Protocol of the Session on February 29, 2008

Dennoch sind beim Ausbau der Tagespflege, auch bei den Investitionskosten, sicherlich noch Nachsteuerungen möglich. Wir werden das aufmerksam beobachten. Wir wollen, dass Investitionen natürlich schwerpunktmäßig in den staatlichen oder kommunalen Einrichtungen gefördert werden, aber wir wollen auch in der Tagespflege die grundsätzliche Möglichkeit haben, dass auch dort, wenn sich privat Menschen engagieren und Kinder aufnehmen wollen, der eine oder andere Euro an Investitionsmitteln zur Verfügung gestellt werden kann. Wir reden immer über Subsidiarität, was heißt, dass die Menschen es regeln sollen, und zwar auch in kleinen Gruppen, und dass es dort besser geregelt ist, wenn es nicht der Staat macht. Wir müssen dann auch praktisch so handeln. Deswegen soll auch die private Tagespflege bei den Investitionskosten ihre Berücksichtigung finden. Das ist unsere Vorstellung, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Es geht darum, dass wir Kindern aller Altersklassen gerecht werden und dem Wunsch der Eltern auf flexible und verlässliche Betreuung entsprechen. Wir haben deshalb in unserer Fraktion Leitlinien für die Familienpolitik beschlossen und darin auch vorgesehen, ab August 2009 das beitragsfreie letzte Kindergartenjahr einzuführen. Wir sind dankbar, dass die Frau Bildungsministerin sich schon 2006 öffentlich dafür ausgesprochen hat, und hoffen, dass wir über die weiteren Fragestellungen, insbesondere natürlich die Finanzierbarkeit, mit dem Koalitionspartner Einigkeit erzielen. Denn das letzte Kindergartenjahr dient als Brückenjahr zur Grundschule. Der Übergang vom Kindergarten in die Grundschule ist ein einschneidendes Erlebnis im Leben eines Kindes und seiner Familie. Das Gelingen dieses Übergangs hat einen entscheidenden Einfluss auf den weiteren Bildungsweg des Kindes. Deswegen ist eine gute Zusammenarbeit zwischen Eltern und Fachkräften in Kindertagesstätten und Grundschulen unerlässlich.

Wir wollen sicherstellen, dass auch Kinder, die zuvor nicht den Kindergarten besucht haben, zum Beispiel aus finanziellen Gründen, eine gewisse Schulreife erlangen. Deshalb werden wir diesen Bereich finanzieren müssen.

Ich halte es für ein vordringliches Ziel, dass wir hier anfangen zu arbeiten, nach unserer Vorstellung beim letzten Kindergartenjahr. Wir müssen uns langfristig in der Tat wie auch in anderen Bundesländern dafür einsetzen, dass der Kindergartenbesuch insgesamt beitragsfrei wird.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Dabei ist natürlich die finanzpolitische Situation unseres Landes zu berücksichtigen, aber wer nicht den ersten Schritt geht, der wird nie am Ziel ankommen. Ich bin froh, dass es trotz manchem Dissens, den wir hier im Hohen Haus in manchen Einzelfragen haben, anerkannt ist, dass Familienpolitik und Politik für Kinder Themen sind, die uns politisch einen. Wenn wir hier in den nächsten Jahren einen klaren Schwerpunkt setzen, ist das einer der besten Beiträge für die Zukunft unseres Heimatlandes.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

(Dr. Johann Wadephul)

Ich danke dem Fraktionsvorsitzenden der CDUFraktion und erteile für die SPD-Fraktion Frau Abgeordneter Astrid Höfs das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nicht nur die Parlamente auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene, sondern unsere Gesellschaft setzt mit immer größerer Regelmäßigkeit das Thema Kindertagesstätten und Kinderkrippen auf die Tagesordnung. Das ist auch richtig so und es war mit Sicherheit auch keine Luxusentscheidung der sozialdemokratischen Landesregierung nach 1988, einen Schwerpunkt auf die bedarfsdeckende Versorgung mit Plätzen in Kindertagesstätten zu setzen, sodass wir heute eine Versorgungsquote von fast 96 % haben.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Die klassischen Argumente für den Ausbau der Kinderbetreuung waren die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Unterstützung der Familien. Aber in den letzten Jahren hat sich ein dritter Aspekt in den Mittelpunkt geschoben, nämlich der eigenständige Bildungsauftrag der vorschulischen Betreuungseinrichtungen. Dabei ist Bildung natürlich mehr als die bloße Vermittlung von Informationen, der Erwerb kognitiver und sozialer Kompetenzen ist genauso wichtig.

Die Verbesserung der Bildung auf allen Ebenen ist ein ganz neutraler Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit. Gerade für Kinder aus bildungsfernen Schichten und Kinder mit Migrationshintergrund ist es entscheidend, dass sie schon in der Kinderkrippe im Umgang mit anderen Kindern ihre Deutschkompetenz ausbauen können und so gar nicht erst den Bedarf nach Sprachfördermaßnahmen vor der Einschulung haben. Denn - oft genug zitiert - dank PISA-Studie wissen wir, wie sehr Bildungsarmut aufgrund sozialer Selektion vererbt wird.

Unser Ziel ist ehrgeizig: Allerspätestens bis 2013 sollen flächendeckend in Deutschland für mindestens 35 % aller Kinder unter drei Jahren Betreuungsplätze angeboten werden, sei es in Tagespflege oder sei es in Kindertageseinrichtungen. Ab 2013 wird es darauf einen Rechtsanspruch geben. Dieser von uns Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen durchgesetzte Rechtsanspruch auf Bildung und Betreuung ist richtig und wichtig, wenn er auch zu spät für die jetzigen Kleinen kommt. Ein bedarfsgerechter Ausbau der Betreuungsplätze ist offensicht

lich aber nur mit einem Rechtsanspruch verbindlich.

Ich will auch nicht verschweigen, dass es in der Gerechtigkeitsdebatte unterschiedliche Ansätze gibt. Die Koalition in Berlin hat sich auf die Einführung eines Betreuungsgeldes ab 2013 für Eltern geeinigt, die ihre Kinder zu Hause betreuen wollen oder müssen. Dabei gilt, dass der Bundestag in der kommenden Legislaturperiode auch eine andere Entscheidung treffen kann.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

An dieser Stelle möchte ich kurz sagen, dass der Vergleich mit Norwegen nicht ganz richtig ist. Wir wissen aber, dass Vergleiche immer irgendwo hinken. In Norwegen ist es so, dass die Menschen noch kleinsiedeliger wohnen als bei uns. Von daher können einige ihre Kinder gar nicht in eine Kindertageseinrichtung bringen. Das ist deshalb dort ein völlig anderer Ansatz und kann deshalb eher akzeptiert werden.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Wir akzeptieren diesen Kompromiss, der bei uns geschlossen worden ist, auch. So können wir doch grünes Licht für die Umsetzung des Bundesprogramms zum Ausbau der Betreuungsplätze geben.

Es ist nichts Neues, dass wir Sozialdemokraten von dieser Leistung nicht viel halten. Aus unserer Sicht geht es vorrangig darum, die bisherige Gerechtigkeitslücke zu schließen, die zulasten derer besteht, die aus wirtschaftlichen Gründen nicht die Möglichkeit haben, zu Hause zu bleiben. Wer in dieser Frage eine Wahlfreiheit hat, wird ohnehin durch das Ehegattensplitting gefördert, das Alleinverdiener-Ehepaare bevorteilt und den Staat jährlich mehrere Milliarden € kostet.

Das Betreuungsgeld wird nach den bisherigen Berechnungen 2 Milliarden bis 2,7 Milliarden € kosten, die ich lieber für ein quantitativ wie qualitativ besseres Betreuungsangebot anlegen würde oder darüber hinaus für die grundsätzliche Senkung der Gebührensätze, kostenfreie Verpflegung oder sogar eine gänzliche Kostenbefreiung.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im März vergangenen Jahres waren 5.890 Kinder unter drei Jahren in Betreuung. Das sind knapp 400 mehr als ein Jahr zuvor. Dieses Wachstum reicht also bei Weitem nicht aus, um bis 2013 auf die dann erforderlichen 17.000 Plätze zu kommen. Allein die

Kindertageseinrichtungen müssen um etwa 7.600 Plätze verstärkt werden, die Tagespflegeplätze um fast 3.900 vermehrt werden. 35 % Versorgungsgrad ist die Zahl, die angenommen wird, um den im Tagesbetreuungsausbaugesetz von 2004, das unter der Verantwortung der früheren Familienministerin Renate Schmidt entstanden ist, festgeschriebenen Anspruch auf ein bedarfsgerechtes Angebot in Betreuungseinrichtungen umzusetzen.

Das Tagesbetreuungsausbaugesetz verpflichtet die Kommunen bereits seit Januar 2005 zu einem Ausbau der Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren. Doch bisher ist leider viel zu wenig in den Kommunen geschehen. Sie sind den Anforderungen bisher nicht angemessen nachgekommen. Lediglich 8 % der Kinder unter drei Jahren werden in Schleswig-Holstein entweder in einer Krippe oder bei Tagesmüttern betreut.

Bund und Länder haben deshalb vereinbart, bis zum 1. Oktober 2010 einen Versorgungsgrad von etwa 17 % zu schaffen und diesen in den darauffolgenden Jahren erneut zu verdoppeln. Bund und Länder haben für den Zeitraum 2008 bis 2013 ein Investitionsprogramm Kinderbetreuungsfinanzierung vereinbart. Der Bund bringt in dieses Sondervermögen einen Finanzierungsanteil von 2,15 Milliarden € ein. Davon erhält Schleswig-Holstein 136 Millionen €. Die Landesregierung wird bis zum Jahr 2013, um das Ziel von 35 % Versorgungsquote zu erreichen, insgesamt 113 Millionen € einbringen müssen. Das sind angesichts unserer Haushaltslage wirklich keine Peanuts.

Das Land wird den kommunalen Trägern die 136 Millionen €, die der Bund für Schleswig-Holstein aufbringt, vollständig weiterreichen. Davon entfallen 74 Millionen € auf Investitionsmittel. 62 Millionen € sind für Betriebskosten vorgesehen. Die Investitionsmittel stehen bereits im laufenden Jahr zur Verfügung, Bund und Land werden in die Betriebskosten ab dem kommenden Jahr einsteigen.

Erfreulich ist in jedem Fall, dass bereits erreicht werden konnte, dass der Bund sich nicht wie ursprünglich geplant nur an den Investitionskosten beteiligt. Ohne eine Beteiligung an den laufenden Kosten wäre niemandem wirklich geholfen, denn der Löwenanteil wird durch die Personal- und somit durch die Betriebskosten gestellt.

Wir gehen davon aus, dass 30 % der erforderlichen Betreuungsplätze in der Tagespflege entstehen werden. Das ist in einem Land wie Schleswig-Holstein mit einer sehr kleinteiligen Siedlungsstruktur erforderlich, da bei Weitem nicht jede Familie in

kleinen Orten eine Kindertagesstätte in der Nähe hat. Hieran hängt natürlich auch immer die Frage von Standards und Qualifikation. Die Tagesmütter und hoffentlich auch Tagesväter sollen in insgesamt 80 Qualitätszentren landesweit ausgewählt, vermittelt, fachlich begleitet und weiterqualifiziert werden. Schon jetzt findet in Familienbildungsstätten und Familienzentren diese Ausbildung erfolgreich statt. Das wird sich hoffentlich so fortsetzen.

Es ist alles gut vorbereitet. Nun ist es wirklich an der Zeit, dass die Kommunen endlich für die erforderlichen Betreuungsplätze sorgen. Der Bedarf ist in jedem Fall da. Viel zu oft fragen junge Eltern ohne Erfolg nach Betreuungsplätzen und wenn keine Betreuungsplätze für ihre Kinder unter drei Jahren zu finden sind, kommen Familien in ganz problematische Situationen, wenn es gilt, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Es ist einfach unbegreiflich, dass einige kommunale Vertreterinnen und Vertreter lieber Kindertagesstätten eventuell leerlaufen lassen, statt sich für Krippenplätze in ihren Einrichtungen starkzumachen.

(Beifall des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD] und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dabei lassen sich Einrichtungen häufig sehr gut so gestalten, dass man Plätze umwandeln kann und diese so zum Erhalt der Kindertagesstätten beitragen können. Der Ausbau der Krippenplätze ist örtlich natürlich sehr unterschiedlich. Man kann Plätze umwandeln, es wird der Ausbau und der Umbau erforderlich sein. In jedem Fall könnte es in einigen Bereichen wesentlich zügiger gehen. Eltern und Kinder können einfach nicht darauf warten. Die Krippenplätze sind eine Investition für die Zukunft und für die Kommunen. Ich finde, sie sind auch ein ganz bedeutender Standortfaktor, der immer mehr ins Gewicht fällt. Junge Menschen können eigentlich nur noch dort leben, wo die Betreuung ihrer Kinder sichergestellt ist.

Abschließend bedanke ich mich bei der Bildungsministerin und ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen für den Bericht,

(Beifall bei der SPD)

den wir in den Bildungsausschuss, mitberatend in den Sozialausschuss und den Finanzausschuss überweisen wollen. Ich glaube, es wäre ganz gut, wenn das Ministerium regelmäßig über den Fortlauf der Situation und Planungen begleitend berichten würde.

(Astrid Höfs)

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Ich danke der Frau Abgeordneten Astrid Höfs und erteile für die FDP-Fraktion Herrn Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir brauchen in Schleswig-Holstein ein ausreichendes Angebot an qualifizierten Betreuungsplätzen für unter dreijährige Kinder. Um den bis 2013 verabredeten Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder vom ersten Lebensjahr an in SchleswigHolstein überhaupt erfüllen zu können, sind aber noch erhebliche Anstrengungen nötig. Der Bericht der Landesregierung zum aktuellen Sachstand zeigt, dass Schleswig-Holstein, um einen Versorgungsgrad von 35 % zu erreichen, bis 2013 rund 17.000 Krippenplätze einrichten muss.

Die Zahl von 35 %, die auch von der Bundesregierung bundesweit angestrebt wird, beruht, wie wir wissen, auf Meinungsumfrageergebnissen, aus denen hervorgeht, dass etwa ein Drittel der Eltern einen entsprechenden Bedarf geltend macht. Dabei ist nicht klar, wie sich der Bedarf vor Ort, regional möglicherweise differenziert darstellen wird, welche Unterschiede es beispielsweise zwischen Stadt und Land, zwischen einzelnen Regionen des Landes in der Nachfrage geben wird.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Kommunen in Schleswig-Holstein praktisch flächendeckend - von wenigen Ausnahmen abgesehen - kaum Kenntnisse über den konkreten Bedarf angeben. Deutlich wurde das im Bericht der Landesregierung, der im Juni 2006 im Parlament diskutiert worden ist, zum Thema ,,Vorfahrt für Kinder - Kostenlose Kinderbetreuung umsetzen". Damals wurde angegeben, dass fünf Kreise und kreisfreie Städte einen Ausbaubedarf von 690 Plätzen bis 2010 ermittelt hätten. Den anderen Kreisen und kreisfreien Städten sei der Ausbaubedarf nicht hinreichend bekannt; andere meldeten sogar gar keinen Ausbaubedarf. Außer der Landeshauptstadt Kiel konnten die Kommunen die für den Ausbau anfallenden Kosten nur teilweise oder gar nicht angeben.

Vor diesem Hintergrund ist es schwierig, jetzt beurteilen zu können, ob die vom Bund und Land für den Ausbau der Krippenplätze in Schleswig-Holstein von 2008 bis 2013 veranschlagten knapp 250 Millionen € ausreichen. Zweifel sind aber an

gebracht, wenn von durchschnittlichen Investitionskosten für einen Kindertagesstättenplatz von 30.000 € ausgegangen werden muss.

Die Einrichtung und der Unterhalt von 17.000 neuen Krippenplätzen würde unter Zugrundelegung dieser Zahlen rund 510 Millionen € bedeuten, von denen die Kreise und kreisfreien Städte - davon geht die Landesregierung nach dem neuen Bericht aus - rund die Hälfte zu zahlen hätten. Der Kunstgriff des Landes, mit verschiedenen Ausbaustufen, der Umwandlung von regulären Kita-Plätzen in Krippenplätze und dem Ausbau der Tagespflege die Kosten zu drücken, kann nicht von der berechtigten Frage der kommunalen Landesverbände ablenken, ob mit der Einführung eines Rechtsanspruches auf einen Krippenplatz das Konnexitätsprinzip der schleswig-holsteinischen Landesverfassung berührt sei. Sollte das der Fall sein, ist der Anspruch der Kommunen auf einen vollen Kostenausgleich vom Land nach Artikel 49 Abs. 2 der Landesverfassung nicht von der Hand zu weisen. Diese Frage wird dem Landtag noch einiges Kopfzerbrechen bereiten. Eine Antwort auf diese Frage gibt der Bericht nicht.

Ich möchte zwei Zitate von Seite fünf vorlesen. Eines dieser Zitate lautet:

„Die Kommunen haben sich zur Höhe ihrer Beteiligung noch nicht geäußert.“

Das zweite Zitat auf derselben Seite lautet:

„Die investiven Gesamtkosten lassen sich noch nicht genau beziffern.“