze Plan. Es werden gute Gespräche geführt, gute Ideen entwickelt, aber an der Umsetzung mangelt es dann.

Auch im Bericht finden wir an verschiedenen Stellen Programme, die sinnvoll erscheinen, die auch bereits seit mehreren Jahren laufen, die aber in der Ergebnisanalyse unkonkret bleiben. So dient das Städtebauförderungsprogramm „Soziale Stadt“ dazu, benachteiligte Wohnquartiere durch einen Umbau aufzuwerten. Da es sich bei diesen Stadtteilen zumeist um Gebiete handelt, die über einen überdurchschnittlich hohen Migrantenanteil verfügen, kommt dem Programm auch im Bereich der Integration eine gesteigerte Rolle zu. Welche Ergebnisse aber im Rahmen dieses Programms erzielt wurden, ist aus dem Bericht nicht ersichtlich.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir würden schon gern erfahren, wo welche konkreten Stadtteilumbauten durch dieses Programm durchgeführt wurden und welcher Erfolg sich eingestellt hat, beispielsweise um einer Ghettobildung in Wohnquartieren entgegenzuwirken. Welche Auswirkungen haben die Umbaumaßnahmen