Protocol of the Session on September 2, 2005

In solchen Zeiten kommen immer wieder die Rufe nach dem Klimaverbesserer Atomstrom auf. Dass dies keine sichere Lösung ist, sollten selbst Atombefürworter wissen. Dass der Atomstrom auch sonst keine Lösung ist, haben Energieforscher vor kurzem in einem Energiereport der New Economics Foundation veröffentlicht. Dort stellen sie ganz klar fest, dass Atomenergie als Antwort auf die globale Klimaerwärmung zu teuer, zu begrenzt und zu langsam verfügbar ist. Daher begrüßen wir ausdrücklich den zwischen Bundesregierung und Energieversorgungsunternehmen getroffenen Ausstieg aus dieser risikobehafteten Energieform.

Wir erwarten, dass die Ära der schleswig-holsteinischen Kernkraftwerke, wie vereinbart, 2018 zu Ende geht.

Aber was kommt dann? Wie soll es angesichts der steigenden Energienachfrage danach weitergehen? Diese Fragen sind durchaus berechtigt.

Natürlich ist uns bewusst, dass wir derzeit nicht in der Lage sind, den Ausfall der Atomenergie durch regenerative Energieformen zu kompensieren. Daher benötigen wir flankierende Maßnahmen. Die drei Stichworte sind in dem grünen Antrag genannt: Energieeinsparpotenziale ausschöpfen, Erhöhung der Effizienzsteigerung und die kontinuierliche Erhöhung des Anteils an erneuerbaren Energien. Mit Recht wird dort nicht vom Festhalten an alten, überholten Energieformen gesprochen.

Mit diesen Schritten wird es uns möglich sein, den Atomausstieg nachhaltig zu vollziehen. Wir wissen, dass insbesondere die Energieeinsparpotenziale noch lange nicht ausgeschöpft sind. Gerade in diesem Bereich kann noch sehr viel getan werden. Doch wenn dieser Weg nicht gesteuert wird, dann wird sich auch nichts ändern. Daher sehe ich in den politischen Steuerungsinstrumenten wie Stromsteuer, Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und des KraftWärme-Kopplungs-Gesetzes durchaus Instrumente, die deutlich machen, dass Strom ein wertvolles Gut ist, mit dem sparsam und effizient umgegangen werden muss. Daran ist nicht zu rütteln.

Aus dem schwarz-roten Antrag geht hervor, dass sich die Rahmenbedingungen für die deutsche Energiever

(Lars Harms)

sorgung im Zuge der Globalisierung und Liberalisierung verändert haben. Dies bedeutet nichts anderes als: Unsere Industrie braucht billigeren Strom.

In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen empfehlen, dass Sie den Bericht der Landesregierung vom letzten Jahr über die ,,Zukünftige Energiepolitik in Schleswig-Holstein" gründlich studieren. Denn daraus geht klar hervor, dass für einen Stromverbrauch von 3.000 kWh im Jahr der Stromtarif von 1995 bis 2004 um durchschnittlich 1 % pro Jahr gestiegen ist. Das heißt, diese Steigerung liegt unterhalb der Inflationsrate. Daraus geht auch hervor, dass es seit der Einführung der Stromsteuer, seit der Einführung des EEG und mit dem Kraft-Wärme-KopplungsGesetz jeweils nur verschwindend geringe Preissteigerungen gegeben hat.

Zwar ist es richtig, dass sich diese Steuerungsinstrumente auf alle auswirken, aber keiner wird besonders benachteiligt, auch nicht die Wirtschaft. Das Gegenteil ist der Fall.

Aus der Antwort der Landesregierung auf meine Kleine Anfrage von November 2003 ging seinerzeit deutlich hervor, dass die Preise für Sondervertragskunden nach einem Strompreisvergleich auf Bundesebene durchschnittlich von 8,71 ct auf 7,08 ct gesunken sind. Somit konnten die stromintensiven Unternehmen mit Sonderverträgen in einem Zeitraum von sechs Jahren den Strom 18,7 % billiger beziehen. Dadurch haben die Unternehmen also in den vergangenen Jahren sogar einen Standortvorteil erhalten.

Wenn es doch zu Preiserhöhungen gekommen ist, so ist dies hauptsächlich auf überteuerte Netznutzungsgebühren vonseiten der Energiekonzerne zurückzuführen. Denn wie sieht die Liberalisierung des Strommarktes wirklich aus? Vier Energieriesen teilen sich den Markt, und die Industrie ist diesen Energiekonzernen schutzlos ausgeliefert.

,,Die Energieversorgungsunternehmen treiben mit ihrer oligopolistischen Marktmacht die Preise nach oben. Freier Wettbewerb findet nicht mehr statt."

Dies ist ein Zitat eines führenden Mitgliedes des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. Hören Sie also auf mit den Pauschalvorwürfen, dass EEG, Stromsteuer oder KWK schuld an den Energiepreisen sind.

Nebenbei bemerkt hat die Einführung der Stromsteuer dazu beigetragen, die Lohnnebenkosten zu senken, weil sie überwiegend in die Rentenkassen fließt. Dies hat somit zu einem Standortvorteil für Unternehmen geführt. Anstatt zu behaupten, dass durch die genannten Gesetze für unsere Unternehmen einseitige unver

hältnismäßige Belastungen entstanden sind, sollte man sich einmal näher mit allen Fakten befassen.

Wenn wir nun bei den Fakten sind - wie sehen diese aus? Der Bundestagswahlkampf bringt es an den Tag: Die CDU hat kein stimmiges Energiekonzept, wenn es um die deutschen Kernkraftwerke und ihre Restlaufzeiten geht. Ich würde mir von der CDU mehr Ehrlichkeit im Umgang mit der Atomenergie wünschen. Sagen Sie doch genau, ob Sie wirklich einen Ausstieg aus der Atomenergie wollen und, wenn Sie die Restlaufzeiten verlängern wollen, wie diese dann aussehen.

Erst hieß es von Unionspolitikern, die Laufzeit der Atomkraftwerke solle von 32 auf 40 Jahre verlängert werden. Das ist noch moderat. Vor wenigen Tagen hat Merkel-Berater Heinrich von Pierer allerdings von 60 Jahren gesprochen. Ich muss schon sagen, dies ist ein sehr laxer Umgang mit dieser risikobehafteten Energieform.

(Beifall bei SSW und SPD)

Damit ignoriert die Union die Ängste in großen Teilen der Bevölkerung. Rund 80 % der Bürger haben sich gegen den Bau neuer Atomkraftwerke ausgesprochen, und über 50 % lehnen es ab, die bestehenden Atomkraftwerke länger zu nutzen, als es in der Atomausstiegsvereinbarung vorgesehen ist. Wer sich diesen Ängsten verschließt, handelt arrogant und ignorant.

Wer wie die FDP sagt, dass der Strommarkt einzig den Kräften des Marktes überlassen werden solle, verschließt sich der Wirklichkeit. Denn auf diesem Markt diktieren vier Großkonzerne. Dies hat mit freier Marktwirtschaft oder Liberalisierung nichts zu tun. Darauf habe ich bereits hingewiesen. Und wer wie die FDP auch noch das EEG abschaffen will, gefährdet Tausende von Arbeitsplätzen in Schleswig-Holstein.

Die Einführung des EEG und des Kraft-WärmeKopplungs-Gesetzes haben dazu beigetragen, den Standort Schleswig-Holstein im Bereich der regenerativen Energiewirtschaft nicht nur voranzubringen, sondern Schleswig-Holstein hat hierin mittlerweile eine Führungsposition am Markt übernommen. Darüber sollten wir eigentlich froh sein. Diese Führung gilt es zu erhalten und auszubauen. Ich hoffe, dass die neue Landesregierung dies genauso sieht.

Die Windenergie hat sich am Standort Husum und an der gesamten Westküste zu einem Verkaufsschlager entwickelt. Mittlerweile sind Tausende von Arbeitnehmern in vor- und nachgelagerten Bereichen der regenerativen Energieformen tätig. Gerade die strukturschwachen Gebiete an der Westküste haben hier Großes geleistet. Es gibt zwei große Windkrafther

(Lars Harms)

steller in Husum und einen in Lübeck. In SchleswigHolstein - überwiegend an der Westküste - gibt es etwa 100 Firmen, die in der Windenergiebranche tätig sind. Diese Firmen haben sich aus strategischen Gründen an der Westküste angesiedelt, denn sie haben erkannt, dass die Windenergie gerade im Offshore-Bereich und im Repowering enorme Potenziale für die Zukunft hat.

(Günter Neugebauer [SPD]: Und auch in Rendsburg!)

- Selbstverständlich auch in Rendsburg. Auch dort gibt es Zukunftspotenziale, Herr Kollege Neugebauer. - Dies muss auch für die neue Landesregierung zu erkennen sein, und die Landesregierung muss die Stärken vor Ort dann auch weiter fördern.

Hierbei geht es auch darum, die Aus- und Weiterbildung im Bereich der Windkrafttechnik schwerpunktmäßig in Husum zu belassen. Die universitäre Ausbildung dieser Technik muss, auch um die räumliche Nähe zu gewährleisten, in Flensburg angesiedelt sein. Damit die Sache auch wirklich rund ist, muss der Husumer Hafen als wirklicher Offshore-Wind-Hafen in dieses Gesamtkonzept voll mit eingebunden sein.

(Beifall beim SSW)

Neben der Windenergie hat auch die Energiegewinnung aus Biomasse und der Kraft-Wärme-Kopplung in Schleswig-Holstein eine große Bedeutung. In den letzten Jahren haben wir in Schleswig-Holstein große Zuwächse erfahren, und die Tendenz ist weiter steigend. Der Anteil der KWK liegt in SchleswigHolstein weit über dem Bundesdurchschnitt, und auch dies ist ein Pfund, mit dem wir wuchern sollten.

Auch wenn wir im Bereich der regenerativen Energien noch am Anfang stehen - das ist ja auch eine Chance -, wurden in Schleswig-Holstein die Weichen richtig gestellt, um den Ausstieg aus der Atomenergie vollziehen zu können. Daran sollte auch die neue Landesregierung festhalten, und sie sollte diesen Weg weiter stärken. Schließlich geht es hierbei auch um Tausende von Arbeitsplätzen, die es zu erhalten und zu schaffen gilt.

Wenn ich dies sage, so habe ich immer auch die Zukunft des Landes Schleswig-Holstein vor Augen. Die Zukunft sind nicht die Atomkraftwerke, die wir haben, die irgendwann - ganz gleich, ob früher oder später - ausgeschaltet werden. Die Zukunft sind vielmehr die Marktchancen, die die erneuerbaren Energien bieten. Gerade in diesem Zukunftsfeld haben wir die Marktführerschaft. Wenn wir dies zugunsten einer alten Atompolitik aufgäben, wären wir wirklich mit dem Klammerbeutel gepudert.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für einen Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich nun dem Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich freue mich natürlich, wenn die FDP um Sachlichkeit bittet, Herr Garg. Deswegen möchte ich noch einige Anmerkungen zur Sache machen.

Erstens zur Sicherheit. Ich bezweifele gar nicht, dass sich die Atomkraftwerke alle Mühe geben, optimale Sicherheit zu gewährleisten. Aber selbst die Experten gehen davon aus, dass die Wahrscheinlichkeit eines größten anzunehmenden Unfalls für ein Atomkraftwerk bei 10.000 Jahren liegt. Wenn man das auf die Zahl der Atomkraftwerke in Europa hochrechnet, so bedeutet das die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls pro Jahrhundert. Wenn Sie die Laufzeit um 30 Jahre verlängern, dann erhöhen Sie die Wahrscheinlichkeit, dass es einen Unfall gibt, nach Expertenmeinung - ich rede nur von den Experten -, um 30 %. Das muss man wissen, wenn man über diese Dinge redet.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Statistischer Un- sinn!)

- Sicherlich Statistiken. Sie können mit Statistiken alles beweisen. Nur Sie behaupten, das sei sicher. Da muss man schon ganz sicher sein.

Zweitens. Wirbelsturm. Im Unterschied zu Ihnen kenne ich keinen internationalen Forscher, der behauptet, dass die Zunahme von Hurrikans nicht mit der Erwärmung der Meere und mit der Klimaerwärmung durch den CO2-Ausstoß zusammenhängt. Alle internationalen Konferenzen der letzten Jahre sind zu diesem Ergebnis gekommen. Man kann das Ausmaß nie im Detail nachweisen, aber alle gehen davon aus, dass es eine ganz hohe Wahrscheinlichkeit dafür gibt, dass dieser Zusammenhang existiert.

Von daher ist Ihre Aussage eine große Überraschung.

Ihre Behauptung, dass Windmühlen, die Windkraft, die Atomkraftwerke nicht ersetzen können, ist eine ganz alte Geschichte. Natürlich kann Windkraft allein die Atomenergie nicht ablösen, aber Atomenergie allein bietet auch keine Betriebssicherheit. Ich denke da nur an den Sommer, als in Frankreich sämtliche Atomkraftwerke wegen fehlenden Kühlwassers stillstehen mussten und wir, der Rest Europas, sozusagen

(Karl-Martin Hentschel)

mit seinen Kraftwerken Frankreich mit versorgen musste. Eine hundertprozentige Sicherheit durch eine Technologie hat man also nie, man braucht immer einen Mix an Technologien. Windkraft mit Wasserkraft ist eine Mischtechnologie, die regenerativ ist und eine hundertprozentige Versorgungssicherheit gewährleisten kann. Die europäischen Netze sind in der Tat dazu in der Lage, diesen Ausgleich zu leisten und müssen es bereits heute.

Und ein Letztes zu der Behauptung, die vorhin von dem Kollegen der CDU, von Herrn Ritzek, gekommen ist, wir wären das einzige Land, das aussteigt. Zunächst einmal ist es so, dass ein großer Teil der europäischen Staaten überhaupt nicht erst eingestiegen ist.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Richtig, Lichten- stein noch nicht!)

Hinzu kommt, dass Österreich per Volksentscheid, Polen und eine ganz Reihe von kleineren Länder, wie zum Beispiel Italien, den Ausstieg durchgeführt haben, ihre Forschungsreaktoren stillgelegt und keine Kraftwerke gebaut haben.

Herr Kollege Hentschel, ich fürchte, die Redezeit wird nicht reichen.

Ich komme zum Schluss. - Belgien und Schweden haben den Ausstieg beschlossen. Die Regierung in Spanien plant das gerade. Ich glaube, es gibt kein einziges Land, das in den letzten 22 Jahren überhaupt ein neues Atomkraftwerk in Auftrag gegeben hat. Die einzige Diskussion, die zurzeit in Europa geführt wird - -

Kommen Sie bitte wirklich zum Schluss!

Einzig in Finnland findet eine Diskussion statt.

Deutschland steht nicht allein da, sondern Deutschland befindet sich in guter Gesellschaft einer Reihe von Ländern, die auf dem gleichen Weg sind und die die gleiche Vernunft an den Tag legen.