Protocol of the Session on September 10, 2008

Und wir müssen dafür sorgen - und ein reiches Land wie Deutschland kann das -, dass auch in Schleswig-Holstein kein Kind ohne warme Mahlzeit bleibt.

(Beifall bei der SPD)

Zu diesem Weg haben uns Fachleute in Gesprächen noch einmal ausdrücklich ermuntert. Der volkswirtschaftliche Nutzen amortisiert schnell die Anfangsinvestitionen, so wie das die Bildungsministerin vor einigen Monaten zu Recht von diesem Rednerpult aus festgestellt hat.

Lassen Sie mich an dieser Stelle auch kurz auf die Debatte über die Kosten der Schulreform eingehen! Klar ist, dass diejenigen Schulträger, die sich stetig und konsequent um die Instandhaltung und Entwicklung der Schulen in ihrem Verantwortungsbereich gekümmert haben, heute viel bessere Ausgangsbedingungen haben als diejenigen, die seit Jahrzehnten einen Investitionsstau vor sich herschieben.

Klar ist auch, dass die Kommunen vom Bund erhebliche Mittel für Kinderbetreuung in Sachen U 3 und Ganztagsschulen bekommen haben und bekommen werden. Klar ist aber auch, dass wir als Land unsere rechtlichen Verpflichtungen erfüllen. Wenn die Verfassung das Konnexitätsprinzip vorsieht, dann wird es auch beachtet. Wir sollten aber vermeiden, dass Kommunen unter Berufung auf die Schulstrukturreformen Rechnungen an das Land schicken, die bei näherem Hinsehen gar nichts mit den neuen Schulformen zu tun haben.

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Sylvia Eisenberg [CDU])

Das Land leistet mit seinem Schwerpunkt „Sicherung der Unterrichtsversorgung“ einen großen Beitrag. Das schlägt sich in 675 neuen Lehrerstellen im Jahr 2009 und weiteren 255 im Jahr 2010 nieder, und auch in dem Fonds von über 12 Millionen € zur Vermeidung des Unterrichtsausfalls. Ich weiß, dass hier in der Feinsteuerung noch mancher Verdruss auszuräumen ist, es bleibt aber ein enormer Kraftakt.

Bildung ist zu wichtig, um damit politische Ränke zu schmieden. Wir haben viel vor in unserem Land. Das können wir nur gemeinsam - Land und Kommunen - schaffen. Die Kommunen als Schulträger sollten ebenso wie das Land ihre Prioritäten so set

(Dr. Ralf Stegner)

zen, dass Kinder faire Bildungschancen haben und später einen guten Start ins Berufsleben.

Wer Schwerpunkte setzt, muss sich darüber klar sein, dass andere Dinge dann nur im geringeren Maß gefördert werden können. Das Vorziehen von Bildung als Priorität Nummer eins hat Posterioritäten zur Folge. Das ist ein lateinisches Stiefgeschwisterwort, das fast niemand kennt und niemand liebt.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Doch!)

- Schön, dass Sie es kennen!

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Obwohl er nicht in Havard war!)

- Nein, da gibt es strenge Aufnahmeformalitäten!

(Heiterkeit)

Wir sprechen heute über einen Landeshaushalt von rund 12 Milliarden €, davon 1 Milliarde und 50 Millionen € allein für Zinsen im Jahr 2009. 2010 werden es noch mehr sein.

Ich bin, wie Sie wissen, kein Anhänger eines absoluten Verschuldungsverbots. Eine schlichte Selbstfesselung von Parlamenten - übrigens in ihrem Königsrecht - ist ein Armutszeugnis für unsere Verantwortungsbereitschaft und beschleunigt nur den Ansehensverlust von Politik. Ein Staat muss in der Lage sein, notwendige Zukunftsausgaben zu finanzieren und auf konjunkturelle Schwankungen zu reagieren. Wenn die Zinsen jedoch - wie im Haushalt von Schleswig-Holstein - so hoch sind, dass sie den Haushaltsgesetzgeber knebeln, gibt es dringenden Handlungsbedarf. Das Haushaltsdefezit Schleswig-Holstein hat viel mit strukturell bedingten geringeren Einnahmen und strukturell bedingten Mehrausgaben zu tun. Das sind mehrere 100 Millionen €, die andere Länder für Lehrer und Polizisten einsetzen können. Deswegen ist es richtig, dass Schleswig-Holstein in der Förderalismuskomission - übrigens gemeinsam - darauf dringt, dass die strukturellen Nachteile mit solidarischer Hilfe bei unseren Altschulden ausgeglichen werden.

Aber ich sage auch: Wenn wir Solidarität von anderen erwarten, müssen wir selbst unsere Hausaufgaben machen und Einsparungen dort erwirtschaften, wo es sinnvoll ist und wo uns niemand daran hindert.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Wir können nicht mit weniger Bildung und Wissenschaft oder mit weniger innerer Sicherheit solche Strukturdefizite ausgleichen. Das wäre politisch ab

solut verantwortungslos und kontraproduktiv. Dazu reicht die SPD-Fraktion auch nicht die Hand.

Aber bei Bürokratieabbau und Posten, da können wir schon sparen. Schleswig-Holstein hat mit der Verwaltungsstrukturreform hier einen richtigen Weg beschritten. Davon sollten wir nicht abrücken. Wenn wir nicht einmal diese Reform bewältigen, werden wir uns schwertun, uns als zukunftsfähiges und entscheidungsfähiges Land zu präsentieren. Die Reform auf Ämterebene hat bewiesen, dass es geht: 15 Millionen € mindestens jährlich mehr in den kommunalen Kassen. Leicht war das nicht, und allein mit Lob ging das auch nicht. Aber es ging. Ich habe mit Respekt vor der Tatkraft von Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern, die mächtig etwas getan haben. Ich erwarte das aber auch von der Kreisebene ganz genauso, auch wenn das ebenso wenig einfach ist.

(Beifall bei der SPD)

Aber ich sage Ihnen, die Sie darauf setzen, dass es scheitert, und die Schwarzen Peter verteilen: Auch in der SPD ist es mehr ein Kopf- als ein Herzthema. Das weiß ich wohl, übrigens für mich selbst auch.

Aber wenn wir den Willen haben, Einsparungen zu maximieren und nicht zu minimieren, was wir in der Koalition glasklar vereinbart haben, dann ist viel mehr möglich als neuerliche Rechnungen uns weismachen wollen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Der damalige Innenminister, den ich persönlich ganz gut kenne, hat Potenziale errechnen lassen, die vom gesamten Kabinett beschlossen worden sind und die von mehreren Gutachten unabhängig voneinander eindeutig bestätigt worden sind, die sogar gesagt haben, der Stegner war eher konservativer. Und andere in anderen Ländern - ob in CDU- oder in SPD-Verantwortung - haben das auch erreicht. Je mehr man jedoch die Annahmen verändert und Reformgegnern Konzessionen macht, desto geringer werden die Potenziale.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Und wenn ich so manche Kommentare heute in der Zeitung lese, dann ist es offenbar nicht begriffen worden.

Ich hoffe und erwarte - ich sage das für die SPDFraktion in allem Ernst -, dass beide Partner dieser Regierungspolitik die Kraft haben, diesen vierten Schwerpunkt der Regierungskoalition - neben Arbeit, Bildung und Haushaltskonsolidierung - nicht

(Dr. Ralf Stegner)

leichtfertig zu opfern. Die Rechnung dafür müssten die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes bezahlen.

(Beifall bei der SPD)

Es kann nicht sein, dass wir am Widerstand von Parteifunktionären scheitern. Die SPD-Fraktion erwartet, dass unsere bestehenden Vereinbarungen vom Dezember eingehalten werden, wo wir einen großen Kompromiss in Sachen Revisionsklausel zum Thema Kooperation statt Fusion gemacht haben, und wir sind mehr auf unseren Koalitionspartner zugegangen. Ich sage Ihnen, die Sozialdemokraten haben die Kraft, das zu tun, was wir gemeinsam vereinbart haben.

Übrigens, lieber Herr Kollege Wadephul, verfassungskonform macht das unser Innenminister Lothar Hay allemal. Das dürfen Sie ganz bestimmt glauben. Dieser Mahnung bedarf es wirklich nicht.

Wenn wir die Effizienzreserven nicht heben und wenn wir daran scheitern sollten, frische, bürgernahe und moderne Verwaltungen einzuziehen, dann werden wir es sehr schwer haben, von anderen Ländern bei der Förderalismusreform zusätzliche Unterstützung einzuwerben. Wenn das so käme, würden wir unsere Verantwortung für das Land grob verletzen. Ich sage Ihnen auch - sehen Sie mir den kleinen Scherz nach, Herr Kollege Wiegard -: Ein zahlloses Scheinreförmchen, das uns wegen des Mehrfach-Neugliederungsverbots über Jahrzehnte in die Sackgasse führt, wird es mit der SPD nicht geben.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Modernisierung der Justiz, wie sie Justizminister Döring mit der Verlagerung von Aufgaben an die Gerichte weiterführt, sollte beispielhaft für weitere Modernisierungsmaßnahmen sein. Eine Verlagerung von Aufgaben auf andere Ebenen ist dann richtig, wenn die Aufgaben dort insgesamt effizienter, bürgernäher und wirtschaftlicher durchgeführt werden können. Das will dieser Landtag übrigens seit mehr als 20 Jahren.

Wir werden sehr deutlich zeigen müssen, dass wir Prioritäten setzen können und unsere Hausaufgaben machen - bei der Verwaltungsstruktur wie bei den Fördermaßnahmen. Das bedeutet übrigens - das will ich sehr deutlich sagen -, dass Struktur- und Zukunftsentscheidungen Vorrang vor Einzelfallgefälligkeiten haben, beispielsweise bei der einzelbetrieblichen Förderung.

Wir müssen uns sehr genau ansehen, was die einzelnen Förderungen für Auswirkungen für unser Land haben, wie das Schleswig-Holstein von morgen aussieht, ob Spaßbäder, das x-te Gewerbegebiet oder die Strandpromenade oder auch nur Bierflaschenverschlüsse und neue Autobahnschilder für die Imagewerbung - wir müssen Nachhaltigkeit zum Maßstab machen, mögen die Fördermaßnahmen noch so schöne Etiketten haben.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es geht quer durch alle Themen von Bildung bis Wirtschaft für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten um Gerechtigkeit, und es geht um Nachhaltigkeit. Jede Förderung, jede Maßnahme wird sich daran messen lassen müssen, inwieweit sie den Zielen der Gerechtigkeit und der Nachhaltigkeit genügt, und zwar in sozialer Hinsicht, in Bezug auf Arbeitsmarkteffekte und ebenso in ökologischer und finanzieller.

So ist beispielsweise die Kofinanzierung eines Programms zur Energieeffizienz bei Gebäuden sinnvoll, weil damit Energie gespart wird, weil Normalverdiener bei der zweiten Miete entlastet werden und weil Arbeitsplätze bei schleswig-holsteinischen Unternehmen gesichert werden. Das ist auch gut für den Klimaschutz. Die Zukunft liegt nicht in der gefährlichen, extrem teuren und für Jahrtausende strahlenden Atomenergie. Sie liegt auf Dauer auch nicht bei fossilen Energieträgern, sondern beim Energiesparen, bei der Energieeffizienz und bei erneuerbaren Energien.

(Beifall des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

Schleswig-Holstein ist bei den erneuerbaren Energien bekanntlich in einer guten Position, und wir sollten sie ausbauen, indem wir die Strukturen verbessern. Wir müssen auch mehr Druck auf die Konzerne ausüben, damit unsere politischen Ziele nicht an den Leitungsmonopolen scheitern.

(Beifall bei der SPD)

Mit Investitionen in die Zukunft stellen wir gerade in diesem Bereich sicher, dass gute und qualifizierte sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze hier in Schleswig-Holstein erschaffen und erhalten werden. Das ist auch gut für den Landeshaushalt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, gerade in einer Haushaltsdebatte, bei der es natürlich um die enormen Aufwendungen in unseren Sozialetats geht, stellen wir Sozialdemokraten fest: Wir dürfen nicht auf kurzfristige Profitmaximierung und auf

(Dr. Ralf Stegner)

prekäre Arbeitsverhältnisse wie schlecht bezahlte Leih- und Zeitarbeit setzen, denn wir haben sonst mittel- und langfristig hohe gesellschaftliche Reparaturkosten zu zahlen. Für gute Arbeit muss es einen fairen Lohn geben. Das ist nicht nur gerecht, sondern es gilt: Wer das nicht will, der erhöht die Staatsquote für Sozialleistungen, und zwar langfristig, denn wer heute nicht ordentlich bezahlt wird, der muss morgen die Rente aus Sozialleistungen aufstocken. Das ist keine Marktwirtschaft. Nein, das ist die Aufforderung an Unternehmen, Dumpinglöhne zu zahlen. Deshalb werden wir Sozialdemokraten bei Mindestlohn und Tariftreue nicht lockerlassen.