Protocol of the Session on September 1, 2005

sogar schlimmer. Immer mehr sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze verschwinden - in SchleswigHolstein bedauerlicherweise schneller als im übrigen Westdeutschland. Und das alles, obwohl Deutschland und Schleswig-Holstein gerade einem der größten Konjunkturprogramme der jüngsten Menschheitsgeschichte ausgesetzt sind. Seit 30 Jahren ist die Weltwirtschaft nicht so schnell gewachsen wir in den letzten beiden Jahren.

Entsprechend schlecht ist die Finanzlage. Das Land ist immer noch pleite. Wir besprachen das heute Morgen bereits. Und jetzt kommt der Haushalt 2006. Er soll sozusagen das schwarz-rote Aufstiegsspiel werden. Seinetwegen sollen die Wirtschaftskraft und der Wohlstand wieder wachsen, sollen die Schulden des Landes langsamer wachsen, die Zahl der Arbeitsplätze soll überhaupt wieder wachsen und die Arbeitslosigkeit soll sogar schrumpfen.

Allerdings lässt die Landesregierung offen, wie sie das erreichen will. Der Finanzminister stellt sich ungefähr das Gleiche vor, was er auch schon in der Opposition als finanzpolitischer Sprecher der CDUFraktion gefordert hat - und wir übrigens schon vor ihm -: Das Land soll weniger ausgeben und trotzdem mehr investieren. Herr Finanzminister, dieses Ziel wird im Haushaltsentwurf 2006 verfehlt. Die Nettoausgaben sinken gegenüber dem Haushalt 2005 inklusive des Nachtrages nur um 0,1 %. Die Investitionen sinken aber um 0,9 %. Und die Investitionen, die das Land selbst bezahlt, sinken sogar um 2,5 %, also 25-mal schneller als die Nettoausgaben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es könnte selbstverständlich sein, dass dies nur der Anfang ist, dass die Landesregierung sozusagen noch ein paar Schritte zurückgeht, um Anlauf für die folgenden Jahre zu nehmen. Das müsste sich dann ja in ihren Zahlen des Finanzplans niederschlagen - leider wiederum Fehlanzeige. Die Nettoausgaben sollen 2009 um 2,2 % höher sein als 2005. Die Investitionen sollen jedoch 2009 um 8,9 % niedriger sein als 2005. Die Landesregierung will also nicht weniger Geld ausgeben, sie will mehr ausgeben. Als Ausgleich will sie aber auch nicht mehr investieren, sie will weniger investieren. Das ist kein Erfolg versprechendes Konzept für mehr Wachstum, mehr Arbeitsplätze und mehr Wohlstand, das ist eher das Gegenteil.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Klaus Müller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Es scheint, als habe die große Koalition ihren Finanzminister schon gezähmt und sich ganz der Bewahrung des Stillstandes hingegeben. Ich hoffe, dass dies nur so scheint.

Ein Indiz dafür, dass der Schein leider nicht trügt, geben uns die Funktionenübersichten 2005 und 2006. Zum Beispiel hatte Rot-Grün 2005 für die politische Führung des Landes 227 Millionen € angesetzt, mit dem Nachtrag hat die große Koalition beschlossen, dass sie hierfür in diesem Jahr mehr ausgeben will, 261 Millionen €, 34 Millionen € oder 15 % mehr. - Ich komme auf Ihren vermutlichen Einwand noch zurück. Im Haushaltsentwurf 2006 steigen die Ausgaben für die politische Führung auf 289 Millionen €. Das sind noch einmal 28 Millionen € oder 11 % mehr. Es scheint, als sei die große Koalition vor allem eines, nämlich teuer.

Übrigens hat der ehemalige Oppositionsführer und heutige Landtagspräsident in einer seiner Reden zum Doppelhaushalt 2004/2005 genau diese Politik von Rot-Grün aufs Schärfste kritisiert, weil gleichzeitig geplante Investitionen des Landes gesenkt wurden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, allerdings hat die Landesregierung hier zu einem Trick gegriffen. Denn sie verbucht den Schleswig-Holstein-Fonds, die angeblich neue wirtschafts- und finanzpolitische Wunderwaffe, als Ausgabe für die politische Führung, sozusagen als globale Mehrinvestition. Im Nachtrag veranschlagt sie dafür 35 Millionen €, im Haushaltsentwurf 2006 sogar 80 Millionen €. Bedauerlicherweise jedoch sollen die geplanten Investitionen des Landes trotzdem sinken, von 777 Millionen € im Haushalt 2005, der ursprünglich geplant war, auf heute - nach dem heute Morgen beschlossenen Nachtragshaushalt - 769 Millionen € und im Haushaltsentwurf 2006 weiter auf 762 Millionen €. Das ist das Gegenteil dessen, was der Finanzminister gerade proklamiert hat. Statt weniger Geld auszugeben und trotzdem die Investitionen zu steigern, erhöht die große Koalition den Staatskonsum auf Kosten der Investitionen des Landes.

(Beifall bei der FDP)

Das wirft auch kein gutes Licht auf den SchleswigHolstein-Fonds. Denn wenn die Landesregierung hierfür im Nachtrag 35 Millionen € zusätzliche Investitionen veranschlagt, gleichzeitig aber die Investitionen um 9 Millionen € sinken, muss die Landesregierung andere Investitionstitel, die bereits veranschlagt waren, um 44 Millionen € gekürzt haben. Wir fragen uns: Was soll das? Das Gleiche gilt für den Haushaltsentwurf 2006. Gegenüber dem Nachtrag 2005 will die Landesregierung die Ausgaben für den Schleswig-Holstein-Fonds um 45 Millionen € steigern, gleichzeitig senkt sie aber die Investitionen um insgesamt 7 Millionen €. Folglich muss sie andere Investitionstitel um 52 Millionen € gekürzt haben. Was soll das?

(Wolfgang Kubicki)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mehr Wachstum mit weniger Investitionen - dann hätte SchleswigHolstein während der rot-grünen Regierungszeit ja zum Wirtschaftswunderland werden müssen, wurde es aber nicht. Die Protagonisten des Fonds behaupten, jetzt würde alles anders, denn sie wüssten genau, wo die Investitionen des Landes die meisten privaten Investitionen auslösten. Das ist übrigens etwas, was uns Herr Stegner auch dauernd erklärt hat, als er noch Finanzminister war. Das behaupten - so meine ich - diejenigen, die noch nie oder nur selten über größere Privatinvestitionen zu entscheiden hatten. Vielleicht liegt es daran, dass diejenigen, die über die durch Allokationsschulden finanzierten Investitionsprogramme entscheiden, deren Wirkung meistens weit überschätzen und die Mitnahmeeffekte meistens weiter unterschätzen, so, wie die große Koalition.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, so wird das nichts mit mehr Wachstum, mehr Arbeit und mehr Wohlstand in Schleswig-Holstein. Mit dem Kürzen der Investitionen bewahrt die große Koalition nur den Stillstand im Land und bekommt dabei wahrscheinlich selbst Schwierigkeiten. Aber in seiner Regierungserklärung versprach uns der Ministerpräsident, seine Landesregierung werde sich auf das Wesentliche konzentrieren: mehr Arbeitsplätze und bessere Bildung. Wie gesagt, das mit den Arbeitsplätzen scheint die Landesregierung schon auf die Jahre 2007 ff. verschieben zu wollen, sonst würde sie schon 2006 mehr investieren.

Allerdings hat der Ministerpräsident schon als Spitzenkandidat im Landtagswahlkampf dafür geworben, mit billigen Maßnahmen bessere Rahmenbedingungen für mehr Arbeit schaffen zu wollen, zum Beispiel durch weniger Bürokratie. Ich kann nur sagen, Recht hat er, aber diese Erkenntnis allein bringt noch keine zusätzlichen Arbeitsplätze. Deshalb hat er extra ein Team zusammengestellt, sozusagen ein Kompetenzteam der Deregulierung. Geführt wird es von seinem fast besten Politmanager. Dieses Team ist bis jetzt zwar kräftig gewachsen, aber seine Kompetenz hat es noch nicht unter Beweis gestellt.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bisher wurden nur Arbeitsplätze in die neue Abteilung V des Finanzministeriums umverteilt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenigstens beim Thema Arbeitsmarktpolitik scheint sich etwas zu bewegen. Im Vergleich zum Nachtrag 2005 steigen die Nettoausgaben um 3,6 Millionen €, 35 %; immerhin etwas. Ob das allerdings mehr ist als eine gesellschaftspolitische Beruhigungspille, darüber lässt sich trefflich streiten. Die empirischen Befunde sprechen

dagegen. Wir alle wünschen uns zwar, dass eine erkleckliche Zahl von Arbeitslosen in eine Beschäftigung im ersten Arbeitsmarkt fortgebildet, weitergebildet oder trainiert werden könnte, aber die tatsächlichen Ergebnisse solcher Versuche sollten unsere Hoffnungen dämpfen, denn die Misserfolgsquoten solcher Maßnahmen sprechen dagegen und die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sinkt nach wie vor.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie sieht es mit dem Schwerpunkt Bildung aus? Ausgehend vom Nachtrag 2005 will die Landesregierung die Ausgaben für allgemein bildende Schulen um fast 18 Millionen € anheben, um 1,4 % - wenigstens scheinbar etwas, tatsächlich aber nicht. Denn im Rahmen der Ausgaben für Schulen steigen die Ausgaben für Versorgungsempfänger um über 27 Millionen €. Das bedeutet, die Landesregierung senkt die eigentlichen Ausgaben für die allgemein bildenden Schulen um fast 10 Millionen €.

Einen Lichtblick gibt es bei den Sonder- und Berufsschulen. In beiden Bereichen sollen die Ausgaben steigen, bei den Sonderschulen um 9 Millionen €, bei den Berufsschulen um fast 12 Millionen €.

Hingegen sieht es bei den Hochschulen wirklich schlimm aus. Insgesamt sollen die Ausgaben um über 8 Millionen € sinken. Berücksichtigen wir, dass die Versorgungsbezüge steigen, kürzt die Landesregierung die Bildungsausgaben im Hochschulbereich um fast 10 Millionen €.

Die Ausgaben für das sonstige Bildungswesen bleiben nahezu gleich.

Die Ausgaben für Wissenschaft, Forschung und Entwicklung außerhalb der Hochschulen sinken.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ergibt folgendes Bild beim offiziellen politischen Schwerpunkt Bildung. Die Bildungsausgaben ohne Versorgungsbezüge sollen um über 2,4 Millionen € steigen - das sind 0,1 % -, allerdings nur, weil die Ausgaben im Rahmen des BAföG um über 2,4 Millionen € steigen. Folglich stagnieren die Ausgaben des Landes für das Bildungsangebot des Landes insgesamt. Auch beim Schwerpunkt Bildung plant die große Koalition also bis jetzt nur, den Stillstand zu bewahren.

Ich stelle fest, die Landesregierung hält ihre wirksamen Rezepte für mehr Arbeit und bessere Bildung in Schleswig-Holstein offensichtlich noch zurück, falls sie überhaupt welche hat. Vielleicht hängt das auch mit der vorgezogenen Bundestagswahl zusammen.

Schließlich läuft auf Bundesebene gerade die Mutter aller Richtungswahlkämpfe.

(Wolfgang Kubicki)

Auf der einen Seite kämpfen SPD, Linkspartei und Grüne in Richtung Vergangenheit, auf der Sonnenseite kämpfen CDU, CSU und FDP dafür, dass es den Menschen in Deutschland bald besser gehen kann, die CSU jedenfalls meistens.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU - Lachen bei der SPD)

Dieser Gegensatz bremst selbstverständlich den Elan der großen Koalition. Ebenso selbstverständlich streiten das in der Öffentlichkeit alle Beteiligten ab. Das ändert aber nichts daran.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie SchleswigHolstein sich in den kommenden Jahren entwickeln kann und wird - darauf hat der Finanzminister nachdrücklich hingewiesen -, hängt stark davon ab, wer Deutschland in den kommenden Jahren regiert. Im schlechteren, aber derzeit dankenswerterweise unwahrscheinlicheren Fall blieben die Linken an der Macht: Schröder ginge, Fischer bliebe, Lafontaine käme wieder und brächte noch Gysi mit.

Dann müsste Deutschland den rot-grünen Murks weiter ertragen, verstärkt um die Versuche, gegen den Bundesrat die Bürgerversicherung durchzusetzen und die demographische Krise zu verschärfen, Kapitalvertreibungssteuern einzuführen, die wirtschaftliche Strukturkrise zu verschärfen und die Massenarbeitslosigkeit zu erhöhen und ein bisschen DDR -light mit Reisefreiheit durchzusetzen.

Die Mottenkiste der gescheiterten sozialdemokratischen Wirtschaftspolitik des letzten Jahrhunderts würde wieder geöffnet, und anstatt zu schrumpfen, wüchsen die Probleme Deutschlands, und zwar immer schneller.

Immer weniger Menschen fänden Arbeit oder behielten ihre, weil immer weniger Arbeitsplätze in Deutschland bezahlbar blieben. Die Sozialversicherungen würden noch schneller in die Pleite getrieben und am stärksten müssten bei diesem Unsinn wie immer die Schwachen und die Schwächsten in unserem Lande leiden.

(Beifall bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, jedoch steht es mit dem Wahlkampf der Linken nicht zum Besten, besonders nicht mit dem der SPD. Vor drei Jahren wurde Gerhard Schröder von der Elbflutwelle gerade noch zum Wahlsieg geschwemmt, dieses Jahr hilft nicht einmal der äußerste Einsatz von Edmund Stoiber. Die Umfragewerte liegen bei 30 %.

(Beifall bei der FDP)

Das sollte auch niemanden wundern, denn womit und wofür wirbt die SPD? Positiv umschrieben: Das darf sich jeder aussuchen, ehrlich beschrieben: Die Sozialdemokraten wissen es selbst nicht.

Bundeskanzler Gerhard Schröder ist mit seiner Politik an seiner eigenen Partei gescheitert. Das hat er sich vom Bundestag bestätigen lassen. Auch der Bundespräsident und das Bundesverfassungsgericht teilen seine Ansicht. Jetzt tingelt dieser gescheiterte Bundeskanzler als Spitzenkandidat der SPD durchs Land und will für die Politik wieder gewählt werden, mit der er nach seiner eigenen Aussage an seiner SPD gescheitert ist. Vielleicht hat unser Finanzminister deshalb Zukunft, als er in seinen Finanzplan geschrieben hat, er wolle sich deutlich von der SPD abheben, denn die wirkt nur noch für die Vergangenheit, eben für jene Politik, für die sie ihrem Kanzler das Vertrauen entzog.

(Beifall bei der FDP)

Die SPD - das ist absehbar - wird an dem Widerspruch scheitern, dass sie mit dem parteiinternen Verlierer Gerhard Schröder als Spitzenkandidat antritt.

Was schlägt die SPD denn auf Bundesebene vor? Zum Beispiel wollen die Sozialdemokraten auf die positiven Wirkungen von Hartz IV warten, aber nicht alle, denn diejenigen, die ihrem Spitzenkandidaten nicht vertrauen, sind gegen Hartz IV.

Auch wollen die Sozialdemokraten darauf verzichten, den Unternehmen Anreize zu bieten, mehr Arbeitsplätze in Deutschland zu schaffen. Es reicht ihnen, dass die britische Zeitschrift „The Economist“ in der letzten Woche etwas Positives über die deutsche Wirtschaft berichtete.

Zum Beispiel haben sich die deutschen Lohnstückkosten günstiger entwickelt als in den großen westeuropäischen EU-Staaten. Das ist toll, nur hilft es leider überhaupt nicht gegen den Kostendruck aus den großen, mittleren und kleinen EU-Staaten im Osten Deutschlands, im Osten Europas, denn dort betragen die durchschnittlichen Löhne für Facharbeiter ein Viertel des deutschen Sozialhilfesatzes und dorthin wandern die Arbeitsplätze ab und nicht nach Westeuropa.

(Zurufe von SPD und SSW)

- Sie brauchen nur einmal die Tageszeitung von heute zur Kenntnis nehmen, um festzustellen, dass beispielsweise Lego jetzt nach Tschechien abwandert; wahrscheinlich, weil der SSW im Norden unseres Landes so herausragende Politik geleistet hat.

Auch der Grund für die gesunkenen Lohnstückkosten ist weniger schön. Es ist die Auflösung sozialversi

(Wolfgang Kubicki)

cherungspflichtiger Beschäftigungen zugunsten von Ich-AGs, Minijobs und Ein-Euro-Jobs. Hartz IV schlägt hier zurück.