Protocol of the Session on December 13, 2007

Tatsache ist, dass zum Zeitpunkt der Anhörung die Beschlüsse des Arbeitskreises der beiden Fraktionen schon feststanden und dass es keine Revision mehr gab. Das ist eine Tatsache, das können Sie bestätigen. Es gab eine schriftliche Vorlage von der SPD, auf der dargestellt war, welche Punkte sie gern anders hätte.

(Zurufe von der SPD)

Es war alles vorbereitet, das heißt, es gab danach keine Beratungsmöglichkeit mehr. Das ist Tatsache. Das können Sie auch nicht bestreiten, Herr Kalinka.

Herr Abgeordneter, Sie haben jetzt noch Zeit für eine Entschuldigung und dann ist Schluss.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Frau Präsidentin, in aller Freundschaft: Sie entscheiden nicht, was der Abgeordnete sagt und was nicht!)

Ich werde demnächst keine Zwischenfrage mehr zulassen, bis wir eine neue Geschäftsordnung haben!

(Martin Kayenburg [CDU]: Das entscheiden Sie doch nicht!)

Es muss möglich sein, wenn man Zwischenfragen zulässt, auch auf diese Zwischenfragen einzugehen.

Ich glaube, ich bin genügend darauf eingegangen: Es gab keine echte Beratung mehr nach der Ausschussanhörung; die fand am letzten Tag statt. Das ist ein schlechtes Verfahren bei einem so grundsätzlichen Gesetz. Es war eine schlechte Zeitplanung und das habe ich dargestellt.

Ihre Redezeit ist endgültig abgelaufen, Herr Abgeordneter.

Frau Präsidentin, ich beende damit meinen Beitrag.

Das Wort für einen weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erhält Herr Abgeordneter Günther Hildebrand.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe an der Anhörung teilgenommen, auch seinerzeit schon an der Beratung des Berichts auf die Große Anfrage, und habe dort die entsprechenden Aussagen wahrgenommen. Man muss eines sagen: Es wurde natürlich deutlich, dass es Meinungsunterschiede zwischen Herrn Professor Maelicke und Herrn Professor Ostendorf auf der einen Seite und den Mitarbeitervertretern auf der anderen Seite gab. Gerade weil diese Meinungsverschiedenheiten auftauchten, habe ich noch einmal ganz konkret nachgefragt, worauf diese zurückzuführen wären. Da ist gesagt worden, dass natürlich die Mitarbeitervertreter die Situation aus Sicht der Mitarbeiter und des Personals geschildert haben, wie es insgesamt in den Jugendhaftanstalten abgeht, während Professor Maelicke und Professor Ostendorf die Resozialisierung in den Vordergrund gestellt, dort also einen etwas übergeordneten Standpunkt eingenommen haben. Aufgrund dieser Aussagen der Sachverständigen kann sich natürlich jeder eine eigene Meinung bilden und zu entsprechenden Schlüssen kommen, wie dieses Gesetz ausformuliert sein soll.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

(Karl-Martin Hentschel)

Das Wort für einen weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erhält Herr Abgeordneter Rolf Fischer.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mir geht es ähnlich wie Frau Schlosser-Keichel: Ich denke, man sollte eine Diskussion nicht künstlich verlängern. Aber an dieser Stelle, lieber Kollege Hentschel, möchte ich doch bitte zwei Punkte noch einmal richtig stellen. Einmal stelle ich fest, dass Sie trotz der sehr überschrittenen Redezeit, die Sie hatten, die Fragen des Kollegen Kalinka nicht beantwortet haben. Ich glaube, das zeigt, dass das Argument, das Sie hier anführen, nicht stichhaltig ist.

(Beifall bei SPD und CDU)

Zweiter Punkt: Ich möchte Sie doch deutlich darum bitten, den Beratungsablauf in der SPD-Fraktion nicht in einer Weise zu bewerten, wie Sie es gerade getan haben, von wegen Vorfestlegung und alles sei schon entschieden. Sie selbst haben vorhin in Ihrer Rede auf die Änderungsanträge hingewiesen, die Ergebnis der Anhörungen und der Beratungen in der Fraktion waren. Sie haben das selbst als Beispiel dafür genannt, dass sich die SPD nicht durchgesetzt habe. Jetzt sagen Sie, es gab schon eine Vorfestlegung und es wurde nur das abgespult, was da ist. Lieber Kollege Hentschel, das entspricht weder der Wahrheit noch entspricht es dem Verhalten der SPD-Fraktion in der Sache.

Als Drittes möchte ich sagen, dass mit diesem Gesetz insgesamt die Ziele, die wir damit verfolgen, nämlich auf Resozialisierung zu setzen und darauf, Menschen wieder in diese Gesellschaft zu integrieren, erreicht werden. Man kann darüber unterschiedlicher Meinung sein. Ich glaube auch, dass es ein Recht der Opposition gibt, hier zu kritisieren. Aber der Beitrag, den Sie heute geleistet haben das habe ich vorhin schon gesagt -, hat bei mir Leidenschaften freigesetzt, die ich mir selbst nicht mehr zugetraut habe. Der war etwas, was nicht der Sache diente.

(Lebhafter Beifall bei SPD, CDU und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Das Wort für einen weiteren Kurzbeitrag erhält Herr Abgeordneter Wolfgang Kubicki.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde nicht von der Leidenschaft gepackt, ich bin leidenschaftlich!

(Heiterkeit und Zurufe - Lothar Hay [SPD]: Ob das alle bestätigen?)

- Ich hoffe, dass die männlichen Kollegen im Haus dies nicht bestätigen.

Langer Rede kurzer Sinn: Ich finde, wir sollten emotional wieder etwas zurückfahren. Der Kollege Hentschel täte gut daran, wenn er den Begriff der Schäbigkeit aus der Debatte herausnehmen würde, weil niemandem von denen - und ich habe an der Diskussion teilgenommen -, die anderer Auffassung in bestimmten Bereichen sind als ich, unterstellt werden kann, dass sie das Wohl der Gefangenen oder der Menschen, die für sie tätig sind, nicht im Auge haben. Ich habe an der Diskussion teilgenommen und, Herr Hentschel, wir wussten, dass wir einen sehr engen Zeitrahmen haben, weil das Gesetz bis zum Ende des Jahres verabschiedet werden sollte. Dass wir unterschiedliche Auffassungen haben, ist klar geworden.

Wir alle waren vorfestgelegt. Ich kann mich daran erinnern, dass wir in den Debattenbeiträgen in der ersten Lesung unsere Standpunkte bereits dargelegt haben. Das war eine Vorfestlegung. Die spannende Frage war nur, ob man im Rahmen der Sachverständigenanhörung das eine oder andere Argument findet, das einem die Revision in der einen oder anderen Frage erlaubt, ja oder nein. Wir werden vermutlich in unseren unterschiedlichen Blickwinkeln jeweils durch die Anhörungen bestätigt worden sein.

Werner Kalinka, ich will noch einmal sagen, dass ich ganz dankbar bin, weil Sie als Vorsitzender des Innen- und Rechtsausschusses tatsächlich - und zwar bei allen Gelegenheiten, soweit es eben geht breiten Raum für Debatten und Anhörungen eröffnen. Insofern herzlichen Dank an den Vorsitzenden.

Wir machen hier ein Gesetz, das in erster Linie den Gefangenen und den Menschen außerhalb der Haftanstalten dienen soll und weniger dem Personal. Dass Beschäftigte im öffentlichen Dienst - das haben wir gestern Abend wieder erlebt, Herr Minister Wiegard - natürlich über unglaubliche Arbeitsbelastungen klagen und angesichts der Tatsache, dass wir sagen, es kann keine Personalaufstockung stattfinden, sofort die Hände hochheben, wenn ihnen neue Aufgaben übertragen werden sollen, halte ich für selbstverständlich. Ich halte es auch für selbst

verständlich, dass wir möglicherweise nicht alles, was wir in Gesetzesform fassen, auch sofort realisieren können. Aber die spannende Frage ist, was der normative Imperativ eines Gesetzes ist.

Herr Kollege Fischer, ich bin dankbar, wenn Sie und Frau Schlosser-Keichel sagen - ich weiß, dass Sie es ernst meinen -, dass der Resozialisierungsgedanke an erster Stelle steht, bedauerlicherweise aber nicht im Gesetz. Er steht gleichwertig mit dem Verwahrvollzug an gleicher Stelle. Das ist ein Paradigmenwechsel. Und wenn - da habe ich Hoffnung, Frau Schlosser-Keichel - der Spielraum des Gesetzes wenigstens genutzt wird, um Ihrem Impetus zu folgen, ist das Ziel erreicht. Ich bin sicher, dass, solange Minister Döring der Minister in dieser Funktion ist, das auch so sein wird. Aber das Gesetz werden wir nicht ändern, wenn wir einen anderen Minister bekommen. Das ist die spannende Frage: Brauchen wir einen gesetzlichen Imperativ zur Resozialisierung, ja oder nein? Wir glauben, ja. Sie haben sich jetzt darauf eingelassen, Nein zu sagen, weil Sie glauben, es im Vollzug regeln zu können. Ich bedauere das, trotzdem kann ich nicht sagen, dass diese Entscheidung schäbig ist.

(Beifall bei FDP, CDU, SPD und SSW)

Das Wort für die Landesregierung hat jetzt Herr Minister Uwe Döring.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Heute verabschiedet der Landtag nach langer und intensiver fachlicher Diskussion ein eigenes Jugendstrafvollzugsgesetz für Schleswig-Holstein. Ich will jetzt am Schluss der Debatte nicht noch einmal auf die einzelnen Regelungen eingehen. Herr Kubicki, Sie haben Recht, wir haben das am Anfang schon mal in den Unterschieden diskutiert. Ich möchte noch einmal etwas zu einem aus meiner Sicht bemerkenswerten Diskussionsprozess, den wir alle miteinander durchgemacht haben, sagen. Das Thema Jugendkriminalität und Jugendstrafvollzug hat in den letzten eineinhalb Jahren in der Öffentlichkeit und in der Politik eine zuvor noch nicht gekannte Aufmerksamkeit bekommen. Ich denke, das ist ungeheuer wichtig. Denn eins muss man allen Debattenrednern auch vonseiten des Ministeriums konzedieren: Die Probleme, die wir haben, sind groß. Sie sind groß und der Bestand an sicheren Antworten ist gering.

Ich habe mich besonders gefreut, dass dies alles in allem eine nachdenkliche, offene und konstruktive Diskussion war. Schrille Töne waren in der Minderheit. Ich möchte jetzt keine Schärfe reinbringen, aber ich möchte doch an dieser Stelle ergänzen: bis zu dem Zeitpunkt, zu dem sich der Abgeordnete Karl-Martin Hentschel zu seinem heutigen Redebeitrag erhob.

Sie haben angefangen, es sei ein Tiefpunkt der parlamentarischen Debatte. Ich meine, Sie haben recht, und zwar bezogen auf Ihren Redebeitrag. Mit Unfug kann ich leben, darauf möchte ich auch nicht näher eingehen, aber Sie haben mehrfach den Begriff der Schäbigkeit benutzt und Sie haben bisher nicht die Gelegenheit genutzt, das richtig zu stellen und sich zu entschuldigen. Sie haben gleich noch die Gelegenheit. Ich wäre dankbar, wenn das aus der Welt geschafft würde.

Aber lassen Sie mich eines zurückgeben, wenn man den Begriff Schäbigkeit schon benutzt: Dann ist es schäbig, den Mord in Siegburg in Zusammenhang mit dem Bezug von Nahrungsmittelpaketen zu stellen. Das ist purer Populismus.

(Beifall bei SPD, CDU, FDP und SSW)

Das gehört sich nicht. Lesen Sie Ihre Rede nach oder das Wortprotokoll, Sie haben es in diesen Zusammenhang gebracht. Wir beide kennen uns lange genug. Das ist eigentlich nicht Ihre Art, deswegen fällt Ihnen auch kein Zacken aus der Krone, wenn Sie sagen: Da habe ich mich hinreißen lassen, Entschuldigung, das war nicht meine Absicht. Sonst muss man dazu kommen, dass die ganze Rede ein Anschlag auf seriöse Debatten in diesem Haus war.

Im Übrigen kann ich Ihnen nur sagen: Es ist eine merkwürdige Art, für Änderungsanträge zu werben. Sie wollen hier doch Mehrheiten dafür haben. Machen Sie das, indem Sie den Rest des Parlamentes beschimpfen? - Merkwürdige Art der Werbung!

Glücklicherweise läuft die Diskussion mit Fachleuten und der Öffentlichkeit anders. In SchleswigHolstein hat sich das Interesse am Jugendstrafvollzug merklich erhöht. Es gibt einen Reigen von Fach- und Diskussionsveranstaltungen. Die von mir eingesetzte Expertenkommission hat gelobt, kritisiert, konstruktive Vorschläge erarbeitet. Einige haben wir gleich umgesetzt, bei anderen dauert es etwas länger. Der Petitionsausschuss des Landtages, verschiedene Arbeitskreise, Parlamentariergruppen haben Besuche in Neumünster und Schleswig gemacht, sich ihr eigenes Bild gemacht. Das ist richtig. Das begrüße ich ausdrücklich. Ich ermutige Sie alle: Gehen Sie dahin, reden Sie nicht nur mit den

(Wolfgang Kubicki)

Theoretikern an den Universitäten, sondern auch mit den Menschen, die tagtäglich in diesem schweren Geschäft stehen.

Ich möchte an dieser Stelle auch einmal sagen: Die Menschen, die dort arbeiten, haben von uns allen Lob und Dank verdient. Sie tun Wichtiges für die Gesellschaft.

(Beifall)

In der heutigen Debatte ist deutlich geworden: Es gibt Punkte, in denen der eine oder andere gern ausführlichere und klarere Regelungen im Gesetz verankert gesehen hätte. In der Anhörung sind Anregungen vorgetragen worden. Wir werden das eine oder andere sicherlich in Diskussionen im Ausschuss fortsetzen und sehen, wie man das, ohne dass man das im Wesentlichen modifiziert, in der Praxis zum Normalfall machen kann.

Bei allem Streit in der Sache, den ich gar nicht leugnen und bagatellisieren will, sind wir - lässt man den Pulverdampf von heute einmal etwas weg - so weit gar nicht auseinander. Uns allen geht es darum, die Situation zu verbessern. Dass andere diesen Willen haben, sollte man einräumen. Es gibt sicherlich auch den einen oder anderen unterschiedlichen Weg dorthin. Wir müssen darüber diskutieren, ob der richtig ist. Ich bin gern bei Ihnen, Herr Kubicki, wenn Sie sagen: Lassen Sie uns das miteinander diskutieren. Wir sollten aber auch allen unterstellen, dass wir dasselbe Ziel haben. Dann hätten wir einen großen wichtigen Schritt getan.

Eines ist sicherlich richtig: Das Übergangs- und Entlassungsmanagement ist einer der wichtigsten Punkte in der ganzen Diskussion. Völlig unstrittig ist, dass der Jugendstrafvollzug nur erfolgreich sein kann, wenn vom ersten Tag der Haft an die Entlassung gedacht wird und darauf vorbereitet wird, und zwar so intensiv und individuell wie nur möglich. Wichtig ist dabei auch, dass schon während der ersten Schritte in der Freiheit die Weichen gestellt werden, ob der Weg zurück in die Gesellschaft oder wieder ins Gefängnis führt.

Als Justiz- und auch als Arbeitsminister sind mir die entscheidende Bedeutung einer umsichtigen und intensiven Vorbereitung der Haftentlassung und der Wert von Arbeit und Ausbildung während und nach dem Vollzug bewusst. Hier liegen wir auch nicht über Kreuz miteinander.

Ich bin allerdings davon überzeugt, dass das Gesetz eine sehr gute Grundlage ist für ein besseres Übergangsmanagement von der Haft zurück in die Freiheit und am besten sofort in sinnvolle Beschäfti

gung ist. Es gibt genügend Grundlagen und Möglichkeiten. Wir fangen auch nicht bei null an. Wir haben in Zusammenarbeit mit den ARGEn und den Optionskommunen schon eine ganze Menge getan. So oft und so gut es geht, muss ein Jugendlicher sofort, wenn sich die Gefängnistüren für ihn öffnen, in arbeitsmarktpolitische Betreuung kommen. Das ist schwierig, insbesondere weil sich die Arbeitsagentur daraus zurückgezogen hat. Wir müssen auch sehen, dass die Gefangenen, wenn sie entlassen werden, eben nicht nur von jemandem betreut werden, der den Arbeitsmarkt nur dort kennt, wo die Strafanstalt liegt. Hier muss man sich über die Möglichkeiten am Entlassungsort informieren, über den Ort, wo die Entlassenen auch wirklich hingehen. Es ist wichtig, überfassende Erkenntnisse zu haben. Wir müssen ein Übergangsmanagement in dieser Art regeln. Aber ich denke, wir haben genügend Spielraum.