Aus diesem Grund - das ist jedenfalls meine Überzeugung - müssen wir das Rad nicht immer wieder neu erfinden. Im ländlichen Raum ist ein geteilter Verkehrsraum im Übrigen schon längst keine Seltenheit mehr.
Außerdem ist nach der Straßenverkehrsordnung auch die Anordnung von verkehrsberuhigten Bereichen, den sogenannten Spielstraßen, wie wir sie ja vielfach haben, möglich, die ebenfalls aus einer Mischverkehrsfläche bestehen. Hierzu eignen sich jedoch nur kleinräumige Bereiche mit überwiegender Aufenthaltsfunktion.
Außerhalb solcher Spielstraßen ist die Einrichtung von Mischverkehrsflächen nach dem Shared-SpacePrinzip unter Aspekten der Verkehrssicherheit zumindest problematisch.
Wie sieht denn die Realität aus? Bereits in Tempo30-Zonen stößt der Abbau von dann nicht mehr erforderlichen Verkehrszeichen, Zebrastreifen und Ampeln oft auf erhebliche Widerstände in der Bevölkerung. Dies gilt in erster Linie für die Schulwegsicherung. Wenn zudem auch noch auf die wichtige Schutzfunktion von unterschiedlichen Verkehrsflächen verzichtet werden soll, dürfte sich - das ist jedenfalls meine Einschätzung - die Begeisterung über solche Vorhaben in vielen Gemeinden verständlicherweise in deutlichen Grenzen halten.
Damit möchte ich nicht behaupten, dass SharedSpace-Konzepte nach geltendem Recht unzulässig wären. Die Straßenverkehrsordnung fördert sogar einen möglichen Schilderabbau, indem die Zulässigkeit von Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen von einer außergewöhnlichen Gefahrenlage abhängig gemacht wird. Angesichts häufiger Wünsche von Bürgern nach zusätzlichen Verkehrszeichen, Zebrastreifen und Ampeln habe ich jedoch starke Zweifel, ob sich der - an sich sicherlich begrüßenswerte - Abbau von Schildern im Straßenverkehr unter dem Deckmantel eines SharedSpace-Konzepts - also nicht nur in Form einer Tempo-30-Zone - verkaufen ließe.
Besonders kritisch wird die Sache, wenn in ein Shared-Space-Konzept - dieses Wort ist fast schon ein Zungenbrecher - auch innerörtliche Hauptverkehrsstraßen einbezogen werden sollen. Dies wäre ein Widerspruch. Die Verkehrsfunktion von stark belasteten Straßen verträgt sich nicht mit dem Prinzip einer Mischverkehrsfläche ohne Verkehrszeichen. Damit kann weder den Erfordernissen eines zügigen Verkehrsablaufs noch den Sicherheitsbelangen von schwächeren Verkehrsteilnehmern Rechung getragen werden.
Ein flächendeckendes willkürliches Tempolimit wäre nur eine rechtswidrige Mogelpackung zur Außerkraftsetzung der Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung - oder, wie ich es heute in den „Lübecker Nachrichten“ gelesen habe, das klammheimliche Einführen einer Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h.
Dies würde meines Erachtens im Übrigen auch den Grundprinzipien eines - auch von mir positiv bewerteten - Shared-Space-Konzepts widersprechen.
Angesichts sehr unterschiedlicher örtlicher Gegebenheiten kann die Landesregierung vom Grünen Tisch aus keine Patentrezepte für eine Umsetzung kommunaler Shared-Space-Konzepte geben.
(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann sollten Sie wenigstens nicht dagegen sein! - Zuruf der Abgeordne- ten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Die für den Straßenbau zuständigen Behörden und die Straßenverkehrsbehörden sind durchaus in der Lage - und das betone ich hier -, in eigener Verantwortung objektiv darüber zu entscheiden, welche verkehrlichen Konzepte unter Berücksichtigung verschiedener Interessengruppen und der jeweiligen räumlichen Gegebenheiten sinnvoll und realisierbar sind.
Aber eines muss hier unmissverständlich klar sein: Alle Shared-Space-Konzepte müssen sich im Rahmen des geltenden Straßenverkehrsrechts des Bundes bewegen. Ich kann auch nur dringend davor warnen, erste Erfahrungen aus einzelnen Projekten, wie etwa aus der niedersächsischen Gemeinde Bohmte - die ich im Übrigen kenne - ohne nähere Prüfung voreilig für allgemeingültig zu erklären. Man muss einmal studieren, wie sich dies dort in der Realität darstellt.
Bei der Realisierung von Shared-Space-Konzepten wird es sich stets um maßgeschneiderte Lösungen handeln müssen, die in gemeinsamer Verantwortung von Gemeinden, Straßenbaulastträgern sowie Straßenverkehrsbehörden zu erarbeiten sind.
Das Verkehrsministerium wird solchen Projekten und hier bitte ich, zuzuhören - grundsätzlich nicht im Wege stehen, wenn dabei das Bundesrecht be
(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie das bitte Ihren Behör- den auch einmal, damit sie sich auch so ver- halten! Mehr wollen wir nicht! - Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich will noch einmal zur linken Seite hier sagen, dass es schon nett wäre, wenn man die Leute in Ruhe reden ließe.
sind Straßenverkehrsbehörden und Straßenplanungen von einem Auto fahrenden Männertypus in den mittleren Jahren geprägt.
Schauen wir doch einmal, gegen welche Entscheidungen diese Herren in den letzten Jahren immer wieder gewesen sind. Sie waren gegen Kreisel. Diese Herrschaften fahren offenbar alle nicht selbst mit dem Fahrrad, denn sonst würden unsere Städte fahrradtechnisch nicht so aussehen, wie sie heute aussehen. Sie waren - das hat Herr Hentschel schon erwähnt - gegen die Einführung der berühmten Kreisel. Sie waren gegen Fahrradspuren, sie waren gegen Hinweise auf Gaststätten und Ähnliches, wie sie inzwischen auf vielen Schildern in grüner Schrift zu finden sind et cetera. Man kann sagen, dass Neuerungen für diese Bediensteten im öffentlichen Dienst offensichtlich stets ein Gräuel sind.
Das zeigt sich auch bei dem offenbar bekannt gewordenen Schriftverkehr, den das Ministerium führt. In der Presse war zu lesen, dass laut einem Schreiben des Verkehrsministeriums die Einrichtung von Mischverkehren nach dem Shared-Space
Prinzip besonders in Kiel „unter Verkehrssicherheitsaspekten als äußerst problematisch“ beschrieben wird.
Ich darf noch einmal etwas zum innerstädtischen Shared-Space-Konzept sagen: Es ist eine Entschleunigung der Verkehre, und es führt zu einer erhöhten gegenseitigen Rücksichtnahme. Das sind die ersten, aus meiner Sicht sehr positiven Beispiele, Auswertungen und Erfahrungen aus diesen Projekten. Ich will, dass unsere zentrale Verkehrsbehörde, wenn Kommunen sich dafür entscheiden, dort voranzugehen und solche Konzepte umzusetzen, ihnen zumindest keine Knüppel zwischen die Beine wirft.
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD - Martin Kayenburg [CDU]: Das sind Spekulationen! Das müssen Sie erst noch beweisen!)
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, den Antrag Drucksache 16/2213 an den Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist mehrheitlich so beschlossen.
Dann eröffne ich die Aussprache und erteile für die antragstellende FDP-Fraktion das Wort Herrn Abgeordneten und Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Kubicki.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß gar nicht, ob wir uns angesichts so bedeu
tungsvoller Themen mit so wenig wichtigen Fragen beschäftigen sollten, wie es der Schutz der Privatsphäre von Berufsgeheimnisträgern ist. Wir haben heute Morgen eine ausgiebige Debatte über den Datenschutz geführt. Dass Datenschutz und das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung Parallelen aufweisen, ist auch jedem Nichtjuristen bekannt. Wenn jemand seinen Arzt oder seinen Rechtsanwalt aufsucht, dann handelt es sich dabei meist um höchst persönliche und private Sachverhalte, die keinem Dritten zu Ohren kommen sollen. Voraussetzung ist eine absolute Vertraulichkeit, die in der strafbewehrten Schweigepflicht der Anwälte und Ärzte mündet.
Der Bundesgesetzgeber hat erkannt, dass es Vertrauensverhältnisse gibt, die von so überragender Natur sind, dass es sie zu schützen gilt. Er zählt nicht ohne Grund in § 53 der Strafprozessordnung bestimmte Berufsgruppen wie Strafverteidiger, Rechtsanwälte, Geistliche, Abgeordnete, Journalisten und Ärzte, aber auch andere Berufsgruppen wie Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendpsychotherapeuten oder Hebammen auf, denen aufgrund des bestehenden Vertrauensverhältnisses zu einem Beschuldigten ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht.
Diese Systematik wird nun in § 160 a der Strafprozessordnung durchbrochen. Seit dem 1. Januar 2008 gibt es in der Strafprozessordnung den neuen § 160 a. Dieser enthält eine Schutzvorschrift für Berufsgeheimnisträger und umfasst ein Erhebungsund Verwertungsverbot für alle Informationen dieser Berufsgruppen - allerdings nicht für alle Berufsgeheimnisträger.
Für Strafverteidiger, Abgeordnete und Geistliche gilt, dass eine Ermittlungsmaßnahme, die sich gegen eine der genannten Personen beziehungsweise gegen einen von ihnen betreuten Mandanten oder Klienten richtet, grundsätzlich unzulässig ist. Dennoch erlangte Erkenntnisse dürfen nicht verwendet werden. Aufzeichnungen hierüber sind unverzüglich zu löschen. Die Tatsache ihrer Erlangung und der Löschung der Aufzeichnungen ist aktenkundig zu machen.