Protocol of the Session on February 28, 2008

Die Transplantationsbeauftragten müssen in einer extremen Ausnahmesituation bei den Angehörigen eines Menschen, der kurz zuvor für hirntot erklärt worden ist, dafür werben, dass sie die Organe ihres Kindes, Ehegatten, Bruders oder ihrer Schwester für einen ihnen völlig unbekannten Menschen spenden, dessen Leben möglicherweise von der Organspende abhängt. Für diese Vermittlungstätigkeit brauchen Transplantationsbeauftragte nicht nur bestimmte Freiräume, sie brauchen Akzeptanz, sie brauchen Autorität. Genau an dieser Stelle greift aus unserer Sicht der Entwurf der Großen Koalition zu kurz. Das ist der Grund dafür, dass wir unseren Gesetzentwurf in der Ursprungsfassung erneut zur Abstimmung stellen.

(Beifall bei der FDP)

Denn unser Gesetzentwurf - darauf hat die Kollegin Schümann hingewiesen - sieht in § 6 - das ist der eigentliche Knackpunkt dafür gewesen, dass es nicht zu einer Einigung gekommen ist - zwingend vor, dass Beauftragte Ärztinnen und Ärzte sein müssen. Ergänzend können als Transplantationsbeauftragte Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger mit langjähriger Erfahrung in der Intensivpflege bestellt werden.

Nach dem Willen von CDU und SPD soll von vornherein eine Pflegekraft mit der Aufgabe eines Transplantationsbeauftragten betraut werden. Ich vermute einmal, dass Sie da von einer bestimmten Interessengemeinschaft beraten worden sind, auch im Hinblick auf mögliche Kosten, die dieses Gesetz auslösen könnte. Ich will Ihnen sagen, warum wir an der Stelle anderer Meinung sind. Sie zwingen eine Pflegekraft, die Sie bestellen, in einen Konflikt innerhalb der Klinikhierarchie, den sie im Zweifel nicht besteht und der sie gleichzeitig in große Schwierigkeiten bringen kann. Das wiederum führt nicht nur zu Reibungsverlusten innerhalb von Klinikabläufen, es demotiviert die Beauftragten und fördert gerade nicht die Beziehung zu den Angehörigen von infrage kommenden Spendern.

Nun mag man von der Klinikhierarchie, wie sie heute nach wie vor besteht, halten, was man will. Die Kollegin Birk macht darauf immer sehr deutlich aufmerksam. Es nützt aber nichts, die existente Klinikhierarchie auszublenden. In der bestehenden Hierarchie zwingen Sie eine Pflegekraft, die Sie als

(Jutta Schümann)

Transplantationsbeauftragte bestellen wollen, in einen Konflikt, den sie nie bestehen wird.

(Ursula Sassen [CDU]: Das bezweifle ich!)

- Liebe Kollegin Sassen, das hat gar nichts mit der Qualifikation der Pflegekraft zu tun. Aber dass die Vorstellung, dass eine als Transplantationsbeauftragte tätige Pflegekraft im Klinikalltag gegen den Willen der ärztlichen Leitung der Intensivstation womöglich Maßnahmen einleitet und verwirklichen könnte, Realität werden könnte, davon sind wir heute noch meilenweit entfernt. Deswegen demotivieren Sie eine Beauftragte von Anfang an, weil sie sich an der Stelle nie durchsetzen wird können, solange wir mit solchen Hierarchien leben.

Ich appelliere deswegen an die Kliniken in Schleswig-Holstein, von dieser Regelung - soweit es irgend geht - keinen Gebrauch zu machen, sondern von vorneherein Ärzte, ergänzt durch den Fachverstand des Pflegepersonals, mit dieser Aufgabe zu betrauen.

Wir geben Ihnen heute noch einmal die Chance, unserem Gesetzentwurf zuzustimmen. Die FDP-Fraktion wird sich bei dem Gesetz der regierungstragenden Fraktionen enthalten.

(Beifall)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Abgeordnete Angelika Birk das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin Herrn Garg sehr dankbar für seine Hartnäckigkeit. Ohne seine konkreten Vorschläge und seine sachliche Penetranz wäre dort nicht so viel auf den Weg gekommen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Situation an den Kliniken ist so - meine Vorrednerinnen und Vorredner haben zu Recht darauf hingewiesen -, dass viele misstrauisch geworden sind oder noch nie besonders motiviert waren, selber in einem Organspendeausweis einzutragen, dass sie spenden wollen.

Ich gebe Herrn Garg recht. Allein mit einem Beauftragtenwesen wird man diesen Zustand nicht ändern. Trotzdem stellt ein solches Beauftragtenwesen eine Verbesserung dar. Interessierte Bürger können sich nämlich erkundigen, wie das alles ab

läuft und wo man beispielsweise das Gesetz nachlesen kann. Dadurch erhöhen wir auch die Seriosität.

Im April wird der Bericht vorliegen, den wir zur Aufklärung der Frage beantragt haben, ob es Bevorzugungen oder Benachteiligungen bei der Zuteilung von Spenderorganen gibt. Ich hoffe, dass das Vertrauen noch mehr erhöht wird, wenn wir aus dem Bericht unsere Konsequenzen ziehen.

Wir sind auch der Meinung, dass es richtig ist, dieses Thema gesetzlich zu regeln.

Ich darf zwei Stichworte aufgreifen. - Die Transplantationskommission beurteilt in jedem Fall einer anvisierten Lebendspende, ob der Spender freiwillig spendet und ob die Transplantation aussichtsreich ist. In diesem Zusammenhang gibt es die Auseinandersetzung darüber, ob wir eine oder mehrere Transplantationskommissionen brauchen. Wenn wir davon ausgehen, dass die Anzahl an Organtransplantationen zunimmt, dann brauchen wir glaube ich - mehrere.

Zu den Transplantationsbeauftragten selbst! Sie informieren, klären auf und werben. Deswegen haben sie Zugang zu allen Intensiv- und Beatmungsbetten. Denn sie organisieren auch alles Praktische rund um die dann durchzuführende Organentnahme. Sie können sich sicherlich vorstellen, dass das ein sehr heikler Auftrag ist.

Hinsichtlich der Frage, ob nun Ärztinnen und Ärzte oder die Pflegekräfte für diese Aufgabe besser geeignet sind, schließe ich mich der Auffassung der Koalition an. Es gibt keinen Grund, zu sagen, dass Ärztinnen und Ärzte per se besser geeignet seien. Im Gegenteil: Gerade die Pflegekräfte in der Intensivmedizin sind sehr nah an den Fragestellungen dran.

Zur Frage, wie das innerhalb der Klinikhierarchie zu regeln ist. Wenn man dem Vorschlag der Großen Koalition folgen will, dann muss man dies ganz deutlich regeln. Nur so kann man den Zielkonflikt, den Herr Garg eben beschrieben hat, lösen. Denn dass dieser Zielkonflikt vorhanden ist, kann man nicht leugnen.

Lange Rede, kurzer Sinn. Wir finden, beide Gesetzentwürfe sind ein deutlicher Schritt nach vorn.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Insofern macht man aus unserer Sicht nichts verkehrt, wenn man beiden Gesetzentwürfen zustimmt. Vielmehr geht man ein Thema an, das im Moment ein Problem darstellt.

(Dr. Heiner Garg)

Wir haben für verschiedene Punkte in beiden Gesetzentwürfen mehr oder weniger Sympathie. Wir finden es beispielsweise sehr bedenklich, dass jemand mit medizinethischen Kenntnissen an Entscheidungen der Transplantationskommission mitwirkt.

Die FDP war der Initiator und hat auf vielen Feldern die wegbereitende Arbeit geleistet. Der Gesetzentwurf der FDP ist in sich sehr stimmig. Insofern hat er unsere Erstsympathie, aber wir können auch mit dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen leben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Abgeordneten des SSW erteile ich deren Vorsitzender, der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk, das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zuerst einmal möchte ich mich nochmals für die ursprüngliche Initiative der FDP bedanken, die erst dazu geführt hat, dass wir heute ein Ausführungsgesetz zum Transplantationsgesetz beschließen können. In der ersten Lesung zum Gesetzentwurf der FDP habe ich für den SSW einige Bedenken vorgetragen, auf die ich nochmals eingehen möchte.

Wir haben seinerzeit Bedenken hinsichtlich der Einrichtung einer Gutachterkommission bei Lebendspenden geäußert. Dabei ging es uns darum, dass wir nicht ein Gremium einrichten, das bei veränderter Rechtslage dann wesentlich mehr Lebendspenden zulassen könnte, als es heute schon möglich ist. Wir als SSW haben erhebliche Schwierigkeiten mit einer weiteren Ausweitung von Lebendspenden. Deshalb wollen wir eine solche Gutachterkommission auch wieder neu diskutieren, sollten die Lebendspenden gravierend ausgeweitet werden.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir haben uns aber in den Beratungen im Ausschuss davon überzeugen lassen, dass ein Gutachtergremium derzeit notwendig ist, um ein transparentes Verfahren hinzubekommen. Ohne gutachterliche Stellungnahmen wären wir nicht in der Lage, abgewogene Entscheidungen treffen zu können und später auch nachweisen zu können, vor welchem Hintergrund Entscheidungen hinsichtlich einer Lebendspende getroffen wurden.

Auch die Frage der Finanzierung der Transplantationsbeauftragten war Gegenstand der Debatte in der ersten Lesung. Wir können jetzt feststellen, dass der Transplantationsbeauftragte nach dem vorliegenden Gesetzentwurf von CDU und SPD für seine Aufgaben freizustellen ist. Darüber hinaus muss die ärztliche Klinikleitung auch die Teilnahme an Aus- und Fortbildungsveranstaltungen sicherstellen.

(Beifall bei der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Damit ist klar, dass ein Transplantationsbeauftragter nicht finanziell draufzahlen muss, wenn er diese Tätigkeit übernimmt. Wird in einer Klinik ein Transplantationsbeauftragter benannt, wird er freigestellt und seine bisherigen Aufgaben müssen in entsprechendem Umfang von anderen übernommen werden.

Hinsichtlich der Transplantationsbeauftragten wurde im Ausschuss noch die Frage aufgeworfen, ob ausschließlich Ärzte diese Tätigkeit ausüben sollten oder ob auch pflegerische Kräfte unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls Transplantationsbeauftragte sein können. Im CDU-SPD-Gesetzentwurf hat man sich dafür entschieden, auch pflegerische Kräfte mit langjähriger Erfahrung in der Intensivpflege als Transplantationsbeauftragte zuzulassen. Wir glauben, dass dieser Weg richtig ist. Die pflegerischen Berufe erfordern heute schon ein hohes Maß an Fachwissen und in Zukunft wird die Bedeutung der Pflege eher noch zunehmen als abnehmen.

Darüber hinaus meinen wir, dass eine ganzheitliche Betrachtungsweise hier angebracht ist. Sowohl Ärzte als auch die Pflegerinnen und Pfleger sind an den Entscheidungen und den Behandlungsabläufen beteiligt. Daher muss es auch möglich sein, dass man aus beiden Berufsgruppen entsprechend geeignetes und erfahrenes Personal als Transplantationsbeauftragte benennen kann.

Wir können uns schon vorstellen, dass es zuerst einmal gewöhnungsbedürftig ist, dass eine pflegerische Kraft im Fall der Fälle gegenüber den Ärzten entsprechende Untersuchungen des hirntoten Patienten veranlassen kann. Aber in einem modernen Betrieb, wie es ein Krankenhaus ist, ist kein Platz für Standesdünkel, sondern hier geht es um eine schnelle und zuverlässige Organisation von Abläufen. Und dieses können gerade auch Pflegekräfte gewährleisten.

(Beifall bei der SPD)

(Angelika Birk)

Neben all den organisatorischen Fragen, die durch das Gesetz gelöst werden sollen, stellt sich aber immer noch die Frage, wie man die Zahl der Organspenden steigern kann. Schleswig-Holstein hat hier einen Nachholbedarf und schon in der letzten Debatte zum Gesetz habe ich deutlich gemacht, dass man deutschlandweit eine Informationskampagne starten müsste, damit mehr Organe gespendet werden. Eine solche Kampagne ist teuer, aber ohne eine solche breite Information nützen die besten Gesetze und Ausführungsgesetze nichts.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit also unser Gesetz, das wir heute beschließen, auch wirklich wirken kann, werden wir um eine Ausweitung der Informationen über Organspenden nicht herumkommen.

In den Beratungen haben wir feststellen können, dass es kaum noch einen großen politischen Dissens in Bezug auf ein Ausführungsgesetz zum Transplantationsgesetz gibt. Unsere Bedenken sind in den Ausschussberatungen ausgeräumt worden und wir haben die Hoffnung, dass durch das vorliegende Gesetz mehr Sicherheit in Bezug auf die Organspende geschaffen werden kann.

Wir werden dem Gesetzentwurf von CDU und SPD zustimmen und uns beim Gesetzentwurf der FDP der Stimme enthalten.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung erteile ich der Ministerin für Soziales, Gesundheit, Familie und Senioren, Frau Dr. Gitta Trauernicht, das Wort.