Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort für die antragstellende Fraktion hat Herr Abgeordneter Karl-Martin Hentschel.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst einmal auf die Tagesordnung eingehen. Wir haben in diesem Landtag vier Anträge zur Agrarpolitik gestellt, weil sich in keinem Politikbereich dieser Landesregierung in den letzten Monaten so viel verändert hat und so viel Ankündigungen gekommen sind wie im Bereich der Agrarpolitik. Ich halte es deswegen für notwendig, eine agrarpolitische Grundsatzdebatte zu führen.
Ich finde es ausgesprochen bedauerlich, dass die beiden großen Parteien, obwohl sie ja sehr viel Wert auf Minderheitsschutz legen, wie Sie am Anfang geäußert haben, jetzt so weit sind, dass sie eine solche Debatte in vier Tagesordnungspunkte zerstückeln, die zu vier verschiedenen Zeitpunkten stattfinden, davon einer heute, obwohl bekannt ist, dass für morgen eine Kundgebung von Bauern vor dem Landtag angekündigt ist. Ich finde dieses Vorgehen unglaublich. Ich bitte die beiden Regierungsfraktionen, sich einmal zu besinnen. So etwas ist in den letzten neun Jahren, in denen ich dem Landtag angehört habe, zu keinem Zeitpunkt vorgekommen. Ich finde das schlechten Stil.
Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat angekündigt, die Richtlinien für Agrarinvestitionen zu überarbeiten. Darüber reden wir jetzt. In dem vorliegenden Antrag geht es um zwei Punkte.
Erstens: Die Kriterien der tiergerechten Tierhaltung sollen aufgehoben werden. Hier ist festzustellen, dass allein diese Ankündigung irreführend ist. Denn alle Bundesländer müssen Richtlinien für Agrarinvestitionen haben, die auf den gemeinsamen Kriterien basieren, die im PLANAK, dem Koordinationsgremium der Landwirtschaftsminister der Länder, abgesprochen werden. Diese Richtlinien gibt es übrigens in allen Bundesländern und sie sind anderswo auch kei
neswegs einfacher und kürzer, sie unterscheiden sich lediglich darin, welche Standards sie vorschreiben. Es geht also bei der Novellierung in keiner Weise darum, etwas einfach zu gestalten - wie immer behauptet wird -, sondern einzig und allein darum, welche Standards beschrieben werden.
Es ist schon erstaunlich, dass Schleswig-Holstein diesen Weg geht, während zum Beispiel Sachsen, ein Land, das von der politischen Zusammensetzung her ähnlich regiert wird wie Schleswig-Holstein, gerade eine Agrarinvestitionsrichtlinie verabschiedet hat, in der die Tierschutzbedingungen deutlich verschärft worden sind, also genau den umgekehrten Weg geht. Da wundert es mich umso mehr, dass SchleswigHolstein hier einen anderen Weg gehen will.
Öffentliche Agrarförderung ist vor dem Hintergrund leerer öffentlicher Kassen, gestiegener Aufmerksamkeit der Verbraucher und Steuerzahler und nicht zuletzt der WTO-Verhandlungen nur noch vertretbar, wenn sie an die Einhaltung transparenter und gesellschaftlich gewollter Kriterien gebunden ist. Es dient der Landwirtschaft, wenn Qualitätsstandards gefordert werden. Nur so können die hohen Subventionen, die hohen Zuschüsse gerechtfertigt werden, die die Landwirtschaft bekommt. Das ist auch im PLANAK längst Konsens - von Bayern bis Schleswig-Holstein, von Sachsen bis NRW. Ich kann nur dringend darauf hinweisen. Die Akzeptanz unserer Produkte hängt von ihrer hohen Qualität ab.
Nicht tiergerechte Ställe sind nicht nur Tierquälerei, sie schaden auch der Gesundheit der Tiere und damit der Qualität der Produkte aus Schleswig-Holstein.
Es ist ausgesprochen kurzsichtig und traurig, wenn ausgerechnet ein Christdemokrat wie Herr von Boetticher für das Mitgeschöpf Tier die tiergerechte Haltung abschaffen will.
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP] - Minister Dr. Christian von Boetti- cher: Das ist doch Schwachsinn!)
Nun zum zweiten Punkt, den wir an den neuen Richtlinien untragbar finden: Die Streichung von Förderobergrenzen und die Mindestkreditgröße von 50.000 € machen deutlich, dass in Zukunft nur noch Großbetriebe gefördert werden sollen. Es ist aber keineswegs so, dass sich nur große Investitionen
rechnen und sich nur große Höfe halten. Es gibt auch in der Landwirtschaft häufig Kleininvestitionen, die einen großen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit leisten können.
Es gibt auch kleine Landwirte, die sich erfolgreich eine Marktlücke erschlossen haben. Die Streichung der Förderung von Kleininvestitionen behindert deswegen auch die Entwicklung innovativer Ideen oder die Erschließung neuer Einkommensquellen. Sie zwingt die Bauern teilweise dazu, höher zu investieren, als sie es wollen. Das ist auch ökonomisch unsinnig.
Sehr geehrter Herr Minister, wer eine Wende zu der Agrarpolitik von gestern einleiten will, handelt kurzsichtig. Auch beim nächsten Agrarskandal werden diejenigen, die auf Masse statt auf Qualität setzen, diejenigen sein, die am härtesten betroffen sind. So manche Investition, die heute etwas billiger erscheint, kann morgen schon wertlos sein, wenn sie den Standards von morgen nicht entspricht. Ein Minister, der dem Rechnung trägt, mag heute den Beifall des Bauernverbandes genießen. Er hat aber weder den Beifall der Verbraucher noch den der Bauern, die mit hoher Qualität produzieren und doch beim nächsten Skandal mit betroffen sein werden.
Meine Damen und Herren, die aufgeführten Gründe sollten ausreichen, damit Sie unserem Antrag zustimmen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Agrarinvestitionsförderung ist eines der zentralen Instrumente zur Entwicklung der landwirtschaftlichen Betriebe in Schleswig-Holstein schlechthin. Die Nettoinvestitionen unserer landwirtschaftlichen Unternehmen haben auf Bundesebene im letzten Wirtschaftsjahr gegenüber dem Vorjahr um mehr als die Hälfte abgenommen. Das zeugt von der Verunsicherung der Bauern, die nicht zuletzt durch die ideologisch geprägte Agrarpolitik der letzten Jahre hervorgerufen worden ist.
Es gibt keinen Zweifel daran, dass unsere Betriebe diesen Investitionsstau jetzt abbauen müssen, um für die Zukunft gerüstet zu sein. Für uns geht es darum,
die Wettbewerbsfähigkeit unserer Betriebe zu erhalten und zu verbessern. Die Bauern stehen Gewehr bei Fuß. Sie wollen wieder investieren. Sie wollen diesen Investitionsstau abbauen, nicht zuletzt, weil es einen Regierungswechsel in Kiel gegeben hat und weil sie eine gewisse Planungssicherheit für die Zukunft sehen.
Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Herr Kollege Hentschel, vermittelt mir den Eindruck, dass Sie davon ausgehen, die Landwirtschaft würde die Bestimmungen des Tierschutzes, für artgerechte Haltung et cetera nicht einhalten. Dieses Misstrauen haben wir nicht. Artgerechte Tierhaltungsformen werden bei Investitionsmaßnahmen berücksichtigt. Der deutsche Landwirt weiß, nur eine Kuh, die art- und tierschutzgerecht gehalten wird, ist in der Lage, Höchstleistungen bei der Milchproduktion zu erbringen, nur ein Schwein, das gesund gehalten wird, hat eine vernünftige Tageszunahme. Grundsätzlich sind Tiere artgerecht zu halten. Dies gilt nicht nur heute, das gilt auch für die Zukunft. Unsere Bauern halten sich auch daran. Wir vertrauen auf unsere Bauern. Wir wissen, dass sie die Tiere artgerecht halten. Wir halten es nicht für erforderlich, weitere Regularien zu installieren. Deregulierung ist eher angesagt.
- Da gibt es vielleicht auch andere Voraussetzungen, Herr Hentschel, etwa wenn Sie auf Sachsen anspielen.
Die Europäische Union hat die Weichen entsprechend gestellt und wird auch weiterhin den Tierschutz angemessen berücksichtigen. Überall, Herr Kollege Hentschel, gibt es schwarze Schafe, auch in der Landwirtschaft.
Das ändern wir aber nicht mit der Schaffung zusätzlicher bürokratischer Hemmnisse. Das wird uns auch nicht dazu veranlassen, die Agrarinvestitionsförderung speziell auf eine verschwindende Minderheit zuzuschneiden. Wir wollen mit den äußerst knappen Mitteln so effektiv wie möglich umgehen und den größtmöglichen Nutzen daraus ziehen.
Die Konzentration auf Investitionsdarlehen ab 50.000 € ist ein Spiegelbild der Entwicklung der Landwirtschaft. Der Strukturwandel ist nicht aufzuhalten. Deshalb muss sich die Politik anpassen; sie darf nicht stur an der Vergangenheit festhalten. Dör
fer, die noch vor 25 Jahren durch 15 bis 20 landwirtschaftliche Betriebe geprägt waren, haben heute noch einen oder zwei Bauernhöfe. Die Flächen bleiben natürlich weiterhin in Bewirtschaftung. Aber je weniger Geld zur Verfügung steht, umso konsequenter und zielgerichteter muss die Förderpolitik ausgerichtet werden. Deshalb sagen wir: Die Landesregierung ist auf dem richtigen Weg und wir unterstützen sie dabei.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass wir in der 5. Tagung des Landtages mehrfach über Themen der Landwirtschaft debattieren werden. Gestatten Sie mir aber eine kleine Vorbemerkung zu den Äußerungen des Kollegen KarlMartin Hentschel über die Tagesordnung. Ich glaube, das hohe Haus hat seine Tagesordnung noch nie auf Demonstrationen ausgerichtet, die angekündigt worden sind. Es wäre ein Sonderfall, wenn wir so etwas machen würden.
Für mich ist auch nicht verständlich, dass uns für heute und morgen drei Anträge der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorliegen, deren Inhalte bereits Gegenstand der Sitzung des Umwelt- und Agrarausschusses am 10. August waren und zu denen die Landesregierung dort schon ausführlich Stellung genommen hat. Dorthin gehören auch die aufgeworfenen Fragen, da sie Verwaltungshandeln betreffen und sich nicht unbedingt für die Diskussion hier im Parlament eignen.
Nun zu dem konkreten Antrag! Im Koalitionsvertrag ist festgehalten: Die Investitionsförderung der land- und ernähungswirtschaftlichen Betriebe ist wieder in den Vordergrund zu stellen. Ferner haben wir uns im Koalitionsvertrag dafür ausgesprochen, dass die Regelungen des Bundes und der EU in SchleswigHolstein möglichst eins zu eins umzusetzen sind, um insbesondere Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.