Protocol of the Session on May 28, 2008

Ich danke der Frau Abgeordneten Heinold und erteile für den SSW Frau Abgeordneter Anke Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Natürlich will auch der SSW, dass kinderreiche Familien von der Gesellschaft besser unterstützt werden. Natürlich müssen wir alle gemeinsam viel mehr tun, damit unser Alltag kinderfreundlicher und familiengerechter gestaltet wird. Richtig ist auch, dass gerade kinderreiche Familien oft finanzielle Probleme haben, weil - ob es einem nun gefällt oder nicht - viele Kinder eben auch viel Geld kosten.

Übergeordnet stellt sich aber für den SSW die Frage, ob das Einfordern von besseren Rahmenbedingungen für kinderreiche Familien unbedingt über die Entlohnung für Arbeitsleistungen geschehen soll. Denn der Lohn oder das Entgelt, das ein Arbeitnehmer oder ein Beamter für seinen täglichen Einsatz bekommt, sollte sich doch eigentlich nach Leistung und Qualifikation richten und nicht danach, ob er nun zwei oder drei Kinder hat.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Ich weiß. So ist es auch in den neuen Tarifverträgen von Angestellten und Arbeitern im TVöD oder TVL geregelt. Entgegen dem alten Bundesangestelltentarif, dem BAT, gibt es in den neuen Tarifverträgen kaum oder gar keine Sonderzulagen für Arbeitnehmer, die mehrere Kinder haben. Der SSW ist daher der Auffassung, dass die Unterstützung für kinderreiche Familien besser durch höheres Kindergeld, höhere Kinderfreibeträge oder durch beitragsfreie Kindergartenplätze geschehen sollte als durch höhere Zuschläge zum Lohn.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieses nur grundsätzlich vorweg, wenn wir heute den FDP-Antrag diskutieren, einen Antrag nämlich, der darauf abzielt, Beamten ab dem dritten Kind eine monatliche Zahlung von 115 % des jeweils gültigen Sozialhilferegelsatzes zu gewähren. Der Hintergrund des FDP-Vorstoßes ist - das haben wir bereits gehört - ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, wonach die Alimentation kinderreicher Beamtenfamilien hinsichtlich des dritten und vierten Kindes unangemessen ist und zugunsten dieser Familien geändert werden soll.

Nach diesem Urteilsspruch aus dem Jahre 1998 auch das klang schon an - hat der Bund die kinderbezogene Komponente der Beamtenbesoldung verbessert. Durch die Kürzung der Sonderzahlung ab 2007 hat das Land diese kinderbezogenen Komponenten wieder reduziert. Das behaupten jedenfalls mehrere Beamte, die dagegen geklagt haben. Die Landesregierung sieht dies anders und will an der jetzigen Regelung festhalten. Nach Auffassung der Landesregierung zählen die Sonderzahlungen nicht zum Kernbereich der verfassungsrechtlich geschützten Alimentationen und somit nicht zur Fürsorgepflicht des Landes gegenüber den Beamten.

Gegen diese Entscheidung der Landesregierung haben einige Beamte geklagt, und bisher hat das Land vier Verfahren beim Verwaltungsgericht verloren. Die Landesregierung will aber die Konsequenzen aus diesen Urteilen noch nicht ziehen, weil die Verfahren in einer höheren Instanz weiter anhängig sind. Sie will also die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes abwarten. Die Finanzen spielen hierbei sicher auch eine Rolle, da zum Beispiel 50 € mehr pro drittes Kind für den Haushalt eine jährliche Zusatzbelastung von 1,6 Millionen € bedeuten würde.

Ich glaube, sowohl aus rechtlicher als auch aus politischer Sicht ist diese Haltung der Landesregierung in Ordnung.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Nein!)

Wir sollten also jetzt gemeinsam die Entscheidung der Richter abwarten. Danach muss die Landesregierung natürlich das Urteil des Gerichts umsetzen und die Konsequenzen in den kommenden Haushalt einarbeiten. Es macht aus unserer Sicht keinen Sinn, vor der Urteilsverkündung jetzt noch hektisch zu agieren.

Langfristig sollte man sich aber darüber Gedanken machen, ob es wirklich der richtige Weg ist, kinder

(Monika Heinold)

reiche Beamte auf diesem Weg zu unterstützen. Denn was ist mit dem kinderreichen Arbeiter oder Angestellten? Der bekommt in der Regel keine Sonderzulagen, weil er so viele Kinder hat. Der SSW plädiert also dafür, dass wir insgesamt bessere finanzielle Rahmenbedingungen für alle kinderreichen Familien schaffen müssen und nicht nur für die Beamten.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke der Frau Abgeordneten Spoorendonk. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.

Ich stelle zunächst fest, dass die Berichterstattung in Absatz 3 der Drucksache 16/2069 durch die Berichterstattung der Landesregierung seine Erledigung gefunden hat.

Es ist beantragt worden, die Absätze 1 und 2 des Antrags Drucksache 16/2069 dem Finanzausschuss zu überweisen.

(Günter Neugebauer [SPD]: Reicht nicht In- nen- und Recht? - Wolfgang Kubicki [FDP]: Innen- und Recht reicht mir!)

- Okay, dann verbessere ich das. Es wird also beantragt, die Absätze 1 und 2 des Antrags Drucksache 16/2069 dem Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist so beschlossen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, haben Sie bitte noch eine Sekunde Geduld. Ich möchte Sie auf eine Veranstaltung um 13:15 Uhr im Presseraum hinweisen. Dort wird Ihnen durch fachkundige Mitarbeiter das Virtuelle Museum zur deutsch-dänischen Geschichtsvermittlung vorgestellt. Es wäre sehr schön, wenn einige von Ihnen an dieser Veranstaltung teilnehmen könnten. Wir treffen und um 14 Uhr hier wieder.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Unterbrechung: 13:07 bis 14:03 Uhr)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Sitzung ist wieder eröffnet. Einige Kolleginnen und Kollegen scheinen sich noch etwas daran gewöhnen zu müssen, dass die Mittagspause am Mittwoch nur eine Stunde dauert.

(Holger Astrup [SPD]: Fast keine Opposition im Hause!)

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, teile ich Ihnen mit, dass der Abgeordnete Jürgen Feddersen erkrankt ist und an der Sitzung heute nicht teilnehmen kann. Wir wünschen ihm gute Besserung.

Zum nächsten Tagesordnungspunkt begrüße ich den Behindertenbeauftragten, Herrn Dr. Ulrich Hase, auf der Tribüne. - Herzlich willkommen, Herr Dr. Hase!

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Situation von Menschen mit Behinderung in Schleswig-Holstein

Große Anfrage der Fraktion der CDU Drucksache 16/1505

Antwort der Landesregierung Drucksache 16/1846

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Zur Beantwortung der Großen Anfrage erteile ich der Ministerin für Soziales, Gesundheit, Familie, Jugend und Senioren, Frau Dr. Gitta Trauernicht, das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gerne gebe ich Ihnen heute die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der CDU-Fraktion zur Situation von Menschen mit Behinderung in Schleswig-Holstein. An dieser Beantwortung waren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus allen Ressorts beteiligt. Ich möchte ihnen für diese Arbeit herzlich danken.

(Beifall)

Dass diese Anfrage durch alle Ressorts zu beantworten war, zeigt, dass Politik für Menschen mit Behinderung eine wirkliche Querschnittsaufgabe geworden ist. Das kann auch nicht anders sein, da die Landesregierung daran arbeitet, in allen Lebensbereichen die Voraussetzungen für unmittelbare Zugehörigkeit und Partizipation von Menschen mit Behinderung zu sorgen. Es versteht sich von selbst, dass die Verwirklichung der behindertenpolitischem Ziele des Landes einen kontinuierlichen Dialog mit den beteiligten Akteuren im Lande voraussetzt.

(Anke Spoorendonk)

Ich möchte diese Debatte dazu nutzen, Ihnen nicht Einzelaspekte zu referieren, sondern die Leitvorstellungen der Landesregierung zum Gesamtthema Menschen mit Behinderung zu umreißen. Die Landesregierung hat zu Beginn der Legislaturperiode begonnen, die Politik für Menschen mit Behinderung auf Grundlage eines neuen Konzeptes weiterzuentwickeln, nämlich der Inklusionspolitik. Inklusion - ein auf den ersten Blick befremdlicher Begriff, aber eine in der Fachwelt anerkannte Theorie - bedeutet, dass jeder Mensch, mit welcher Behinderung beziehungsweise Benachteiligung auch immer, als selbstverständlicher Teil der Gemeinschaft die Wahl hat, dort zu leben, zu wohnen, zu lernen und zu arbeiten, wo alle anderen Menschen dies auch tun. Das ist mehr als Integrationspolitik. Diese Entscheidung basiert auf drei maßgeblichen Überlegungen.

Erstens. Die Zahl der Menschen mit Behinderung steigt und erfordert leistungsfähigere Unterstützungsstrukturen.

Zweitens. Die Verschiedenheit und die Individualisierung von Menschen mit Behinderung nehmen zu und verlangen differenziertere Unterstützungsstrukturen.

Nicht zuletzt nimmt - drittens - der Wunsch von Menschen mit Behinderung nach selbstbestimmter Lebensplanung zu und benötigt eine personenbezogene Hilfeplanung, die auch so im Gesetz festgelegt ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn nicht alle Fragen in der gewünschten Tiefe beantwortet werden konnten, bietet die Antwort der Landesregierung doch vielfältige Einblicke in das differenzierte Leistungsgeschehen von Menschen mit Behinderung im Land. Sie erlaubt wichtige Grundaussagen zu Empfängerin oder Empfänger von Eingliederungshilfeleistungen und zum Gesamtsystem Eingliederungshilfe. Schließlich - das ist mir wichtig - belegen die Daten, dass die Landesregierung und das Parlament - und zwar sehr frühzeitig in Schleswig-Holstein im Vergleich zu anderen Ländern bundesweit - die richtigen behindertenpolitischen Weichenstellungen getroffen hat.

Nach dem Schwerbehindertenrecht sind in Schleswig-Holstein rund 16 % der Menschen behindert oder schwerbehindert, mit weiter steigender Tendenz. Das ist also wahrlich kein Randgruppenphänomen. Im Fokus dieser Anfrage stehen allerdings die Menschen mit Behinderung, die Leistungen nach der Eingliederungshilfe nach SGB XII erhalten. Dies sind knapp 1 % der schleswig-holstei

nischen Bevölkerung. Die Leistungen umfassen insgesamt rund 600 Millionen € jährlich. Für diese Menschen sind Eingliederungshilfen elementar zur Ermöglichung und Sicherung von Teilhabe im Alltag und zur Unterstützung.

Die Zahl der Empfängerinnen und Empfänger von Eingliederungshilfe in Schleswig-Holstein ist in den letzten fünf Jahre um rund 12 % angestiegen. Einen solchen Anstieg haben wir nicht nur in Schleswig-Holstein zu verzeichnen. Denn die Gründe für den Anstieg der Fallzahlen sind so vielschichtig wie allgemeingültig. Zuförderst zu nennen sind der medizinische Fortschritt und der allgemeine Anstieg der Lebenserwartung auch von Menschen mit Behinderung.

Die zahlenmäßige Zunahme erfordert größere Aufmerksamkeit in allen Bereichen. Ich will dies am Beispiel Arbeitsmarkt deutlich machen. Menschen im Übergangsbereich zur Lernbehinderung haben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu wenig Unterstützung und Möglichkeiten. Nicht selten scheint die Werkstatt die richtige, möglicherweise auch die einzige Lösung zu sein. Dies erklärt die stetig steigende Zahl der in den Werkstätten für behinderte Beschäftigte. Es ist gut, wenn diese Arbeitsplätze zur Verfügung stehen. Zugleich wollen wir aber auch, dass Menschen mit Behinderung Teil unseres Alltagslebens sind. Hilfsangebote für Menschen mit Behinderung sollen keine Räume der Abschottung gegenüber der Gesellschaft sein.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben darum die Weichen gestellt, um einen Paradigmenwechsel im Leistungssystem in Gang zu setzen.

Erstens. Das Ziel der Kommunalisierung von Eingliederungshilfe ist klar. Menschen mit Behinderung bekommen vor Ort Leistungen aus einer Hand. Regionale Beantwortung und Gemeinwesenorientierung sollen gestärkt werden. Die Voraussetzungen wurden in Schleswig-Holstein sehr frühzeitig durch das Ausführungsgesetz des Landes herbeigeführt.

Zweitens. Die Teilhabeplanung in den Kommunen wird mit Landesmitteln verbessert, und zwar erheblich. Zurzeit sind es zusätzliche 120 Stellen, die diese Teilhabeplanung sicherstellen sollen. Hier müssen jetzt noch die Weichen für einheitliche Kriterien und Maßstäbe zur Teilhabebedarfsfeststellung gestellt werden. Das ist etwas, was wir uns auf die Fahnen geschrieben haben, um gleiche Lebensverhältnisse für jeden im Lande sicherzustellen.