Protocol of the Session on December 13, 2007

Erste Schätzungen zeigen auch die drohenden finanziellen Verluste auf. Allein für 2008 prognostiziert die Landesregierung ein Minus in Höhe von 17,9 Millionen € aus Konzessionsabgaben und Lotteriesteuern. Gerade für die Erfüllung kultureller, sozialer, sportlicher und sonstiger gemeinnütziger Aufgaben wäre es bitter, wenn der Staatsvertrag zur Folge hätte, dass die Einnahmen nicht gesichert sind, sondern jährlich weiter einbrechen, Herr Neugebauer. Auch dies muss man hier in der Deutlichkeit sagen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Mir ist völlig unverständlich, dass 16 Ministerpräsidenten den Ländern einen Staatsvertrag zur Verabschiedung vorlegen, der derartige rechtliche Risiken in sich birgt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Das lässt mich an dieser Stelle auch etwas am Föderalismus zweifeln. Das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes ist zitiert worden und auch Landtagspräsident Kayenburg hat dazu Stellung genommen. Er hat das Gutachten mit einem Begleitschreiben an uns weitergeleitet, in dem er schreibt:

„Darin werden unterschiedliche Rechtsfragen aufgeworfen, die durchaus Anlass geben, die Zustimmungsfähigkeit des Staatsvertrages zu überdenken.“

Meine Fraktion hat es sich nicht leicht gemacht. Die rechtlichen Bedenken sind so groß, dass wir dem Staatsvertrag nicht zustimmen können. Weil wir aber für den Erhalt des Staatsmonopols sind und weil wir die Gefahr sehen, dass Schleswig-Holstein aus dem Lottoblock ausgeschlossen wird, werden wir den Staatsvertrag auch nicht ablehnen. Wir werden uns enthalten.

(Zuruf der Abgeordneten Birgit Herdejürgen [SPD])

- Wir haben den Staatsvertrag nicht gemacht, Frau Abgeordnete Herdejürgen, und wir werden dafür keine Verantwortung übernehmen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Abgeordneten des SSW erteile ich der Vorsitzenden, Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk, das Wort

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich gehe einmal davon aus, dass es sich keiner leicht gemacht hat. Das Lottofieber der letzten Wochen mit dem Super-Jackpot hat noch einmal verdeutlicht, um welche Einnahmen es in diesem Bereich geht. Denn die Lust, den Jackpot zu knacken, hat vermutlich einen zweistelligen Millionenbetrag zusätzlich in den schleswig-holsteinischen Landeshaushalt gespült. Vertragsgemäß fallen bisher 41,6 % der Lottoeinnahmen an das Land und davon muss es zweckgebunden 25 % für Kunst, Soziales und Sport verwenden. Der Rest wird an die Lottospieler ausgeschüttet.

(Monika Heinold)

Mit dem heute zu beschließenden Staatsvertrag zum Glücksspielwesen, der dann am 1. Januar 2008 in Kraft tritt, würde diese Verteilung der Lottoeinnahmen in etwa weiter bestehen. So wird in Zukunft die Sportförderung per Gesetz mit mindestens 6,3 Millionen € unterstützt werden und zumindest bis 2011 sind auch die Mittel der Zweckabgabe für andere soziale Zwecke gesichert. Das ist für den SSW ein entscheidender Punkt, wenn es darum geht, diesen Staatsvertrag mitzutragen. Dazu stehe ich. Das habe ich in der Debatte auch immer wieder hervorgehoben.

Die Privatisierungsbefürworter insbesondere aus der CDU konnten bisher nicht ausreichend deutlich machen, wie diese Mittel für den Sport und für soziale Zwecke gesichert werden sollten, wenn wir den Staatsvertrag heute ablehnen. Natürlich wissen auch wir, dass der Inhalt des Staatsvertrags und damit die Weiterführung des staatlichen Wettspielmonopols juristisch umstritten ist. Das wurde auch in der Anhörung im Finanzausschuss deutlich, zumal auch der Wissenschaftliche Dienst des Landtages in einem Gutachten insbesondere die Übereinstimmung des Staatsvertrags mit dem EU-Recht in Zweifel gestellt hat.

Die Landesregierung hat demgegenüber in der mündlichen Anhörung noch einmal darauf hingewiesen, dass die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Zulassung eines staatlichen Monopols ausdrücklich in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs entwickelt worden sind. Dennoch ergab die Diskussion in der Anhörung, dass insbesondere das Internetverbot von Glücksspielen aus EU-rechtlicher Sicht problematisch sein kann und dass die EUKommission bereits angekündigt hat, dies zu überprüfen.

Diese Problematik konnte also im Ausschuss nicht abschließend geklärt werden. Daher haben einige Abgeordnete der CDU sowie die Grünen und die FDP angekündigt, dass sie diesem Staatsvertrag nicht zustimmen oder sich der Stimme enthalten werden.

Das respektieren wir. Dennoch sind wir zu einem anderen Ergebnis gekommen. Wir sind der Auffassung, dass Schleswig-Holstein in dieser Frage keinen Alleingang unternehmen sollte. Wir haben ja im Ausschuss gehört, dass alle Bundesländer noch in dieser oder in der nächsten Woche dem Staatsvertrag zustimmen werden. Wenn Schleswig-Holstein als einziges Bundesland dem Staatsvertrag nicht zustimmte, hätten wir ab dem 1. Januar ein großes Problem. Beispielsweise würden die Gelder

der Zweckabgabe für soziale Zwecke in Gefahr sein.

Auch wenn wir also große Hochachtung vor dem Sachverstand des Wissenschaftlichen Dienstes haben, so müssen wir doch in dieser Frage den Staatskanzleien der 16 Bundesländer vertrauen und darauf bauen, dass dieser Staatsvertrag juristisch und auch vor dem EU-Recht Bestand haben wird.

Mit anderen Worten: Nach dem üblichen Hickhack hat sich die Große Koalition aus unserer Sicht jetzt doch noch zu einer richtigen Entscheidung durchgerungen. Ob diese Lösung von Dauer ist oder doch noch von der EU zu Fall gebracht wird, das wird sich noch zeigen. Aber bis dahin kann es sich das Land nicht leisten, an Private zu verschenken, was der Allgemeinheit in Schleswig-Holstein zugute kommen kann. Wir werden diesem Staatsvertrag also zustimmen.

Noch eine Bemerkung! In der Debatte im Finanzausschuss hat es immer wieder große Worte gegeben. Auch heute klang an, dass Abgeordnete gegen ihre Überzeugung stimmen werden. Ich meine, Abgeordnete stimmen immer wieder gegen ihre Überzeugung. Wenn ich daran denke, wie in der Frage der Kreisgebietsreform diskutiert wurde, wenn ich bedenke, wie über den Abschuss von Flugzeugen diskutiert wurde, dann finde ich, man sollte bei diesem Punkt wirklich auf dem Teppich bleiben. Ich glaube, man kann so große Worte hierfür nicht in Anspruch nehmen.

Noch eines liegt mir am Herzen. Gesagt wurde, in anderen Bundesländern werde von unterschiedlichen Parteien anders agiert. Dies zeigt ja nur, dass die Argumente, die heute ausgetauscht werden, wirklich untereinander austauschbar sind.

Frau Kollegin, achten Sie bitte auf Ihre Redezeit!

Das werde ich tun, Herr Präsident. - Darum denke ich, man sollte auf dem Teppich bleiben.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Lieber Kollege Kubicki, das hat auch mit Ihnen zu tun. - Wir sollten die Diskussion ein wenig versachlichen. Ich meine zumindest, dass die Diskussion im Finanzausschuss nicht zu diesen Sternstunden gehörte.

(Anke Spoorendonk)

(Beifall beim SSW und des Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD] - Dr. Heiner Garg [FDP]: Die Diskussion heute auch nicht!)

Für die Landesregierung hat Herr Innenminister Dr. Ralf Stegner das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Grundsatzurteil vom 28. März 2006 geklärt, unter welchen Voraussetzungen staatliche Monopole im Glücksspielbereich mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit des Artikels 12 GG vereinbar sind. Das Gericht hat den Ländern zur Neuregelung unter Beachtung der sich aus dem Urteil ergebenden Anforderungen eine Frist bis zum 31. Dezember 2007 - das ist schon in wenigen Wochen - gesetzt. Dabei hat es für die Neuordnung des Glücksspielrechts die Alternative aufgezeigt, das bestehende staatliche Monopol für Sportwetten und Lotterien mit erhöhtem Gefährdungspotenzial konsequent am Ziel der Spielsuchtgefährdung auszurichten oder eine gesetzlich normierte und kontrollierte Veranstaltung für gewerblich-private Unternehmen zuzulassen.

Nach intensiver Prüfung der Ausgestaltungsalternativen durch eine Arbeitsgruppe der Ministerpräsidentenkonferenz haben die Ministerpräsidenten beschlossen, am staatlichen Sportwetten- und Lottomonopol festzuhalten und den vom Bundesverfassungsgericht als nicht verfassungskonform erachteten Lotteriestaatsvertrag durch den strikt ordnungsrechtlich ausgerichteten Glücksspielstaatsvertrag zu ersetzen.

Der Staatsvertrag ist zunächst auf vier Jahre befristet und nach drei Jahren ist das Ergebnis der Evaluierung seiner Auswirkung vorzulegen. Gleichzeitig wurde eine Arbeitsgruppe beauftragt, eine vergleichende Analyse des Glücksspielwesens in europäischen und außereuropäischen Staaten zu erstellen mit dem Ziel, daraus Folgerungen für eine perspektivische Neuregelung in Deutschland und in der EU abzuleiten.

Das ist übrigens auch gut so; denn in der Tat gibt es rechtliche Bedenken. Das muss man einräumen. Das kann man auch nicht bestreiten. Allerdings, sehr geehrter Herr Oppositionsführer: Wenn Sie in Ihren Rechtsprognosen so zuverlässig sind wie immer in Ihren Wahlprognosen, dann bin relativ gelassen, was das Ergebnis angeht.

Vor dem Hintergrund der vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Frist halte ich es für unabdingbar, dass der Schleswig-Holsteinische Landtag dem Glücksspielstaatsvertrag zustimmt. Übrigens, Herr Kollege Sauter, wäre es nicht nur nachteilig für Schleswig-Holstein, wenn wir nicht zustimmten, sondern es wäre katastrophal, wäre Schleswig-Holstein das einzige Land, das nicht zustimmt. Dann würden nämlich die Mittel wegfallen, die wir dringend brauchen, um den Sport und andere Dinge zu fördern und die der Herr Finanzminister nach meinem Kenntnisstand nicht gesondert aus anderen Quellen eingeplant hat, wenn wir diese Quellen nicht mehr hätten.

Insofern ist das, was wir momentan haben, jedenfalls die beste Alternative gegenüber all dem anderen, was vorgelegt worden ist, im Übrigen auch mit fragwürdigen Argumenten. Die Liberalisierung hätte eine massive Ausweitung des Glücksspielangebots zur Folge. Eine Trennung - darauf habe ich immer hingewiesen - würde übrigens gerade in dem Bereich dazu führen, dass es beim Lotto, wo die Gefahr bekanntlich geringer ist, abgeschafft werden müsste.

Gleichzeitig sind mit dem Erhalt des staatlichen Monopols die Landeseinnahmen, die zwar zurückgehen - das muss man in der Tat sagen -, insgesamt allerdings gesichert, wohingegen eine Liberalisierung des Lotterie- und Sportwettenmarkts mittelfristig mit einer Halbierung der Umsätze und der Abgaben an das Land und langfristig mit einer Entwicklung gegen null verbunden wäre, weil wir Niederlassungsfreiheit in Europa haben, weil wir einen Steuerwettbewerb haben, der nach unten geht, und weil übrigens Altruismus nicht das vorherrschende Verfahren ist, das man bei privaten Lotterieanbietern finden kann. Jedenfalls wäre mir das neu.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die rechtlichen Bedenken sind wohlabgewogen worden. Wir haben dazu Stellung genommen. Ob der Staatsvertrag mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vereinbar ist, wird sich erweisen. Im Übrigen gibt es nicht nur Rechtsexperten in Schleswig-Holstein, sondern ich gehe davon aus, dass es sie in allen Bundesländern und auch in den dortigen Staatskanzleien gibt. In guter Gesellschaft sind wir ebenfalls. Sämtliche Sportminister der Republik und fast alle Ministerpräsidenten sind für den Staatsvertrag.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Der DFB!)

Gestatten Sie mir auch den Hinweis, dass der DFB, dort, wo er sich auf seine Profifußballvereine be

(Anke Spoorendonk)

zieht, ein Problem damit hat. Aber wenn wir über den Amateursport reden, gibt es kein Problem. Für diesen sind wir auch verantwortlich, geehrter Herr Oppositionsführer.

Die Mittel, die wir für den Sport und auch für kulturelle, soziale und Umweltprojekte brauchen, würden definitiv nicht mehr zur Verfügung stehen, gingen wir einen anderen Weg. Deswegen ist die heutige Ratifizierung des Staatsvertrags - in Deutschland werden das übrigens alle Länder tun - eine richtige Entscheidung.

Ich beglückwünsche die FDP zu dem Antrag, den sie gestellt hat. Er stammt, wie ich gelesen habe, aus der Feder eines anerkannten Rechtsexperten aus Steinburg. Allerdings will ich noch etwas zur Logik Ihres Arguments, was die Arbeitsplätze angeht, sagen. Das ist die Logik, die wir zurzeit ständig hören. Über Arbeitsplätze wird gesprochen, indem man sagt: Wettbewerb um jeden Preis; für die Folgen ist der Staat zuständig. Das ist keine soziale Marktwirtschaft, meine sehr verehrten Damen und Herren, sondern das ist das Gegenteil davon. Das will ich auch noch einmal ausdrücklich sagen.

Im Übrigen ist der Tiefpunkt, von dem Sie, Herr Oppositionsführer, gesprochen haben, in einem ganz anderen Bereich bemerkenswert. Das sage ich auch als Parlamentarier. Ich meine die Form, sich mit dem Parlament auseinanderzusetzen, so wie das einzelne Lobbys getan haben, mit Anzeigen, zum Teil mit einer Sprache, die gegenüber dem Parlament wirklich sehr bemerkenswert ist.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das sagt der Richti- ge!)

Ich finde, es ist schon eine bemerkenswerte Form, eine Auseinandersetzung zu führen, wenn man sich dann hinstellt und sagt, leider habe man schlechte Bilanzen, weil man so viel Geld für Anzeigen und für Rechtsanwälte ausgeben musste.

(Beifall bei der SPD)

Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir treffen eine Entscheidung im Sinne des Gemeinwohls. Dafür, für das Gemeinwohl zu entscheiden, sind wir übrigens zuständig.

Ich zitiere zum Schluss:

„Die Summe von Einzelinteressen ergibt nicht Gemeinwohl, sondern Chaos.“