Protocol of the Session on November 12, 2008

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke Herrn Abgeordneten Lars Harms. - Das Wort für die CDU im Landtag hat nun Herr Abgeordneter Jürgen Feddersen.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor zehn Jahren strandete der Holzfrachter „Pallas“ vor Amrum. Wie konnte es dazu kommen? Nach der Entdeckung eines Brandes in einer Ladeluke funkte der Kapitän auf der Höhe von Esbjerg SOS. Die Beamten im Zentralen Meldekopf in Cuxhaven hielten sich aufgrund der ihnen vorliegenden Informationen zunächst für nicht zuständig und blieben passiv. Der weitere Ablauf und die Folgen sind bekannt: 16.000 tote Seevögel, die im Öl

(Lars Harms)

verendeten, und Kosten von 28 Millionen DM, die zu einem Großteil von den deutschen Steuerzahlern aufgebracht werden mussten.

Das Thema „Sicherheit auf See“ ist zehn Jahre nach dem Unglück aktuell wie eh und je. Der deutlich zunehmende Seeverkehr und der Transport gefährlicher Güter stellen uns dabei vor neue Herausforderungen. Es wurden in den vergangenen Jahren durchaus Fortschritte erzielt. Ich denke hier insbesondere an das Havariekommando und das Maritime Sicherheitszentrum. Es wäre aber eine Fehleinschätzung, zu glauben, dass wir uns nun zurücklehnen können. Es sind nämlich noch längst nicht alle Fragen gelöst, und im Notfall kann es immer noch zu einem Kompetenzgerangel kommen.

(Beifall beim SSW)

Wir müssen also alles tun, um die Wiederholung eines solchen Unglücks zu verhindern. Schrittweise geht es ja voran. So hat der Deutsche Bundestag im Juni endlich verbesserte Ausschreibungsbedingungen für einen hochseetauglichen Notschlepper in der Deutschen Bucht beschlossen. Damit hat er sich gegenüber der Verwaltung im Bundesverkehrsministerium durchgesetzt, die einen geringeren Standard befürwortet hatte.

Ich war auf der Insel- und Halligkonferenz in Cuxhaven dabei. Da habe ich erfahren, dass rund 20 Millionen € für Gebäude und für Technik zur Verfügung gestellt werden. Ich glaube, das ist schon eine große Summe, die wir nicht unterschätzen sollten. Dass sie jetzt bereitgestellt werden soll, ist ein großer Fortschritt.

Gerade das Unglück der „Pallas“ zeigt, dass Sicherheit auf See oberste Priorität haben muss. Die Beschlussfassung des Deutschen Bundestages für diesen Notschlepper muss zügig umgesetzt werden. Wir dürfen keine Zeit verlieren.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Unser großes Ziel bleibt eine nationale Küstenwache. Das hat der Innenminister auch gesagt. Dies ist umso wichtiger, als auch auf europäischer Ebene weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit auf See vorbereitet werden. Wir in Deutschland sollten in diesem Bereich Vorreiter und auch europafähig sein.

Insofern möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich begrüßen, dass die Insel- und Halligkonferenz zum 10. Jahrestag des Unglücks eine hervorragende Tagung in Cuxhaven abgehalten hat. Dort wurde eindringlich an weitere Schritte erinnert. Vor allen

Dingen möchte ich an die ehrenamtlichen Verbände - ich denke etwa an die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste -, an die Kommunen vor Ort, aber vor allem auch unserer Landesregierung unseren Dank richten. Ministerpräsident, Umweltminister und insbesondere der jetzige Innenminister setzen sich dafür ein. Das möchte ich gern lobend erwähnen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Die Küstenwache sollte aus den maritimen Einheiten der Bundespolizei, des Zolls, der Schifffahrtsverwaltung sowie der Fischereiaufsicht und der Wasserschutzpolizei der Länder gebildet werden. Wir haben schon gehört, es gibt viele Behörden, viele Zuständigkeiten. Ich denke, dass das nicht sinnvoll ist. Wir sollten versuchen, das möglichst zusammenzuführen.

(Beifall beim SSW)

Nur so wird ein koordiniertes Eingreifen im Ernstfall auch wirklich gewährleistet. Einer muss den Hut aufhaben. Das ist nun einmal so im Leben.

Die Kooperation der am Küstenschutz beteiligten Behörden wird bereits weiter verbessert. So fahren zum Beispiel Bundespolizei und Zoll seit April auf der Nordsee erstmals gemeinsam Patrouille.

Insgesamt sind also Fortschritte zu verzeichnen, aber wir müssen am Ball bleiben und die notwendigen Maßnahmen umsetzen. Im Interesse des Umweltgedankens, aber auch im Interesse der Bevölkerung vor Ort und vor allen Dingen auch der Tourismuswirtschaft - das liegt mir besonders am Herzen - müssen wir alles tun, um höchstmögliche Gefahrenabwehr zu gewährleisten. „Pallas“ darf sich nicht wiederholen.

(Beifall bei CDU, SPD und SSW)

Ich danke Herrn Abgeordneten Feddersen. - Das Wort für die SPD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Detlef Buder.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber nordfriesischer Kollege, was bleibt mir noch zu sagen? Eigentlich nichts. Aus Dithmarscher Sicht kann man das natürlich besonders beleuchten. Besonders erfreut es mich nicht, wenn unser Innenminister sagt: Wir sind noch nicht am Ende des Weges angekommen. Es erfreut mich aber, wenn er gleichzeitig sagt: Wir machen weiter.

(Jürgen Feddersen)

Das ist die erste zentrale Aussage, die man nennen könnte. Nach der zehnjährigen Diskussion um den Unfall der „Pallas“ vor Amrum ist eines ganz entscheidend. Es ist uns gelungen, ein maritimes Sicherheitszentrum zu gründen. Es ist uns gelungen, die unterschiedlichen Zuständigkeiten zusammenzufassen. Das ist die eine Seite der Medaille. Es ist uns aufgrund des Widerstandes der niedersächsischen Landesregierung nicht gelungen, ein Havariekommando zusammenzusetzen, eine einheitliche Küstenwache zu gründen, die mit einem einheitlichen Kommando bei einem schwierigen Havariefall vorgehen könnte. Die niedersächsische Landesregierung ist in diesem Fall überhaupt nicht bereit, von ihrem Weg abzugehen.

Das ist jedoch der Weg, den wir gemeinsam in Zukunft beschreiten sollten. Alles andere in diesem Zusammenhang ist schon gesagt.

Es freut mich ganz besonders, dass die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordsee den Faden der Diskussion wieder aufnehmen will und in den nächsten beiden Wochen sowohl die Fraktion der CDU/CSU als auch die Fraktion der FDP im Bundestag besuchen will, um nochmals verstärkt darauf zu drängen, dass wir zu einem einheitlichen Vorgehen kommen. Dann kann ich den Innenminister und sein Ministerium nur unterstützen, den Weg fortzusetzen und genau an dieser Stelle weiterzumachen. Denn wir können es uns bei einem zweiten solchen Unfall nicht leisten, dass gerade an der Nordsee nicht mit einheitlicher Stimme gesprochen wird und irgendwelche Zuständigkeiten möglicherweise zerfasern. Es ist uns gelungen, auf Landesebene eine einheitliche Meinung zu erzielen. Die Niedersachsen müssten sich nun daran erinnern, dass auch sie an der Nordsee liegen, und an dieser Stelle weitermachen.

Ich bedanke mich. Ich habe meine Redezeit nicht ausgeschöpft.

(Beifall bei SPD und SSW)

Ich danke Herrn Abgeordneten Detlef Buder. - Das Wort für die FDP-Fraktion hat jetzt deren Vorsitzender, der Herr Abgeordnete Wolfgang Kubicki.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir kommen zum nächsten Untergang, an dem eine Schleswig-Holsteinische Landesregierung beteiligt war. Mit den treffenden Worten „Eine Folge von

Fehleinschätzungen, verspäteten Reaktionen und falschen Maßnahmen“ hätte der „sh:z“ zwar auch seine aktuelle Berichterstattung zur HSH Nordbank einleiten können. Im konkreten Fall handelt es sich aber um ein Zitat aus der Berichterstattung vom 28./29. Oktober 2008 über den vor zehn Jahren vor Amrum gestrandeten Holzfrachter „Pallas“. Auch in diesem Zusammenhang sind die Worte durchaus treffend, wenngleich ich die Schlussfolgerungen, die aus der ansonsten eher Angst schürenden Reportage gezogen werden, nicht teile.

Das sind die politischen Forderungen nach einer einheitlichen Küstenwache. Insofern bin ich dem SSW dankbar, dass er für heute dieses Thema auch für das Parlament aufgegriffen hat, um das Bild, das auf diese Weise in der Öffentlichkeit entstanden ist, wieder geradezurücken. Denn es trifft zu, dass seinerzeit im Fall „Pallas“ eine Reihe rechtlicher und tatsächlicher Möglichkeiten nicht genutzt worden sind, die zu einer positiven Bewältigung des Unglücks hätten beitragen können.

(Beifall bei FDP und SSW)

Zutreffend ist aber auch, dass in der Folge dieses Unglücks die notwendigen Konsequenzen gezogen worden sind und wir inzwischen seit 2005 über ein einheitliches Havariekommando, das Maritime Sicherheitszentrum in Cuxhaven, verfügen. Damit gibt es heute klare Kompetenzregelungen. Es gibt die erforderlichen Kooperationen. In Cuxhaven sind alle Fachbehörden für die maritime Notfallversorgung und das Notfallmanagement konzentriert.

Die Bundespolizei nimmt die grenzpolizeilichen Aufgaben wahr. Die Wasserschutzpolizeien der Länder kooperieren mit den Wasser- und Schifffahrtsdirektionen, den Wasser- und Schifffahrtsämtern, dem Maritimen Lagezentrum sowie dem Havariekommando. An den notwendigen Strukturen eines einheitlichen Kommandos hapert es im Notfall nicht. Faktisch ist die Küstenwache da. So wie sie heute aufgestellt ist, wird sich ein Desaster, wie wir es seinerzeit mit dem damaligen Umweltminister Rainder Steenblock erleben mussten, nicht wiederholen.

(Beifall bei der FDP)

Statt Initiative für das Land zu ergreifen, hatte er lieber auf das Handeln Dritter vertraut.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer vor diesem Hintergrund trotzdem noch nach einer weiter gehenden Kompetenzbündelung ruft, wer nach einer einheitlichen Küstenwache nach amerikanischem Vorbild ruft, dem widerspreche ich an dieser Stelle

(Detlef Buder)

ausdrücklich, nicht nur weil unser Grundgesetz in Artikel 87 in Verbindung mit dem Bundespolizeigesetz hierfür eindeutige Vorgaben enthält und zwischen den Aufgaben von Bund und Ländern im Bereich innerhalb und außerhalb des deutschen Küstenmeeres an Nord- und Ostsee klar und eindeutig unterscheidet. Würde es einer besseren Lösung dienen, ließe sich auch eine Verfassung gegebenenfalls ändern.

Eine Aufgabenwahrnehmung á la Coast Guard in den USA ist für die Bundesrepublik Deutschland aber keinesfalls eine bessere Lösung. Im Gegenteil, sie gefährdet unser föderales System; denn eine derartige Zusammenfassung bringt nicht nur eine Vermischung bislang klar strukturierter, weil getrennter Aufgaben mit sich, es findet auch eine Mischung von äußerer - militärischer - und innerer polizeilicher - Sicherheit statt. Genau das darf nicht sein.

(Beifall bei der FDP)

Ich wundere mich ohnehin, liebe Kolleginnen und Kollegen von SSW oder von den Grünen, dass in bestimmten Debatten, die inhaltlich durchaus kontrovers diskutiert werden können, durch die Hintertür Einfallstore für den Einsatz der Bundeswehr im Innern geschaffen werden. Ich bitte wirklich, darüber nachzudenken.

Es wäre im Übrigen auch ein Irrglaube, anzunehmen, dass mit einer neuen Superbehörde ein effektiverer Küstenschutz möglich wäre. Spannungen und Probleme zwischen den zur Zusammenarbeit gezwungenen Behörden sind geradezu vorprogrammiert, abgesehen davon, dass ein neuer Behördenzweig die alten Behörden erfahrungsgemäß nicht vollständig überflüssig macht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Küstenschutz ist auch Kooperation. Das Maritime Sicherheitszentrum ist ohne Zweifel ein gelungenes Beispiel dafür, wie man im föderalen System zusammenarbeiten kann. Bei der Fußballweltmeisterschaft - um ein anderes Beispiel zu nennen - hat diese Bund-Länder-Zusammenarbeit übrigens auch ganz hervorragend geklappt. Ich bin daher davon überzeugt, dass mit der Einrichtung des einheitlichen Havariekommandos in Cuxhaven die erforderlichen Konsequenzen aus dem „Pallas“-Unglück bereits gezogen und auf eine solide Basis gestellt worden sind. Natürlich schließt das Verbesserungen im System nicht aus. Aber die kooperative Grundausrichtung stimmt.

Wenn wir zehn Jahre nach „Pallas“ vor etwas Angst haben sollen - um abschließend im Bild der

FAZ zu bleiben -, dann nicht davor, dass im Unglücksfall nicht gehandelt werden kann. Angst haben kann man allenfalls davor, dass vor lauter Angst Grundwerte unserer Verfassung unnötig zerschlagen werden könnten.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege Feddersen, lassen Sie mich abschließend sagen: Ich bin mir nicht sicher, ob es gelungen wäre, bei der Ausschreibung eines Schleppers auf der Nordsee den Erfolg zu erzielen, den wir erzielt haben, wenn es eine einheitliche Küstenwache unter Bundesführung bereits gegeben hätte.

(Beifall bei der FDP)