Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Birk, es ist richtig, wir haben gefordert, dass die Landesregierung auf ihren Plan verzichten soll, in der nächsten Wahlperiode Lehrerstellen zu streichen. Aber das reicht in der Tat nicht aus, um die Probleme zu bewältigen. Dass wir darüber hinaus für eine gute Unterrichtsversorgung mehr Lehrerstellen benötigen, habe ich im Übrigen auch im Artikel der „Lübecker Nachrichten“ deutlich gemacht, auf den Sie sich berufen. Also lassen Sie das bitte mit der Aussage, wir würden die Probleme allein mit dem sogenannten demografischen Faktor lösen wollen! Das stimmt nicht, das ist Unsinn.
Meine Damen und Herren, 69 % der SchleswigHolsteiner bezeichnen die Schulpolitik dieser Landesregierung als schlecht, nur 24 % finden sie gut. Zu den Kritikpunkten, auf die man im Gespräch mit Bürgern immer wieder stößt, gehört nicht zuletzt die Frage der Unterrichtsversorgung. Das ist ein Problem, das in der Tat alle Schularten betrifft, aber es gibt einen besonderen Punkt, der die beiden neu
en Schulformen Regionalschule und Gemeinschaftsschule betrifft, über den die Grünen mit ihrem Antrag hier sprechen.
Die Besonderheit ist nämlich, um den Eltern diese neuen Schularten schmackhaft zu machen, hat man den Leuten im letzten Jahr wirklich das Blaue vom Himmel versprochen: Eine Unterrichtsversorgung, die bei 25 Schülern pro Klasse die volle Abdeckung der Stundentafel - im fünften Jahrgang 30 Wochenstunden - gewährleistet und dann noch an Gemeinschaftsschulen sechs Stunden obendrauf für Förderung und Differenzierung, an Regionalschulen vier Extrastunden. Bislang gab es an den Schulen nicht einmal eine Unterrichtsversorgung, die überhaupt nur eine vollständige Erteilung der Stundentafel gewährleistet hätte. Da ist es doch vollkommen klar, dass solche Versprechungen in den Augen vieler Eltern unglaublich verlockend klingen. Ich glaube, das war auch der Zweck in der Diskussion über die Einführung der neuen Schularten. Es ist so ein bisschen wie die Versprechung des Schlaraffenlandes in Jahren der großen Dürre.
Nun kommt so allmählich die Stunde der Wahrheit. Jetzt muss nämlich das, was versprochen worden ist, tatsächlich eingelöst werden. Es gibt im nächsten Schuljahr viele der neuen Schulen, und dann wird von Jahr zu Jahr ein Jahrgang dazukommen, es werden neue Schulen dazukommen, die alle auf der Basis der versprochenen Ausstattungskriterien eine Lehrerversorgung haben sollen.
Nachdem die Planstellenzuteilung heraus war, hörte ich beispielsweise aus einer der neuen Gemeinschaftsschulen, man habe nachgerechnet, nachdem man den Brief aus Kiel bekommen habe, und festgestellt: Es sind für den fünften Jahrgang nicht die versprochenen 36 Wochenstunden verfügbar, sondern nur 28, also nicht einmal die Stundentafel wäre erfüllt.
Nun sagt Frau Erdsiek-Rave, es werde nachgesteuert, und es ist inzwischen nachgesteuert worden. Die Frage ist ja: Woher haben Sie denn die nachgesteuerten Stellen genommen? Die Frage, die vorhin Herr Buder an die Adresse der Grünen gestellt hat, muss man genauso Ihnen stellen.
Hört man sich vor Ort um, erhält man - zumindest hinter vorgehaltener Hand - von den Lehrern oder Schulleitern die Antwort, das gehe zulasten der höheren Jahrgänge der auslaufenden alten Schularten und vor allem aber zulasten der Grundschulen, aus deren Bereich erhebliche Stellenkontingente nachträglich abgezogen worden seien.
Mich interessiert, wie Sie die Nachsteuerung tatsächlich herbeigezaubert haben. Das ist doch die spannende Frage, die es zu klären gilt.
Den Preis für eine nachträgliche Besserstellung der fünften Jahrgänge würden in diesem Fall die Grundschüler und die älteren Schüler in den höheren Jahrgängen zahlen. Da darf man gespannt sein, ob die Eltern, wenn sie das nach den Sommerferien im neuen Schuljahr bemerken, dies so hinzunehmen bereit sind oder ob es da an den Schulen eine klare Reaktion gibt. Ich denke, wir werden Letzteres erleben.
Wenn man sieht, dass für die Regionalschulen pro Lehrerstelle 21,5 Schüler veranschlagt sind in Ihrer Planstellenbemessung, bei den Gemeinschaftsschulen 20 Schüler pro Lehrerstelle, bei den alten Gesamtschulen hingegen gerade einmal 15,5 Schüler pro Lehrerstelle - das geht aus der Antwort auf meine Kleine Anfrage hervor, die Sie mir gegeben haben -, dann muss man einfach zu dem Schluss kommen: Die versprochenen Rahmenbedingungen für eine gute Unterrichtsversorgung werden Sie unter diesen Voraussetzungen nie und nimmer gewährleisten können, erst recht dann nicht, wenn im übernächsten Schuljahr mit der Rückzahlung der Vorgriffsstunde noch einmal Unterrichtskapazität im Umfang von 420 Stellen verschwindet, sich in Luft auflöst und im danach folgenden Schuljahr die versprochene Wochenarbeitszeitverkürzung der Lehrer eingelöst werden muss. Da haben Sie mir in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage geantwortet, dass das 300 Lehrerstellen koste.
Wie wollen Sie angesichts eines aufwachsenden Mehrbedarfs bei gleichzeitigem Schwund an Unterrichtskapazität je in der Lage sein, die von Ihnen abgegebenen Versprechungen einzulösen? Das ist so, als ob Sie den Leuten sagen, dass sie in der Lage seien, aus Blei Gold zu machen. Dazu werden Sie nicht in der Lage sein. Das werden die Leute auch irgendwann einmal merken.
Für die Abgeordneten des SSW erteile ich der Vorsitzenden, der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frei nach Helmut Kohl gilt auch für die Schulreform in Schleswig-Holstein, dass entscheidend ist, was hinten herauskommt. Daher begrüßt der SSW den Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, weil er zumindest anspricht, was gemacht werden sollte, damit hinten was herauskommt. Denn ohne eine ausreichende Ausstattung mit Lehrkräften und finanziellen Mitteln werden weder die Gemeinschaftsschule noch die Regionalschule die Erwartungen erfüllen können, die in sie gesetzt werden.
In Klammern bemerkt bezweifele ich noch immer, dass sich die Regionalschule zu einem Erfolg wird mausern können. Sie ist aber politisch gewollt, und daher ist es richtig - wie im grünen Antrag geschehen -, dass auf beide Schularten Bezug genommen wird. Dennoch belegen die Anmeldezahlen, die letztes Mal hier im Parlament debattiert wurden, dass die Erwartungen an die Gemeinschaftsschule besonders hoch sind - zu Recht, füge ich für den SSW hinzu, weil nur die Gemeinschaftsschule von ihrer Organisation her das leisten kann, was aus unserer Sicht zu den wichtigsten Merkmalen eines modernen Schulsystems dazugehört: eine flexible Struktur, die schnell auf die veränderten Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler reagieren kann. Die Gemeinschaftsschule ist eben keine Einheitsschule. Ihr Markenzeichen ist die individuelle Förderung, oder - anders formuliert - die Gemeinschaftsschule ist eine Schulform, die den Kindern in unserem Land bessere Chancen gewähren soll.
Daher stimmt es schon bedenklich, dass die Landesregierung in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage des Kollegen Dr. Klug darlegt, dass die Schülerquote pro Lehrerstelle bei den Gemeinschaftsschulen schlechter ist als bei den Gymnasien oder den Gesamtschulen. Damit ist keine neue Schulpolitik zu machen.
Nun kann es sein, dass diese Kleine Anfrage nicht präzise genug beantwortet worden ist, aber auch das ist dann ein Problem.
Verlangt wird außerdem die umgehende Einstellung von mindestens 50 Lehrkräften, um das Ungleichgewicht zwischen den verschiedenen Schulformen aus dem Weg zu räumen. Weil die Grünen in einer Pressemitteilung aber auch auf das Problem der unklaren Zuständigkeiten bei der Zuweisung von Planstellen hinweisen, bin ich der Meinung, dass wir das Pferd erst mal von vorne aufzäumen müssten. Denn die Zuständigkeit der Planstellenzuweisung der neuen Regional- und Gemeinschaftsschulen passiert durch das Ministerium. Dort muss man also die Zuweisungen so ändern, dass das Zahlenverhältnis schleunigst verbessert wird.
Vielleicht sind die Wege von Kiel zu den Schulen manchmal zu lang uns zu beschwerlich und die zuständigen Schulen können sich nicht das nötige Gehör verschaffen. Das alles kann aber nicht der Grund sein, dass wir trotz der offensichtlichen Ungerechtigkeit bei der Schüler-Lehrer-Quote einknicken. Hinzu kommt, das müsste auch noch gesagt werden, dass es wenig realistisch ist zu glauben, dass dem offensichtlichen Ungleichgewicht lediglich mit zusätzlichen Einstellungen von Lehrern zu begegnen ist.
Aus Sicht des SSW ist es daher auch an der Zeit, sich auf einen Vorschlag zu besinnen, der in der vorigen Legislaturperiode - ich glaube, es war nicht letztes Mal, sondern vorletztes Mal -, immer wieder debattiert und letztlich wieder eingesammelt wurde: Ich denke dabei an die Einführung von Schulassistenten. Schulassistenten arbeiten meines Wissens sehr erfolgreich in Niedersachsen und nehmen den Lehrkräften bürokratische Aufgaben ab. Ich denke, jetzt gilt auch der Satz: Wer arm ist, sollte zumindest schlau und kreativ sein.
Ich begrüße es ausdrücklich, dass wir im Ausschuss noch einmal die Gelegenheit bekommen, uns mit dem Antrag zu befassen. Ich will aber - letzter Satz - noch einmal hinzufügen: Wenn wir volkswirtschaftlich denken, müssen wir eine ganz andere Schulreform haben. Dann müssen wir dafür sorgen, dass es keine Sonderstellung des Gymnasiums gibt,
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was ich hier über die Entwicklung der bisher entstandenen Gemeinschaftsschulen und über diejenigen, die zum neuen Schuljahr als Regional- und als Gemeinschaftsschulen an den Start gehen, gehört habe, ist ein absolutes Zerrbild der Wirklichkeit. Die Situation an den Schulen, die Freude, an den Start zu gehen, die Vorbereitungen mit Konzeptentwicklungen und dem, was an den Schulen vor Ort mit Lehrern, Eltern und Schülern diskutiert worden ist, zeichnet ein ganz anderes Bild.
- Ich behaupte nicht, dass überall das Paradies ausbrechen wird, Herr Kubicki. Ich habe das nie behauptet. Ich habe immer davon gesprochen, dass in diesem Land die Unterrichtsversorgung knapp ist. Wir leisten uns immer noch viel zu kleine Systeme und zum Teil Klassengrößen, die längst nicht dem Schnitt in anderen Bundesländern entsprechen. Daran müssen wir arbeiten. Das tun wir auch.
Ich will Ihnen ein Beispiel sagen, das auch das Thema Umschichtung und Nachsteuerung betrifft, Herr Dr. Klug. Ich will Ihnen das gern noch einmal im Einzelnen erläutern, was das im Einzelnen bedeutet und wie schwierig das - auch für die Schulräte - ist.
Wir haben im laufenden Schuljahr 2.000 Realschüler weniger. Wenn man das auf Klassengrößen von 25 Schülern umrechnet, dann müsste das im Ergebnis bedeuten, dass ungefähr 80 Klassen weniger ge
bildet wurden. Tatsächlich wurden im ganzen Land nur zwei Realschulklassen weniger gebildet. Sie können sich ungefähr vorstellen, wie schwierig das für die Unterrichtsversorgung ist. Die Schulräte müssen wirklich überall im Land auf vernünftige Klassenbildungen drängen. Es kann nicht angehen, dass man Klassengrößen von durchweg 18 Schülern hat, wenn man umgekehrt auch Klassen mit 27 Schülern bilden könnte. Wir müssen eine sogenannte ökonomische Klassenbildung erwarten, auch wenn das niemand hören will. Wenn wir die Schulen gut mit Unterricht versorgen wollen, müssen wir das machen. Wir können nicht alles zugleich erreichen. Wir können nicht ganz viel Unterricht und ganz kleine Klassen haben. Ich weiß nicht, woher die Milliarden kommen sollen, die das kosten würde.
Trotzdem will ich hier mit gutem Gewissen sagen: Alle Schulen stehen vor großen Herausforderungen, nicht nur die neuen Schularten. Alle Schulen, auch die Grundschulen und auch die Gymnasien. Es ist uns daran gelegen, dass alle Schulen gut vorbereitet und ausgestattet werden. Deswegen unterstützen wir sie auch. Und es ist einfach nicht wahr, Frau Birk, dass wir sie damit alleinlassen. Fragen Sie doch mal die Schulen, was da bisher gelaufen ist
und wie viele Tausende von Lehrkräften in diesem laufenden Schuljahr in die Fortbildungen gegangen sind. Das hat es so noch nie gegeben. Ich bin den Lehrern ausgesprochen dankbar dafür, dass sie dieses Angebot, das wir mit erheblich mehr Geld geschaffen haben, auch annehmen. Da geht es um gezielte Beratung der einzelnen Schulen und um Begleitung in dem Jahr, bevor sie an den Start gehen, und darüber hinaus. Da geht es um neue Materialien und Fortbildungen für Führungskräfte. Allein 2.200 Führungskräfte haben im laufenden Jahr an speziellen Fortbildungsveranstaltungen teilgenommen. Das hat es so noch nie gegeben. Es geht um Schulentwicklungstage, die die Schulen zur Verfügung haben, und es geht um wissenschaftliche Begleitung, die geleistet wird. Die unterstützen wir natürlich auch mit personellen Ressourcen.