Protocol of the Session on November 12, 2008

Insgesamt ist es immer schon so gewesen - das ist auch nach wie vor so -, dass Schleswig-Holstein im Vergleich zu westlichen Bundesländern, was das Einkommensniveau angeht, unter dem Durchschnitt liegt. Daran hat sich nichts verändert. Allerdings wäre tatsächlich für eine weitere Diskussion der Vergleich zu den westlichen Bundesländern entscheidender. Was die Hintergründe angeht, müsste man tatsächlich umfangreiche Wirtschaftsstruktur, Struktur der Arbeit, Qualität der Arbeit und Bil

(Peter Sönnichsen)

dungssystem diskutieren. Das sind alles Diskussionen, die wir hier ausführlich geführt haben.

Um diese Entwicklungsunterschiede auszugleichen, ist es richtig gewesen und ist es weiterhin richtig, dass wir in Schleswig-Holstein darauf gesetzt haben, Investitionen in Bildung zu tätigen. Da sind wir immer noch nicht auf dem Niveau angelangt wie andere Bundesländer. Auch hier ist mit Sicherheit auch zukünftig noch Nachbesserungsbedarf. Aber wir haben eine ganze Reihe von Maßnahmen getroffen, die etwas an der Struktur verändern. Man kann gerade den Erfolg von Bildung nicht nur an Zahlen messen. Insofern bin ich zuversichtlich, dass wir hier auf dem richtigen Weg sind. Das gilt auch für Investitionen - in erster Linie aus meiner Sicht, das habe ich schon mehrfach gesagt in Infrastruktur statt in einzelbetriebliche Förderung.

(Beifall des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

Auch das ist ein Punkt, auf den wir sicherlich in weiteren Verhandlungen noch mehr Wert legen müssen. Das wird für uns in Schleswig-Holstein ganz entscheidend dafür verantwortlich sein, dass wir uns weiter fortbewegen können. Das betrifft auch den weiteren Ausbau des Technologiestandorts Schleswig-Holstein. Hier hat sich in den vergangenen zehn bis fünfzehn Jahren viel getan, sodass wir als Technologiestandort auch in der Wahrnehmung von außen einen ganz anderen Stellenwert bekommen haben.

Ich will nicht weiter auf die einzelnen Zahlen eingehen, sondern noch mal ein Thema in den Mittelpunkt stellen: Obwohl diese Kurve im Berichtszeitraum etwas abflachte, ist der Anteil der geringfügig Entlohnten angestiegen. Die Anzahl der geringfügig Beschäftigen ist allerdings aus meiner Sicht und aus der Sicht meiner Fraktion zu hoch. Auch mit Blick auf die Stundenlöhne wird klar, dass zum Teil Löhne gezahlt werden, die sittenwidrig und gesetzeswidrig sind.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Unglücklicherweise können sich die Beschäftigten in diesem Bereich über die üblichen Wege nicht so zu Wehr setzen, wie dies Menschen können, die sich in diesem Rechtssystem etwas souveräner bewegen.

Der Anteil der Teilzeitbeschäftigten ist angestiegen; das ist meiner Meinung nach grundsätzlich positiv. Allerdings ist der Anteil der teilzeitbeschäftig

ten Männer nur leicht angestiegen. Insofern kann ich die Euphorie des Herrn Wirtschaftsministers nicht in Gänze teilen. Es ist nämlich nach wie vor so, dass in erster Linie Frauen - mit all den Konsequenzen für ihre Qualifikation, ihr Einkommen, ihre Alterseigensicherung - in Teilzeitbeschäftigung einen größeren Anteil ausmachen. Wenn wir über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf reden, dann stelle ich mir darunter vor, dass sich beide Partner dafür entscheiden können, in Teilzeitbeschäftigung zu gehen, um am Erwerbsleben und Alterseinkommen gleichmäßig Anteil zu haben.

(Beifall der Abgeordneten Sandra Redmann [SPD] - Dr. Heiner Garg [FDP]: Das muss doch jeder für sich selber entscheiden!)

- Ja, das muss jeder für sich selbst entscheiden, aber es gibt Regelungen im Steuerrecht, bei der Berechnung von Versicherungstarifen und bei anderen Punkten, die diese Strukturen auf dem Arbeitsmarkt verfestigen.

Ich möchte an dieser Stelle ein bisschen Wasser in den Wein gießen, was das Elterngeld angeht. Auch das Elterngeld, das im Zusammenhang mit der Teilhabe von Männern am Familienleben so hoch gelobt wird, ist so angelegt, dass die Paare, die sich dafür entscheiden, ihre Arbeitszeit zu reduzieren, im Vergleich zu den Paaren, bei denen nur ein Partner das Einkommen sichert, benachteiligt werden. Das finde ich von der Struktur her grundsätzlich falsch. Das ist mit Sicherheit nicht das gute Vorbild für das, was wir im gesellschaftlichen Leben eigentlich wollen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich danke der Frau Abgeordneten Birgit Herdejürgen und erteile für die FDP-Fraktion dem Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Kubicki das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bedanke mich außerordentlich bei den Grünen, dass sie das Thema „schrumpfende Mittelschicht“ hier im Landtag zur Sprache bringen.

(Beifall bei der FDP)

Und ich bedanke mich bei der Landesregierung für die Erstellung des Berichts über die Einkommensund Vermögensentwicklung in Schleswig-Holstein.

(Birgit Herdejürgen)

Die Zahlen, die die Landesregierung hier vorlegt, sind schlicht schockierend. Denn im Grunde genommen lassen sie sich auf die einfache Formel bringen: Nach zehn Jahren Regierungsbeteiligung der Grünen in Schleswig-Holstein geht es den Menschen schlechter.

(Beifall bei FDP und CDU)

In dem Zeitraum, über den die Landesregierung hier berichtet - es ist der Zeitraum 1996 bis 2005, also genau die Regierungsbeteiligung der Grünen kennen sämtliche Indikatoren nur eine Richtung: nach unten.

(Zuruf der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

- Frau Kollegin Spoorendonk, man muss sich gelegentlich mit den Fakten auseinandersetzen. Es reicht nicht aus, das Gute immer nur zu meinen. Man muss auch Gutes tun.

Das Primäreinkommen, also das Einkommen ohne staatliche Transferleistungen, je Einwohner wuchs zwischen 1996 und 2005 im Bundesdurchschnitt 2,5-mal stärker als in Schleswig-Holstein. In den Jahren 2002 und 2003 gingen die Primäreinkommen in Schleswig-Holstein sogar absolut zurück.

Während das durchschnittliche Primäreinkommen pro Einwohner in Schleswig-Holstein 1996 noch über dem Bundesdurchschnitt lag, lag es 2005 ganze 976 € unter dem Bundesdurchschnitt. Die haushaltsbezogene Betrachtung, also inklusive der weiteren Familienmitglieder, zeigt einen noch dramatischeren Befund: Das Primäreinkommen je Haushalt lag im Jahr 2004 in Schleswig-Holstein 2.500 € unter dem Bundesschnitt. Von 1996 bis 2004 wuchs das Haushaltsprimäreinkommen in Schleswig-Holstein 3,6-mal langsamer als im Bundesschnitt.

Auch für die Arbeitnehmer war die rot-grüne Regierung in Schleswig-Holstein eine Katastrophe. Während das durchschnittliche Arbeitnehmerentgelt in Schleswig-Holstein im Jahr 1996 noch 471 € über dem Bundesdurchschnitt lag, ergibt sich für 2005 ein genau gegenteiliges Bild: 2005 lag das durchschnittliche Arbeitnehmerentgelt in Schleswig-Holstein 376 € unter dem Bundesdurchschnitt.

(Zuruf des Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD])

Damit hat der schleswig-holsteinische Arbeitnehmer im Vergleich zum bundesdeutschen Arbeitnehmer dank Rot-Grün 844 € verloren. - Herr Kollege

Neugebauer, irgendetwas muss die rot-grüne Regierung doch bewirkt haben. Sie haben doch dauernd erklärt, dass Sie eine hervorragende und erfolgreiche Wirtschafts- und Sozialpolitik betrieben haben. Das muss sich in den Zahlen doch irgendwann widerspiegeln. Die Zahlen sagen aber das genaue Gegenteil.

(Beifall bei FDP und CDU)

Und von diesem enormen Rückgang der Einkommen unter Rot-Grün sind insbesondere die Alleinerziehenden- und Mehr-Kinder-Haushalte betroffen. Denn von der unterdurchschnittlichen Entwicklung des Primäreinkommens in Verbindung mit dem überproportional hohen Anstieg bei den Verbraucherpreisen sind diese in besonderem Maß betroffen. Besonders schlimm ist, dass der Anteil der Kinder unter 15 Jahren, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, in den Jahren 1996 bis 2005 trotz gestiegener Beschäftigungsentwicklung nicht gesunken ist. Oder anders ausgedrückt: Die Grünen in Regierungsverantwortung haben die Armutsgefährdung der Kinder in Schleswig-Holstein erhöht.

(Beifall bei der FDP)

Doch nicht nur die Arbeitsentgelte haben sich unterdurchschnittlich entwickelt: In den Jahren 1996 bis 2005 hat eine deutliche Verlagerung von der Erwerbstätigkeit hin zum Beziehen von Sozialleistungen stattgefunden. Im Jahr 2005 war für 39,73 % der schleswig-holsteinischen Bevölkerung die Erwerbstätigkeit die wesentliche Einkommensquelle; 1996 waren es noch 2 Prozentpunkte mehr.

Im Gegensatz dazu nahm der Anteil der Bevölkerung, die ihr Einkommen aus Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe bezog, von 1996 bis 2005 um 1,5 % zu. Mit anderen Worten: Die Grünen in Regierungsverantwortung haben den Anteil der Erwerbstätigen an der Bevölkerung reduziert und den Anteil der Menschen, die von staatlichen Transferleistungen leben müssen, erhöht.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das war die erfolg- reiche Sozialpolitik!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, Sie haben mit diesem Bericht eine Bilanz Ihrer Regierungstätigkeit gefordert, und Sie haben diese Bilanz heute bekommen. Wenn Sie heute die „schrumpfende Mittelschicht“ in Schleswig-Holstein beklagen, dann beklagen Sie sich gefälligst bei sich selbst. Denn Sie haben dafür gesorgt, dass die Mittelschicht in Schleswig-Holstein geschrumpft ist.

(Beifall bei der FDP)

(Wolfgang Kubicki)

Und ganz offenbar wollten Sie genau das erreichen. Das Land befindet sich am Rande einer Rezession, und Ihnen fällt heute nichts Besseres ein, als hier zu fordern, die Steuern zu erhöhen. Sie wollen doch mit Ihrer Politik permanent, dass die Mittelschicht schrumpft.

Sie haben sich gegen Infrastrukturmaßnahmen ausgesprochen, die notwendig gewesen wären, um das wirtschaftliche Wachstum in Schleswig-Holstein zu generieren. Sie haben in Ihrer Regierungsverantwortung Infrastrukturmaßnahmen verzögert.

(Beifall bei FDP und CDU)

Liebe Grüne, lesen Sie diesen Bericht, schauen Sie sich Ihre Regierungsbilanz an und verschonen Sie uns zukünftig mit Ihren Vorschlägen, die die wirtschaftliche Entwicklung bremsen und damit das Einkommen der Schleswig-Holsteiner verringern. Denn eines ist zutreffend: Ohne wirtschaftliches Wachstum werden die Menschen nicht wohlhabender und wird unser Haushalt nicht saniert werden. Deshalb wäre es vielleicht besser, wenn Sie zu bestimmten Fragestellungen schweigen würden.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich danke Herrn Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Kubicki und erteile für den SSW im Landtag der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte mich für den Bericht bedanken. Ich muss allerdings gestehen, dass ich mir unter einer Studie oder einer Untersuchung zur Einkommens- und Vermögensentwicklung im Land etwas anderes vorstelle.

(Martin Kayenburg [CDU]: Was denn?)

Dieser Bericht umfasst nur eine Zusammenstellung von Zahlen in Rohform. Er bietet nur wenige statistische Kennziffern und noch weniger Erläuterungen. Ich hoffe stark, dass die Landesregierung auf einer aufgeklärteren Grundlage Politik macht. Denn ansonsten hieße die notwendige Schlussfolgerung, dass sich diese Landesregierung nicht sonderlich für die Einkommens- und Vermögensverteilung in Schleswig-Holstein interessiert.

(Martin Kayenburg [CDU]: Sie haben doch die Zahlen!)

Der Bericht ist dünn, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn es darum geht, die Frage zu beantworten, wie sich die Entwicklung des Realeinkommens auf bestimmte Einkommensgruppen auswirkt. Oder um es plakativer zu sagen: Das Kapitel zu den armutsgefährdeten Gruppen ist ein Armutszeugnis.