Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In dem Dokumentarfilm von Al Gore, dem früheren amerikanischen Vizepräsidenten und Hauptdarsteller des Dokumentarfilms „Eine unbequeme Wahrheit“, werden schmelzende Gletscher, Hurrikans, Überschwemmungen, Ernteausfälle, Dürren gezeigt - Bilder, die uns vor Augen führen, dass die Zeit des Achselzuckens vorbei ist. Ich glaube, dem stimmen wir alle zu.
Wir alle sind gefordert, jeder Einzelne, unser Land Schleswig-Holstein, Deutschland, Europa und die ganze Welt, sich den Herausforderungen des Klimawandels zu stellen.
Die Landesregierung hat vor einigen Tagen die Bedeutung von Klimaschutzmaßnahmen und Klimaschutzzielen genannt, ebenso die beiden Koalitionsparteien wie auch die Oppositionsparteien. Da sind wir uns alle einig. Das ist eine gute Basis für ein langfristiges, verantwortungsbewusstes Handeln zur Rettung des Klimas auch in Schleswig-Holstein.
Soeben hat auch die Europäische Kommission einen EU-Plan bis zum Jahre 2020 verabschiedet mit einem Klimapaket, das auch für Deutschland die Erfüllung konkreter Ziele bis zum Jahr 2020 fordert, nämlich die Erhöhung des Anteils regenerativer Energien von heute 6,6 % auf 18 %, das Erreichen eindeutiger Grenzen für den CO2-Ausstoß mit einer Reduzierung um 14 % gegenüber 1990 und die Umsetzung von Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz in allen Bereichen des Energieverbrauchs.
„Eine Wundertüte für die Rettung des Klimas gibt es nicht. Anstrengungen sind notwendig, die Geld kosten.“
Woche muss für die Rettung des Klimas jeder Bürger - ob jung oder alt - mit einer Belastung von 3 € rechnen. Im Jahr sind das circa 160 € oder auf ganz Deutschland hochgerechnet etwa 13 Milliarden €, für die Europäische Union 60 Milliarden bis 80 Milliarden €.
Wenn wir jedoch nichts tun, werden die Aufwendungen zur Schadensbehebung von Klimaschäden mindestens fünfmal so teuer, im schlimmsten Fall sogar zwanzigmal so hoch sein - so Barroso.
Dieser Betrag von etwa 13 Milliarden € pro Jahr für Deutschland zur Rettung des Klimas ist nicht nur ein Kostenfaktor, sondern er bedeutet auch Finanzmittel zur Entwicklung neuer Technologien und Schaffung neuer Arbeitsplätze im Bereich regenerative Energien.
Wir können mithelfen, ganz konkret unseren Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Eine Möglichkeit ist die Erhöhung der Nutzung des Anteils regenerativer Wärmeenergien, also der Verbrauch in Haushalten oder allgemein in Gebäuden, die nach ihrer Zweckbestimmung überwiegend dem Wohnen dienen, wie zum Beispiel in Wohn-, Alten- und Pflegeheimen.
Haushalte in Deutschland sind mit circa 14 % oder etwa 125 Millionen t pro Jahr am CO2-Ausstoß beteiligt, mit etwa 30 % entsprechend etwa 142 Millionen t Steinkohleeinheiten am Energieverbrauch. Der Haus- beziehungsweise Wohnsektor ist ein wichtiger Bereich zur Erhöhung der Energieeffizienz und zur CO2-Reduzierung neben den Bereichen Industrie, Verkehr, Gewerbe, Handel und Dienstleistungen.
Auf das Segment Wohnen bezieht sich der Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Es ist nur zu schade, dass die Grünen wieder einmal etwas abgeschrieben haben, nämlich das Gesetz des Landes Baden-Württemberg. In einigen Zahlen, wo die Grünen glaubten, die Anforderungen noch etwas verschärfen zu müssen, weichen sie vom Gesetz aus Baden-Württemberg ab. Ansonsten ist der Text fast ein reines Plagiat. „Plagiat“ kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „Menschenraub“; so schlimm ist es zwar nicht, aber der Gesetzentwurf ist als Gesetzentwurf für unser Land überflüssig.
Denn das Bundesumweltministerium hat im Oktober letzten Jahres einen ersten Referentenentwurf zu einem „Gesetz zur Förderung erneuerbarer Energien im Wärmebereich“ vorgelegt. Am 5. Dezember ist das Gesetz im Rahmen des Meseberg-Paketes von der Bundesregierung beschlossen worden. Es wird nun - insbesondere auch in Abstimmung mit den Ländern - im Bundestag beraten und verabschiedet.
Ein Vorpreschen unseres Landes würde bezogen auf das zu erwartende Bundesgesetz vorhersehbare Schwierigkeiten machen, so wie diese jetzt auf Baden-Württemberg zukommen. Beide Gesetze - auch auf den Entwurf der Grünen trifft das zu - unterscheiden sich nämlich sowohl in der Konzeption als auch in Details. Da wir uns in konkurrierender Gesetzgebung befinden, hat das Bundesgesetz grundsätzlich Vorrang, zumindest ab Inkrafttreten des Bundesgesetzes.
Diese Probleme brauchen wir uns nicht ins Haus zu holen. Wir sollten uns vielmehr auf die Bedeutung der Sache konzentrieren, heute schon. Die Verabschiedung des Bundesgesetzes ist dann nur noch der gesetzliche Rahmen.
Zweck des zukünftigen Bundesgesetzes ist es, „insbesondere im Interesse des Klimaschutzes, der Schonung fossiler Ressourcen und der Minderung der Abhängigkeit von Energieimporten eine nachhaltige Entwicklung der Energieversorgung zu ermöglichen und die Weiterentwicklung von Technologien zur Erzeugung von Wärme aus erneuerbaren Energien zu fördern“. Weiter heißt es im Gesetzentwurf:
„Um den obigen Zweck unter Wahrung der wirtschaftlichen Vertretbarkeit zu ermöglichen, verfolgt dieses Gesetz das Ziel, dazu beizutragen, den Anteil erneuerbarer Energien für die Heizung, Warmwasserbereitung und Erzeugung von Kühl- und Prozesswärme bis zum Jahr 2020 auf 14 % zu erhöhen.“
Der Gesetzentwurf des Bundes definiert unter anderem Geltungsbereich der Nutzungspflicht, Nachweis der Umsetzung, Ausnahmen, Überprüfung, finanzielle Förderung, für die im Übrigen pro Jahr bis 2012 mit etwa 50 Millionen € gerechnet wird. Im Anhang des Gesetzentwurfs werden dann die Anforderungen an die einzelnen regenerativen Energien erklärt, um auch als solche gemäß den Anforderungen des Gesetzes anerkannt zu werden.
Es gibt viele kritische Punkte und viele Anfragen, die dieses Gesetz begleiten und die von den Ländern geprüft werden. Der Gesetzentwurf muss ins
besondere mit den Ländern überprüft werden und das ist zurzeit Inhalt des Diskussions- und Anhörungsprozesses auf Bundesebene. Geprüft werden sollte, ob alle Anforderungen im Gesetzentwurf wettbewerbsneutral sind, besonders ob es keine Bevorzugung bestimmter Energietechniken und Energieträger gibt. Geprüft werden muss, ob bestimmte Energietechniken, die im Gesetz nicht oder nur eingeschränkt aufgeführt sind, kostengünstiger wären bei gleicher Zielführung. Geprüft werden muss, ob der Ausschluss von flüssiger oder gasförmiger Biomasse wie Deponiegas, Klärgas, Klärschlamm, Grubengas sowie der biologisch abbaubare Anteil von Abfällen aus Haushalt und Industrie rechtlich Bestand hat. Geprüft werden muss, ob Erdgas nicht auch als Möglichkeit der Nutzungspflicht für Heizungssysteme zwingend aufgenommen werden muss. Denn die Kombination Erdgas und Solarthermie ist zum Beispiel eine erstklassige kosteneffektive Option mit hohem Anteil zur CO2-Reduzierung. Geprüft werden muss, ob die Gefahr einer Gängelung der Haus- und Wohnungseigentümer und ein nicht zu rechtfertigender Eingriff in das Eigentum besteht. Geprüft werden muss, ob die Wirtschaftlichkeit und Verhältnismäßigkeit bei der Pflicht zur Nutzung regenerativer Energien gewahrt ist. Und geprüft werden muss, ob die Bußgeldvorschriften nicht zu sehr den Charakter der Bedrohung haben.
Der Gesetzentwurf des Bundes beinhaltet weitere Fragen, auf die ich aber nicht weiter eingehen will.
Wir können heute schon starten, so wie es uns die Innovationsstiftung Schleswig-Holstein in Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsministerium und der Investitionsbank bei der Energieolympiade der Kommunen 2008 vormacht. Stadtwerke können einen Klimakredit zur Heizungsmodernisierung in Zusammenarbeit mit den örtlichen Banken anbieten. Kommunen, auch die kleinsten, können Klimatage im Rahmen einer Industriemesse durchführen. Vor Ort können Fachleute am besten über die Energieauswahl, über Klimakredite, Solarenergie und andere regenerative Energieträger, über Brennwerttechnik, über Wärmepumpen, über Miniblockheizkraftwerke, über richtiges Wohnen, neue Haushaltsgeräte, staatliche Fördermittel und so weiter informieren. Dieses bunte Programm könnte und sollte zusätzlich gefördert werden, und zwar wieder von unserer Innovationsstiftung, der Investitionsbank, dem Wirtschafts- und dem Umweltministerium.
Das Klimaproblem müssen wir weltweit lösen. Beginnen wir konkret vor Ort. Nehmen wir auch das neue, bald zu verabschiedende Bundesgesetz als positive Herausforderung für unser Land an.
Meine Damen und Herren, ich beantrage die Ablehnung des Gesetzentwurfs der Grünen und die Überweisung des gesamten Sachverhalts an den Wirtschaftsausschuss.
Sehr verehrter Herr Landtagspräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Gesetzentwurf zur Nutzung erneuerbarer Wärmeenergie in SchleswigHolstein hat die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem Landtag einen Vorschlag unterbreitet, der in dieser Form dem hohen Stellenwert der Klimadiskussion nicht gerecht wird. Es ist völlig unstreitig, dass die Erzeugung und Nutzung erneuerbarer Energien ausgebaut werden muss. Aber ob das gesetzlich vorgeschrieben dezentral für jedes Gebäude geschehen muss, ist unter den derzeitigen Rahmenbedingungen völlig zweifelhaft. Sinnvoller ist ein bundeseinheitliches Vorgehen. Die Gesetzesgrundlagen sind auf Bundesebene bereits in der Beratung. Ziel ist es, den Anteil erneuerbarer Energien bis 2020 auf 25 bis 30 % zu erhöhen und anschließend weiter auszubauen.
Die SPD-Landtagsfraktion unterstützt uneingeschränkt den weiteren Ausbau und die Nutzung erneuerbarer Energien.
Erneuerbare Energien bilden für eine nachhaltige Energieversorgung und den Klimaschutz ein wesentliches Fundament. Für eine erfolgreiche Energiewende ist es notwendig, dass die Bürgerinnen und Bürger Gesetzesvorschriften nicht als bürokratischen und finanziellen Ballast empfinden. Vielmehr ist es wichtig, dass die Bevölkerung motiviert wird, erneuerbare Energien einzusetzen. Das wird mit diesem Gesetzentwurf mit Sicherheit nicht gelingen. Wer die Bevölkerung finanziell durch neue Vorgaben belastet, kürzeste Übergangsregelungen will, wer Geldbußen bei Ordnungswidrigkeiten von
50.000 bis 100.000 € androht, wer einen Überwachungsmechanismus aufbauen will, der nur durch eine Baupolizei zu leisten ist, der wird die Bevölkerung nicht vom Einsatz erneuerbarer Energien überzeugen können.
Einen Gesetzentwurf abzuschreiben, die Zielsetzungen zu verschärfen, ohne die wirtschaftlichen und sozialen Folgen abzuschätzen, ist schlichtweg mangelhaft.
Um einen wirksamen Beitrag zur CO2-Reduzierung zu erreichen, ist der Wohnungsbau von besonderer Bedeutung, insbesondere der Bestandswohnungsbau. Hier liegen enorme Energieverbrauchspotenziale, die durch effektive, aufeinander abgestimmte Maßnahmen schnell, unbürokratisch und kostengünstig verringert werden müssen. 90 % der verbrauchten Heizenergie wird von Gebäuden verbraucht, die vor 1982 errichtet wurden. Deshalb hat die Energieeinsparung in Wohnungsbeständen eine zentrale Bedeutung und ist dem Einsatz erneuerbarer Energien zunächst vorzuziehen. Den Energieverbrauch zu reduzieren, ist der beste Klimaschutz. Jede nicht verbrauchte Kilowattstunde schont Ressourcen, senkt Kosten und vermindert die Abhängigkeit von Energieimporten. CO2-reduzierende technische Anforderungen, die gerade im Neubau eine wichtige Rolle spielen können, müssen in der Energieeinsparverordnung geregelt werden.
Sollte der von den Grünen vorgelegte Gesetzentwurf beschlossen werden, würde sich die Gewichtung der künftigen Investitionen im Wohnungsbau, auch im Hausbau, verändern. Investitionen in wärmedämmende Maßnahmen würden zugunsten des Einsatzes erneuerbarer Energien eingeschränkt. Das kann nicht gewollt sein und hätte negative Folgen für den Bestandswohnungsbau und für die Mieter.
Es lohnt sich daher, einen Blick in die Wohnungsmarktprognose für Schleswig-Holstein bis 2020 zu werfen. Nach Angaben der Wohnungswirtschaft sind 40 % der Mietwohnungen in den nächsten Jahren ohne Modernisierung nicht mehr wettbewerbsfähig. Dabei gehen 65 % der Befragten davon aus, dass sich die notwendigen Aufwendungen durch die erzielbaren Mieten nicht finanzieren lassen. Mit dem Einbau von Haustechnik zum Einsatz erneuerbarer Energien wird sich die Wettbewerbsfähigkeit ganzer Stadtquartiere nicht wieder herstellen lassen. Nicht mehr marktgerechte Wohnungsbestände werden vom Markt genommen. Ich befürchte, dieser
Gesetzentwurf wird diese Entwicklung weiter beschleunigen. Damit wird bezahlbarer Wohnraum vernichtet, mit unabsehbaren Folgen für Mieter mit geringem Einkommen.
Aufgrund der hohen Sanierungsrückstände in Schleswig-Holstein brauchen wir ein Handlungskonzept, das den sozialen, wirtschaftlichen und energetischen Aspekten im Bestandswohnungsbau gerecht wird. Das bedeutet Förderung von energetischen Sanierungsmaßnahmen durch ein neues Wohnraumfördergesetz statt dirigistischer Zwangsmittel mit unverhältnismäßigen Umsetzungsfristen. Durch die notwendigen Modernisierungsmaßnahmen werden die Betriebskosten abgesenkt. Die Refinanzierung der Maßnahmen erfolgt durch vertretbare Mieterhöhung. Entscheidend ist, dass im Ergebnis die Summe der Belastungen der Mieterinnen und Mieter nicht überproportional ansteigt. Das wird in weiten Bereichen nur gelingen, wenn Wohnraumfördermittel oder KfW-Mittel des Bundes zur energetischen Erneuerung von Wohneinheiten zur Verfügung stehen.