(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP] und Lars Harms [SSW])
Meine Damen und Herren von der Union, ich bin überzeugt, dass Demokratie, Humanität und Toleranz, wie sie sich als Werte auch in der christlichen Bergpredigt wiederfinden - auf diese berufen Sie sich ja in Ihrer Partei - hochattraktiv sind. Wir können die Menschen für diese Werte begeistern. Wir können die Menschen dann auch für unsere Gesellschaft gewinnen. Wenn wir sie dafür gewinnen wollen, müssen wir diese Werte aber auch selber ernst nehmen. Wir müssen diese Werte vorleben und deutlich machen, dass sie nicht nur für uns, sondern auch für Flüchtlinge und Einwanderer gelten.
Ich möchte auch an die Adresse der SPD noch eine Bemerkung richten. Die SPD hat in der Frage der doppelten Staatsbürgerschaft vor zwei Wochen eine Kampagne geführt. Sie ging hier in Schleswig-Holstein durch alle Zeitungen. Ich finde es ich formuliere es sehr vorsichtig - schwierig, wenn wir immer wieder die gleiche Situation haben. Wenn man öffentliche Kampagnen führt, was ja legitim ist - das ist durchaus in Ordnung -, muss man zumindest die Ernsthaftigkeit besitzen, dass die Themen auch in der Koalition eine Rolle spielen.
Man muss diese Themen dann auch in die Koalition einbringen. Ich werfe Ihnen nicht vor, dass Sie sich gegenüber der Union nicht in allen Punkten durchsetzen. Das ist in einer Koalition so. Es muss aber wenigstens erkennbar gemacht werden, dass eine Auseinandersetzung stattfindet, und es müssen auch entsprechende Signale aus dem Ministerium kommen, dass in die entsprechende Richtung gedacht wird.
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP] und Lars Harms [SSW])
Zum Schluss appelliere ich an beide Partner der Großen Koalition: Verstehen Sie die vorliegen Anträge, die sich auf Fragen der Humanität beziehen, im Sinne von Gewissensfragen an jeden einzelnen Abgeordneten. Heben Sie die Fraktionsdisziplin auf und lassen Sie alle Abgeordneten frei nach ihrer Überzeugung entscheiden. Wir wissen, dass wir in allen Fragen, um die es in den vorliegenden vier Anträgen geht, in diesem Parlament eine Mehrheit haben. Es geht hier um Grundwerte. Wo, wenn nicht hier sollte das Gewissen des Einzelnen entscheiden?
Frau Präsidentin, ich komme zum letzten Satz. - Ich beantrage zur Abstimmung über den Antrag zum Staatsbürgerschaftsrecht die namentliche Abstimmung.
Ich danke Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel. - Das Wort für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Wilfried Wengler.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Über das Problem der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge haben wir zuletzt im Oktober an dieser Stelle debattiert und uns daraufhin auch im Ausschuss mit der Thematik befasst.
Grund kommt unmittelbar nach der Einreise eines unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings das so genannte Clearingverfahren zum Tragen. Es umfasst beispielsweise die Feststellung von Identität und Alter, die Klärung der gesetzlichen Vertretung, die Suche nach Familienangehörigen sowie die Ermittlung von Gesundheitszustand, Aufenthaltsstatus und Erziehungsbedarf.
Die Vorschrift des § 42 SGB VIII normiert die Berechtigung und Verpflichtung der Jugendämter, unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Obhut zu nehmen. Allerdings ist ein besonderes Clearingverfahren nicht gesetzlich vorgesehen. Hier liegt die Zuständigkeit bei den öffentlichen Jugendhilfeträgern, nämlich den Kreisen und kreisfreien Städten. Diese haben einen Spielraum bei der Umsetzung des § 42 SGB VIII.
Man kann sich nun fragen, ob vor diesem Hintergrund nicht beispielsweise die Schaffung einer zentralen Aufnahmestelle sinnvoll wäre. Dabei sollten wir aber eines nicht vergessen: Die Anzahl unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge geht in Schleswig-Holstein seit mehreren Jahren zurück. Für 2006 ist im Bericht der Landesregierung von insgesamt lediglich 31 Personen die Rede. Daher hat auch der Landesjugendhilfeausschuss erhebliche Zweifel an der wirtschaftlichen Auslastung einer zentralen Clearingstelle.
Grundsätzlich zu befürworten ist hingegen ein einheitliches Verfahren auf der Basis des § 42 SGB VIII. Bereits in der letzten Debatte zu diesem Thema habe ich ausgeführt, dass ein solcher Handlungsleitfaden für die Praxis dazu beitragen dürfte, eine bedarfsgerechte Unterbringung und Betreuung dieser Minderjährigen zu gewährleisten. Zudem könnte er zu einer beschleunigten Abstimmung zwischen den beteiligten Behörden beitragen, insbesondere zwischen Jugendamt und Ausländerbehörde. Da gerade bei minderjährigen Flüchtlingen zügige und altersangemessene Verfahren notwendig sind, wäre das ein richtiger Schritt.
Über die einzelnen Modalitäten bezüglich des Antrages von SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sollten wir auf der Grundlage unserer bisherigen Erkenntnisse aber noch im Innen- und Rechtsausschuss diskutieren.
Ein weiterer Punkt auf unserer Tagesordnung ist die ärztliche Begutachtung von traumatisierten ausreisepflichtigen Personen. Der Innen- und Rechtsausschuss hat sich sowohl mit den grundsätzlichen rechtlichen Problemen befasst, ob ein zu untersuchender Ausländer die Anwesenheit einer dritten
Person seines Vertrauens beanspruchen kann, als auch mit der Frage der Beurteilung der Reisefähigkeit von traumatisierten Menschen durch ärztliche Gutachter.
Die Landesregierung betonte ausdrücklich, dass sie selbst nichts gegen eine Begleitung durch eine dritte Person habe. Es sei jedoch die Entscheidung des untersuchenden Arztes in jedem Einzelfall, ob er diese zulassen wolle. Die Entscheidung obliege keinesfalls einer Verwaltungsbehörde. Die Ausschussmitglieder kamen einstimmig überein, die Landesregierung zu bitten, die Behörden darauf hinzuweisen, dass eine Begleitung bei ärztlichen Untersuchungen im Rahmen der Praxis der Feststellung der Reisefähigkeit von traumatisierten Menschen möglichst weitgehend zugelassen werden sollte.
Die weitere Diskussion ergab, dass es offenbar unterschiedliche Rechtsauffassungen zwischen der Landesregierung und dem Flüchtlingsbeauftragten in der Frage gibt, ob die Prüfung der Traumatisierung im Zusammenhang mit der Feststellung der Reisefähigkeit durch die Ausländerbehörde angeordnet werden müsse. Das Innenministerium teilte dazu mit, dass in den diskutierten Fällen von den Behörden durchweg verantwortungsvoll gehandelt worden sei.
Von einer Umgehung von Vorschriften im Fall Pinneberg, Herr Hentschel, kann nach der Anhörung im Ausschuss keine Rede sein. Ich halte daher Ihren Vorwurf für äußerst bedenklich, wenn nicht sogar für fahrlässig.
Alles Weitere sollten wir im Ausschuss und im Zusammenhang mit dem Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW besprechen.
Nun zur Durchführung der Abschiebungshaft. Hier stand im Ausschuss zunächst die Kritik des Flüchtlingsbeauftragten am neu gefassten Erlass des Innenministeriums zur Diskussion. Das Innenministerium ist zwischenzeitlich dem einvernehmlichen Vorschlag des Ausschusses gefolgt, die einzelnen Kritikpunkte noch einmal sorgfältig abzuwägen. Die umfassende Stellungnahme sowie die endgültige Fassung des Erlasses liegen dem Plenum vor.
ne Klarstellung des § 62 des Aufenthaltsgesetzes einsetzen sollte. Hintergrund ist, dass diese Vorschrift ihrem Wortlaut nach zu weitgehend ist. Ein wirkliches Problem ergibt sich daraus allerdings nicht, denn die Vorschrift ist auslegungsfähig. Das hat auch das Bundesverfassungsgericht betont. Es darf also niemand allein aus dem Grund in Abschiebungshaft genommen werden, weil er ausreisepflichtig ist. Vielmehr muss die Maßnahme selbstverständlich verhältnismäßig sein. Eine richterliche Anordnung der Abschiebungshaft findet nur bei einem vollziehbar Ausreisepflichtigen statt, der sich seiner Abschiebung entzieht, nicht freiwillig ausreist oder sich der Abschiebung zu entziehen versucht.
Den Ausländerbehörden in Schleswig-Holstein kann ferner ein verantwortungsbewusster Umgang mit dem Instrument der Abschiebungshaft attestiert werden. Da es somit kein herausragendes Interesse des Landes Schleswig-Holstein an einer Neuregelung gibt, halten wir es derzeit nicht für sinnvoll, eine entsprechende Bundesratsinitiative zu starten.
Abschließend möchte ich noch kurz auf den Antrag „Staatsangehörigkeitsrecht überarbeiten“ eingehen. Nach einer gründlichen Abwägung und einer breiten gesellschaftlichen Debatte haben wir uns für das so genannte Optionsmodell entschieden. Danach werden die in Deutschland geborenen Kinder von ausländischen Eltern mit der Geburt automatisch deutsche Staatsbürger, wenn ein Elternteil sich bei der Geburt seit mindestens acht Jahren dauerhaft und rechtmäßig in Deutschland aufhält und seit mindestens drei Jahren eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung hat. Bei diesen Kindern wird zunächst eine Doppelstaatlichkeit zugelassen, damit sie die Möglichkeit haben, als Erwachsene eine abgewogene und eigenverantwortliche Entscheidung zu treffen, welche Staatsangehörigkeit sie behalten wollen. Für diese Entscheidung wird ein angemessener Zeitraum bis zum 23. Lebensjahr eingeräumt.
Zum ersten Mal kommen wir nun an den Punkt, dass die vom Optionsmodell geforderte Entscheidung tatsächlich von vielen Menschen getroffen werden muss. Es steht außer Frage, dass es sich hierbei nicht immer um eine leichte Entscheidung handelt.
Wenn dies nun aber direkt zum Anlass genommen wird, das Optionsmodell in Frage zu stellen, dann halte ich das für den falschen Weg. Vielmehr soll
Ich danke Herrn Abgeordneten Wengler. - Das Wort für die SPD-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Klaus-Peter Puls.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Für die SPD-Landtagsfraktion stehen in der Flüchtlingspolitik der humanitäre Aspekt und die Menschenwürde im Vordergrund. Dies bedeutet für uns, dass bei der Umsetzung des Aufenthaltsrechts selbstverständlich die Rechtsvorschriften eingehalten werden, dabei jedoch rechtliche Spielräume zugunsten der betroffenen Menschen ausgenutzt werden müssen. Dies gilt umso mehr, je stärker die Flüchtlinge in ihrer körperlichen Unversehrtheit und in ihrer persönlichen Freiheit betroffen sind. Wir gehen davon aus, dass die Landesregierung und speziell die zuständigen Ministerien im Verhältnis zu den vollziehenden Behörden die Erkenntnisse aus obergerichtlichen Urteilen zum Aufenthaltsrecht und zur Abschiebungshaft nutzt und innerhalb des vorgegebenen - meist ja bundesrechtlichen - Rahmens, insbesondere für Jugendliche und traumatisierte Flüchtlinge, angemessene, verhältnismäßige und menschenwürdige behördliche Entscheidungen sicherstellt.
Wir haben insbesondere den Komplex Abschiebungshaft in Schleswig-Holstein fast ein Jahr lang im Innen- und Rechtsausschuss beraten. Ein Antrag der FDP-Fraktion, das insoweit jüngst geänderte Bundesaufenthaltsrecht erneut klarstellend und verdeutlichend zu verändern, haben wir im Ausschuss abgelehnt und das werden wir auch heute tun, weil es nach unserer Auffassung ausreicht, in die geltende Bundesrechtslage auch die zum Themenkomplex vorliegende höchstrichterliche Rechtsprechung einzubeziehen und damit genau das zu erreichen, was die FDP-Fraktion inhaltlich mit ihrer Gesetzesinitiative erreichen möchte.
führung der Abschiebungshaft wider, den der Innenminister für die Ausländerbehörden am 25. Februar 2008, also vorgestern, herausgegeben hat und der in wesentlichen Punkten auch das Ergebnis der Beratungen im Fachausschuss wiedergibt. Anlass für diesen Erlass waren nicht nur die Änderungen im Bundesrecht zur Abschiebungshaft, sondern auch die kritischen Anmerkungen unseres Flüchtlingsbeauftragten Wulf Jöhnk zur Verwaltungspraxis in Schleswig-Holstein. Für das Engagement des Flüchtlingsbeauftragten möchte ich mich auch an dieser Stelle namens meiner Fraktion noch einmal ausdrücklich bedanken.
Der Erlass stellt klar, dass nach dem Grundgesetz die Freiheit der Person nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes und unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden kann, dass § 62 des Aufenthaltsgesetzes die einschlägige gesetzliche Grundlage für die Inhaftierung von Ausländern zur Vorbereitung einer Ausweisung oder zur Sicherstellung einer gebotenen Abschiebung ist und dass die Durchführung der Abschiebung in Schleswig-Holstein nach Maßgabe der dazu entwickelten höchstrichterlichen Rechtsprechung zu erfolgen hat. Der Erlass betont, dass Zweck der Abschiebungshaft stets nur die Sicherung des Vollzuges einer rechtlich gebotenen Ausweisung beziehungsweise Abschiebung sein kann und darf und die Abschiebungshaft weder Strafnoch Beugecharakter besitzt, sondern unter dem strengen Gebot der Verhältnismäßigkeit steht und sich des mildestmöglichen Mittels zur Sicherung des Vollzugs in jedem Einzelfall zu bedienen hat.
Bei schwangeren Frauen ist die bestehende Schwangerschaft besonders zu berücksichtigen. Bei Müttern mit Kindern unter zehn Jahren und bei Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren ist von Abschiebungshaft abzusehen. Bei Familien mit Kindern ist zu vermeiden, dass beide Elternteile gleichzeitig in Abschiebungshaft genommen werden. Bei Jugendlichen zwischen 16 und 18 Jahren darf ein Haftantrag in Abstimmung mit der zuständigen Jugendbehörde nur gestellt werden, wenn die Haft zur Sicherung der rechtlich gebotenen Abschiebung unverzichtbar erscheint. Beachtlichen Vorträgen von gesundheitlichen Beeinträchtigungen muss in jedem Stadium der Abschiebung nachgegangen werden.
Das gilt auch für die ärztliche Begutachtung traumatisierter Flüchtlinge, zu der heute ein weiterer Antrag der Oppositionsfraktionen vorgelegt worden ist, den wir gern in den Fachausschuss zur nochma