Protocol of the Session on September 2, 2005

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir hätten uns von der Landesregierung gewünscht, dass sie die Belange der Grünlandbetriebe stärker berücksichtigt. Schließlich handelt es sich hierbei um

60 % aller Arbeitskräfte in der schleswig-holsteinischen Landwirtschaft. Dies wird von der Landesregierung leider völlig außer Acht gelassen. Mit dem Entschluss, die Grünlandverordnung aufzuheben, macht die Landesregierung deutlich, welche Klientel innerhalb der Landwirtschaft bedient wird. Das ist definitiv der falsche Weg und macht in ein paar Jahren die Brüche bei der neuen EU-Agrarförderung nur noch stärker. Das ist langfristig nicht im Sinne der Landwirtschaft und auch nicht im Sinne der Landwirte.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Harms. - Das Wort für die Landesregierung hat nun Landwirtschaftsminister Dr. Christian von Boetticher.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schön: Wenn man im Amt ist, stellt man fest, wie viel Einverständnis es im Großen und Ganzen gibt. Es gibt - auch von uns - eine freudige Beurteilung des Grünlandes.

Ich glaube, es gibt überhaupt keinen Zweifel daran, dass das Grünland in Schleswig-Holstein eine besondere Bedeutung für unsere Kulturlandschaft hat. Wir streiten uns heute über den richtigen Weg, wie man so etwas stärken kann. Wir wissen, dass die Umsetzung der Agrarreform weder in Brüssel noch auf deutsche Ebene unumstritten war. Es gab dabei einen Kompromiss, den ich nur begrüßen kann. Es handelt sich um das Gleitmodell und die Feststellung, dass es ab 2013 gleiche Prämiensätze gibt. Das ist etwas Gutes und stärkt das Grünland langfristig. Dadurch wird man beiderseitigen Interessen gerecht. Es gibt nun erstmals die Prämie von 89 €/ha. Vorher betrug die Prämie 0 €/ha. Das ist ein Anfang, der über einen Gleitflug in die Gleichstellung übergeht.

Bei einer Agrarreform gibt es also immer Gewinner und Verlierer; denn auch die Europäische Union hat damit nicht die Lizenz zum Gelddrucken mitgeliefert. Das ist natürlich ein Agrarsparprogramm. Die Europäische Union gibt in ihrem Haushalt weniger für den Agrarbereich aus als früher. Der Hauptverlierer dieser großen Reform ist der Ackerbau. Wenn man umverteilt, muss man nicht nur erkennen, dass es eine positive Wirkung bei demjenigen gibt, der mehr erhält - natürlich hat ein Mehr immer eine positive Wirkung -, sondern man muss auch schauen, welche ne

(Minister Dr. Christian von Boetticher)

gative Entwicklung das bei demjenigen hat, dem man etwas wegnimmt.

Ich habe das Gefühl, dass ich das relativ unideologisch machen kann, weil ich weder dem Grünland noch dem Ackerland verpflichtet bin. Ich bin kein Bauer. Ich versuche, mit einer neutralen Sichtweise an diese Probleme heranzugehen.

Der Ackerbau verliert kräftig, nämlich über 100 €/ha; das haben wir gehört. Für einen typischen Marktfruchtbetrieb, den wir hier in Schleswig-Holstein haben, bedeutet das ganz schnell ein Minus von 10.000 € und mehr. Dies geschieht bei steigenden Kosten. Sie kennen die Rohölpreisentwicklung und vielleicht auch die Debatte um die Zuckermarktordnung, die weitergeht. Vor allen Dingen die Ackerbetriebe sind davon massiv betroffen. Wir wissen gar nicht, wie es mit der Zuckerrübe in Schleswig-Holstein weitergehen soll.

Hinzu kommt: Wenn ich dort Geld wegnehme, dann betrifft das in der Tat auch das Handwerk. Das haben Sie sehr schön erkannt. Herr Hentschel, das, was auf der einen Seite an positiver Wirkung zu verzeichnen ist, führt auf der anderen Seite zu einer negativen Wirkung. Genau das ist es. Dort werden die Einkommenseinbrüche in der Tat verschärft. Darum habe ich gesagt, dass ich die Förderung des Grünlandes durch die Wegnahme des Geldes an dieser Stelle nicht verantworten kann. Ich glaube, das war eine richtige Entscheidung.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben uns dann gemeinsam in der großen Koalition überlegt, was wir angesichts dieser Dramatik tun können, um den Problemen der reinen Grünlandprobleme - dessen Probleme sehen wir ja - Herr zu werden. Es gibt eine kleine Gruppe spezialisierter Grünlandbetriebe, die kein Ackerland bewirtschaftet, also keine Mittel von der linken in die rechte Tasche stecken kann. Deshalb haben wir gesagt, dass wir dort ein spezielles Förderprogramm auf der Grundlage der zukünftigen ELER-Verordnung entwerfen wollen; denn vorher können wir es nicht. Damit sind wir wieder bei der allgemeinen Problematik der Umstellung der europäischen Programme ab 2007.

Die alten Modulationsgelder - auch das wurde hier richtig gesagt - sind weitgehend verplant. Deshalb ist es wichtig, dass wir jetzt, da wir die Eckpunkte unseres Kulturlandschaftsprogramms erarbeiten - eines Programms, das in der ELER-Verordnung die Ausführung für Schleswig-Holstein vornimmt -, die Grünlandbewirtschaftung als wichtiges Ziel festschreiben und uns spezielle Maßnahmen einfallen lassen. Dies muss für die markt- und standortange

passte Landwirtschaft, für verbesserte Förderkonditionen und für eine Menge Dinge, die unseren Grünlandbetrieben an dieser Stelle unter die Arme greifen, geschehen.

Darum noch einmal: Ich versuche, das unideologisch an den Interessen der gesamten Landwirtschaft abzuwägen. Es ist immer problematisch, wenn man versucht, die einen gegen die anderen auszuspielen. Ich glaube nicht, dass damit der gesamten schleswigholsteinischen Landwirtschaft gedient wäre.

Lieber Lars Harms, darum verstehe ich deine Anwürfe - ich fand sie ziemlich polemisch - gegen den Bauernverband, gegen Claus Ehlers und gegen andere Kollegen nicht. Wer so redet, wie du das getan hast, sollte heute lieber über Grönland statt über Grünland diskutieren.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke dem Minister. - Das Wort zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Karl-Martin Hentschel.

Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich freue mich natürlich, dass die FDP bemerkt, dass unsere Landwirtschaftspolitik keineswegs eindimensional ist und dass ich durchaus auch bereit bin, Punkte zu vertreten, die die Biobauern nicht unbedingt gut finden. Auch das gehört dazu, wenn man eine Landwirtschaftspolitik für dieses Land machen will.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, der entscheidende Punkt bei der Diskussion über Ackerbau und Grünland ist, dass die Mischbetriebe gar nicht betroffen sind. Bei denen geht es von der linken Tasche in die rechte Tasche. Es geht darum, wie die Situation der Grünlandbetriebe und die der Ackerbaubetriebe ist. Wir stellen dabei fest, dass es bei den Ackerbaubetrieben im Wesentlichen um die großen Güter in Ostholstein an der Ostküste geht. Diese Güter haben viel weniger Beschäftigte pro Fläche. Sie haben nur die Hälfte bis zu einem Drittel der Beschäftigten pro Fläche. Häufig arbeiten sie mit sehr großen Flächen. Diese erhalten nach der heutigen Ordnung dreimal so viel Prämie wie die Grünlandbetriebe.

Wenn es so wäre, wie Sie sagen, dann gäbe es nicht den ungeheuren Druck, dass Bauern umbrechen wollen. Trotz des Umbruchverbotes gibt es in Schleswig

(Karl-Martin Hentschel)

Holstein weiterhin ständig Umbrüche. Der Drang zu Umbrüchen ist vorhanden. Das zeigt deutlich, dass die drei Signale falsch gesetzt wurden. Wären sie nämlich richtig gesetzt worden, würde es keine Umbrüche geben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich glaube also, dass es nicht um Schwarz-Weiß, sondern um eine ganzheitliche Kalkulation geht. Ich glaube, auch das, was wir getan haben, ist keineswegs ausreichend, um diesen Ausgleich zu erreichen. Ich glaube, dass wir die Stabilisierung erst 2013 erreichen werden. Bis dahin ist es gerade für die betroffenen Betriebe noch ein sehr langer Weg; denn diese Betriebe sind sehr arbeitsintensiv. Sie müssen jeden Tag ihre Kühe melken, den Stall versorgen und ihre übrige Arbeit tun. Deswegen beschäftigen sie viel mehr Arbeitskräfte als die großen Ackerbaubetriebe, die mit ihren großen Maschinen über die großen Flächen fahren.

(Zuruf von der CDU: Unglaublich, keine Ahnung!)

Herr Minister, ich glaube, deswegen wäre es ausgesprochen sinnvoll, hier im Interesse von SchleswigHolstein und der Gründlandbetriebe, die keine Möglichkeit haben, etwas anderes zu tun, Entsprechendes zu regeln. Das gilt insbesondere für die Westküste: in der Wilstermarsch, auf Eiderstedt und im Landkreis Schleswig. Dort haben wir Flächen, auf denen gar nicht anders gewirtschaftet werden kann. Diesen Bauern muss die Chance gegeben werden, dass sie bis 2013 durchhalten. Deswegen bitte ich, dass Sie Ihre Entscheidung noch einmal überprüfen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung erteile ich dem Herrn Abgeordneten Claus Ehlers.

Mein lieber Kollege Hentschel, lieber Herr Kollege Lars Harms, ich unterstelle Ihnen einmal eine selektive Wahrnehmung. Hier wird mit Halbwahrheiten gearbeitet und zum Teil ist es auch eine massiv geführte Neiddiskussion.

(Beifall bei der CDU)

Im Getreidesektor fehlen seit dem vergangenen Jahr 25 % an Prämien. Auf dem Getreidesektor ist der Preis seit dem vergangenen Jahr um ein Drittel ge

sunken. Von der Zuckermarktordnung, die jetzt ins Haus steht, will ich gar nicht reden. Die Dieselölverbilligung ist darüber hinaus auf 10.000 l beschränkt.

An diesen wenigen Fakten können Sie sehen, in welche Notsituation die Ackerbaubetriebe in SchleswigHolstein geraten sind. Dass dort größere Betriebe entstanden sind, ist aus der Not heraus geboren. Wenn man heute einen Ackerbaubetrieb mit 300 ha hat, dann kann man damit gerade einmal eine Familie ernähren. So weit sind wir bis heute schon gekommen.

Nun zum Grünland. Beim Grünland wird auch mit Halbwahrheiten gearbeitet. Weder Sie, Herr Harms, noch Sie, Herr Hentschel, haben etwas von den Toppup gesagt. Man erhält ab dem nächsten Jahr 3,55 ct/l Milch; in diesem Jahr sind es noch 2,55 ct. Daneben gibt es Tierprämien, die Sie verschwiegen und nicht erwähnt haben. Alle Futterbaubetriebe kriegen für den Mais auch eine Ackerprämie.

Ich will nicht verschweigen, dass es in SchleswigHolstein ungefähr 300 Betriebe gibt, die nur melken und davon betroffen sind. Es kommt hier zu einer Umverteilung vom Ackerbau zum Grünland. Es ist in vielen Reden außerhalb des Parlaments zum Ausdruck gekommen, dass verschwiegen wird, dass dies vom Acker auf das Grünland umverteilt wird. Sie denken ja, dass das neues Geld aus Brüssel ist, das den Grünlandbetrieben vorenthalten wird. Das ist bei weitem nicht der Fall.

Insofern: Vermeiden wir die Neiddiskussion. Man soll alle Fakten erwähnen. Wenn wir die Topp-ups zusammenzählen, dann erkennen wir, dass die Futterbaubetriebe weit höher als die Ackerbaubetriebe in Schleswig-Holstein liegen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort zu einem weiteren Beitrag erteile ich Minister Dr. Christian von Boetticher.

Wir können gern noch einmal die Schlachten der Vergangenheit schlagen. Ich will das an dieser Stelle nicht tun, jedoch eines korrigieren: In diesem Zusammenhang wird immer wieder von Grünlandumbruch geredet. Die Parameter und die Referenzwerte sind Werte, die in der Vergangenheit lagen. Das Jahr 2003 war der Referenzzeitraum für die Prämien. Daran orientieren sich die weiteren Prämien. Das hat also an dieser Stelle mit Grünlandumbruch wirklich nichts zu tun, Herr Hentschel. Ich sehe, der Kollege Müller

(Minister Dr. Christian von Boetticher)

nickt. Das gibt mir die Gewissheit, dass ich hier richtig liege. Insofern sollten Sie das noch einmal überprüfen.

(Beifall bei CDU, FDP und des Abgeordne- ten Günter Neugebauer [SPD])

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich gehe davon aus, dass Sie Abstimmung in der Sache wünschen.

Ich lasse über den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 16/196, abstimmen. Wer dem Antrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mit den Stimmen von CDU, SPD und FDP gegen die Stimmen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW abgelehnt.

Auf der Tribüne begrüße ich den ehemaligen Staatssekretär Wilfried Voigt. Wir können ihn jetzt gut sehen, weil wenige da sind.

(Beifall)