Ich bitte die Große Koalition in aller Freundlichkeit, unserem Antrag zuzustimmen. Ich sage Ihnen eins: Wenn Sie unserem Antrag nicht zustimmen, werden Sie uns an dieser Stelle nie wieder den Vorwurf machen dürfen, wir hätten Anträge nicht finanziert. Es geht hier eben mal um 40 Millionen €, die Ihr Antrag das Land kostet, wenn Sie ihn nicht um unseren Satz ergänzen.
Meine Damen und Herren, Sie wissen, dass wir Grünen uns immer kritisch mit der Pendlerpauschale auseinandergesetzt haben, auch weil sie weite Fahrtwege fördert, die Zersiedlung des Landes unterstützt und weil Besserverdienende - das muss man immer wieder sagen - von ihr deutlich mehr profitieren als Geringverdienerinnen und Geringverdiener, die zum Teil gar nicht davon profitieren. Wir haben unter Rot-Grün durchgesetzt, dass immerhin inzwischen für Pkw, Fahrrad, Fußweg und öffentlichen Personennahverkehr gleich viel absetzbar ist. Das ist richtig, das war ein notwendiger Schritt. Wir mahnen jetzt die Große Koalition an, dieses Gesetz, das sie im Nachhinein vermurkst hat, in dem Sinn zu korrigieren, wie wir es vorschlagen, dass wieder ab dem ersten Kilometer gezahlt wird. Das trifft dann auch die Radfahrerinnen und Radfahrer und die anderen, die sich ökologisch verhalten.
Wir appellieren noch einmal an die Große Koalition, wenn man über Pendlerpauschale und über steigende Benzinpreise diskutiert, sich auch mit der Frage der Mobilität der Zukunft zu beschäftigen. Was geht zukünftig überhaupt noch angesichts der weltweiten Verknappung des Erdöls? Das können wir nicht ausblenden. Einige Experten sprechen inzwischen davon, dass der Peak-Oil, also das Erreichen der weltweit höchsten Erdölförderung, schon überschritten ist und dass sich bei steigendem Weltölverbrauch bis 2015 eine Versorgungslücke von über 12 Millionen Barrel pro Tag auftut, das sind 15 % des heutigen Weltverbrauchs.
Wir dürfen also nicht glauben, dass wir den steigenden Benzinpreisen nur mal eben mit einer Erhöhung von Steuerfreibeträgen begegnen können. Das ist keine zukunftsfähige Politik. Wir müssen uns statt dessen sehr intensiv die Frage stellen, welches Mobilitätsverhalten weltweit verkraftbar ist und wie wir es für die Menschen bezahlbar machen können, dass sie zur Arbeit kommen, auch angesichts der Veränderungen auf dem Energiemarkt.
Wir müssen neue Technologien entwickeln. Das sind die Fragen der Zukunft. Wir stimmen dem Antrag zu, wenn er um unsere Änderung ergänzt wird, ansonsten würden wir uns enthalten.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Jahressteuergesetz 2007 hat der Bundestag beschlossen, dass Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht mehr als Werbungskosten anerkannt werden. Zur Vermeidung von Härten sollen lediglich Fahrten ab dem 21. Entfernungskilometer wie Werbungskosten berücksichtigt werden. Wir haben uns auch hier im Landtag mit diesem Thema befasst. Meine Fraktion hat seinerzeit diese Entscheidung mitgetragen, weil sie in ein Gesamtpaket von Steuerentlastungen und dem Abbau verschiedener Subventionen eingebunden war.
Aber wir hatten schon damals unsere Bauchschmerzen damit, vor allem mit Blick darauf, dass in unserem Flächenland viele Menschen gezwungen sind, weite Strecken zu fahren, um zu ihrem Arbeitsplatz
zu gelangen und weil wir von unseren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein hohes Maß an Mobilität und Flexibilität erwarten. Herr Kollege Sauter hat das beschrieben.
Inzwischen hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass die Fahrten zur Arbeit unvermeidbar und deshalb als Werbungskosten anzuerkennen und steuerlich zu berücksichtigen sind, ganz eindeutig. Ich bin überzeugt davon, dass das Bundesverfassungsgericht diese Einschätzung bestätigen wird. Unser Appell mit diesem Antrag ist, dass wir diese höchstrichterliche Entscheidung, die in den nächsten Monaten zu erwarten ist, gar nicht erst abwarten.
- Ich werde das noch weiter begründen, bitte schön. - Wir sollten den Bundesgesetzgeber auffordern, umgehend die Kritik und die Zielvorgabe des Bundesfinanzhofs aufzuarbeiten. Meiner Meinung nach führt kein Weg daran vorbei. In dieselbe Richtung und das hat nichts mit Wahlkampf zu tun - geht übrigens ein Beschluss des Arbeitskreises Finanzen der SPD-Bundestagsfraktion aus dem März - in der Presse nachzulesen.
Unser Ziel ist natürlich, die Steuerzahler, die durch die steigenden Treibstoffpreise ohnehin gebeutelt sind, jetzt auch kurzfristig im Sinne dieses BFH-Urteils angemessen zu entlasten. Dabei ist uns sehr wohl bewusst, dass wir damit diejenigen, die einen Ausgleich der gestiegenen Preise am nötigsten hätten, nicht erreichen: die Geringverdiener und das Heer der 400-€-Arbeitskräfte, die kaum oder gar keine Einkommensteuer bezahlen und deshalb von steuerlichen Abzugsmöglichkeiten auch nicht profitieren können. Aber für sie einen Ausgleich zu finden und zu schaffen, ist ein anders Kapitel, das wir durch das Steuerrecht nicht regeln können.
Uns geht es mit der Forderung, Herr Kubicki, nun schnell zu reagieren und nicht weiter abzuwarten, auch darum, den gewaltigen Verwaltungsaufwand, der durch die derzeitige steuerrechtliche Hängepartie verursacht ist, zu beenden. Wie Sie wissen, ergeht jeder einzelne Steuerbescheid hinsichtlich der Anerkennung beziehungsweise Nichtanerkennung der ersten 20 km zwischen Wohnung und Arbeitsstätte vorläufig. Das heißt, dass er irgendwann geändert und endgültig erteilt werden muss. Auch wenn es in Zeiten der EDV nicht nötig ist, dazu jede Steuererklärung noch einmal in die Hand zu nehmen, bedeutet es
Dazu häufen sich in den Finanzämtern jetzt schon und trotz der Vorläufigkeitsvermerke, die die Steuerbescheide übrigens nicht gerade übersichtlicher machen, Rückfragen, Beschwerden und Einsprüche, vor allem in den Fällen, in denen es wegen der vorab eingetragenen Lohnsteuerfreibeträge zu Steuernachforderungen kommt. Also auch hier mehr Arbeit und Kosten, die wir uns sparen sollten. Das sind zwei wichtige Gründe, das Verfahren schon jetzt in Gang zu bringen.
Ich weiß natürlich, dass das negative Auswirkungen auf den Landeshaushalt haben wird. Minister Wiegard hat im Finanzausschuss den Betrag von 30 bis 40 Millionen € genannt. Das ist ein Problem, das ist keine Kleinigkeit, aber das kann und darf uns nicht davon abhalten, Steuergesetze nachzubessern, wenn wir erkennen, dass sie verfassungsrechtlich problematisch sind. Ich denke, daran führt kein Weg vorbei.
Ein Teil dieser Mindereinnahmen könnte durch die Absenkung des Kilometersatzes aufgefangen werden - wie Sie es genannt haben -, der zurzeit 30 ct beträgt. Es ist ein Rechenexempel, welcher Betrag wirklich nötig ist, um die tatsächlichen Fahrtkosten angemessen steuerlich zu berücksichtigen. Die SPD-Bundestagsfraktion arbeitet an dieser Frage. Ich habe auf den Beschluss von März des Jahres verwiesen. Unser Antrag, unsere Formulierung schließt eine mögliche Änderung des Kilometersatzes ja nicht aus, falls diese Berechnungen einen Spielraum ergeben.
(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jawohl! Bravo! - Zuruf der Ab- geordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Eine volle Kompensation, also eine volle Entlastung des Landeshaushalts, ist meiner Meinung nach aber durch diese Neuberechnung nicht möglich, wenn man bedenkt, wie alt dieser 30-ct-Satz inzwischen ist und wie die Preise gestiegen sind. Aber die Rechnung ist es wert. Dann sollte man auf jeden Fall gegebenenfalls nachbessern.
Eine volle Kompensation ist sicherlich nicht möglich, wenn wir uns an die Vorgabe des Gerichts halten wollen, wonach unvermeidliche Ausgaben wie zum Beispiel die Fahrtkosten als Werbungskosten steuerlich zu berücksichtigen sind. Deswegen können wir Ihrem Antrag, Frau Heinold, nicht zustimmen.
Für die Fraktion der FDP erteile ich dem Oppositionsführer und Fraktionsvorsitzenden, Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe es schon lange nicht mehr erlebt, dass eine von mir gestellte Forderung so schnell Anklang in der Großen Koalition findet. Am 26. März habe ich die beiden Regierungsfraktionen aufgefordert, eine Bundesratsinitiative auf den Weg zu bringen mit dem Ziel, die von SPD und CDU im Deutschen Bundestag, durch Zustimmung im Bundesrat im Übrigen von SPD und CDU Schleswig-Holstein gekürzte Pendlerpauschale wieder ab dem ersten Kilometer zu gewähren. Ich empfehle nur die Lektüre der entsprechenden Debattenbeiträge. Ich freue mich auf das, was der Herr Finanzminister heute dazu sagen wird.
Nun liegt uns heute ein unmissverständlich formulierter Parlamentsantrag von CDU und SPD vor, mit dem genau das erreicht werden soll. Darüber freue ich mich, Herr Kollege Wadephul und Herr Kollege Sauter. Ich darf für die FDP-Fraktion erklären, dass wir Ihrem Antrag selbstverständlich zustimmen werden.
Im Übrigen habe ich mich schon gefreut, als am 14. Mai um 16:17 Uhr die Pressemitteilung des CDU-Fraktionsvorsitzenden Wadephul bei mir eintraf, in der er von dem Beschluss der CDU-Fraktion berichtete. Denn zwei Stunden vorher - genauer: um 14:20 Uhr - erreichte mich die Pressemitteilung des Finanzministers und Mitglieds der CDU-Fraktion Wiegard, in der stand:
„Wiegard wandte sich gleichzeitig gegen Steuerentlastungen, die zu Mindereinnahmen in den öffentlichen Haushalten führen.“
Er wandte sich also gegen die Rückkehr zur alten Regelung bei der Pendlerpauschale. Auch im Finanzausschuss - Herr Kollege Neugebauer wird sich daran erinnern können - hat der Finanzminister auf eine Frage von mir geantwortet, er halte von solchen Vorschlägen nichts. Ich freue mich immer, wenn Menschen lernfähig sind und zur Einsicht gelangen. Aber dass ein Umdenken eines Landesministers nur ganze zwei Stunden dauert, ist auch für mich ein Novum. Herr Finanzminister, das lässt für die Zukunft hoffen! Denn nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 23. Januar, wonach die von SPD und CDU auf Bundesebene gekürzte Pendlerpauschale gegen die Verfassung verstößt, haben CDU und SPD in Kiel unisono erklärt, dass sie die Entscheidung des Bundesfinanzhofs zur Pendlerpauschale begrüßen. Die CDU-Fraktion forderte sogar damals schon den Bundesgesetzgeber auf, das Gesetz so schnell wie möglich zu korrigieren, um den Pendlern Rechtssicherheit zu geben. Aber gehandelt, Herr Kollege Wadephul, wurde zunächst nicht. Vielleicht - ein Schelm, der Böses denkt - war auch die Kommunalwahl einfach noch zu weit weg. Aber wie gesagt: Ich freue mich über die Absicht der beiden Koalitionsfraktionen.
Denn ich finde es - unabhängig von Wahlkämpfen richtig, nicht bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu warten. Diesbezüglich, Herr Kollege Wadephul, haben wir eine konsistente Linie. Schon in Bezug auf die Landesbeamtenkinder haben wir vorhin gesagt, dass es nicht sinnvoll ist, bis zur Entscheidung der Gerichte zu warten, wenn man einen politischen Willen hat. Vielleicht denken Sie einmal darüber nach, wie auch Ihre Argumentation sowie die der SPD in diesen Fragen stringent werden kann.
Ich finde es richtig, dass die Kürzungen bei der Pendlerpauschale jetzt zurückgenommen werden und damit die Steuererhöhungen für viele Pendler rückgängig gemacht werden. Denn die rechtliche und finanzielle Unsicherheit bis zu einer endgültigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, mit der nicht vor Ende des Jahres gerechnet wird, ist den Bürgern in Zeiten ständig steigender Belastungen nicht zuzumuten. Im Übrigen sind das Belastungen, die zu einem Großteil auf die Kappe der Regierungsfraktionen gehen.
Denn nicht nur aufgrund der größten Steuererhöhung in der Geschichte der Bundesrepublik haben die Bürgerinnen und Bürger im Jahr 2008 etwa 46,4 Milliarden € weniger in ihren Taschen, Frau Kollegin Heinold. Man darf nicht staatisch denken: Wenn wir den Menschen jetzt etwas zurückgeben,
bedeutet das auch, dass wir etwas für die Ankurbelung des Konsums und der Wirtschaft tun, was wiederum dazu beitragen kann, dass wenigstens ein Teil der Belastungen, die auf die öffentlichen Haushalte zukommen, wieder kompensiert wird.
Anders formuliert: Eine durchschnittliche vierköpfige Familie hat rund 1.600 € pro Jahr weniger zur Verfügung. Die Mehrwertsteuer ist auf 19 % gestiegen, die Versicherungssteuer erhöhte sich auf 19 %, die Krankenversicherungsbeiträge sind auf durchschnittlich 14,8 % gestiegen, der Rentenbeitragssatz stieg auf 19,9 %, die Eigenheimzulage wurde gestrichen, das Weihnachtsgeld der Beamten wurde halbiert, das Urlaubsgeld wurde gestrichen, der Sparerfreibetrag wurde halbiert, der Spitzensteuersatz wurde von 42 % auf 45 % erhöht und nicht zuletzt wurde die Gewährung der Pendlerpauschale bis zum 20. Kilometer abgeschafft.
Die Angst eines Teils der sogenannten Mittelschicht, abzurutschen, hat selbstverständlich etwas damit zu tun, dass die Menschen merken, dass sie immer weniger Geld in ihrem Portemonnaie haben, und dass die Erklärungen, der Aufschwung müsse auch bei ihnen ankommen, wie Hohn und Spott klingen.
Da ist es jetzt, wo die Steuereinnahmen des Bundes so hoch sind wie noch niemals zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik, das Mindeste, den Bürgern die arbeitsplatzbedingten Fahrtaufwendungen wieder steuerlich gutzuschreiben. Das gilt natürlich insbesondere für das Flächenland Schleswig-Holstein, wo es überproportional viele Berufspendler gibt. Wenn wir von den Menschen im Hinblick auf die Zumutbarkeit von Arbeitsplätzen mehr Mobilität erwarten, dann müssen wir die damit verbundenen Mehraufwendungen auch steuerlich begünstigen, wie wir es im Übrigen bei allen anderen Berufsgruppen wie den Freiberuflern, Gewerbetreibenden und Landwirten ebenfalls tun.
In Schleswig-Holstein sind überproportional viele Menschen von der Regelung betroffen. Es wäre ein Glück für diese Menschen, wenn sie schnellstmöglich zurückgenommen würde.
(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 2 Milliarden € sind albern, Herr Kollege Kubicki? Wo sind wir denn eigent- lich?)