Protocol of the Session on January 30, 2008

Ich rufe nunmehr den Tagesordnungspunkt 5 auf:

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Nutzung Erneuerbarer Wärmeenergie in Schleswig-Holstein (Erneuerbare Wärmeenergie-Ge- setz - EWärmeG)

Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/1791

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist offensichtlich nicht der Fall. Ich eröffne die Grundsatzberatung. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Detlef Matthiessen.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wärme zum Heizen, zur Brauchwassererwärmung, Energie zur Lüftung von Gebäuden, das verschlingt laut internationaler Energieagentur 40 % des weltweiten Energieverbrauchs. Private Haushalte in unserem Land verbrauchen etwa ein Drittel der Endenergie, also Erdgas, leichtes Heizöl und Strom. Davon werden circa 70 % für die Raumheizung verbraucht.

Wir brauchen ein Erneuerbare Wärmeenergie-Gesetz, um einen relevanten Beitrag zum Klimaschutz leisten zu können. Mit dem Erneuerbare WärmeGesetz wollen wir Schleswig-Holsteins Häuser wärmer anziehen. Mit dem Erneuerbare Wärmeenergiegesetz in Schleswig-Holstein wollen wir die Sonne in die Häuser lassen.

(Minister Lothar Hay)

Heizen und Warmwasserbereitung beruhen immer noch überwiegend auf fossilen Brennstoffen. Das ist technisch gesehen von gestern. Der Energieverbrauch unserer Häuser kann heute schon überwiegend mit regenerativer Energie abgedeckt werden. Der Energieverbrauch insgesamt kann aber vor allen Dingen radikal gesenkt werden. Ziel des Gesetzentwurfes ist es, im Interesse des Klimaschutzes eine anteilige Nutzung erneuerbarer Energien bei Wohngebäuden verbindlich als Standard einzuführen.

Die Vorteile sind nicht nur für die Umwelt, sondern auch wirtschaftlicher Natur. Wenn ohnehin Baumaßnahmen anstehen, sind energetische Modernisierungen besonders wirtschaftlich. Der erhöhte Aufwand für Solarkollektoren und Wärmeschutz amortisiert sich über die eingesparten Heizkosten. Fast alle Häuser, die vor 1977 gebaut wurden, könnten durch Wärmeschutz und eine effiziente Heizungsanlage den Verbrauch um die Hälfte reduzieren und damit Heizkosten einsparen - so die Einschätzung der Energieagentur Schleswig-Holstein.

Mit steigenden Energiepreisen steigt auch die Rentierlichkeit der Investitionen. Die Verknappung der Energierohstoffe wird bislang nicht in den gängigen Kalkulationen und Wirtschaftlichkeitsberechnungen berücksichtigt. Die Preise werden allenfalls, wenn überhaupt, nur im Rahmen der allgemeinen Inflation steigend angenommen. Dabei liegt der Preis für leichtes Heizöl - so steht es in der WI 4/ 2008, das ist die Wohnungspolitische Information des Bundesverbandes Deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen - von November 2006 bis November 2007 um 23,7 %. Es wurde 23,7 % teurer. In einem Jahr.

Meine Damen und Herren, die Preise steigen schnell. Die Investitionen sind jedoch langlebig. Bei Heizungen 12 bis 15 Jahre. Eine Solaranlage kann auch gern 20 Jahre alt werden. Bauliche Maßnahmen sind für Jahrzehnte gedacht. Jeder Neubau von heute unter dem KfW-40-Standard ist das wärmetechnische Sanierungsobjekt von morgen.

(Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das ist wahr!)

Ich komme zu unserem Kollegen vom SSW, zu Lars Harms. Ich zitiere:

„Der Gesetzentwurf der Grünen ist voller guter Absichten,“

- so schreibt er in seiner Presseerklärung

„aber die Umsetzung ist fragwürdig. Angesichts der heute noch hohen Kosten der kli

mafreundlichen Technologien könnte dies für viele Familien erst einmal bedeuten, dass es gar kein Eigenheim gibt.“

Er befürchtet also, dass wegen der hohen Kosten gar nicht mehr gebaut würde. Das Gesetz übte zu viel Zwang aus. Deswegen will ich gern darauf eingehen. Das Gesetz übt einen Zwang aus. Ja, es macht Vorschriften. Das ist bei Gesetzen nun einmal so üblich. Das haben sie so an sich. Das ist in diesem Fall auch so beabsichtigt. Das gilt für die Einführung der Gurtpflicht im Auto, das gilt für die Wärmeschutzverordnung von 1995, das gilt für die Landesbauordnung und das gilt auch für das Erneuerbare Wärmeenergie-Gesetz Schleswig-Holstein.

Eine Fehlannahme ist jedoch, dass erneuerbare Wärme, also die solare Baupflicht, fürchterlich teuer ist. Es wird nur eines vom Kopf auf die Füße gestellt. Ich kann entweder billig bauen und teuer unterhalten oder ich baue etwas teurer und spare an der Unterhaltung.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Billig bauen, teuer heizen oder günstig bauen, geringe Heizkosten - so lautet die Formel. An dem Budget, das der Familie zur Verfügung steht, ändert das zunächst nichts. Jeder vernünftige Architekt kann das der Bank vorrechnen. Die LBS-Gruppe, also die Bauabteilung unserer Sparkassen, wirbt gezielt für den Bau von Passivhäusern, weil sie sich zu Recht sagt: Das Geld, das der Ölscheich einstreicht, leite ich doch lieber in meine Bausparkasse. Aus der Sicht der Baufinanzierer ist solares Bauen auch sicherer, weil die Energiepreise immer unkalkulierbarer werden.

Die Energieagentur Schleswig-Holstein spricht auch von einer Wertsteigerung der Immobilie jenseits der Energieeinsparung. Ich zitiere:

„Fachmännisch geplante und durchgeführte Sanierungsmaßnahmen schützen die Bausubstanz und vermeiden Bauschäden. Optimaler Wärmeschutz bedeutet, Wärmebrücken weitestgehend zu vermeiden. Das Gebäude gewinnt an Attraktivität, nicht nur äußerlich.“

Von dem Gesetz erwarten wir einen wichtigen und kalkulierbaren Wirtschaftsimpuls für das Handwerk im Bereich Haustechnik sowie bei zahlreichen Baugewerken. Solar- und Regenerativtechnik wird von der Ausnahme zum Normalfall und damit zu noch günstigeren Preisen auf der Verbraucherseite führen. Das bedeutet neue Chancen im Baugewerbe. Der Anteil sanierungsbedürftiger Häuser in Schleswig-Holstein ist sehr hoch, ein großes wirt

(Detlef Matthiessen)

schaftliches Potenzial für das Baugewerbe. Es könnten Tausende neuer Arbeitsplätze entstehen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe bei der Formulierung des schleswig-holsteinischen Gesetzes Anleihen in Baden-Württemberg genommen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Anleihen? - Heiter- keit)

Das Gesetz dort hat eine ähnliche Systematik wie unser Vorschlag. Das baden-württembergische Gesetz wurde im November eingebracht und gilt dort seit Beginn des Jahres, also von heute an gerechnet seit 30 Tagen.

Es wurde mit den Stimmen der CDU, der Grünen und der FDP verabschiedet.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Hört, hört!)

Herr Dr. Garg findet das Gesetz in Baden-Württemberg gut, unsere darüber hinausgehenden Vorschläge hier findet er nicht so gut. Darüber wird zu beraten sein. Für mich ist der Maßstab der Stand der Technik und der Wirtschaftlichkeit.

Noch ein Hinweis für Sie, Herr Dr. Garg: Wir geben nur einen Rahmen vor, etwa durch Energiekennzahlen, die einzuhalten sind, und zwar einen weiten zeitlichen Rahmen. Das verstehe ich unter liberaler Wirtschaftslenkung.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Dramatik der Verknappung und Verteuerung fossiler Energieträger ist im öffentlichen Bewusstsein noch nicht in vollem Umfang angekommen. Die geforderten Maßnahmen rechnen sich bereits heute für Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer und werden in Zukunft mit der zu erwartenden Energiepreisentwicklung in ihrer Wirtschaftlichkeit noch weiter steigen.

Die Tatsache, dass heute nur jede zehnte neue Heizung mit erneuerbaren Energien betrieben wird, lässt darauf schließen, dass die Vorteile der erneuerbaren Energien für die Kunden noch zu intransparent sind und die Investoren vor den Investitionskosten zurückschrecken.

Auf der anderen Seite steht auch oft die unterschiedliche Interessenlage zwischen Investor und Nutzer einer Immobilie. Die Interessen der Käufer von Heizungsanlagen, also der Vermieterinnen und Vermieter, und der Wärmeverbraucher, also der Mieterinnen und Mieter, liegen häufig auseinander. Vor dem Hintergrund dieses Dilemmas werden häufig erneuerbare Energien auch dann nicht einge

setzt, wenn sie günstiger als fossile Energieträger sind.

Betriebswirtschaftlich ist das zum Teil verständlich, klimapolitisch und volkswirtschaftlich ist das Gift. Mieterinnen und Mieter sind deshalb auch wesentlich Profiteure unseres regenerativen Wärmeenergiegesetzes für Schleswig-Holstein.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In welchen Fällen findet das Gesetz Anwendung? Im Neubaubereich soll ein Anteil von 40 % der Wärme durch erneuerbare Energien gedeckt werden, im Bestand soll ein Anteil von 20 % der Wärme durch erneuerbare Energien gedeckt werden. Der Wärmebedarf bestehender Wohngebäude soll bestimmte Werte, nämlich Energiekennzahlen, nicht überschreiten. Zeitlich gestaffelt sollen Gebäude ab dem Jahr 2010 nicht mehr als 35 Liter pro Quadratmeter Wohnfläche verbrauchen. Das heißt, wir wollen an die richtigen Energieschleudern ran, gerade auch dann, wenn dort nichts getan wird. Ab 2015 26 Liter, ab 2020 17 Liter. Die hierfür notwendigen Technologien sollen weiter ausgebaut werden und zu einer nachhaltigen Energieversorgung beitragen.

Bereits heute ist es sowohl technisch möglich als auch wirtschaftlich sinnvoll, 90 % des Wärmebedarfes durch erneuerbare Energien zu decken. Tatsächlich werden aber nur 6 % genutzt. Mit Blick auf das Klimaschutzziel, bis 2020 CO2-Einsparungen von 40 % zu erreichen, müssen wir die bisher getroffenen Maßnahmen zum Ausbau der erneuerbaren Energien drastisch verstärken.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der aktuelle Entwurf des Bundesgesetzes zur Nutzung erneuerbarer Energien aus dem Bundesumweltministerium sieht eine verbindliche Nutzung dieser Energien nur im Neubaubereich vor. Das ist wenig ambitioniert, auch in den dort ins Auge gefassten Zahlen. Die Masse des Heizenergieverbrauchs findet nämlich in Bestandsgebäuden statt. Die wärmetechnische Sanierung im Bestand hat wirtschaftlich einen wichtigen Vorteil - wir kennen die Story von Motorola in Flensburg, wir kennen die Story von Nokia jetzt aktuell in NordrheinWestfalen -: Die sanierungsbedürftigen Häuser in Kiel, Neumünster, Marne und Mölln können nicht weglaufen, die Arbeit bleibt hier im Lande. Hier kommen Ökonomie und Umweltnutzen zusammen.

Meine Damen und Herren, ich freue mich auf die Befassung mit dem schleswig-holsteinischen Erneuerbaren Wärmeenergie-Gesetz im Ausschuss.

(Detlef Matthiessen)

Ich bin mir sicher, dass wir zu einem guten Ergebnis kommen werden. Ich beantrage Überweisung an den Umweltausschuss.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der CDU erteile ich Herrn Abgeordneten Manfred Ritzek das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In dem Dokumentarfilm von Al Gore, dem früheren amerikanischen Vizepräsidenten und Hauptdarsteller des Dokumentarfilms „Eine unbequeme Wahrheit“, werden schmelzende Gletscher, Hurrikans, Überschwemmungen, Ernteausfälle, Dürren gezeigt - Bilder, die uns vor Augen führen, dass die Zeit des Achselzuckens vorbei ist. Ich glaube, dem stimmen wir alle zu.