Statt des Zitats „Heinrich, mir graut vor dir!“, müsste ich ja sagen: „Wolfgang, mir graut vor dir!“ - Anders aber ist es mit den Vorstellungen des jüngst mal wieder konvertierten Herrn von Pierer zur Atomenergie. Wir wissen, dass viele in der CDU ähnliche Absichten haben, wie sie Herr von Pierer unlängst geäußert hat. Nicht nur er will den Atomkonsens aufkündigen. Aber er ist mit seinem Vorschlag, Atomkraftwerke 60 Jahre laufen zu lassen, nicht nur besonders schamlos, ist doch jedes abgeschriebene Kernkraftwerk nach zirka 20 bis 25 Jahren eine reine Gelddruckmaschine für die Betreiber, sondern Herr von Pierer entwickelt
Wir wissen doch alle, dass es mit der Sicherheit von AKWs nach zwei oder mehr Jahrzehnten Laufzeit nicht zum Besten bestellt ist. Wir haben da zum Beispiel mit Brunsbüttel unsere besonderen Erfahrungen, Herr Kollege. Da gab es eine Wasserstoffexplosion. Als das nach langer Zeit untersucht wurde, stellte man fest, dass es nicht einmal mehr Ersatzteile für dieses Gerät gibt. Da wollen wir wirklich nicht ran. Nicht zuletzt der Sicherheitsrisiken wegen haben wir innerhalb des Energiekonsenses dafür gesorgt, dass Brunsbüttel als nächstes AKW vom Netz geht.
Nun wissen wir aber auch, dass der Konzern, dem Herr von Pierer als Aufsichtsratsvorsitzender vorsitzt, in den letzten Jahren viel an Innovation und Modernisierung verschlafen hat. Denken wir an die HandyProbleme und den folgenden Versuch, die Probleme des Konzerns auf dem Rücken der Belegschaft auszutragen. Jetzt jedenfalls gehört er zu denen, die den Standort Deutschland schlechtreden. Ich erinnere einmal an das Zitat des Fraktionsvorsitzenden der SPD von heute Morgen, das deutlich machte, was im Ausland über unseren Standort geredet wird. Herr von Pierer gehört zu denen, die den Standort Deutschland schlechtreden und von der kommenden Bundesregierung erwarten, dass die Energiekonzerne weiterhin viel Geld mit alter Technik, mit - wie ich es nenne - einer Dinosauriertechnologie verdienen können, statt in einen neuen, modernen Kraftwerkspark zu investieren. Damit wollen sie die Energiewende verhindern.
Das ist nicht unser Verständnis von einer modernen und an den Grundsätzen einer nachhaltigen Entwicklung orientierten Wirtschafts- und Energiepolitik und auf keinen Fall ein Weg, Deutschlands Wirtschaft zukunftsfähig zu machen. Wer an der Atomkraft festhält, gefährdet den weiteren Ausbau und die Sicherung der heute schon bestehenden 130.000 Arbeitsplätze im Bereich der Nutzung der regenerativen Energien.
Gerade im Bereich der erneuerbaren Energieträger liegen weiter erhebliche Potenziale für Wirtschaft und Arbeitsplätze, für nachhaltige Produkte und für Dienstleistungen. Wer dies angesichts der riesigen Märkte in China, in anderen Schwellenländern und vielen Ländern der südlichen Hemisphäre verschläft, dem ist eigentlich nicht zu helfen.
Wir in Schleswig-Holstein haben unseren Beitrag dazu geleistet, mit dem Ausbau der Windenergie dauerhafte Arbeitsplätze und für die mittelständische Wirtschaft einen Exportschlager zu schaffen. Darauf sind wir stolz.
Wir werden dies - so ist es im Koalitionsvertrag festgelegt - gemeinsam mit unserem Koalitionspartnern fortsetzen - bis auf den Dissens in der Atomenergie. Wir werden zu diesen Fragen mehr in der NovemberTagung diskutieren. Ich freue mich auf diese Debatte und bitte um Überweisung der Anträge in die Ausschüsse.
Ich danke dem Kollegen Konrad Nabel und erteile für die FDP-Fraktion Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg das Wort.
(Günter Neugebauer [SPD]: Großes Schwei- gen bei euch! - Zuruf von der SPD: Ihr habt eine „strahlende“ Zukunft! - Weitere Zurufe von der SPD)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Lieber Kollege Nabel, nach Ihrer Rede freue ich mich auch auf die Debatte im November. Ich habe eines gelernt: Offensichtlich ist der Dissens zumindest in der Kernenergiepolitik jetzt sozusagen schon zum Markenzeichen der großen Koalition geworden. Ich bin gespannt, wie die Debatte im November hier geführt werden wird. Herr Müller sprach in seiner Rede viel von Märchen im Zusammenhang mit ökonomischen Daten. Ich will mich in meiner Rede ein bisschen mit der Ideologie beschäftigen.
Vorab zum Verfahren. Uns liegen zwei Berichtsanträge vor. Normalerweise würden wir heute gar nicht über die Berichtsanträge sprechen, sondern erst im November über den Bericht. Es muss wohl Wahlkampf sein. In beiden Anträgen werden die Pläne der Landesregierung abgefragt. Ich schlage daher vor, wir fassen Punkt 3 des Antrages der Grünen und den Antrag von CDU und SPD zusammen. Dann kann uns die Landesregierung zur November-Tagung berichten, welche energiepolitische Lage in Schleswig
Holstein sie festgestellt hat, was sie technisch, wirtschaftlich und rechtlich in Schleswig-Holstein als möglich beurteilt und welche dieser Möglichkeiten sie für sinnvoll hält und verfolgen will.
Da der neue große und der ehemalige kleine Koalitionspartner sehr unterschiedliche energiepolitische Programme vertreten, entscheidet sich die Landesregierung bei diesem wichtigen Thema vielleicht sogar zu einer Regierungserklärung. So weit meine Vorschläge zum Verfahren.
Jetzt zur Energiepolitik! Die politischen Debatten werden bedauerlicherweise sehr selten allein von sachlichen Zusammenhängen bestimmt. Das mag normal sein, erstens, weil wir nicht alles wissen, zweitens, weil wir das, was wir wissen, unterschiedlich bewerten, und drittens, weil wir unterschiedliche Interessen vertreten. Besonders energiepolitische Debatten werden häufig sehr stark von Vorstellungen bestimmt, denen das sachliche Fundament bedauerlicherweise fehlt.
Unsere heutige Debatte hat Herr Peter Deutschland, Vorsitzender des DGB-Nord, bereits gestern kommentiert. Unter anderem erklärte er, dass der Wirbelsturm Katrina „durch menschenverursachte Klimaveränderungen“ verursacht wurde. Der Wirbelsturm Katrina hat in Amerika eine riesige Katastrophe ausgelöst, die Hunderttausende menschliche Tragödien verursacht hat.
Weder Herr Deutschland noch ich sind Klima- oder Wirbelsturmforscher. Trotzdem fehlt offensichtlich diesmal auch den energiepolitischen Aussagen von Herrn Deutschland das sachliche Fundament. Denn mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Wirbelsturmforschung kann seine Aussage bedauerlicherweise nicht begründet werden.
Ohne sachliches Fundament ist auch die rot-grüne Aussage, Deutschland müsse aus der Kernenergie aussteigen und als Ersatz erneuerbare Energieträger nutzen, um so den Anstieg der Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre zu bremsen. Das zumindest suggeriert der Titel des Antrages der Grünen. Aber es ist kein sachlicher Zwang, sondern ein Werturteil. Zu einer ehrlichen Debatte würde es auch gehören, wenn die Folgen der Erfüllung dieser Forderung aufgezeigt würden.
Wer Kernenergie durch erneuerbare Energieträger ersetzt, senkt den Kohlendioxidausstoß im besten Fall überhaupt nicht. Denn weder Kernkraftwerke noch Windmühlen stoßen Kohlendioxid aus. Folglich brächte der Tausch dem Weltklima gar nichts.
Gleiches gilt auch für andere, aber nicht für alle erneuerbaren Energieträger. Methangas zum Beispiel sollte unbedingt verbrannt und so in Kohlendioxid umgewandelt werden, weil es viel stärkere Treibhauseffekte verursacht als Kohlendioxid.
Wollten wir Kernenergie durch Windenergie ersetzen, so bekämen wir auf dem Land und auf hoher See erhebliche Probleme. Denn Kernkraftwerke können unabhängig vom Wetter Energie liefern, Windmühlen naturgemäß nicht.
Deshalb rechnen Fachleute damit, dass ein Watt Leistung eines Kernkraftwerkes durch zehn Watt Leistung von Windmühlen ersetzt werden müsste, damit auch bei Nachfragespitzen die Energieversorgung gesichert wäre. Die dafür nötigen Ersatzinvestitionen in die Leitungsnetze machen diesen Ansatz völlig unwirtschaftlich. Gerade Wirtschaftlichkeit haben Sie, Herr Kollege Müller, in Ihrer Rede ständig gefordert.
Das verdeutlicht zweierlei: Windenergie und die anderen erneuerbaren Energieträgern werden auf absehbare Zeit kein gleichwertiger Ersatz für Kernenergie sein können. Würden also die Kernkraftwerke wie bisher vorgesehen abgeschaltet, brauchten wir andere Ersatzquellen.
Eine ist das Energiesparen. Das funktioniert, aber noch lange nicht in dem Maße, in dem es nötig wäre. Es bleiben die fossilen Brennstoffe Öl, Gas und Kohle - mit dem entsprechenden Anstieg des Ausstoßes an Treibhausgasen.
Nach neun Jahren rot-grüner Energieideologiepolitik in Schleswig-Holstein und sieben Jahren rot-grüner Energieideologiepolitik im Bund steht Deutschland vor folgendem Dilemma: Die Kernkraftwerke sollen abgeschaltet werden, bevor ihre sichere und wirtschaftlich sinnvolle Laufzeit ausgenutzt ist. Mit Energiesparen und erneuerbaren Energieträgern allein kann die wegfallende Leistung nicht ersetzt werden. Der Ersatz durch fossile Brennstoffe führt zu einer signifikanten Mehrbelastung mit Kohlendioxid.
Zusätzlich sind die rot-grünen Maßnahmen zur Förderung erneuerbarer Energien nach wie vor viel zu teuer. Deshalb stimmt es zwar, dass bei den erneuerbaren Energien viele Arbeitsplätze entstanden sind. Es stimmt aber auch, dass an anderer Stelle bedauerlicherweise viel mehr Arbeitsplätze weggefallen oder verloren gegangen sind.
Was also ist unsere Alternative zu der bisherigen Energieideologiepolitik? - Weniger Ideologie und mehr Markt: So wie wir in Nordrhein-Westfalen dafür gesorgt haben, dass endlich die gesamtwirtschaftlich schädliche Subvention der Steinkohle ausläuft. Das wollen wir schrittweise bei allen Energieträgern durchsetzen.
Dann wird der Wettbewerb für mehr Effizienz bei unserer Energieversorgung sorgen. Ein wichtiges Instrument dafür ist der Handel mit Emissionsrechten. Durch dieses Instrument kann schon heute eine gegebene Menge CO2 viel preiswerter vermieden werden als mit hoch subventionierten Windrädern.
Weniger Ideologien mehr Rationalität: Wir werden prüfen, wie weit die Restlaufzeit der deutschen Kernkraftwerke sinnvoll verlängert werden kann. Dabei ist die Sicherheit selbstverständlich auch bei uns das Hauptkriterium, Herr Kollege Hentschel. Reaktorsicherheit wird in Deutschland groß geschrieben. Da nutzt auch Panik oder Angstmache wenig. Die deutschen Kernkraftwerke sind die sichersten der Welt. Dieses technische Wissen ginge zu schnell verloren, wenn wir vorzeitig aus der Kernenergie ausstiegen.
Weniger Ideologie, mehr Innovation: Wir werden die Forschung bei allen Energieträgern stärken, auch bei den erneuerbaren, aber nicht nur bei den erneuerbaren Energieträgern. Denn selbstverständlich sind erneuerbare Energieträger ein fester Bestandteil unserer Energieversorgung. Sie sollen es auch bleiben.
Die Grünen sprechen in ihrem Antrag von der Energiewende. Ich glaube, Deutschland braucht viel dringender eine Wende in der Energiepolitik. Statt ideologischen Verzerrungen zu folgen, werden wir in Zukunft, das heißt nach dem 18. September, dafür sorgen, dass Energiepolitik wieder auf ein sachliches Fundament gesetzt werden kann, damit sich die Menschen in Deutschland darauf verlassen können und sichere und preiswerte Energie vorfinden werden.
ckender Weise durch die Bilder von der Südostküste der USA vor Augen geführt, welche verheerenden Auswirkungen die globale Klimaerwärmung haben kann. Und mag man den Klimaforschern glauben, dann werden die Wetterkatastrophen weiter zunehmen. Die volkswirtschaftlichen Schäden, die dadurch entstehen, sind nicht abzuschätzen, von den Gefahren für Leib und Leben ganz zu schweigen.
In solchen Zeiten kommen immer wieder die Rufe nach dem Klimaverbesserer Atomstrom auf. Dass dies keine sichere Lösung ist, sollten selbst Atombefürworter wissen. Dass der Atomstrom auch sonst keine Lösung ist, haben Energieforscher vor kurzem in einem Energiereport der New Economics Foundation veröffentlicht. Dort stellen sie ganz klar fest, dass Atomenergie als Antwort auf die globale Klimaerwärmung zu teuer, zu begrenzt und zu langsam verfügbar ist. Daher begrüßen wir ausdrücklich den zwischen Bundesregierung und Energieversorgungsunternehmen getroffenen Ausstieg aus dieser risikobehafteten Energieform.